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BAG, Ur­teil vom 19.03.2009, 8 AZR 722/07

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Erlassvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 722/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.03.2009
   
Leitsätze: Ein Erlassvertrag, der abgeschlossen wird, um die zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen des § 613a Abs. 1 BGB zu umgehen, ist nach § 134 BGB nichtig.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Dresden, Urteil vom 14.03.2006, 9 Ca 5229/05
Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 27.03.2007, 7 Sa 308/06
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


8 AZR 722/07
7 Sa 308/06

Säch­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

19. März 2009

UR­TEIL

Di­ede­rich, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­ter, Be­ru­fungskläger, An­schluss­be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te, An­schluss­be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 19. März 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck und
 


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Brein­lin­ger, den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Um­fug so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Wan­kel für Recht er­kannt:
Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Säch­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richt vom 27. März 2007 - 7 Sa 308/06 - wird zurück­ge­wie­sen.


Der Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Ver­pflich­tung des Be­klag­ten, an die Kläge­rin ei­ne Rest-Zu­wen­dung („Weih­nachts­geld“) für das Jahr 2003 so­wie die Zu­wen­dung und das Ur­laubs­geld für das Jahr 2004 zu zah­len.


Der Be­klag­te be­trieb ua. Kin­der­ta­gesstätten und ein Kin­der­heim in M. Die nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Kläge­rin wur­de von ihm ab dem 20. Ju­li 1998 als Er­zie­he­rin im Kin­der­heim J beschäftigt. Sie ver­dien­te zu­letzt 2.008,72 Eu­ro brut­to. Nach § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 17. Ju­li 1998 soll­te der Ta­rif­ver­trag über Ar­beits­be­din­gun­gen für An­ge­stell­te, Ar­bei­ter und Aus­zu­bil­den­de des Deut­schen Ro­ten Kreu­zes in der je­weils gel­ten­den Fas­sung An­wen­dung fin­den (DRK-TV-Ost). Nach der An­la­ge 8 zu die­sem Ta­rif­ver­trag ha­ben Ar­beit­neh­mer ei­nen An­spruch auf Zah­lung von Ur­laubs­geld; die An­la­ge 9 enthält Son­der­re­ge­lun­gen für die Zah­lung ei­ner jähr­li­chen Zu­wen­dung. Nach § 65 Abs. 2 Satz 1 DRK-TV-Ost müssen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis in­ner­halb ei­ner Aus­schluss­frist von sechs Mo­na­ten nach ih­rer Fällig­keit schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den, sol­len sie nicht ver­fal­len.

Am 6. No­vem­ber 2002 schloss der Be­klag­te mit dem bei ihm ge­bil­de­ten Be­triebs­rat ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung, nach de­ren Punkt 1.2. die Aus­zah­lung der Zu­wen­dung für die Jah­re 2002 und 2003 im No­vem­ber 2002 be­gin­nen und im De­zem­ber 2003 en­den soll­te. Der Be­klag­te zahl­te je­doch nur bis ein­sch­ließ-
 


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lich Au­gust 2003 an die Kläge­rin ei­nen mo­nat­li­chen Zu­wen­dungs­be­trag. Nach ei­ner wei­te­ren Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 18. No­vem­ber 2003 soll­te über die Aus­zah­lung der rest­li­chen Zu­wen­dung für 2003 im April 2004 un­ter Berück­sich­ti­gung der wirt­schaft­li­chen La­ge des Be­klag­ten ent­schie­den wer­den.


Der am 30. Ju­li 2004 er­stell­te Jah­res­ab­schluss 2003 für den Be­klag­ten weist ei­nen Fehl­be­trag von 389.000,00 Eu­ro aus. Der mit dem Ab­schluss be­fass­te Wirt­schafts­prüfer wies dar­auf hin, dass der Fort­be­stand des Kreis­ver­ban­des durch Zah­lungs­unfähig­keit und Über­schul­dung gefähr­det sei, so­fern die wirt­schaft­li­che La­ge nicht um­ge­hend ver­bes­sert wer­de. Im Jah­re 2004 zahl­te der Be­klag­te we­der Ur­laubs­geld noch Zu­wen­dung. Am 30. Sep­tem­ber 2004 mach­te die Kläge­rin das rest­li­che Weih­nachts­geld 2003 so­wie das Ur­laubs­geld 2004 un­ter Ein­schal­tung des Be­triebs­rats schrift­lich ge­genüber dem Be­klag­ten gel­tend.


