HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Ham­burg, Ur­teil vom 16.10.2012, 21 Ca 43/12

   
Schlagworte: Arbeitsvertrag, Praktikum, Psychologe
   
Gericht: Arbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: 21 Ca 43/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.10.2012
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   


Ar­beits­ge­richt Ham­burg


Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

Geschäfts­zei­chen:
21 Ca 43/12


Verkündet am:
16. Ok­to­ber 2012


B., RHS
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In dem Rechts­streit

er­kennt das Ar­beits­ge­richt Ham­burg, 21. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 16. Ok­to­ber 2012
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt St­ein als Vor­sit­zen­den
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr Sch.
die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau Pe.
für Recht:

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1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin € 33.460,20 brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz auf je­weils € 1.858,90 brut­to seit dem 01. Fe­bru­ar 2008, 01. März 2008, 01. April 2008, 01. Mai 2008, 01. Ju­ni 2008, 01. Ju­li 2008, 01. Au­gust 2008, 01. Sep­tem­ber 2008, 01. Ok­to­ber 2008, 01. No­vem­ber 2008, 01. De­zem­ber 2008, 01. Ja­nu­ar 2009, 01. .Fe­bru­ar 2009, 01. März 2009, 01. April 2009, 01. Mai 2009, 01. Ju­ni 2009 und 01. Ju­li 2009 zu zah­len.


2. Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te.


3. Der Streit­wert beträgt 33.460,--.

 

 

Sch.  

St­ein  

Pe.

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Tat­be­stand


Die Par­tei­en strei­ten um die Zah­lung von Ar­beits­vergütung.
Die 1974 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist ver­hei­ra­tet und zwei min­derjähri­ge Kin­der. Sie ab­sol­vier­te ein Uni­ver­sitäts­stu­di­um, das sie am 08. Ja­nu­ar 2003 als Di­plom-Psy­cho­lo­gin be­en­de­te. Von 2003 bis 2006 ar­bei­te­te sie als Schul­psy­cho­lo­gin und in der Re­ha hörgeschädig­ter Kin­der.
Die Kläge­rin be­schloss, als psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­tin tätig wer­den zu wol­len. Von Sep­tem­ber 2006 bis Ja­nu­ar 2008 ab­sol­vier­te sie bei der D. G. für V. in H. die dafür er­for­der­li­che theo­re­ti­sche Aus­bil­dung (192 Un­ter­richts­stun­den á 45 Mi­nu­ten).
Die prak­ti­sche Aus­bil­dung mach­te sie bei der Be­klag­ten. Am 14. Ja­nu­ar 2008 schlos­sen die Par­tei­en „Ver­ein­ba­run­gen“ für die Zeit vom 01. Ja­nu­ar 2008 bis zum 31. De­zem­ber 2008 so­wie gleich­lau­tend am 24. No­vem­ber 2008 für die Zeit vom 01. Ja­nu­ar 2009 bis 30. Ju­ni 2009 (An­la­gen K2 und K3, Bl. 8 und Bl. 10 d. A.). Dar­in wird die Be­klag­te als Aus­bil­der und die Kläge­rin als Prak­ti­kan­tin be­zeich­net. In dem Ver­trag heißt es, dass der Kläge­rin ge­stat­tet wird, bei der Be­klag­ten ein Prak­ti­kum aus­sch­ließlich in ih­rem ei­ge­nen In­ter­es­se zur Fes­ti­gung oder zur Er­wei­te­rung der be­ruf­li­chen Kennt­nis­se, Fer­tig­kei­ten und Er­fah­run­gen durch­zuführen. Fer­ner heißt es, dass we­der ein Ar­beits­verhält­nis noch ein Be­rufs­bil­dungs­verhält­nis be­gründet wird und dass das Prak­ti­kum nicht vom An­wen­dungs­be­reich ei­nes für die Be­klag­te gel­ten­den Ta­rif­ver­tra­ges er­fasst wird. Sch­ließlich heißt es, dass die Kläge­rin während des Prak­ti­kums kein Ent­gelt, kei­ne Bezüge oder Entschädi­gun­gen von der Be­klag­ten erhält und nicht der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rungs- und Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rungs­pflicht un­ter­liegt.
Am 11. Ju­ni 2009 be­schei­nig­te die Be­klag­te der Kläge­rin, dass sie in der Zeit von Ja­nu­ar 2008 bis De­zem­ber 2008 im Rah­men ih­rer Aus­bil­dung zur Psy­cho­the­ra­peu­tin die prak­ti­sche Tätig­keit ent­spre­chend § 1 Abs. 2 Zif­fer 1 der Aus­bil­dungs- und Prüfungs­ver­ord­nung mit 1.480 St­un­den prak­ti­scher Tätig­keit bei der Be­tei­li­gung an min­des­tens 30 Fällen an der Dia­gnos­tik und Be­hand­lung über ei­nen länge­ren Zeit­raum ab­sol­viert hat. Für die Zeit von Ja­nu­ar 2009 bis Ju­ni 2009 be­schei­nig­te die Be­klag­te der Kläge­rin 750 St­un­den prak­ti­sche Tätig­keit und für Ja­nu­ar 2008 bis Ju­ni 2009 200 Be­hand­lungs­stun­den in ei­ner der psych­ia­tri­schen Am­bu­lan­zen. Für die Zeit von Ja­nu­ar 2009 bis Ju­ni 2009 be­schei­nig­te sie der Kläge­rin 38 Be­hand­lungs­stun­den in ei­ner der psych­ia­tri­schen Am­bu­lan­zen.
Am 11. Ju­ni 2009 er­teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin ein „Ar­beits­zeug­nis“ (Anl. K 8, Bl. 16 d.A.). Dar­in heißt es, dass die Kläge­rin vom 01.01.2008 bis zum 30.06.2009 mit ei­ner Wo­chen­ar­beits­zeit von 25 St­un­den im Rah­men der Aus­bil­dung zum psy­cho­lo­gi­schen Psy­cho­the­ra­peu­ten im sta­ti­onären und teil­sta­ti­onären Be­reich tätig war. Es heißt so­dann, dass die Kläge­rin un­ter re­gelmäßiger Su­per­vi­si­on ei­genständig ko­gni­tiv-ver­hal­tens­the­ra­peu­ti­sche Ein­zel­gespräche mit ins­ge­samt 18 Pa­ti­en­ten durch­geführt hat und dass die Kläge­rin für die­se Pa­ti­en­ten als Primär-The­ra­peu­tin zuständig war und da­bei außer­dem die ärzt­li­che und pfle­ge­ri­sche Zu­sam­men­ar­beit ko­or­di­niert hat. Fer­ner heißt es, dass die ver­hal­tens­the­ra­peu­ti­sche Be­treu­ung ne­ben re­gelmäßigen Gesprächen auch Ex­po­si­ti­onsübun­gen so­wie An­gehöri­gen- und Paar­gespräche um­fass­te. So­dann heißt es, dass die

