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LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 25.03.2011, 9 Sa 678/10

   
Schlagworte: Diskriminierung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 9 Sa 678/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.03.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 14.07.2010, 1 Ca 218/10
   

Ak­ten­zei­chen:
9 Sa 678/10
1 Ca 218/10
ArbG Mainz
Ent­schei­dung vom 25.03.2011

Te­nor:
Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mainz vom 14.07.2010, Az.: 1 Ca 218/10, teil­wei­se ab­geändert:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 2.500,00 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 08.02.2010 zu zah­len.

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 5.491,50 Eu­ro brut­to abzüglich von 3.213,92 Eu­ro net­to zu zah­len.

Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung der Kläge­rin wird zurück­ge­wie­sen.
Die Kos­ten des Rechts­streits tra­gen die Kläge­rin zu 35 % und die Be­klag­te zu 65 %.
Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.


Tat­be­stand:
Mit ih­rer Be­ru­fung ver­folgt die Kläge­rin Ansprüche auf Scha­dens­er­satz und Entschädi­gung nach § 15 AGG un­ter dem Ge­sichts­punkt der Be­nach­tei­li­gung we­gen ih­rer eth­ni­schen Her­kunft wei­ter.

Die am 05.02.1978 in der Türkei ge­bo­re­ne Kläge­rin war seit dem 01.02.2008 als Sach­be­ar­bei­te­rin bei der Be­klag­ten, die ins­ge­samt elf Be­zirks­ver­wal­tun­gen be­treibt, in de­ren Be­zirks­ver­wal­tung in A-Stadt zu ei­nem Brut­to­mo­nats­ge­halt in Höhe von 1.569,00 € beschäftigt. In der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt wer­den 155 Mit­ar­bei­ter beschäftigt. Ins­ge­samt beschäftigt die Be­klag­te 1800 Mit­ar­bei­ter. Grund­la­ge des Ar­beits­verhält­nis­ses war der Ar­beits­ver­trag vom 25.01.2008, dem­zu­fol­ge das Ar­beits­verhält­nis zunächst vom 01.02.2008 bis zum 31.12.2008 nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG i. V. m. § 30 BG-AT be­fris­tet war. Mit Ände­rungs­ver­trag vom 11. No­vem­ber 2008 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­ne be­fris­te­te Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin für den Zeit­raum 01.11.2009 bis 31.01.2010. Im An­schluss an die­se zwei­te Be­fris­tung wur­de die Kläge­rin nicht in ein Dau­er­ar­beits­verhält­nis über­nom­men. Kurz nach der Kläge­rin wur­de im März 2008 eben­falls be­fris­tet die Mit­ar­bei­te­rin Z. ein­ge­stellt. De­ren Ar­beits­verhält­nis wur­de im März 2009 ent­fris­tet. Eben­so wur­de das Ar­beits­verhält­nis der Mit­ar­bei­te­rin Y. ent­fris­tet. Die­se wur­de so­dann für ein Fort­bil­dungs­an­ge­bot aus­gewählt, wel­ches sich laut be­trieb­li­chem Aus­hang der Be­klag­ten (Bl. 27 d. A.) an fest an­ge­stell­te Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt rich­te­te. In der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt wur­den während der Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Kläge­rin außer der Kläge­rin kei­ne wei­te­ren Ar­beit­neh­mer nicht deut­scher Her­kunft beschäftigt. In den wei­te­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen wer­den zahl­rei­che Mit­ar­bei­ter ausländi­scher Her­kunft aus 13 ver­schie­de­nen Na­tio­nen beschäftigt. In der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt wur­de vom 18. Fe­bru­ar bis zum 6. Fe­bru­ar 2009 ei­ne Prak­ti­kan­tin türki­scher Her­kunft beschäftigt.

Nach Ih­rem Aus­schei­den bei der Be­klag­ten war die Kläge­rin bis 16.05.2010 ar­beits­los und er­hielt Ar­beits­lo­sen­geld in Höhe von 3.213,92 € net­to für den Zeit­raum 01.02. bis 16.05.2010. Ab 17.05.2010 hat die Kläge­rin ei­ne an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gung ge­fun­den.

Un­ter dem 31.01.2010 er­teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin ein Ar­beits­zeug­nis (Bl. 96 d. A.). In die­sem heißt es: "Frau A. er­le­dig­te die ihr über­tra­ge­nen Auf­ga­ben selbständig, si­cher, ter­min­ge­recht und zu un­se­rer volls­ten Zu­frie­den­heit".

Mit Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 05.11.2009, auf das hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten Be­zug ge­nom­men wird (Bl. 28 ff. d. A.), for­der­te die Kläge­rin die Be­klag­te u. a. auf, die Ab­leh­nung der Ent­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu über­prüfen und zu erläutern. Zu­gleich mach­te sie Scha­dens­er­satz und Entschädi­gung nach § 15 AGG gel­tend. Mit Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 13. Ja­nu­ar 2010 (Bl. 33 f. d. A.) ant­wor­te­te die Be­klag­te wie folgt:

"Un­se­re Man­dant­schaft hat sich da­zu ent­schlos­sen, das Ar­beits­verhält­nis Ih­rer Man­dan­tin nach dem Ab­lauf der zeit­li­chen Be­fris­tung am 31. Ja­nu­ar 2010 nicht wei­ter fort­zu­set­zen. Hier­zu be­darf es kei­ner Be­gründung.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung Ih­rer Man­dan­tin liegt kein In­diz für ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ih­rer "eth­ni­schen Her­kunft" vor. Bei un­se­rer Man­dan­tin sind der­zeit zahl­rei­che ausländi­sche Ar­beit­neh­mer aus et­wa 13 Na­tio­nen tätig. Die eth­ni­sche oder re­li­giöse Her­kunft Ih­rer Man­dan­tin hat bei der Ent­schei­dung un­se­rer Man­dant­schaft, das be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis nicht zu verlängern, kei­ne Rol­le ge­spielt."