Mit Schrei­ben vom 14. März 2005 un­ter­rich­te­te der Be­klag­te die Kläge­rin über sei­ne Ab­sicht, den Be­reich Kin­der- und Ju­gend­hil­fe auf die Deut­sches Ro­tes Kreuz Se­nio­ren- und So­zi­al­dienst gGmbH D zu über­tra­gen. Auf­grund die­ses Be­triebs­teilüber­gangs wer­de das Ar­beits­verhält­nis nach § 613a BGB zum 1. April 2005 auf die DRK Se­nio­ren- und So­zi­al­dienst gGmbH über­ge­hen. Die­se wer­de in das Ar­beits­verhält­nis, das un­verändert fort­geführt wer­de, mit al­len Rech­ten und Pflich­ten ein­tre­ten. Je­doch wand­te sich die Kreis­geschäftsführe­rin des Be­klag­ten, Frau R, mit ei­nem wei­te­ren Schrei­ben vom 24. März 2005 an die Mit­ar­bei­ter, dar­un­ter auch die Kläge­rin, das aus-zugs­wei­se lau­tet:


„... wie Sie wis­sen, sind die Ver­hand­lun­gen mit der gGmbH ... ab­ge­schlos­sen.


Um ei­nen kla­ren Schnitt zu ermögli­chen, ist es er­for­der­lich, dass hin­sicht­lich Ih­rer even­tu­el­len Ansprüche auf Weih­nachts- und Ur­laubs­geld aus der Ver­gan­gen­heit ei­ne Klärung her­bei­geführt wird.


Ent­spre­chend der von Ih­nen be­reits münd­lich erklärten Be­reit­schaft bit­te ich Sie da­her, die an­lie­gen­de Erklärung zu un­ter­schrei­ben und bis

Diens­tag, 29.03.2005

an die Kreis­geschäfts­stel­le wei­ter­zu­lei­ten.


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Oh­ne die Erklärun­gen kann der Über­lei­tungs­ta­rif­ver­trag an D nicht un­ter­zeich­net wer­den.


Für Ihr Verständ­nis und Ih­re Bemühun­gen um den Er­halt Ih­rer Ar­beitsplätze be­dan­ke ich mich und wünsche Ih­nen und Ih­ren An­gehöri­gen ein schönes und er­hol­sa­mes Os­ter­fest.“

Am 26. März 2005 un­ter­schrieb die Kläge­rin die bei­gefügte „Ver­ein­ba­rung als Nach­trag zum Ar­beits­ver­trag“, die wie folgt lau­tet:

„1.
Der Ar­beit­neh­mer ver­zich­tet ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber auf rückständi­ges Weih­nachts- und Ur­laubs­geld; der Ar­beit­ge­ber nimmt die­sen Ver­zicht an. Mit dem Ver­zicht ist ei­ne Gel­tend­ma­chung auch ge­genüber Drit­ten aus­ge­schlos­sen.


2.
Der Ver­zicht wird un­wirk­sam, wenn der Be­reich Kin­der­ta­gesstätten/Kin­der­heim des Ar­beit­ge­bers nicht bis zum 31.12.2005 auf die Deut­sches Ro­tes Kreuz Se­nio­ren und So­zi­al­dienst gGmbH über­geht.“


Die DRK Se­nio­ren- und So­zi­al­dienst gGmbH über­nahm am 1. April 2005 die Kin­der­ta­gesstätten und das Kin­der­heim. Seit­dem ist die Kläge­rin für die­se Ge­sell­schaft tätig. Sie mach­te mit Schrei­ben vom 30. Mai 2005 ge­gen-über dem Be­klag­ten die Zu­wen­dung 2004 gel­tend.


Mit der Kla­ge vom 15. No­vem­ber 2005, wie­der­holt am 14. Fe­bru­ar 2006, focht die Kläge­rin ih­re Zu­stim­mung zu der Ver­zichts­ver­ein­ba­rung we­gen Dro­hung und Täuschung an. Sie hat be­haup­tet, von der Zu­wen­dung 2003 stünden noch 2/12 oder 215,44 Eu­ro brut­to aus. Die Ver­zichts­ver­ein­ba­rung ver­s­toße ge­gen § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, da sie die Be­triebs­er­wer­be­rin al­lein da­vor be­wah­ren soll­te, für rückständi­gen Lohn zu haf­ten. Für ei­nen Lohn­ver­zicht ha­be kein sach­li­cher Grund be­stan­den. Auch ei­ner In­halts­kon­trol­le nach den Be­stim­mun­gen über All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen hal­te die Ver­zichts­ver­ein­ba­rung nicht stand. Ih­re Zu­stim­mung da­zu sei durch die wi­der­recht­li­che Dro­hung be­wirkt wor­den, an­dern­falls wer­de sie ih­ren Ar­beits­platz ver­lie­ren. Arg­lis­tig sei ihr auch vor­getäuscht wor­den, ei­ne In­sol­venz brin­ge den
 


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Ver­lust der Ar­beitsplätze mit sich. Da­ge­gen sei nach säch­si­schem Lan­des­recht in ei­nem sol­chen Fall die Stadt M zum Ein­tritt ver­pflich­tet.


Die Kläge­rin hat be­an­tragt, 


1. der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin ei­nen Be­trag in Höhe von 215,44 Eu­ro brut­to zuzüglich 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins seit dem 1. De­zem­ber 2003 zu zah­len;

2. der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin ei­nen Be­trag in Höhe von 255,65 Eu­ro brut­to zuzüglich 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins seit dem 1. Au­gust 2004 zu zah­len;

3. der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin ei­nen Be­trag in Höhe von 1.292,61 Eu­ro brut­to zuzüglich 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins seit dem 1. De­zem­ber 2004 zu zah­len.