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Kläge­rin ei­genständig und re­gelmäßig ver­schie­de­ne The­ra­pie­grup­pen ge­lei­tet hat und da­durch an der Kom­plex­be­hand­lung von ins­ge­samt über 100 Pa­ti­en­ten be­tei­ligt war. In dem Ar­beits­zeug­nis heißt es schließlich, dass wei­te­re re­gelmäßige Auf­ga­ben der Kläge­rin in der Lei­tung der ta­ges­kli­ni­schen Mor­gen­run­de, im Be­rich­ten über den The­ra­pie­ver­lauf, in Überg­a­ben und Ober­arzt­vi­si­ten, in der Teil­nah­me an Grup­pen­su­per­vi­sio­nen und Struk­tur­sit­zun­gen, im re­gelmäßigen Do­ku­men­tie­ren des The­ra­pie­ver­laufs, in der Or­ga­ni­sa­ti­on der Pa­ti­en­ten­da­ten im Com­pu­ter­sys­tem und im Er­fas­sen von Ent­las­sungs­brie­fen be­stan­den.
Mit Schrei­ben vom 11. No­vem­ber 2009 (An­la­ge K 12, Bl. 36 d. A.) mach­te die Kläge­rin ge­genüber der Be­klag­ten die Zah­lung von Ar­beits­vergütung in Höhe von € 35.713,92 gel­tend. Die Be­klag­te kam dem nicht nach.
Mit ih­rer am 2. Fe­bru­ar 2011 bei Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge be­gehrt die Kläge­rin Zah­lung von Ar­beits­vergütung für die Zeit vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis zum 30. Ju­ni 2009 in Höhe von € 33.460,20 brut­to. Sie ver­tritt die Auf­fas­sung, dass die Re­ge­lung des Prak­ti­kan­ten­ver­tra­ges, der zu­fol­ge sie kei­ne Vergütung erhält, un­wirk­sam sei.
Sie macht gel­tend, dass ein Ar­beits­verhält­nis be­stan­den ha­be. Sie führt an, dass sie wie die an­de­ren Di­plom-Psy­cho­lo­gen in den Ar­beits­ab­lauf und die Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on ein­ge­bun­den ge­we­sen sei. Sie ver­weist dar­auf, dass sie wöchent­lich 25 St­un­den für die Be­klag­te mon­tags bis don­ners­tags je­weils von 08:30 Uhr bis 15:00 Uhr ge­ar­bei­tet hat. Sie be­zieht sich auf das ihr er­teil­te Ar­beits­zeug­nis und ver­weist auf die dort de­tail­liert wie­der­ge­ge­be­ne Be­schrei­bung ih­rer Tätig­kei­ten. Ergänzend trägt sie vor, dass ihr 3 ei­ge­ne Pa­ti­en­ten zu­ge­teilt wor­den wa­ren und dass sie bei der Neu­auf­nah­me von Pa­ti­en­ten eben­so wie an­de­re Psy­cho­lo­gen berück­sich­tigt wur­de, so­fern sie mit ih­ren ei­ge­nen Pa­ti­en­ten nicht aus­ge­las­tet war. Sie hebt her­vor, dass sie selbstständig und ei­gen­ver­ant­wort­lich The­ra­pie­grup­pen lei­te­te und in­so­weit die ver­ant­wort­li­che Psy­cho­lo­gin ge­we­sen war. Wie al­le an­de­ren Psy­cho­lo­gen ha­be sie die Auf­nah­me­gespräche vor­ge­nom­men, zu der der Ober­arzt kurz hin­zu­kam.
Sie trägt vor, dass der Ober­arzt für ei­ne Su­per­vi­si­ons­sprech­stun­de an ei­nem be­stimm­ten Wo­chen­tag von 12:00 Uhr bis 13:00 Uhr in sei­nem Büro ge­we­sen sei. Darüber hin­aus ha­be es ein­mal wöchent­lich ei­ne hal­be St­un­de Ein­zel­su­per­vi­si­on bei der lei­ten­den Psy­cho­lo­gin ge­ge­ben. Sie ha­be wöchent­lich al­so 2,5 St­un­den Su­per­vi­si­on er­hal­ten. Das würde zur nor­ma­len be­ruf­li­chen Tätig­keit des Fach­per­so­nals gehören.
Die Kläge­rin be­an­tragt,

1. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin für die Zeit vom 01. Ja­nu­ar 2008 bis 30. Ju­ni 2008 ei­ne Brut­to­ar­beits­vergütung in Höhe von € 11.153,40 nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz auf je­weils € 1.858,90 brut­to seit dem 01. Fe­bru­ar 2008, 01. März 2008, 01. April 2008, 01. Mai 2008, 01. Ju­ni 2008 und 01. Ju­li 2008 zu zah­len;

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2. die Be­klag­te wird darüber hin­aus ver­ur­teilt, für die Zeit vom 01. Ju­li 2008 bis zum 31. De­zem­ber 2008 ei­ne Brut­to­ar­beits­vergütung in Höhe von € 11.153,40 nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz auf je­weils € 1.858,90 brut­to seit dem 01. Au­gust 2008, 01. Sep­tem­ber 2008, 01. Ok­to­ber 2008, 01. No­vem­ber 2008, 01. De­zem­ber 2008 und 01. Ja­nu­ar 2008 zu zah­len.