Mit ih­rer am 2. Fe­bru­ar 2010 beim Ar­beits­ge­richt Mainz ein­ge­gan­gen Kla­ge hat die Kläge­rin Kla­ge auf Scha­dens­er­satz und Entschädi­gung er­ho­ben.

Die Kläge­rin hat erst­in­stanz­lich im We­sent­li­chen gel­tend ge­macht:

Bei der Ent­schei­dung, ihr Ar­beits­verhält­nis nicht zu verlängern, sei sie we­gen ih­rer eth­ni­schen Her­kunft be­nach­tei­ligt wor­den. Hierfür spre­che die Ent­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Mit­ar­bei­te­rin Z.. Ihr ge­genüber ha­be der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt am 11.09.2009 hin­ge­gen mit­ge­teilt, dass das Ar­beits­verhält­nis auf­grund des Ent­falls von Fall­zah­len im Zu­ge der Fu­si­on mit ei­ner an­de­ren Be­rufs­ge­nos­sen­schaft en­de, da ih­re Stel­le weg­fal­le. Der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung ha­be auch erklärt, sie könne sich auf die am 11.09.2009 aus­ge­schrie­be­ne Fort­bil­dungs­stel­le nicht be­wer­ben, da sich die Aus­schrei­bung nur an fest an­ge­stell­te Beschäftig­te rich­te. Der Ar­beits­ver­trag der so­dann für die Fort­bil­dungs­stel­le aus­gewähl­ten Mit­ar­bei­te­rin Y. sei kur­zer­hand ent­fris­tet wor­den, um die­ser Mit­ar­bei­te­rin ei­ne Be­wer­bung auf die aus­ge­schrie­be­ne Fort­bil­dungs­stel­le zu ermögli­chen. Wei­te­res In­diz sei die Nicht­beschäfti­gung von wei­te­ren Beschäftig­ten aus dem is­la­mi­schen Kul­tur­kreis oder ausländi­scher Her­kunft. Maßgeb­lich sei­en in­so­weit die Verhält­nis­se in der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt, nicht die in an­de­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen. So­weit die Be­klag­te be­haup­te, die Kläge­rin sei nicht in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis über­nom­men wor­den, weil man we­gen häufi­ger Feh­ler mit ih­rer Ar­beit un­zu­frie­den sei, tref­fe dies nicht zu. Sie - die Kläge­rin - sei le­dig­lich in ei­nem Per­so­nal­gespräch in der zwei­ten Ok­to­berhälf­te 2008 auf zwei oder drei klei­ne­re Un­ge­nau­ig­kei­ten an­ge­spro­chen wor­den. Dies schei­de aber als Grund für die Nicht­verlänge­rung des Ver­tra­ges be­reits des­halb aus, weil ihr Ar­beits­verhält­nis kurz nach die­sem Per­so­nal­gespräch mit Verlänge­rungs­ver­trag vom 11.11.2008 verlängert wor­den sei. In dem ge­sam­ten wei­te­ren Ar­beits­verhält­nis ha­be sie kei­nen nen­nens­wer­ten Feh­ler mehr ge­macht.

Die Kläge­rin hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt,
die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung zu be­zah­len. Die Entschädi­gung ist ab Kla­ge­er­he­bung mit 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz zu ver­zin­sen. Die Höhe der Entschädi­gung wird in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt, soll­te aber min­des­tens 5.000,00 € be­tra­gen;

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ab Fe­bru­ar 2010 mo­nat­lich 1.569,00 € brut­to als Scha­den­er­satz an die Kläge­rin zu be­zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,
die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat erst­in­stanz­lich gel­tend ge­macht,
ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der Her­kunft lie­ge nicht vor. Dies er­ge­be sich be­reits aus der Beschäfti­gung ausländi­scher Mit­ar­bei­ter aus 13 ver­schie­de­nen Na­tio­nen. Eth­ni­sche As­pek­te spiel­ten bei ih­rer Per­so­nal­ent­schei­dung kei­ne Rol­le. Maßgeb­li­cher Grund für die Nicht­verlänge­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei die große Feh­lerhäufig­keit der Sach­be­ar­bei­tung der Kläge­rin. Hierüber sei mit der Kläge­rin anläss­lich meh­re­rer Per­so­nal­gespräche ge­spro­chen wor­den.

Das Ar­beits­ge­richt Mainz hat mit Ur­teil vom 14.07.2010, AZ: 1 Ca 218/10, die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung zu­sam­men­ge­fasst aus­geführt:

Er­satz des Vermögens­scha­dens könne die Kläge­rin be­reits des­halb nicht ver­lan­gen, da sie nach ih­rem ei­ge­nen Sach­vor­trag zwi­schen­zeit­lich ei­ne neue Tätig­keit auf­ge­nom­men ha­be, sie aber gleich­wohl un­gekürzt das­je­ni­ge ver­lan­ge, das sie bei Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bei der Be­klag­ten ver­dient hätte. Zu­dem reich­ten die von ihr be­haup­te­ten In­di­zi­en selbst wenn de­ren Rich­tig­keit un­ter­stellt wer­de, nicht aus, um ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung ge­ra­de we­gen ih­rer Her­kunft und/oder Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit zu be­le­gen. Der Ver­weis auf die Ent­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges der Mit­ar­bei­te­rin Z. be­gründe kein sol­ches In­diz. Es sei nicht er­sicht­lich, dass die­se Per­so­nal­ent­schei­dung sach­wid­rig ge­we­sen sei. Selbst ei­ne sach­wid­ri­ge Bes­ser­stel­lung ei­ner ein­zel­nen Mit­ar­bei­te­rin wäre kein In­diz dafür, dass die­se Bes­ser­stel­lung ge­ra­de we­gen der Her­kunft der Kläge­rin er­folgt wäre. Im Ar­beits­le­ben kom­me es viel­mehr durch­aus vor, dass ein Ar­beit­neh­mer aus vielfälti­gen nach­voll­zieh­ba­ren, aber den­noch von an­de­ren Mit­ar­bei­tern als un­ge­recht emp­fun­de­nen Mo­ti­ven her­aus ge­genüber ei­nem an­de­ren Ar­beit­neh­mer bes­ser oder schlech­ter ge­stellt wer­de. Auch die von der Kläge­rin be­haup­te­te Mit­tei­lung ih­res Vor­ge­setz­ten am 11.09.2009, sie könne sich auf die aus­ge­schrie­be­ne Fort­bil­dungs­stel­le nicht be­wer­ben, weil die­se nur für fest an­ge­stell­te Beschäftig­te aus­ge­schrie­ben sei, stel­le kein der­ar­ti­ges In­diz dar. Aus­weis­lich der Aus­schrei­bung wäre die­se Be­haup­tung zu­tref­fend. So­weit die Kläge­rin be­haup­te, die­ses Stel­le sei gleich­wohl an ei­ne Mit­ar­bei­te­rin ver­ge­ben wor­den, de­ren Ar­beits­verhält­nis eben­falls be­fris­tet ge­we­sen sei bzw. de­ren Ar­beits­ver­trag sei kur­zer­hand ent­fris­tet wor­den, um ei­ne Be­wer­bung zu ermögli­chen, han­de­le es sich of­fen­sicht­lich nur um ei­ne Ver­mu­tung der Kläge­rin. Die Kläge­rin be­haup­te auch selbst nicht, dass sie bei ei­ner Be­wer­bung auch ge­nom­men wor­den wäre bzw. we­gen ih­rer bes­se­ren Qua­li­fi­ka­ti­on auch hätte ge­nom­men wer­den müssen. Auch der Hin­weis der Kläge­rin dar­auf, dass in der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt kei­ne Ar­beit­neh­mer nicht deut­scher Her­kunft beschäftigt würden, le­ge es nicht na­he, dass bei der Per­so­nal­ent­schei­dung bezüglich der Kläge­rin de­ren eth­ni­sche Her­kunft ei­ne Rol­le ge­spielt ha­be. Ob sta­tis­ti­sche Ge­ge­ben­hei­ten über­haupt ei­ne Rol­le spie­len können, sei um­strit­ten. Je­den­falls kämen hierfür nur be­last­ba­re sta­tis­ti­sche Zah­len in Be­tracht. Hierfür rei­che die Be­haup­tung der Kläge­rin nicht aus. Auch aus­rei­chen­de In­di­zi­en für ei­ne Be­nach­tei­lung we­gen der Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit sei­en nicht dar­ge­legt wor­den. Ge­gen die von der Kläge­rin be­haup­te­te Dis­kri­mi­nie­rung spre­che zu­dem ge­ra­de die Beschäfti­gung der Kläge­rin selbst.

Das ge­nann­te Ur­teil ist der Kläge­rin am 17. No­vem­ber 2010 zu­ge­stellt wor­den. Sie hat hier­ge­gen mit ei­nem am 15.12.2010 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se in­ner­halb der mit Be­schluss vom 13.01.2011 bis zum 17.02.2011 verlänger­ten Be­ru­fungs­be­gründungs­frist mit Schrift­satz vom 07.02.2011, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am glei­chen Tag ein­ge­gan­gen, be­gründet.

Zur Be­gründung ih­rer Be­ru­fung macht die Kläge­rin nach Maßga­be des ge­nann­ten Schrift­sat­zes so­wie des wei­te­ren Schrift­sat­zes vom 18.03.2011, auf die je­weils Be­zug ge­nom­men wird (Bl. 166 ff., 219 ff. d. A.), im We­sent­li­chen gel­tend:

Das Ar­beits­ge­richt sei da­von aus­ge­gan­gen, dass In­di­zi­en dar­ge­legt wer­den müssen, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung be­le­gen. Aus­rei­chend sei je­doch die Dar­le­gung von In­di­zi­en, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung ver­mu­ten las­sen. Die­ser Dar­le­gungs­last sei die Kläge­rin ge­recht ge­wor­den. In­di­zi­en für ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der eth­ni­schen Her­kunft sei­en zunächst die Nicht­beschäfti­gung wei­te­rer Ar­beit­neh­mer nicht deut­scher Her­kunft in der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt. Ge­ra­de dann, wenn in an­de­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen ausländi­sche Mit­ar­bei­ter beschäftigt wer­den, spre­che dies dafür, dass in der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt Struk­tu­ren vor­herrsch­ten, die ausländi­schen Mit­ar­bei­tern ei­nen ver­fes­tig­ten Beschäfti­gungs­sta­tus ver­weh­ren. Es sei we­nig wahr­schein­lich, dass in al­len Be­zir­ken zahl­rei­che ausländi­sche Be­wer­ber zur Verfügung stünden, nur nicht in A-Stadt. Ein sol­ches Un­gleich­ge­wicht der Be­wer­ber­zah­len wer­de auch von der Be­klag­ten nicht be­haup­tet.