Der Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und be­haup­tet, die Zu­wen­dung 2003 in vol­ler Höhe an die Kläge­rin ge­zahlt zu ha­ben. Die an­ge­spann­te wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on ha­be ein Sa­nie­rungs­kon­zept er­for­dert, um die dro­hen­de In­sol­venz zu ver­hin­dern und die Ar­beitsplätze zu er­hal­ten. Tei­le die­ses Kon­zep­tes sei­en der Ver­zicht auf rückständi­ges Weih­nachts- und Ur­laubs­geld und die Über­tra­gung des Be­reichs Kin­der­ta­gesstätten/Kin­der­heim auf die DRK Se­nio­ren- und So­zi­al­dienst gGmbH ge­we­sen. Die­se sei oh­ne den Ver­zicht der Ar­beit­neh­mer auf rückständi­ge Ent­gelt­zah­lun­gen nicht be­reit ge­we­sen, den Be­trieb zu über­neh­men. Durch § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB würden die Ar­beit­neh­mer nicht in ih­rer ar­beits­ver­trag­li­chen Dis­po­si­ti­ons­frei­heit be­schränkt. Je­den­falls lie­ge - wenn es des­sen über­haupt bedürfe - ein sach­li­cher Grund für den Ver­zicht vor. Die­ser sei Vor­aus­set­zung für den Be­triebsüber­gang auf die DRK Se­nio­ren- und So­zi­al­dienst gGmbH ge­we­sen, an­dern­falls ha­be akut Zah­lungs­unfähig­keit ge­droht und die Ar­beitsplätze sei­en gefähr­det ge­we­sen.


Das Ar­beits­ge­richt hat den Be­klag­ten ver­ur­teilt, das Weih­nachts- und Ur­laubs­geld 2004 zu zah­len und im Übri­gen die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten blieb oh­ne Er­folg, auf die An­schluss­be­ru­fung der Kläge­rin hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt ihn darüber hin­aus ver­ur­teilt, auch die rest­li­che
 


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Zu­wen­dung 2003 zu zah­len. Mit der durch Be­schluss des Se­nats vom 27. Sep­tem­ber 2007 zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Be­klag­te das Ziel ei­ner Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ist un­be­gründet. Die Kläge­rin kann für 2003 die Zah­lung der rest­li­chen Zu­wen­dung und für 2004 die Zah­lung der Zu­wen­dung und des Ur­laubs­gel­des be­an­spru­chen. Auf die­se ar­beits­ver­trag­li­chen Ansprüche hat sie nicht wirk­sam ver­zich­tet. Der ge­schlos­se­ne Er­lass­ver­trag ist we­gen Um­ge­hung der Rechts­fol­gen des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. § 134 BGB un­wirk­sam.


A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung im We­sent­li­chen wie folgt be­gründet: Die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen für die Zah­lung der Zu­wen­dun­gen 2003 und 2004 und des Ur­laubs­gel­des 2004 nach den An­la­gen 9 und 8 des DRK-TV-Ost, des­sen Gel­tung für das Ar­beits­verhält­nis in­di­vi­du­ell ver­ein­bart wor­den sei, lägen vor. Die zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne Ver­zichts­ver­ein­ba­rung vom 26. März 2005 sei nach den §§ 305 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB un­wirk­sam. Der Ver­trag sei von dem Be­klag­ten für ei­ne Viel­zahl von Ar­beit­neh­mern vor­for­mu­liert wor­den. Der un­ent­gelt­li­che Ver­zicht oh­ne kom­pen­sa­to­ri­sche Ge­gen­leis­tung des Ar­beit­ge­bers stel­le ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung dar. Mit dem Ver­zicht ha­be der Schutz­zweck des § 613a Abs. 1 BGB um­gan­gen wer­den sol­len, weil der Ver­zicht nur dann wirk­sam sein soll­te, wenn es zu dem Be­triebsüber­gang kom­me. Die Ermögli­chung ei­nes Be­triebsüber­gangs un­ter teil­wei­ser Um­ge­hung zwin­gen­den Ge­set­zes­rechts stel­le kei­nen Vor­teil dar. Nach­voll­zieh­ba­re Tat­sa­chen dafür, dass der Ar­beits­platz der Kläge­rin gefähr­det ge­we­sen sei, ha­be der Be­klag­te nicht vor­ge­tra­gen. Auch die nicht zum Ver­zicht be­rei­ten Ar­beit­neh­mer sei­en wei­ter­hin beim Er­wer­ber des Be­triebs­teils beschäftigt. Der An­spruch auf Zah­lung der rest­li­chen Zu­wen­dung für 2003 sei nicht gem. § 65 DRK-TV-Ost ver­fal­len. Die Fällig­keit der Rest­zah­lung sei durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung bis April 2004 hin­aus-
 


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ge­scho­ben wor­den. Mit der Gel­tend­ma­chung am 30. Sep­tem­ber 2004 ha­be die Kläge­rin die ta­rif­li­che Aus­schluss­frist ein­ge­hal­ten.