3. die Be­klag­te wird darüber hin­aus ver­ur­teilt, für die Zeit vom 01. Ja­nu­ar 2009 bis zum 30. Ju­ni 2009 ei­ne Brut­to­ar­beits­vergütung in Höhe von € 11.153,40 nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz auf je­weils € 1.858,90 brut­to seit dem 01. Fe­bru­ar 2009, 01. März 2009, 01. April 2009, 01. Mai 2009, 01. Ju­ni 2009 und 01. Ju­li 20099 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Kla­ge ab­zu­wei­sen.
Die Be­klag­te hebt her­vor, dass es selbst­verständ­lich sei, dass die Kläge­rin in die Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on der Kli­nik ein­ge­bun­den ge­we­sen sei. Sie hebt her­vor, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 3 der Aus­bil­dungs- und Prüfungs­ver­ord­nung für psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­ten ei­ne fach­kun­di­ge An­lei­tung und Auf­sicht vor­ge­se­hen ist. Wenn die Prüfungs­ord­nung ei­nen pra­xis­na­hen und pa­ti­en­ten­be­zo­ge­nen Ein­satz vor­se­he, sei ei­ne in Tei­len selbstständi­ge Ar­beits­wei­se zwin­gend ge­bo­ten. Der Aus­bil­dungs­ein­satz der Kläge­rin ent­spre­che al­so auch im Hin­blick auf die teil­wei­se Selbstständig­keit dem vom Psy­cho­the­ra­peu­ten­ge­setz in Ver­bin­dung mit der Aus­bil­dungs- und Prüfungs­ver­ord­nung für psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­ten ge­setz­ten recht­li­chen Rah­men.
Sie macht dar­auf auf­merk­sam, dass der Prak­ti­kums­ver­trag aus­drück­lich re­gelt, dass die Kläge­rin kein Ent­gelt erhält. Die­se Ver­ein­ba­rung sei nicht sit­ten­wid­rig. Es feh­le be­reits an der Aus­nut­zung ei­ner Zwangs­la­ge, da die Kläge­rin be­reits ei­ne Be­rufs­aus­bil­dung ab­ge­schlos­sen hat­te. Sie hätte ih­re bis­he­ri­ge be­ruf­li­che Tätig­keit wei­ter­hin ausüben können. Sie sei auch nicht dar­auf an­ge­wie­sen ge­we­sen, ihr Prak­ti­kum ge­ra­de bei der Be­klag­ten zu ab­sol­vie­ren. Zu­dem hätte sie das Prak­ti­kum je­der­zeit ab­bre­chen können, oh­ne ver­trags­brüchig zu wer­den. Auch ein wu­cherähn­li­ches Geschäft lie­ge nicht vor. Denn es feh­le an ei­nem auffälli­gen Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung. Den von der Kläge­rin er­brach­ten Ar­beits­leis­tun­gen ha­be ein er­heb­li­cher Auf­wand auf Sei­ten der Be­klag­ten ge­genüber ge­stan­den. Denn die ver­ant­wort­li­chen Ärz­te hätten sich lau­fend über den In­halt und die Ent­wick­lung der von der Kläge­rin durch­geführ­ten Be­hand­lun­gen in­for­mie­ren und hier­zu die von ihr ge­fer­tig­ten Do­ku­men­ta­tio­nen über­prüfen müssen. Dem­zu­fol­ge schei­de ein An­spruch aus § 612 BGB in Ver­bin­dung mit § 138 Abs. 1 BGB oder § 138 Abs. BGB aus.