Fer­ner sei In­diz In­halt des Gesprächs zwi­schen ihr und dem Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung am 11.09.2009, in wel­chem der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung erklärt ha­be, die Kläge­rin könne sich auf die am 11.09.2009 aus­ge­schrie­be­ne Fort­bil­dungs­stel­le nicht be­wer­ben, ob­wohl tatsächlich die­se Stel­le an ei­ne Mit­ar­bei­te­rin ver­ge­ben wor­den sei, de­ren Ar­beits­verhält­nis eben­falls be­fris­tet ge­we­sen sei. Das Ar­beits­verhält­nis der Frau Y. sei ent­fris­tet wor­den, um die­ser die Be­wer­bung auf die ge­nann­te Fort­bil­dungs­stel­le zu ermögli­chen. Es sei ver­schwie­gen wor­den, dass ent­ge­gen der Aus­schrei­bung auch be­fris­tet beschäftig­te Ar­beit­neh­mer ei­ne Chan­ce ge­habt hätten, die­se Stel­le zu be­kom­men. Wei­te­res In­diz sei die Ent­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Mit­ar­bei­te­rin Z.. Dies in­di­zie­re, dass es deut­sche Beschäftig­te sehr viel ein­fa­cher hätten, als Mit­ar­bei­ter ausländi­scher Her­kunft, ih­ren Beschäfti­gungs­sta­tus in der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt zu ver­fes­ti­gen. Fer­ner sei In­diz für ei­ne Be­nach­tei­lung we­gen der eth­ni­schen Her­kunft die wi­dersprüchli­chen An­ga­ben der Be­klag­ten zur Be­gründung für die Nicht­verlänge­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Während der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung am 11.09.2009 mit­ge­teilt ha­be, das Ar­beits­verhält­nis würde we­gen Weg­falls der von der Kläge­rin in­ne­ge­hab­ten Stel­le auf­grund ei­ner Fu­si­on mit ei­ner an­de­ren Be­rufs­ge­nos­sen­schaft nicht verlängert, wer­de nun­mehr die an­geb­li­che Feh­lerhäufig­keit in der Sach­be­ar­bei­tung der Kläge­rin als Grund für die Nicht­verlänge­rung an­ge­ge­ben. Sch­ließlich spre­che in­di­zi­ell für ei­ne Be­nach­tei­li­gung die Tat­sa­che, dass die Be­klag­te der Auf­for­de­rung der Kläge­rin, Aus­kunft darüber zu er­tei­len, war­um das Ar­beits­verhält­nis nicht verlängert wer­de, nicht nach­ge­kom­men sei. Je­den­falls bei Ge­samt­be­trach­tung die­ser In­di­zi­en er­ge­be sich die Ver­mu­tung, dass bei der Ent­schei­dung, das Ar­beits­verhält­nis nicht zu verlängern, auch die eth­ni­sche Her­kunft der Kläge­rin ei­ne Rol­le ge­spielt ha­be. Die­se Ver­mu­tung ha­be die hierfür dar­le­gungs- und be­weis­be­las­te­te Be­klag­te nicht wi­der­le­gen können.

Die Kläge­rin be­an­tragt,
das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mainz vom 14.07.2010, AZ: 1 Ca 218/10, ab­zuändern, und

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung zu be­zah­len. Die Entschädi­gung ist ab Kla­ge­er­he­bung mit 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz zu ver­zin­sen. Die Höhe der Entschädi­gung wird in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt, soll­te aber min­des­tens 5.000,00 € be­tra­gen;