B. Dem ist im Er­geb­nis zu fol­gen. 


I. Die Kla­ge ist be­gründet. Nach den ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Par­tei­en hat die Kläge­rin ge­gen den Be­klag­ten Ansprüche auf Zah­lung der rest­li­chen Zu­wen­dung 2003 iHv. 215,44 Eu­ro brut­to, der Zu­wen­dung 2004 iHv. 1.292,61 Eu­ro brut­to und des Ur­laubs­gel­des 2004 iHv. 255,65 Eu­ro brut­to, je­weils nebst Zin­sen. In § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges ha­ben die Par­tei­en die Gel­tung des Ta­rif­ver­tra­ges über die Ar­beits­be­din­gun­gen für An­ge­stell­te, Ar­bei­ter und Aus­zu­bil­den­de des Deut­schen Ro­ten Kreu­zes in der je­weils gel­ten­den Fas­sung ver­ein­bart. Rechts­feh­ler­frei hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt er­kannt, dass die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen nach den in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­nor­men im Fal­le der Kläge­rin vor­lie­gen, wo­bei die Ansprüche der Höhe nach un­strit­tig sind. So­weit der Be­klag­te erst­in­stanz­lich ein­ge­wandt hat, den An­spruch der Kläge­rin auf die rest­li­che Zu­wen­dung 2003 ha­be er erfüllt, weil er schon mehr ge­zahlt ha­be, als der Kläge­rin zu­ge­stan­den ha­be, hat der Be­klag­te ei­ne Erfüllung des An­spruchs nach § 362 BGB nicht schlüssig dar­ge­legt und an dem Erfüllungs­ein­wand in der Re­vi­si­ons­be­gründung auch nicht mehr fest­ge­hal­ten.


II. Ent­ge­gen der mit der Re­vi­si­on ver­tre­te­nen Auf­fas­sung kann der Be­klag­te sich nicht auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne Ver­zichts­ver­ein­ba­rung vom 26./30. März 2005 be­ru­fen. Die­se ist un­wirk­sam.

1. Nach § 307 Abs. 3 BGB sind nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB sol­che All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen kon­trollfähig, die von Rechts­vor­schrif­ten ab­wei­chen oder die­se ergänzen­de Re­ge­lun­gen ent­hal­ten. Ein Ver­s­toß ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist we­der er­sicht­lich noch gel­tend ge­macht. Ab­re­den über den un­mit­tel­ba­ren Ge­gen­stand der Haupt­leis­tung un­ter­lie­gen aber aus Gründen der Ver­trags­frei­heit re­gelmäßig kei­ner In­halts­kon­trol­le (BAG 27. No­vem­ber 2003 - 2 AZR 135/03 - Rn. 61 mwN, BA­GE 109, 22 = AP BGB § 312 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 312 Nr. 1). Der zwi­schen den

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Par­tei­en ver­ein­bar­te Ver­zicht stellt ei­nen Er­lass­ver­trag iSd. § 397 Abs. 1 BGB dar. Die­ser be­trifft For­de­run­gen aus dem Ar­beits­verhält­nis und den un­mit­tel­ba­ren Ge­gen­stand selbständi­ger Haupt­leis­tungs­pflich­ten (BAG 27. No­vem­ber 2003 - 2 AZR 135/03 - Rn. 61, aaO). An­ders als bei vor­for­mu­lier­ten Aus­schluss­fris­ten han­delt es sich nicht um ei­ne Klau­sel, die die Haupt­leis­tungs­pflicht ein­schränkt, aus­ge­stal­tet oder mo­di­fi­ziert, son­dern um die ver­ein­bar­te Haupt­leis­tung selbst.

2. Der Er­lass­ver­trag ist nach §§ 613a Abs. 1 Satz 1, 134 BGB un­wirk­sam. 


a) Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Be­triebs­teilüber­gang nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB la­gen vor. Dies er­gibt sich zwar nicht aus aus­drück­li­chen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts, folgt aber aus dem un­strei­ti­gen Sach­vor­trag der Par­tei­en.

Ein nach § 613a BGB selbständig über­tra­gungsfähi­ger Be­triebs­teil setzt vor­aus, dass in­ner­halb des be­trieb­li­chen Ge­samt­zwecks ein Teil­zweck ver­folgt wird. Dies führt nur dann zu ei­ner selbständi­gen über­g­angsfähi­gen Ein­heit, wenn ei­ne or­ga­ni­sier­te Ge­samt­heit von Per­so­nen und Sa­chen vor­liegt (Se­nat 27. Sep­tem­ber 2007 - 8 AZR 941/06 - Rn. 26 mwN, AP BGB § 613a Nr. 332 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 86). Der Be­reich der Kin­der­ta­gesstätten/Kin­der­heim stell­te ei­nen über­tra­gungsfähi­gen Be­triebs­teil dar, da der Be­klag­te dort ei­nen be­trieb­li­chen Teil­zweck, die Kin­der­be­treu­ung, ver­folg­te und zu die­sem Zweck be­stimm­te Ar­beit­neh­mer und Be­triebs­mit­tel ein­setz­te. Un­strei­tig hat die DRK Se­nio­ren- und So­zi­al­dienst gGmbH auf­grund ei­nes Be­triebs­teilüber­nah­me­ver­trags den Be­reich mit Wir­kung zum 1. April 2005 über­nom­men und beschäftigt jetzt die Ar­beit­neh­mer an ih­ren bis­he­ri­gen Ar­beitsplätzen zum Zweck der Kin­der­be­treu­ung wei­ter.

b) § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB stellt zwin­gen­des Recht dar. Ei­ne Ver­ein­ba­rung, die da­ge­gen verstößt, ist nach § 134 BGB un­wirk­sam (BAG st. Rspr., 29. Ok­to­ber 1975 - 5 AZR 444/74 - BA­GE 27, 291 = AP BGB § 613a Nr. 2 = EzA BGB § 613a Nr. 4; 12. Mai 1992 - 3 AZR 247/91 - BA­GE 70, 209 = AP Be­trAVG § 1 Be­triebs­veräußerung Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 104;
 


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ErfK/Preis 9. Aufl. § 613a BGB Rn. 82; APS/Stef­fan 3. Aufl. § 613a BGB Rn. 107; HWK/Wil­lem­sen/Müller-Bo­nan­ni 3. Aufl. § 613a BGB Rn. 245).


c) Sei­nem Wort­laut nach scheint der zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­te Er­lass­ver­trag vom 26./30. März 2005 nicht ge­gen § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zu ver­s­toßen. Ein vor dem Be­triebsüber­gang ge­schlos­se­ner Er­lass­ver­trag be­wirkt grundsätz­lich das Erlöschen des An­spruchs. Der so er­lo­sche­ne An­spruch gehört nicht mehr zu den im Zeit­punkt des Be­triebsüber­gangs be­ste­hen­den Rech­ten. Die Par­tei­en hat­ten auch we­der ver­ein­bart, dass der Er­wer­ber des Be­triebs­teils nicht Ar­beit­ge­be­rin der Kläge­rin wer­de, noch, dass der Er­wer­ber nicht in die Rech­te und Pflich­ten des im Zeit­punkt des Über­gangs be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses ein­tre­te. Auch die Haf­tungs­re­ge­lun­gen des § 613a Abs. 2 BGB sind vom Wort­laut der Ver­zichts­ver­ein­ba­rung nicht di­rekt be­trof­fen. Für ei­nen be­reits vor dem Be­triebsüber­gang un­ter­ge­gan­ge­nen An­spruch kommt schon be­griff­lich ei­ne Haf­tung des Be­triebs­veräußerers oder des Be­triebs­er­wer­bers nicht mehr in Be­tracht.

d) Gleich­wohl ist der Er­lass­ver­trag nach § 134 BGB nich­tig, weil er ab­ge­schlos­sen wur­de, um die zwin­gen­den ge­setz­li­chen Rechts­fol­gen des § 613a Abs. 1 BGB zu um­ge­hen.

aa) Ein Rechts­geschäft darf und kann die mit ihm be­ab­sich­tig­te Wir­kung nicht ent­fal­ten, wenn es sich als ob­jek­ti­ve Um­ge­hung zwin­gen­der Rechts-nor­men dar­stellt. Das ist der Fall, wenn der Zweck ei­ner zwin­gen­den Rechts-norm da­durch ver­ei­telt wird, dass an­de­re recht­li­che Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten miss­bräuch­lich ver­wen­det wer­den.

Die gewähl­te recht­li­che Ge­stal­tung muss im Gefüge der ein­schlägi­gen, zwin­gen­den Rechts­norm sach­lich zu recht­fer­ti­gen sein. An­de­ren­falls wird ein von dem zwin­gen­den Ge­set­zes­recht ver­bo­te­nes Ziel an­ge­strebt. Es kommt we­der auf ei­ne Um­ge­hungs­ab­sicht noch auf ei­ne be­wuss­te Miss­ach­tung der zwin­gen­den Rechts­nor­men an; ent­schei­dend ist die ob­jek­ti­ve Funk­ti­ons­wid­rig­keit des Rechts­geschäfts (BAG 27. No­vem­ber 2008 - 6 AZR 632/08 - Rn. 28, ZTR 2009, 192; 7. No­vem­ber 2007 - 5 AZR 1007/06 - Rn. 13, AP BGB § 613a


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Nr. 329 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 79; 23. No­vem­ber 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 24, AP BGB § 613a Wie­der­ein­stel­lung Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 61). Für die Prüfung, ob ein Rechts­geschäft, wel­ches nicht vom di­rek­ten Wort­laut des Ver­bots­ge­set­zes er­fasst wird, ei­nen un­zulässi­gen Um­ge­hungs­tat­be­stand des § 613a BGB dar­stellt, kommt es dem­nach maßgeb­lich auf die Reich­wei­te des Schutz­zwecks die­ser Vor­schrift an.