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Auf §§ 26, 17 BBiG könne die Kla­ge nicht gestützt wer­den, da nach § 7 Psy­cho­the­ra­peu­ten­ge­setz das BBiG auf die Aus­bil­dun­gen nach die­sem Ge­setz kei­ne An­wen­dung fin­det.
Sch­ließlich schei­de auch ein An­spruch aus §§ 611, 612 BGB aus. Denn zwi­schen den Par­tei­en ha­be kein Ar­beits­ver­trag be­stan­den. Die ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen der Par­tei­en hätten in ers­ter Li­nie Aus­bil­dungs­cha­rak­ter ge­habt. Die me­di­zi­ni­sche Ver­ant­wor­tung für die von der Kläge­rin durch­geführ­ten Be­hand­lun­gen ha­be bei den Ärz­ten ge­le­gen. Die Ak­ti­vitäten der Kläge­rin hätte un­ter ständi­ger Be­auf­sich­ti­gung und Be­glei­tung der ihr über­stell­ten er­fah­re­nen Be­rufs­trägern ge­stan­den. Die Kläge­rin sei nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, Ar­beits­leis­tun­gen zu er­brin­gen. Sie hätte je­der­zeit die Möglich­keit ge­habt, ihr Prak­ti­kum oh­ne die Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist zu be­en­den, oh­ne dass ihr dar­aus recht­li­che Nach­tei­le ent­stan­den wären. Das Ver­trags­verhält­nis sei al­so un­ver­bind­lich ge­we­sen. Zu­dem sei die Kläge­rin nicht Wei­sun­gen der Be­klag­ten un­ter­wor­fen ge­we­sen. Im Übri­gen sei es auch gänz­lich üblich, dass ein Prak­ti­kum im Rah­men der Aus­bil­dung zum psy­cho­lo­gi­schen Psy­cho­the­ra­peu­ten nicht vergütet wird. Fol­ge­rich­tig ent­hiel­ten die ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge kei­ne Re­ge­lun­gen für ei­nen Vergütungs­an­spruch der­ar­ti­ger Prak­ti­kan­ten.
Sch­ließlich ver­weist die Be­klag­te auf § 3 Zif­fer 8 des Prak­ti­kan­ten­ver­tra­ges, dem­zu­fol­ge die Kläge­rin ver­pflich­tet ist, un­verzüglich an­zu­zei­gen, wenn sie bei der Be­klag­ten ei­ne Tätig­keit ausübt, die nicht mehr aus­sch­ließlich der ei­ge­nen Fort­bil­dung dient. Die Be­klag­te meint, dass die Kläge­rin In An­be­tracht des­sen ver­pflich­tet ge­we­sen wäre, sie dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sie sich in ei­nem Ar­beits­verhält­nis be­fin­de. Da die Kläge­rin ei­nen sol­chen Hin­weis un­ter­ließ, sei es ihr nach Treue und Glau­ben ver­wehrt, sich im Nach­hin­ein auf ein Ar­beits­verhält­nis zu be­ru­fen.
Die Be­klag­te macht fer­ner gel­tend, dass die Kla­ge der Höhe nach zum Teil un­schlüssig sei. Für die Su­per­vi­si­ons­stun­den könne die Kläge­rin kei­ne Ar­beits­vergütung ver­lan­gen, da sie während­des­sen kei­ne Ar­beits­leis­tung er­bracht ha­be.
Die Be­klag­te macht gel­tend, dass bei der Kläge­rin als „PiA“ (Psy­cho­lo­gin in Aus­bil­dung) der Aus­bil­dungs­cha­rak­ter im Vor­der­grund ge­stan­den ha­be. Ihr sei­en wöchent­lich 12 St­un­den Su­per­vi­si­on an­ge­bo­ten wor­den. Die Kläge­rin ha­be an den 5 wöchent­li­chen Pflicht-Su­per­vi­si­ons­stun­den teil­ge­nom­men.
Die Be­klag­te meint, dass es sich bei der Ein­ord­nung der recht­li­chen Be­zie­hun­gen der Par­tei­en auf­dränge, ei­ne Par­al­le­le zu den da­ma­li­gen Ärz­ten im Prak­ti­kum zu zie­hen. Trotz des ho­hen Gra­des an Ei­gen­ver­ant­wort­lich­keit der Ärz­te im Prak­ti­kum ha­be nie­mand ernst­haft in Erwägung ge­zo­gen, dass sich Ärz­te im Prak­ti­kum in ei­nem Ar­beits- und nicht in ei­nem Aus­bil­dungs­verhält­nis be­fun­den hätten. Ent­schei­dend sei ge­we­sen, dass den Ai­Plern die Ap­pro­ba­ti­on ge­fehlt hat. Ge­nau­so ver­hal­te es sich aber bei den Psy­cho­the­ra­peu­ten in Aus­bil­dung. Als di­plo­mier­te Psy­cho­lo­gin sei die Kläge­rin sei­ner­zeit nicht be­rech­tigt ge­we­sen, den Be­ruf ei­ner Psy­cho­the­ra­peu­tin aus­zuüben, da sie dafür ei­ne Ap­pro­ba­ti­on benötigt hätte.

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Wei­te­re Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Par­tei­en er­ge­ben sich aus den ge­wech­sel­ten Schriftsätzen nebst An­la­gen, die Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung wa­ren, so­wie den münd­li­chen Erklärun­gen der Par­tei­en. Dar­auf wird ergänzend gemäß § 313 Abs. 2 ZPO in Ver­bin­dung mit § 46 abs. ArbGG ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Kla­ge hat Er­folg.
Die Kla­ge ist zulässig und be­gründet. Die Be­klag­te ist ver­pflich­tet, die aus­ge­ur­teil­ten Beträge an die Kläge­rin zu zah­len. Die­se Ent­schei­dung be­ruht in tatsäch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht kurz zu­sam­men­ge­fasst im We­sent­li­che auf fol­gen­den Erwägun­gen (§ 313 Abs. 3 ZPO in Ver­bin­dung mit § 46 Abs. 2 ArbGG):


1. Die Kla­ge ist zulässig.

a) Der be­an­trag­ten Sach­ent­schei­dung ste­hen kei­ne Pro­zess­hin­der¬nis­se ent­ge­gen. Die Sa­chur­teils­vor­aus­set­zun­gen sind erfüllt. Die Par­tei­en sind par­tei- und pro­zessfähig. Ih­nen steht die Pro­zessführungs­be­fug­nis zu. Die Kla­ger­he­bung ist ord­nungs­gemäß.

b) Der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ist ge­ge­ben. Es han­delt sich um ei­ne bürger­li­che Rechts­strei­tig­keit zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber aus dem Ar­beits­verhält­nis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG). Die Schutz­funk­ti­on ist des Ar­beits­rechts ist ge­fragt, weil der Ar­beits­markt an­de­ren Re­geln zu fol­gen hat als Güter- oder Ka­pi­talmärk­te. „Wer Ar­beit leis­tet, gibt kei­nen Vermögens­ge­gen­stand, son­dern sich selbst hin“ (Sinz­hei­mer, Das We­sen des Ar­beits­rechts, in: Sinz­hei­mer, Ar­beits­recht und Rechts­so­zio­lo­gie, Bd. 1, 108,110).

c) Das Ar­beits­ge­richt Ham­burg ist ört­lich zuständig. Die Be­klag­te hat ih­ren Sitz in Ham­burg (§ 17 ZPO), die Kläge­rin hat re­gelmäßig in Ham­burg ge­ar­bei­tet (§ 48 Abs. 1a ArbGG).