die Be­klag­te wei­ter zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin als Scha­dens­er­satz zu be­zah­len: 5.941,50 € brut­to abzüglich des von der Kläge­rin der in dem Zeit­raum 01.02.2010 bis 16.05.2010 be­zo­ge­nen Ar­beits­lo­sen­gel­des in Höhe von 3.213,92 € net­to.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te tritt der Be­ru­fung mit ih­rem Be­ru­fungs­er­wi­de­rungs­schrift­satz vom 9. März 2011, auf den ergänzend Be­zug ge­nom­men wird (Bl. 210 ff. d. A.), ent­ge­gen. Bei ih­rer Ent­schei­dung, das be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin aus­lau­fen zu las­sen, sei es nicht dar­auf an­ge­kom­men, ih­ren Beschäfti­gungs­sta­tus nicht ver­fes­ti­gen zu las­sen. Eben­so we­nig herrsch­ten in der Be­zirks­ver­wal­tung Struk­tu­ren vor, Mit­ar­bei­ter ausländi­scher Her­kunft nur zeit­wei­se zu beschäfti­gen, um ei­ne Ver­fes­ti­gung des Beschäfti­gungs­sta­tus zu ver­mei­den. Die nur be­fris­te­te Beschäfti­gung ei­ner türki­schen Prak­ti­kan­tin sei auf de­ren Wunsch im Rah­men ei­ner einjähri­gen Um­schu­lung zur Büro­kauf­frau er­folgt. Es gehöre zu den Grundsätzen der Be­klag­ten, Per­so­nal­ent­schei­dun­gen nicht von der eth­ni­schen bzw. ausländi­schen Her­kunft ih­rer Ar­beit­neh­mer abhängig zu ma­chen. Dies zei­ge sich auch dar­an, dass in den übri­gen Be­zirks­ver­wal­tun­gen zahl­rei­che Mit­ar­bei­ter aus 13 ver­schie­de­nen Na­tio­nen so­wohl in be­fris­te­ten als auch in un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­sen beschäftigt wer­den. So würden ge­genwärtig auch in der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt zu­min­dest ei­ne Mit­ar­bei­te­rin pol­ni­scher und Mit­ar­bei­ter ame­ri­ka­ni­scher Staatsbürger­schaft beschäftigt. In­wie­weit wei­te­re Per­so­nen mit ei­nem an­de­ren eth­ni­schen Hin­ter­grund bzw. ei­ner ausländi­schen Staatsbürger­schaft beschäftigt würden, sei ihr nicht be­kannt. Un­zu­tref­fend sei auch die Be­haup­tung der Kläge­rin, das Ar­beits­verhält­nis der Mit­ar­bei­te­rin Y. sei ent­fris­tet wor­den, da­mit sie sich auf die aus­ge­schrie­be­ne Fort­bil­dungs­stel­le be­wer­ben könne. Die Ent­fris­tung sei viel­mehr des­halb er­folgt, weil die Be­klag­te mit den Leis­tun­gen der ge­nann­ten Mit­ar­bei­te­rin zu­frie­den ge­we­sen sei und die­se als Ar­beit­neh­me­rin nicht ha­be ver­lie­ren wol­len, wo­mit aber, auf­grund des Ver­lan­gens der Mit­ar­bei­te­rin nach ei­nem Zwi­schen­zeug­nis, zu rech­nen ge­we­sen sei. Un­zu­tref­fend sei auch die Be­haup­tung, der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt ha­be der Kläge­rin erklärt, sie könne sich auf die Fort­bil­dungs­stel­le auf­grund ih­rer nur be­fris­te­ten Beschäfti­gung nicht be­wer­ben. Viel­mehr sei der Kläge­rin mit­ge­teilt wor­den, dass de­ren fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on aus Sicht ih­rer Vor­ge­setz­ten nicht aus­rei­chend sei, um sich aus­sichts­reich auf die aus­ge­schrie­be­ne Po­si­ti­on zu be­wer­ben. Der Kläge­rin sei auch nicht mit­ge­teilt wor­den, ihr Ar­beits­verhält­nis fal­le auf­grund ei­ner Fu­si­on mit ei­ner an­de­ren Be­rufs­ge­nos­sen­schaft weg. Auch die Ent­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Mit­ar­bei­te­rin Z. ha­be nichts mit eth­ni­schen Ge­sichts­punk­ten zu tun, son­dern sei er­folgt, weil man mit de­ren Leis­tun­gen zu­frie­den ge­we­sen sei. Man ha­be die­se Ar­beit­neh­me­rin, die sich be­reits bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber be­wor­ben ha­be, nicht ver­lie­ren wol­len. Die die Kläge­rin be­tref­fen­de Per­so­nal­ent­schei­dung ha­be nichts mit der eth­ni­schen bzw. ausländi­schen Her­kunft zu tun. Der Kläge­rin sei wie­der­holt mit­ge­teilt wor­den, dass man mit ih­rer Ar­beits­leis­tung nicht aus­rei­chend zu­frie­den ge­we­sen sei. Die Be­klag­te sei da­her nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, der Kläge­rin die Gründe für den Ver­zicht auf ei­ne Ent­fris­tung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses im Ein­zel­nen noch ein­mal mit­zu­tei­len.

Ergänzend wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:
I.
Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist zulässig. Das Rechts­mit­tel ist an sich statt­haft. Die Be­ru­fung wur­de auch form- und frist­ge­recht ein­ge­legt so­wie be­gründet. Die Be­ru­fungs­be­gründung ent­spricht in­halt­lich den An­for­de­run­gen nach §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 ZPO.

II. Das Rechts­mit­tel hat auch in der Sa­che teil­wei­se Er­folg. Der Kläge­rin steht ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz in der gel­tend ge­mach­ten Höhe nach § 15 Abs. 1 AGG zu. Fer­ner be­steht ein An­spruch auf Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG, al­ler­dings nur in Höhe von 2.500,00 €.

1. Die Kläge­rin hat den Scha­dens­er­satz­an­spruch (§ 15 Abs. 1 AGG) so­wie den Entschädi­gungs­an­spruch (§ 15 Abs. 2 AGG) frist- und form­ge­recht gel­tend ge­macht. Ih­re Kla­ge auf Entschädi­gung hat sie in­ner­halb der Drei­mo­nats­frist des § 61b Abs. 1 ArbGG er­ho­ben.

Die schrift­li­che, frist­ge­rech­te Gel­tend­ma­chung liegt in Form des Schrei­bens des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin vom 05.11.2009 vor. Da der Kläge­rin am 11.09.2009 mit­ge­teilt wur­de, dass ihr Ar­beits­verhält­nis nicht verlängert bzw. ent­fris­tet würde, wahr­te die­ses Schrei­ben die Frist des § 15 Abs. 4 AGG. Aus­ge­hend hier­von wur­de durch die am 2. Fe­bru­ar 2010 am Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­ne und der Be­klag­ten am 8. Fe­bru­ar 2010 zu­ge­stell­ten Kla­ge auch die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG ge­wahrt.

2. Der für ei­nen Scha­dens­er­satz - und Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 1, 2 AGG er­for­der­li­che Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot liegt vor.

a) Gemäß § 3 Abs. 1 AGG liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, wenn ein Beschäftig­ter we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des, zu de­nen auch die eth­ni­sche Her­kunft zählt, ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde.