bb) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts gewährt § 613a BGB Schutz vor ei­ner Verände­rung des Ar­beits­ver­trags­in­hal­tes im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Be­triebsüber­gang oh­ne sach­li­chen Grund (BAG 21. Mai 2008 - 8 AZR 481/07 - Rn. 41, AP BGB § 613a Nr. 354 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 96; 23. No­vem­ber 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 23 mwN, AP BGB § 613a Wie­der­ein­stel­lung Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 61). Durch § 613a Abs. 1 BGB soll ins­be­son­de­re ver­hin­dert wer­den, dass ei­ne Be­triebs­veräußerung zum An­lass ge­nom­men wird, die er­wor­be­nen Be­sitzstände der Ar­beit­neh­mer ab­zu­bau­en (BAG 19. Mai 2005 - 3 AZR 649/03 - Rn. 35, BA­GE 114, 349 = AP BGB § 613a Nr. 283 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 33; 21. Fe­bru­ar 2006 - 3 AZR 216/05 - Rn. 27, BA­GE 117, 112 = AP Be­trAVG § 16 Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 54). Da­ge­gen be­zweckt § 613a BGB nicht, Sa­nie­run­gen im Fal­le von Be­triebsüber­nah­men zu ermögli­chen oder zu er­leich­tern (BAG 27. April 1988 - 5 AZR 358/87 -, BA­GE 58, 176 = AP BGB § 613a Nr. 71 = EzA BGB § 613a Nr. 70). Schutz­zweck des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist al­so nicht aus­sch­ließlich der Er­halt des Ar­beits­plat­zes bei ei­nem Be­triebsüber­gang und die Si­che­rung der Fort­dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses. Das Ge­setz be­stimmt nicht nur, dass der Be­triebs­er­wer­ber der neue Ar­beit­ge­ber wird, son­dern legt zu­gleich fest, dass er in die Rech­te und Pflich­ten aus den im Zeit­punkt des Über­gangs be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­sen ein­tritt. Da­mit gewährt § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auch ei­nen Schutz des In­halts der Ar­beits­verhält­nis­se. Al­lein der Be­triebsüber­gang soll sich we­der auf den Be­stand noch auf den In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses nach­tei­lig aus­wir­ken. Al­le be­ste­hen­den Rech­te und Pflich­ten sol­len vom Be­triebs­er­wer­ber über­nom­men wer­den. Dem Kündi­gungs­ver­bot in § 613a Abs. 4 BGB kommt in­so­weit ei­ne Kom­ple­mentärfunk­ti­on zu (vgl. Se­nat 18. Ju­li 1996 - 8 AZR 127/94 - BA­GE 83,

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302 = AP BGB § 613a Nr. 147 = EzA BGB § 613a Nr. 142; HWK/Wil­lem­sen/Müller-Bo­nan­ni 3. Aufl. § 613a BGB Rn. 300).

cc) Dem­nach stellt ei­ne Ver­ein­ba­rung zwi­schen dem Ar­beit­neh­mer und dem Be­triebs­veräußerer oder dem in Aus­sicht ge­nom­me­nen Be­triebs­er­wer­ber ei­ne zur Un­wirk­sam­keit nach § 134 BGB führen­de Um­ge­hung des § 613a Abs. 1 BGB dar, wenn es Grund und Ziel der Ver­ein­ba­rung ist zu ver­hin­dern, dass der künf­ti­ge Be­triebs­er­wer­ber in sämt­li­che be­ste­hen­de Rech­te und Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis ein­tritt. Auch wenn der Ar­beit­neh­mer mit dem Hin­weis auf ei­ne ge­plan­te Be­triebs­veräußerung und be­ste­hen­de Ar­beits­platz­an­ge­bo­te des Be­triebs­er­wer­bers ver­an­lasst wird, sein Ar­beits­verhält­nis mit dem Be­triebs­veräußerer selbst zu kündi­gen oder mit die­sem ei­nen Auflösungs­ver­trag zu schließen, um mit dem Be­triebs­er­wer­ber neue Ar­beits­verträge ab­sch­ließen zu können, liegt ei­ne Um­ge­hung des § 613a BGB vor (BAG 25. Ok­to­ber 2007 - 8 AZR 917/06 - Rn. 43, AP BGB § 613a Nr. 333 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 82; 18. Au­gust 2005 - 8 AZR 523/04 - Rn. 27, BA­GE 115, 340 = AP BGB § 620 Auf­he­bungs­ver­trag Nr. 31 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 40).