2. Die Kla­ge ist be­gründet. In der Zeit vom 01. Ja­nu­ar 2008 bis zum 30. Ju­ni 2009 be­stand zwi­schen den Par­tei­en ein Ar­beits­verhält­nis. Die Kläge­rin hat in die­sem Zeit­raum der Kli­nik der Be­klag­ten als Psy­cho­lo­gin 25 St­un­den in der Wo­che ge­ar­bei­tet.

a) Die Kläge­rin war nicht als psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­tin tätig. Nach § 1 des Psy­cho­the­ra­peu­ten­ge­set­zes be­darf ei­ne psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­tin der Ap­pro­ba­ti­on. Die­se fehl­te der Kläge­rin in dem hier in Re­de ste­hen­den Zeit­raum.

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b) Die Be­klag­te hat die Kläge­rin mit Auf­ga­ben ei­ner Di­plom-Psy­cho­lo­gin be­traut und hat sie als Di­plom-Psy­cho­lo­gin ein­ge­setzt. Das war möglich, weil die Kläge­rin Di­plom-Psy­cho­lo­gin ist.

c) Zwi­schen den Par­tei­en be­stand ein Ar­beits­verhält­nis.

aa) Für die recht­li­che Ein­ord­nung ei­nes Ver­tra­ges als Ar­beits­ver­trag kommt es nicht dar­auf an, wie die Par­tei­en das Rechts­verhält­nis be­zeich­nen (BAG 12. Sep­tem­ber 1996 - 5 AZR 1066/94, BA­GE 84, 108).

bb) Das von den Par­tei­en als Prak­ti­kan­ten­zeit be­zeich­ne­te Ver­trags­verhält­nis war bei der ge­bo­te­nen ob­jek­ti­ven Be­trach­tung ein Ar­beits­verhält­nis.

Ar­beit­neh­mer ist, wer auf Grund ei­nes pri­vat­recht­li­chen Ver­tra­ges im Dienst ei­nes an­de­ren zur Leis­tung wei­sungs­ge­bun­de­ner, fremd­be­stimm­ter Ar­beit in persönli­cher Abhängig­keit ver­pflich­tet ist (BAG 6. Ju­li 1995 - 5 AZB 9/93, BA­GE 80, 256). Der Ar­beit­neh­mer er­bringt sei­ne ver­trag­lich ge­schul­de­te Leis­tung im Rah­men ei­ner von Drit­ten be­stimm­ten Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on. Sei­ne Ein­glie­de­rung in die Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on zeigt sich ins­be­son­de­re dar­an, dass er ei­nem Wei­sungs­recht un­ter­liegt, das In­halt, Durchführung, Zeit, Dau­er und Ort der Tätig­keit be­tref­fen kann (BAG 6. Mai 1998 - 5 AZR 612/97, AP BGB § 611 Abhängig­keit Nr. 95).

Die Ab­gren­zung zwi­schen ei­nem Prak­ti­kan­ten­verhält­nis und ei­nem Ar­beits­verhält­nis rich­tet sich da­nach, ob der Aus­bil­dungs­zweck im Vor­der­grund steht (BAG 13.3.2003 - 6 AZR 564/01, EzB BBiG § 26 Nr 18; LAG Ba­den-Würt­tem­berg 8.2.2008 – 5 Sa 45/07, NZA 2008, 768). Ein Ar­beits­verhält­nis ist zu ver­nei­nen, wenn bei ei­ner Ge­genüber­stel­lung der An­tei­le "Aus­bil­dungs­zweck" und "für den Be­trieb er­brach­te Leis­tun­gen und Ar­beits­er­geb­nis­se" das Er­ler­nen prak­ti­scher Kennt­nis­se und Er­fah­run­gen deut­lich über­wiegt.

cc) Vor die­sem Hin­ter­grund zeigt sich, dass zwi­schen den Par­tei­en ein Ar­beits­verhält­nis be­stand. Das gilt auch dann, wenn die tatsächli­chen Be­haup­tun­gen der Be­klag­ten als zu­tref­fend zu Grun­de ge­legt wer­den. Ei­ne wei­te­re Aufklärung des Sach­ver­halts war da­her nicht er­for­der­lich.

Die Tätig­keit der Kläge­rin er­folg­te auf­grund ei­nes pri­vat­recht­li­chen Ver­tra­ges. Die Kläge­rin er­brach­te ih­re Diens­te im Be­trieb der Be­klag­ten. Sie war

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räum­lich, per­so­nell und or­ga­ni­sa­to­risch ein­ge­bun­den in die Struk­tur der Be­klag­ten. Der Kläge­rin stand es nicht frei, zu ent­schei­den, ob, wann und was sie wie vor­neh­men woll­te, viel­mehr ar­bei­te­te sie in Ab­stim­mung und nach Vor­ga­ben der Be­klag­ten.