Die Kläge­rin hat ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung er­fah­ren als die eben­falls bei der Be­klag­ten in de­ren Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt zunächst be­fris­tet beschäftig­ten Ar­beit­neh­me­rin­nen Z. und Y.. De­ren Ar­beits­verhält­nis­se wur­den als un­be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se fort­geführt. Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin hin­ge­gen en­de­te mit Ab­lauf der ver­ein­bar­ten Be­fris­tung. Die Be­klag­te hat auch nicht gel­tend ge­macht, dass in Be­zug auf die von der Kläge­rin aus­geübte Funk­ti­on nur ein vorüber­ge­hen­der Beschäfti­gungs­be­darf be­stan­den ha­be und des­halb von An­fang an be­ab­sich­tigt ge­we­sen sei, das Ar­beits­verhält­nis in je­dem Fall mit Ab­lauf der ver­ein­bar­ten Zeit aus­lau­fen zu las­sen. Viel­mehr be­ruft sich die Be­klag­te dar­auf, dass sie mit den Leis­tun­gen der Kläge­rin nicht zu­frie­den ge­we­sen sei, was dar­auf schließen lässt, dass bei aus Sicht der Be­klag­ten ge­ge­be­ner Bewährung die Über­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis er­folgt wäre.

Ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung we­gen ei­nes nach § 1 AGG verpönten Merk­mals ist be­reits dann ge­ge­ben, wenn die Be­nach­tei­li­gung an das Merk­mal an­knüpft oder durch sie mo­ti­viert ist. Aus­rei­chend ist da­bei, dass das Merk­mal Be­stand­teil ei­nes Mo­tivbündels ist, das die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat. Auf ein schuld­haf­tes Han­deln oder gar ei­ne Be­nach­tei­li­gungs­ab­sicht kommt es nicht an.

Hin­sicht­lich der Kau­sa­lität zwi­schen Nach­teil und dem verpönten Merk­mal folgt aus § 22 AGG, dass der Beschäftig­te sei­ner Dar­le­gungs­last im Pro­zess dann genügt, wenn er In­di­zi­en vorträgt, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes ver­bo­te­nen Merk­mals ver­mu­ten las­sen. Dies ist der Fall, wenn die vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen aus ob­jek­ti­ver Sicht mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit dar­auf schließen las­sen, dass die Be­nach­tei­li­gung we­gen die­ses Merk­mals er­folgt ist. Es genügt hier­bei, dass Hilfs­tat­sa­chen vor­ge­tra­gen wer­den, die zwar nicht zwin­gend den Schluss auf die Kau­sa­lität zu­las­sen, die aber die An­nah­me recht­fer­ti­gen, dass die Erfüllung des verpönten Merk­mals im Sin­ne ei­nes Be­stand­teils ei­nes Mo­tivbündels die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat. Es ist dann Sa­che des Ar­beit­ge­bers, das Ge­richt da­von zu über­zeu­gen, dass die Be­nach­tei­li­gung ge­ra­de nicht auf ei­nem verpönten Merk­mal be­ruht. Er muss al­so Tat­sa­chen vor­tra­gen und ggf. be­wei­sen, aus de­nen sich er­gibt, dass es aus­sch­ließlich an­de­re Gründe wa­ren als das verpönte Merk­mal, die zu der we­ni­ger güns­ti­ge­ren Be­hand­lung geführt ha­ben (BAG 19.08.2010 - 8 AZR 530/09 - NZA 2010, 1412; BAG 21.07.2009 - 9 AZR 431/08 - EzA SGB IX, § 82 Nr. 1).

aa) Die Kläge­rin hat vor­lie­gend ei­ne Rei­he von In­di­ztat­sa­chen vor­ge­tra­gen. Aus­ge­hend nur von den zwi­schen den Par­tei­en un­strei­ti­gen Tat­sa­chen lie­gen In­di­zi­en vor, die im dar­ge­leg­ten Sinn ei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin we­gen ih­rer eth­ni­schen Her­kunft ver­mu­ten las­sen.

Zunächst stellt die Tat­sa­che, dass die Be­klag­te in ih­rer Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt kei­ne Ar­beit­neh­mer nicht deut­scher Her­kunft beschäftigt hat, ei­ne In­di­ztat­sa­che dar. Die Be­klag­te hat selbst dar­auf hin­ge­wie­sen, dass in ih­ren an­de­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen Ar­beit­neh­mer un­ter­schied­li­cher Her­kunft aus ins­ge­samt 13 Na­tio­nen beschäftigt wer­den, so­dass die Beschäftig­ten­struk­tur der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt im Ver­gleich zu den Beschäfti­gungs­struk­tu­ren in den an­de­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen dar­auf hin­weist, dass Ar­beit­neh­mer deut­scher Her­kunft in der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt be­vor­zugt wer­den. Die Be­klag­te ih­rer­seits hat nicht gel­tend ge­macht, dass sich die­se Beschäftig­ten­struk­tur aus an­de­ren Gründen, et­wa dar­aus er­gibt, dass bei aus­ge­schrie­be­nen Stel­len kei­ne oder kei­ne ge­eig­ne­ten Be­wer­ber nicht deut­scher Her­kunft vor­han­den wa­ren. Auch ein an­de­rer nach­voll­zieh­ba­rer nicht mit der eth­ni­schen Her­kunft zu­sam­menhängen­der Grund für die­se von den an­de­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen ab­wei­chen­de Per­so­nal­struk­tur sind nicht er­sicht­lich. Nach Auf­fas­sung der Be­ru­fungs­kam­mer kann un­ter die­ser Vor­aus­set­zung auch auf ei­nen sol­chen Ver­gleich zwi­schen ver­schie­de­nen Be­trie­ben ei­nes Un­ter­neh­mens bzw. Ver­wal­tungs­un­ter­glie­de­run­gen ei­ner Ver­wal­tung dann als In­di­ztat­sa­che ab­ge­stellt wer­den, wenn in der ört­li­chen Un­ter­glie­de­rung je­den­falls die we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen ge­trof­fen wer­den, die zu ei­ner ungüns­ti­ge­ren Be­hand­lung des an­spruch­stel­len­den Ar­beit­neh­mers i. S. d. § 3 Abs. 1 AGG führt. Dies ist vor­lie­gend der Fall. Die Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt verfügt über ei­nen ei­ge­nen Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung, der nach ei­ge­ner Dar­stel­lung der Be­klag­ten der Kläge­rin auch die Tat­sa­che der Nichtüber­nah­me in ein Ar­beits­verhält­nis mit­ge­teilt hat.