dd) Nichts an­de­res wird durch die Richt­li­nie 2001/23/EG ge­for­dert, die si­cher­stel­len soll, dass den durch den Über­gang des Un­ter­neh­mens be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern ih­re Ansprüche aus dem Ar­beits­ver­trag oder dem Ar­beits­verhält­nis er­hal­ten blei­ben. Die­ser Schutz ist als zwin­gen­des Recht ei­ner Verfügung der Par­tei­en des Ar­beits­ver­trags ent­zo­gen. Der von ei­nem Un­ter­neh­mensüber­gang be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer soll in sei­nen Rechts­be­zie­hun­gen zum Er­wer­ber in glei­cher Wei­se geschützt sein wie er es nach den Rechts­vor­schrif­ten des Mit­glieds­staats in sei­nen Be­zie­hun­gen zum Veräußerer war. Zulässig sind zwar für den Ar­beit­neh­mer nach­tei­li­ge Ände­run­gen bei dem neu­en Un­ter­neh­mens­in­ha­ber, so­weit die­se nach dem na­tio­na­len Recht un­abhängig vom Fall des Un­ter­neh­mensüber­gangs zulässig sind; der Un­ter­neh­mensüber­gang als sol­cher stellt je­doch we­der Grund noch An­lass für ei­ne sol­che Ände­rung dar (EuGH 10. Fe­bru­ar 1988 - C-324/86 - Slg. 1988, 739; 12. No­vem­ber 1992 - C-209/91 - Slg. 1992, I-5755; 14. Sep­tem­ber 2000
 


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- C-343/98 - Slg. 2000, I-6659; 6. No­vem­ber 2003 - C-4/01 - Slg. 2003, I¬12859).

ee) Es kann vor­lie­gend da­hin­ste­hen, ob ei­ne nach ei­nem Be­triebsüber­gang zwi­schen dem Ar­beit­neh­mer und dem Be­triebs­er­wer­ber ein­zel­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Ver­schlech­te­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen, zB ei­ne Ab­sen­kung der Vergütung, ei­ne Um­ge­hung des Schutz­zwecks des § 613a Abs. 1 BGB dar­stel­len kann (BAG 7. No­vem­ber 2007 - 5 AZR 1007/06 - AP BGB § 613a Nr. 329 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 79). Der Er­lass­ver­trag wur­de nicht mit der Be­triebs­er­wer­be­rin nach dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses, son­dern mit der Be­klag­ten vor dem Be­triebsüber­gang ge­schlos­sen. Eben­so kann da­hin-ste­hen, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­ne Ver­tragsände­rung, die aus ei­nem an­de­ren Grund als der Ver­hin­de­rung des Ein­tritts des künf­ti­gen Be­triebs­er­wer­bers in sämt­li­che Rech­te und Pflich­ten ab­ge­schlos­sen wird, wirk­sam ist. Der Se­nat hat die Berück­sich­ti­gung sons­ti­ger, an­de­rer Gründe als „Sach­gründe“ für ei­ne Ver­tragsände­rung nicht aus­ge­schlos­sen (18. Au­gust 2005 - 8 AZR 523/04 - Rn. 29, BA­GE 115, 340 = AP BGB § 620 Auf­he­bungs­ver­trag Nr. 31 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 40; 12. Mai 1992 - 3 AZR 247/91 - zu II 2 der Gründe, BA­GE 70, 209 = AP Be­trAVG § 1 Be­triebs­veräußerung Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 104; KR-Pfeif­fer 9. Aufl. § 613a BGB Rn. 102 mwN). Je­den­falls war es vor­lie­gend Grund und Ziel des Er­lass­ver­tra­ges, ge­ra­de zu ver­hin­dern, dass die künf­ti­ge Be­triebs­er­wer­be­rin, die DRK Se­nio­ren- und So­zi­al­dienst gGmbH, vollständig in die be­ste­hen­den Rech­te der Kläge­rin ein­tre­ten muss­te. Der ge­plan­te Be­triebs­teilüber­gang war der ent­schei­den­de Grund für den Er­lass­ver­trag. Die in Aus­sicht ste­hen­de Be­triebs­er­wer­be­rin mach­te ihn nach dem An­schrei­ben des Be­klag­ten vom 24. März 2005 an sei­ne Mit­ar­bei­ter zur Be­din­gung für das Zu­stan­de­kom­men des Be­triebs­teilsüber­nah­me­ver­tra­ges. Oh­ne die Ver­zichts­ver­ein­ba­rung gehörten die schon ent­stan­de­nen und noch nicht erfüll­ten Ansprüche der Kläge­rin auf Zah­lung des Ur­laubs­gel­des und der Son­der­zu­wen­dung für die Jah­re 2003 und 2004 zu den Ansprüchen, die zu erfüllen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB Pflicht der Be­triebs­er­wer­be­rin ge­wor­den wäre. Dass al­lein aus Gründen des Be­triebsüber­gangs ein Rechts­ver­zicht er­fol­gen soll­te, er­gibt sich aus Ziff. 2 der Ver­ein-


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ba­rung, der­zu­fol­ge der Ver­zicht un­wirk­sam wer­den soll­te, falls es bis zum 31. De­zem­ber 2005 nicht zu ei­nem Be­triebsüber­gang auf die in Aus­sicht ge­nom­me­ne Be­triebs­er­wer­be­rin ge­kom­men sein soll­te. Auch die­se auflösen­de Be­din­gung, § 158 Abs. 2 BGB, un­ter­streicht, dass der Er­lass­ver­trag aus­sch­ließlich dar­auf ge­rich­tet war, die Rechts­fol­gen des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB teil­wei­se zu ver­hin­dern. Die ge­gen den Schutz­zweck des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ver­s­toßen­de Ver­ein­ba­rung ist nich­tig, § 134 BGB.