Die Be­klag­te hat die Kläge­rin wie ei­ne Ar­beit­neh­me­rin ein­ge­setzt. Die von der Be­klag­ten im Ar­beits­zeug­nis vom 11. Ju­ni 2009 do­ku­men­tier­ten Auf­ga­ben und Leis­tun­gen der Kläge­rin sind un­strei­tig. Da­nach hat die Kläge­rin ei­genständig ko­gni­tiv-ver­hal­tens­t­he­ra-peu­ti­sche Ein­zel­gespräche mit Pa­ti­en­ten durch­geführt. Für die­se Pa­ti­en­ten war die Kläge­rin als Primärthe­ra­peu­tin zuständig. Sie hat da­bei außer­dem die ärzt­li­che und pfle­ge­ri­sche Zu­sam­men­ar­beit ko­or­di­niert. Zu­dem hat sie ei­genständig und re­gelmäßig ver­schie­de­ne The­ra­pie­grup­pen ge­lei­tet. Zu ih­ren den re­gelmäßigen Auf­ga­ben gehörten des Wei­te­ren die Lei­tung der ta­ges­kli­ni­schen Mor­gen­run­de, das Be­rich­ten über den The­ra­pie­ver­lauf in Überg­a­ben und Ober­arzt­vi­si­ten, die Teil­nah­me an Grup­pen­su­per­vi­sio­nen und Struk­tur­sit­zun­gen, das re­gelmäßige Do­ku­men­tie­ren des The­ra­pie­ver­laufs, die Or­ga­ni­sa­ti­on der Pa­ti­en­ten­da­ten im dafür vor­ge­se­he­nen Com­pu­ter­sys­tem und das Ver­fas­sen von Ent­las­sungs­brie­fen. Ih­re Leis­tun­gen sind ge­genüber den Ver­si­che­rungs­trägern nor­mal ab­ge­rech­net wor­den.

Zwar heißt es in der Aus­bil­dungs- und Prüfungs­ver­ord­nung, dass der Aus­bil­dungs­teil­neh­mer an der Dia­gnos­tik und Be­hand­lung zu be­tei­li­gen ist, die Kläge­rin hat ih­re Ar­beit je­doch aus­weis­lich des Zeug­nis­ses über­wie­gend ei­genständig er­bracht. Als Prak­ti­kan­tin wäre sie tätig ge­we­sen, wenn sie ih­re Ar­beit un­ter An­lei­tung der Be­klag­ten er­bracht hätte. Das war vor­lie­gend nicht der Fall. Die Kläge­rin war nicht be­glei­tet von ei­nem Aus­bil­der be­zie­hungs­wei­se un­ter den Au­gen ei­nes Aus­bil­ders tätig. Ih­re Leis­tun­gen und Tätig­kei­ten ent­spra­chen ge­nau dem, was in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten ste­hen­de Di­plom-Psy­cho­lo­gen voll­brin­gen. Die Be­klag­te hat fol­ge­rich­tig auch die von der Kläge­rin er­brach­ten Leis­tun­gen ge­genüber den Ver­si­che­rungs­trägern voll ab­ge­rech­net.

Nicht über­zeu­gend ist der Ein­wand der Be­klag­ten, dass der Ein­satz der Kläge­rin auch im Hin­blick auf die teil­wei­se Selbstständig­keit dem vom Psy­cho­the­ra­peu­ten­ge­setz in Ver­bin­dung mit der Aus­bil­dungs- und Prüfungs­ver­ord­nung für psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­ten ge­setz­ten recht­li­chen Rah­men ent­spre­che, dass al­so auch die von ihr

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ei­gen­ver­ant­wort­lich er­brach­ten Tätig­kei­ten qua Ge­setz Aus­bil­dung sei­en. Dem ist ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass das Psy­cho­the­ra­peu­ten­ge­setz le­dig­lich die Vor­aus­set­zun­gen re­gelt, un­ter de­nen ei­ne Tätig­keit als psy­cho­lo­gi­scher Psy­cho­the­ra­peut zulässig ist. Ver­langt wird ei­ne prak­ti­sche Tätig­keit, die von theo­re­ti­scher und prak­ti­scher Aus­bil­dung be­glei­tet wird (§ 5). Zur Fra­ge, ob die prak­ti­sche Aus­bil­dung in Ge­stalt ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses oder in Ge­stalt ei­nes Prak­ti­kan­ten­verhält­nis­ses statt­zu­fin­den hat, trifft das Psy­cho­the­ra­peu­ten­ge­setz kei­ne Aus­sa­ge. Das Psy­cho­the­ra­peu­ten­ge­setz schreibt mit an­de­ren Wor­ten kei­nes­wegs vor, dass die Aus­bil­dung oh­ne Vergütung zu er­fol­gen hat. Es gilt des­halb die all­ge­mei­ne Er­kennt­nis, dass sich Aus­bil­dung und Ar­beits­verhält­nis nicht aus­sch­ließen.

Die Vor­stel­lung des le­bens­lan­gen Ler­nens ba­siert ge­ra­de­zu auf der An­nah­me, dass Ar­beit mit Ler­nen ver­bun­den sein kann. Im Fall der Kläge­rin ist es um­so na­he lie­gen­der, von ei­ner Ergänzung und Er­wei­te­rung ih­rer be­ruf­li­chen Fähig­kei­ten aus­zu­ge­hen, nicht aber von ei­nem ers­ten Ken­nen­ler­nen ei­ner be­ruf­li­chen Tätig­keit über­haupt. Denn die Kläge­rin ist seit dem 8. Ja­nu­ar 2003 di­plo­mier­te Psy­cho­lo­gin und war be­reits jah­re­lang in ih­rem Be­ruf tätig.

Der Um­stand, dass die Kläge­rin ih­re Tätig­keit für die Be­klag­te je­der­zeit hätte be­en­den können, ist für die Klas­si­fi­zie­rung des Ver­trags­verhält­nis­ses un­be­acht­lich. Ein Ar­beits­verhält­nis setzt nicht not­wen­di­ger­wei­se ei­ne be­stimm­te Dau­er oder die Bin­dung an ei­ne be­stimm­te Kündi­gungs­frist vor­aus.

Recht­lich un­er­heb­lich, im Übri­gen aber auch un­zu­tref­fend ist, dass nie­mand für Psy­cho­the­ra­peu­ten in Aus­bil­dung ei­ne Vergütung for­dern würde. Die Be­klag­te selbst hat ge­schil­dert, dass die Ge­werk­schaf­ten seit länge­rem ei­ne ent­spre­chen­de ta­rif­li­che Re­ge­lung ver­lan­gen.