Wei­te­res In­di­zi­en ist nach Auf­fas­sung der Be­ru­fungs­kam­mer die Nich­terfüllung des der Kläge­rin zu­ste­hen­den Aus­kunfts­an­spruchs hin­sicht­lich der Gründe, die zur Ent­schei­dung ih­rer Nichtüber­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis geführt ha­ben. Die Kläge­rin hat mit Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 05.11.2009, al­so noch während des be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses ein ent­spre­chen­des Aus­kunfts­ver­lan­gen ge­stellt, wel­ches durch das Schrei­ben der Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten vom 13.01.2010 nicht erfüllt wur­de. Die­ses Schrei­ben enthält kei­ne Aus­kunft darüber, wel­che Gründe für die Ent­schei­dung der Nichtüber­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis maßgeb­lich wa­ren, son­dern ver­weist le­dig­lich dar­auf, dass die eth­ni­sche oder re­li­giöse Her­kunft der Kläge­rin bei der Ent­schei­dung kei­ne Rol­le ge­spielt ha­be. Ins­be­son­de­re fin­det sich kein Ver­weis auf die nun­mehr im Pro­zess als Grund be­haup­te­ten Leis­tungsmängel. Wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt im Vor­la­ge­be­schluss vom 20.05.2010 (8 AZR 287/08 (A) - EzA § 22 AGG Nr. 1) aus­geführt hat, be­steht ein Aus­kunfts­an­spruch nach § 242 BGB je­den­falls dann, wenn die zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Rechts­be­zie­hun­gen es mit sich brin­gen, dass der Be­rech­tig­te in ent­schuld­ba­rer Wei­se über Be­ste­hen und Um­fang sei­nes Rechts im Un­ge­wis­sen ist und der Ver­pflich­te­te die zur Be­sei­ti­gung der Un­ge­wiss­heit er­for­der­li­che Aus­kunft un­schwer ge­ben kann. Zum Zeit­punkt des Aus­kunfts­ver­lan­gens be­stand das Ar­beits­verhält­nis noch, so­dass die Par­tei­en durch ei­ne Rechts­be­zie­hung mit­ein­an­der ver­bun­den wa­ren. Die Be­klag­te hat zwar be­haup­tet, dass der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt der Kläge­rin am 11.09.2009 mit­ge­teilt ha­be, ihr Ar­beits­verhält­nis wer­de nicht verlängert. Die Be­klag­te hat aber nicht gel­tend ge­macht, dass der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt der Kläge­rin die Gründe für die­se Ent­schei­dung näher erläutert ha­be. Nach ei­ge­nem Sach­vor­trag der Be­klag­ten hat der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung A-Stadt der Kläge­rin le­dig­lich mit­ge­teilt, dass ih­re Qua­li­fi­ka­ti­on nicht aus­rei­chend sei, um sich auf die aus­ge­schrie­be­ne Fort­bil­dungs­stel­le zu be­wer­ben, nicht aber die Gründe erläutert, die für die Ent­schei­dung zur Nichtüber­nah­me der Kläge­rin ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis maßgeb­lich ge­we­sen sein sol­len. Die Nich­terfüllung des Aus­kunfts­an­spruchs stellt auch ein In­diz dafür dar, dass die Kläge­rin we­gen ei­nes verpönten Merk­mals be­nach­tei­ligt wor­den ist. Wenn aus­sch­ließlich an­de­re Gründe als die eth­ni­sche Her­kunft der Kläge­rin für die ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung maßgeb­lich ge­we­sen wären, wäre es der Be­klag­ten oh­ne wei­te­res möglich und zu­mut­bar ge­we­sen, im Rah­men des vor­ge­richt­li­chen Aus­kunfts­ver­lan­gens der Kläge­rin die­se Gründe dar­zu­le­gen.

Ein wei­te­res In­diz folgt dar­aus, dass nach dem Sach­vor­trag der Be­klag­ten im Pro­zess Grund für die Nichtüber­nah­me der Kläge­rin Leis­tungsmängel ge­we­sen sein sol­len, die zu ei­ner Un­zu­frie­den­heit mit der Ar­beits­leis­tung der Kläge­rin geführt hätten. Die­se be­haup­te­ten Leis­tungsmängel hat die Be­klag­te im vor­lie­gen­den Recht­streit nicht sub­stan­ti­iert dar­le­gen können (da­zu so­gleich). Die­se be­haup­te­te Einschätzung der Ar­beits­leis­tun­gen der Kläge­rin steht zu­dem auch in Wi­der­spruch zu der Be­wer­tung der Ar­beits­leis­tun­gen im Ar­beits­zeug­nis vom 31.01.2010. Wenn dort der Kläge­rin ei­ne Er­le­di­gung der über­tra­ge­nen Auf­ga­ben un­ter an­de­rem zur volls­ten Zu­frie­den­heit der Be­klag­ten be­schei­nigt wur­de, han­delt es sich nach der übli­chen Zeug­nis­spra­che um ei­ne gu­te, über­durch­schnitt­li­che Leis­tungs­be­wer­tung (vgl. et­wa DLW/Hoß, 8. Auf­la­ge, Kap. 6, Rz 203).