Im Übri­gen be­darf es kei­ner wei­te­ren Erörte­rung, dass es kei­nen sach­li­chen Grund dar­stellt, wenn der po­ten­ti­el­le Be­triebs­er­wer­ber zum Aus­druck bringt, oh­ne vor­he­ri­ge Ver­tragsände­run­gen oder Er­lass­verträge wer­de er den Be­trieb nicht über­neh­men. Die zwin­gen­den ge­setz­li­chen Schutz­be­stim­mun­gen des § 613a BGB können nicht mit der Be­gründung, an­de­ren­falls kom­me es nicht zum Be­triebsüber­gang, als dis­po­si­ti­ves Ge­set­zes­recht ver­stan­den wer­den.

III. Die Ansprüche der Kläge­rin sind nicht nach § 65 DRK-TV-Ost ver­fal­len.

1. Nach § 4 der An­la­ge 8 zum DRK-TV-Ost ist das Ur­laubs­geld 2004 mit den Bezügen für den Mo­nat Ju­li aus­zu­zah­len. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die von der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fen wer­den, hat die Kläge­rin das Ur­laubs­geld schrift­lich am 30. Sep­tem­ber 2004 gel­tend ge­macht. Die Zu­wen­dung 2004 soll­te nach § 3 Abs. 7 der An­la­ge 9 zum DRK-TV-Ost spätes­tens am 1. De­zem­ber 2004 ge­zahlt wer­den. Wie­der­um schrift­lich hat die Kläge­rin die­se For­de­rung mit Schrei­ben vom 30. Mai 2005 gel­tend ge­macht. Da­mit er­folg­te die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung in­ner­halb der sechs­mo­na­ti­gen Aus­schluss­frist.

2. Hin­sicht­lich der Rest­zu­wen­dung für das Jahr 2003 kann sich der Be­klag­te nicht auf § 65 DRK-TV-Ost be­ru­fen, oh­ne dass sich dies als Ver­s­toß ge­gen Treu und Glau­ben, § 242 BGB, dar­stellt.

Die Zu­wen­dung 2003 war nach dem DRK-TV-Ost am 1. De­zem­ber 2003 fällig und zu zah­len. Dies ist In­halt der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Par­tei­en. Die in­so­weit güns­ti­ge­re ar­beits­ver­trag­li­che
 


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Re­ge­lung konn­ten Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen vom 6. No­vem­ber 2002 und vom 18. No­vem­ber 2003 nicht zum Nach­teil der Kläge­rin ver­drängen und die Fällig­keit auf ei­nen späte­ren Zeit­punkt ver­schie­ben. Die Kläge­rin hat erst am 30. Sep­tem­ber 2004 den An­spruch auf Zah­lung der Rest­zu­wen­dung 2003 ge­genüber dem Be­klag­ten gel­tend ge­macht und da­mit später als sechs Mo­na­te nach Fällig­keit. Es stellt aber ei­ne un­zulässi­ge Rechts­ausübung iSv. § 242 BGB dar, wenn sich der Be­klag­te nun­mehr auf den Ab­lauf der Aus­schluss­frist be­ruft. Denn die zum Ver­fall von Ansprüchen führen­de Untätig­keit der Kläge­rin ist durch das Ver­hal­ten des Be­klag­ten als Ar­beit­ge­ber ver­an­lasst wor­den (BAG 5. Ju­ni 2003 - 6 AZR 249/02 - EzA TVG § 4 Aus­schluss­frist Nr. 167; 5. Au­gust 1999 - 6 AZR 752/97 - zu 2 a der Gründe, ZTR 2000, 36; 22. Ja­nu­ar 1997 - 10 AZR 459/96 - AP BAT § 70 Nr. 27 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 125). Durch den Ab­schluss der Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 18. No­vem­ber 2003 hat der Be­klag­te ge­genüber den Mit­ar­bei­tern, al­so auch der Kläge­rin, zum Aus­druck ge­bracht, sie könn­ten die Zah­lung der rest­li­chen Zu­wen­dung für 2003 nicht vor April 2004 ver­lan­gen. Dies muss­ten die Ar­beit­neh­mer da­hin ver­ste­hen, dass die Rest­zah­lung frühes­tens im April 2004 fällig wer­de und erst ab die­sem Zeit­punkt die Aus­schluss­frist zu lau­fen begönne. Da­mit hat der Be­klag­te die Ar­beit­neh­mer und die Kläge­rin von der Ein­hal­tung der Aus­schluss­frist ab­ge­hal­ten. Wer je­doch die Untätig­keit der Ar­beit­neh­mer ver­an­lasst, kann sich nicht später auf den Ver­fall von Ansprüchen be­ru­fen.

IV. Der Zins­an­spruch er­gibt sich aus den §§ 286 Abs. 1 und 2, 288 Abs. 1 BGB. Der Be­klag­te hat nach § 97 ZPO die Kos­ten sei­nes er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen.


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