Der Ein­wand der Be­klag­ten, dass die Kläge­rin nicht ih­ren Wei­sun­gen un­ter­wor­fen ge­we­sen sei, geht fehlt. Die Kläge­rin hat sich während des Ver­trags­verhält­nis­ses nicht die Pa­ti­en­ten aus­ge­sucht, die sie be­han­deln möch­te und hat nicht selbst ent­schie­den, wann, wo und mit wel­cher Me­tho­de die Be­hand­lung durch­geführt wird. All dies ist ihr viel­mehr von der Be­klag­ten vor­ge­ge­be­nen wor­den.

Der An­nah­me ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses steht auch nicht ent­ge­gen, dass die Kläge­rin der Be­haup­tung der Be­klag­ten zu­fol­ge 5 St­un­den wöchent­lich

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Su­per­vi­si­on ge­habt hat. Für kli­nisch täti­ge Psy­cho­lo­gen gehören Su­per­vi­sio­nen zum Be­rufs­bild, sie sind Be­stand­teil der be­ruf­li­chen Tätig­keit.

Der An­nah­me ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses steht des Wei­te­ren nicht der Aus­bil­dungs­zweck ent­ge­gen. Recht­lich maßge­bend ist, was im Vor­der­grund ge­stan­den hat.

Der An­nah­me ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses steht schließlich nicht ent­ge­gen, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Aus­bil­dungs- und Prüfungs­ver­ord­nung für psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­ten die prak­ti­sche Tätig­keit un­ter fach­kun­di­ger An­lei­tung und Auf­sicht steht. Für die Ein­ord­nung ei­nes Ver­trags­verhält­nis­ses ist nicht das recht­li­che Sol­len maßge­bend, es kommt viel­mehr auf die tatsächli­che Hand­ha­bung an. Ent­schei­dend sind nicht die nor­ma­ti­ven Vor­ga­ben, aus­schlag­ge­bend ist die Rea­lität.

Die Klag­ver­fol­gung ist auch nicht treu­wid­rig. Der Hin­weis der Be­klag­ten auf § 3 Zif­fer 8 des Prak­ti­kan­ten­ver­tra­ges geht fehlt. Die Kläge­rin war kei­nes­wegs ver­pflich­tet, der Be­klag­ten ge­genüber an­zu­zei­gen, dass sie Tätig­kei­ten ausübt, die nicht mehr aus­sch­ließlich der ei­ge­nen Fort­bil­dung die­nen. Denn die Kläge­rin war nicht hin­ter Rücken und ge­gen den Wil­len der Be­klag­ten tätig. Sie hat viel­mehr mit Wis­sen und Wol­len der Be­klag­ten und un­ter den Au­gen der Be­klag­ten ge­ar­bei­tet.

d) Der Höhe nach ist die Klag­for­de­rung durch den ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­trag ge­deckt.

aa) Maßge­bend sind der Ta­rif­ver­trag für den Kran­ken­haus­ar­beit­ge­ber­ver­band Ham­burg e.V. (TV-KAH) vom 14. Ju­ni 2007 so­wie der Ände­rungs­ta­rif­ver­trag vom 13. Ok­to­ber 2008 (zur An­wend­bar­keit für Psy­cho­lo­gen vgl. BAG 23.2.2011 – 4 AZR 214/09, ZTR 2011, 489). Der TV-KAH ist an­zu­wen­den, weil die Be­klag­te die­sen Ta­rif­ver­trag ge­ne­rell – und zwar auch ge­genüber nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern – zum Tra­gen bringt. An­ge­sichts die­ser kol­lek­ti­ven Hand­ha­bung wäre es un­zulässig, die Kläge­rin da­von aus­zu­neh­men.

Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass die von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­te mo­nat­li­che Vergütung von € 1.858,90 brut­to mo­nat­lich an­tei­lig be­zo­gen auf ih­re durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit von 25 St­un­den wöchent­lich leicht un­ter­halb der ta­rif­li­chen Vergütung liegt.

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bb) Der Um­stand, dass die Kläge­rin - wie die Be­klag­te be­tont - in den ers­ten zwei Mo­na­ten nicht voll ein­ge­setzt wur­de, steht dem Vergütungs­an­spruch be­reits ab 1.1.2008 nicht ent­ge­gen. Ein Ar­beits­verhält­nis bleibt ein Ar­beits­verhält­nis auch dann, wenn der Ar­beit­neh­mer zu Be­ginn der Tätig­keit ein­ge­ar­bei­tet wird. Auch der ein­schlägi­ge Ta­rif­lohn bleibt in die­ser Pha­se maßge­bend.

cc) Auch die Su­per­vi­si­ons­stun­den sind zu vergüten.

Die Su­per­vi­si­ons­stun­den, an de­nen die Kläge­rin teil­ge­nom­men hat­te, fan­den während ih­rer re­gulären Ar­beits­zeit statt. Es ist nicht vor­ge­tra­gen wor­den, dass die­se Su­per­vi­sio­nen vor 8:30 oder nach 15:00 Uhr durch­geführt wor­den wären.

Auch ap­pro­bier­te in Kli­ni­ken täti­ge Psy­cho­the­ra­peu­ten müssen sich re­gelmäßig fort­bil­den und durch den Be­such zer­ti­fi­zier­ter Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen sog. "Fort­bil­dungs­punk­te" er­wer­ben. In­halt­lich kann ei­ne Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen aus ei­ner Su­per­vi­si­on oder In­ter­vi­si­on be­ste­hen (§ 6 Nr. 8, Nr. 9 Fort­bil­dungs­ord­nung der Psy­cho­the­ra­peu­ten­kam­mer Ham­burg vom 24.11.2004). Su­per­vi­sio­nen fin­den in Kran­kenhäusern teil­wei­se auch während der Ar­beits­zeit statt.