Je­den­falls in ih­rer Zu­sam­men­schau las­sen die­se Tat­sa­chen aus ob­jek­ti­ver Sicht mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit dar­auf schließen, dass die eth­ni­sche Her­kunft der Kläge­rin zu­min­dest auch als Teil ei­nes Mo­tivbündels mit­ursächlich für de­ren ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung war.

bb) Es wäre da­her nun­mehr Sa­che der Be­klag­ten ge­we­sen, die­se Ver­mu­tung zu wi­der­le­gen. Hier­zu muss der Ar­beit­ge­ber das Ge­richt da­von über­zeu­gen, dass die Be­nach­tei­li­gung ge­ra­de nicht auf ei­nem verpönten Merk­mal be­ruht. Er muss hier­zu Tat­sa­chen vor­tra­gen und ggf. be­wei­sen, aus de­nen sich er­gibt, dass es aus­sch­ließlich an­de­re Gründe als die An­knüpfung an ein verpöntes Merk­mal wa­ren, die zu der we­ni­ger güns­ti­gen Be­hand­lung geführt ha­ben (BAG 19.08.2010, a. a. O.). Die­ser Dar­le­gungs­last ist die Be­klag­te nicht ge­recht ge­wor­den.

Die Be­klag­te hat erst­in­stanz­lich in ih­ren Schriftsätzen vom 15. April und 28.06.2010 die an­geb­li­chen Leis­tungsmängel der Kläge­rin und die des­we­gen be­haup­te­ten mehr­ma­li­gen Per­so­nal­gespräche nur un­sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. Die Be­klag­te hat in­so­weit auf ei­ne zu große Feh­ler­haf­tig­keit in der Sach­be­ar­bei­tung, auf re­gelmäßige Flüch­tig­keits­feh­ler so­wie dar­auf ver­wie­sen, dass Schrei­ben an die Rech­nungs­stel­le in­halt­lich oft­mals falsch ge­we­sen sei­en und die Kläge­rin die wie­der­holt geäußer­ten An­wei­sun­gen ih­rer Vor­ge­setz­ten re­gelmäßig nicht nach­ge­kom­men sei. Kon­kre­te in­halt­li­che Mängel in der Ar­beits­leis­tung der Kläge­rin und auch ei­ne nähe­re zeit­li­che Präzi­sie­rung der be­haup­te­ten Gespräche lässt sich dem Sach­vor­trag nicht ent­neh­men. Et­was an­de­res gilt nur hin­sicht­lich ei­nes Per­so­nal­gesprächs am 23. Ok­to­ber 2008. Auch hier wird al­ler­dings nicht näher mit­ge­teilt, wel­che Leis­tungsmängel bis da­hin auf­ge­tre­ten sein sol­len. Die Kläge­rin weist zu­dem zu Recht dar­auf­hin, dass un­ge­ach­tet die­ser - nur pau­schal be­haup­te­ten - Leis­tungsmängel der zunächst nur auf ein Jahr be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag um ein wei­te­res Jahr verlängert wor­den ist.

Die Be­klag­te hat ih­ren Sach­vor­trag auch im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nicht wei­ter sub­stan­ti­iert.

3. Der Kläge­rin steht da­mit zunächst ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz nach § 15 Abs. 1 AGG zu. Der Kläge­rin ist durch die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ein Lohn­aus­fall­scha­den in gel­tend ge­mach­ter Höhe ent­stan­den. Sie hat erst zum 17.05.2010 ei­ne An­schluss­beschäfti­gung ge­fun­den. Sie hat da­her ei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Höhe der Vergütung für drei­ein­halb Mo­na­te, mit­hin in Höhe von 5.491,50 € brut­to, wo­von das während die­ses Zeit­raums be­zo­ge­ne Ar­beits­lo­sen­geld in Ab­zug zu brin­gen ist.

4. Der Kläge­rin steht auch ein An­spruch auf Entschädi­gung i. S. d. § 15 Abs. 2 AGG zu. Die­ser An­spruch be­steht al­ler­dings nur i. H. v. 2.500,00 EUR. Gemäß § 15 Abs. 2 AGG muss die Entschädi­gung an­ge­mes­sen sein. Hier­bei sind al­le Umstände des Ein­zel­falls, d. h. die Art und Schwe­re der Be­nach­tei­li­gung, ih­re Dau­er und Fol­gen, der An­lass und der Be­weg­grund des Han­delns so­wie der Sank­ti­ons­zweck der Entschädi­gungs­norm zu berück­sich­ti­gen (BAG 22.01.2009 - 8 AZR 906/07 - EzA Nr. 1 zu § 15 AGG).

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze er­schien der Be­ru­fungs­kam­mer ei­ne Entschädi­gung in der aus­ge­ur­teil­ten Höhe als er­for­der­lich, aber auch aus­rei­chend. Die Kläge­rin hat re­la­tiv schnell ei­ne an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gung auf­neh­men können. Sie hat auch nicht gel­tend ge­macht, während der Dau­er ih­rer Beschäfti­gung bei der Be­klag­ten in sons­ti­ger Wei­se her­ab­set­zend be­han­delt wor­den zu sein. An­halts­punk­te dafür, dass die Kläge­rin ziel­ge­rich­tet dis­kri­mi­niert wor­den ist, be­ste­hen nicht.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 92 ZPO. Die Be­ru­fungs­kam­mer hat die Re­vi­si­on we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Fra­ge zu­ge­las­sen, ob die Nich­terfüllung ei­nes Aus­kunfts­an­spruchs hin­sicht­lich der Gründe der ungüns­ti­gen Be­hand­lung ein Um­stand ist, wel­cher das Vor­lie­gen der be­haup­te­ten Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten lässt.

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