Ein­zel­su­per­vi­si­ons­stun­den, die die Be­klag­te spe­zi­ell und ein­zig mit der Kläge­rin oder Grup­pen­su­per­vi­si­onstun­den, die die Be­klag­te nur mit Psy­cho­lo­gen in Aus­bil­dung durch­geführt hätte, würden nicht zur Ar­beit gehören mit der Fol­ge, dass der Ar­beit­ge­ber kei­ne Ar­beits­vergütung zu zah­len hätte. Dass es sich bei den von Be­klag­ten be­haup­te­ten wöchent­li­chen 5 Su­per­vi­si­ons­stun­den um der­ar­ti­ge St­un­den ge­han­delt hätte, ist von ihr nicht hin­rei­chend sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen wor­den.

Prak­ti­sche Tätig­keit und prak­ti­sche Aus­bil­dung sind zu un­ter­schei­den (§ 2 und § 4 Aus­bil­dungs- und Prüfungs­ver­ord­nung für Psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­ten). Bei der Be­klag­ten hat die Kläge­rin ih­re prak­ti­sche Tätig­keit in vol­lem Um­fang und ih­re prak­ti­sche Aus­bil­dung zum Teil (von 600 ge­for­der­ten 238 Be­hand­lungs­stun­den) ab­sol­viert.

Für die prak­ti­sche Aus­bil­dung sind Be­hand­lungs­stun­den un­ter Su­per­vi­si­on vor­ge­se­hen. Ne­ben den in psych­ia­tri­schen Kli­ni­ken für Ärz­te, Psy­cho­lo­gen

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und Psy­cho­the­ra­peu­ten übli­chen Su­per­vi­sio­nen gibt es dem­nach spe­zi­el­le Su­per­vi­sio­nen, die in § 4 der Aus­bil­dung- und Prüfungs­ver­ord­nung für Psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­ten an­ge­spro­chen sind. Dort heißt es, dass 150 Su­per­vi­si­ons­stun­den, von de­nen min­des­tens 50 St­un­den als Ein­zel­su­per­vi­si­on durch­zuführen sind, ver­langt wer­den und dass die­se Su­per­vi­si­ons­stun­den bei min­des­tens drei Su­per­vi­so­ren ab­zu­leis­ten sind. Dass die Kläge­rin bei der Be­klag­ten Su­per­vi­si­ons­stun­den die­ser Art ge­nos­sen hätte, wird von der Be­klag­ten nicht vor­ge­tra­gen. Eben­so spricht der Um­stand, dass die Be­klag­te die ex­ak­te An­zahl der Su­per­vi­si­ons­stun­den wie auch die Zahl der Su­per­vi­so­ren der Kläge­rin nicht be­schei­nig­te, da­ge­gen, dass es sich bei den von ihr an­ge­bo­te­nen Su­per­vi­sio­nen um Su­per­vi­sio­nen i.S.v. § 4 der Aus­bil­dung- und Prüfungs­ver­ord­nung für Psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­ten ge­han­delt hat. In ih­ren Be­schei­ni­gun­gen vom 11.6.2009 (An­la­gen K 6 und K 7, Bl. 14 und 15 der Ak­te) heißt es le­dig­lich pau­schal, dass die Su­per­vi­si­ons­stun­den der Kläge­rin zusätz­lich zu den St­un­den der prak­ti­schen Tätig­keit gemäß § 2 der Aus­bil­dungs- und Prüfungs­ver­ord­nung für Psy­cho­lo­gi­sche Psy­cho­the­ra­peu­ten statt­ge­fun­den ha­ben. Die An­zahl der Su­per­vi­si­ons­stun­den ist von der Be­klag­ten in den Be­schei­ni­gun­gen vom 11.6.2009 (Anl. K 6 und K 7) nicht aus­ge­wie­sen wor­den.

dd) Der Um­stand, dass die Kläge­rin - wie die Be­klag­te be­tont - nicht als Psy­cho­lo­gin ein­ge­stellt wur­de, ist für die Ein­grup­pie­rung nicht ent­schei­dend. Maßge­bend ist die tatsächlich aus­geübte Tätig­keit.

3. Auch der Zins­an­spruch ist be­gründet. Er er­gibt sich aus §§ 247, 286, 288, 291 BGB. Nach al­le­dem muss­te der Kla­ge in vol­lem Um­fang statt­ge­ge­ben wer­den.

4. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Als un­ter­lie­gen­de Par­tei war die be­klag­te da­zu zu ver­ur­tei­len, die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

5. Der Streit­wert war gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Ur­teil fest­zu­set­zen. Er ent­spricht der Sum­mer der ein­ge­klag­ten Beträge.


Rechts­mit­tel­be­leh­rung


Die Be­klag­te kann ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung ein­le­gen, so­weit der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stands € 600,00 über­steigt.

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Die Be­ru­fungs­schrift muss das Ur­teil be­zeich­nen, ge­gen das die Be­ru­fung ge­rich­tet ist, und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung ein­ge­legt wird.

Die Be­ru­fungs­schrift und die Be­ru­fungs­be­gründung müssen un­ter­schrie­ben sein

a) von ei­nem Rechts­an­walt, der bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­sen ist, oder
b) von ei­ner Ge­werk­schaft, ei­ner Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­ge­bern oder ei­nem Zu­sam­men­schluss sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der. Dies gilt ent­spre­chend für ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Die Frist für die Ein­le­gung der Be­ru­fung beträgt ei­nen Mo­nat, die Frist für die Be­gründung der Be­ru­fung zwei Mo­na­te. Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die An­schrift des Be­ru­fungs­ge­richts lau­tet: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, Post­fach 76 07 20, 22057 Ham­burg bzw. Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, Os­ter­bek­s­traße 96, 22083 Ham­burg.


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