HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 18.07.2007, C-490/04 - Kom­mis­si­on / Deutsch­land

   
Schlagworte: Arbeitnehmerentsendung
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-490/04
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.07.2007
   
Leitsätze:

1. Vertragsverletzungsklage – Vorverfahren – Gegenstand

(Art. 226 EG)

2. Vertragsverletzungsklage – Klagerecht der Kommission – Frist für die Ausübung

(Art. 226 EG)

3. Vertragsverletzungsklage – Nachweis der Vertragsverletzung – Obliegenheit der Kommission

(Art. 226 EG)

4. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Entsendung von Arbeitnehmern

(Art. 49 EG)

5. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Entsendung von Arbeitnehmern

(Art. 49 EG)

1. Das vorprozessuale Verfahren nach Art. 226 EG soll dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen oder seine Verteidigungsmittel gegenüber den Rügen der Kommission wirkungsvoll geltend zu machen.

(vgl. Randnr. 25)

2. Die Bestimmungen des Art. 226 EG sind anzuwenden, ohne dass die Kommission eine bestimmte Frist einhalten muss, sofern nicht ein Fall vorliegt, in dem eine zu lange Dauer des in diesem Artikel vorgesehenen Vorverfahrens es dem betroffenen Staat erschweren könnte, die Argumente der Kommission zu widerlegen, und damit die Verteidigungsrechte verletzen würde. Dass dies der Fall ist, hat der betroffene Mitgliedstaat nachzuweisen.

(vgl. Randnr. 26)

3. Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG ist es Sache der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen dieser Vertragsverletzung prüfen kann, wobei sie sich nicht auf Vermutungen stützen darf.

Außerdem ist die Bedeutung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften unter Berücksichtigung ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte zu beurteilen.

(vgl. Randnrn. 48-49)

4. Ein Mitgliedstaat, der ausländische Arbeitgeber, die Arbeitnehmer im Inland beschäftigen, verpflichtet, bestimmte Unterlagen, die für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer am Beschäftigungsort bereitzuhalten sind, in die Sprache dieses Mitgliedstaats zu übersetzen, verstößt nicht gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 EG.

Diese Pflicht stellt zwar eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, weil sie Kosten sowie zusätzlichen finanziellen und administrativen Aufwand für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen verursacht, so dass diese den im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Arbeitgebern unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs nicht gleichgestellt sind und somit von der Erbringung von Dienstleistungen in diesem Mitgliedstaat abgehalten werden können.

Sie kann jedoch durch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel, nämlich den sozialen Schutz der Arbeitnehmer, gerechtfertigt sein, weil sie es den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ermöglicht, die Kontrollen durchzuführen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der einschlägigen nationalen Vorschriften zu gewährleisten. Da nur einige wenige Dokumente übersetzt werden müssen und dem Arbeitgeber kein großer administrativer oder finanzieller Aufwand entsteht, geht sie nicht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels des sozialen Schutzes erforderlich ist.

(vgl. Randnrn. 66, 68-72, 76)

5. Ein Mitgliedstaat, der ausländische Zeitarbeitsunternehmen verpflichtet, nicht nur die Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher in dem betroffenen Mitgliedstaat, sondern auch den Einsatzort dieses Arbeitnehmers und jede Änderung dieses Ortes anzumelden, während für die in diesem Mitgliedstaat ansässigen Zeitarbeitsunternehmen diese zusätzliche Pflicht nicht besteht, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 EG.

(vgl. Randnrn. 85, 89 und Tenor)

Vorinstanzen:
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Ers­te Kam­mer)

18. Ju­li 2007(*)

„Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren – Zulässig­keit – Art. 49 EG – Frei­er Dienst­leis­tungs­ver­kehr – Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern – Be­schränkun­gen – Beiträge an die na­tio­na­le Ur­laubs­kas­se – Über­set­zung von Un­ter­la­gen – An­mel­dung des Ein­satz­orts der ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer

In der Rechts­sa­che C-490/04

be­tref­fend ei­ne Ver­trags­ver­let­zungs­kla­ge nach Art. 226 EG, ein­ge­reicht am 29. No­vem­ber 2004,

Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, ver­tre­ten durch E. Tra­ver­sa, G. Braun und H. Krep­pel als Be­vollmäch­tig­te, Zu­stel­lungs­an­schrift in Lu­xem­burg,

Kläge­rin,

ge­gen

Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, ver­tre­ten durch W.‑D. Ples­sing, M. Lum­ma und C. Schul­ze-Bahr als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von Rechts­an­walt T. Lübbig,

Be­klag­te,

un­terstützt durch:

Französi­sche Re­pu­blik, ver­tre­ten durch G. de Ber­gues und O. Christ­mann als Be­vollmäch­tig­te,

Streit­hel­fe­rin,

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Ers­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten P. Jann so­wie der Rich­ter R. Sch­int­gen, A. Tiz­za­no (Be­richt­er­stat­ter), M. Ilešič und E. Le­vits,

Ge­ne­ral­an­walt: D. Ruiz-Ja­rabo Co­lo­mer,

Kanz­ler: B. Fülöp, Ver­wal­tungs­rat,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 8. No­vem­ber 2006,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 14. De­zem­ber 2006

fol­gen­des

Ur­teil

1

Mit ih­rer Kla­ge be­an­tragt die Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, fest­zu­stel­len, dass die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land da­durch ge­gen ih­re Ver­pflich­tun­gen aus Art. 49 EG ver­s­toßen hat, dass sie Rechts­vor­schrif­ten er­las­sen hat, nach de­nen

- ausländi­sche Un­ter­neh­men selbst dann ver­pflich­tet sind, für ih­re ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer Beiträge an die deut­sche Ur­laubs­kas­se ab­zuführen, wenn sie nach den Rechts­vor­schrif­ten des Nie­der­las­sungs­staats ih­res Ar­beit­ge­bers ei­nen im We­sent­li­chen ver­gleich­ba­ren Schutz ge­nießen (§ 1 Abs. 3 des Ge­set­zes über zwin­gen­de Ar­beits­be­din­gun­gen bei grenzüber­schrei­ten­den Dienst­leis­tun­gen vom 26. Fe­bru­ar 1996 [BGBl. I S. 227, im Fol­gen­den: Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz oder AEntG]);

- ausländi­sche Un­ter­neh­men ver­pflich­tet sind, den Ar­beits­ver­trag oder die nach dem Recht des Wohn­sitz­lands des Ar­beit­neh­mers im Rah­men der Richt­li­nie 91/533/EWG des Ra­tes vom 14. Ok­to­ber 1991 über die Pflicht des Ar­beit­ge­bers zur Un­ter­rich­tung des Ar­beit­neh­mers über die für sei­nen Ar­beits­ver­trag oder sein Ar­beits­verhält­nis gel­ten­den Be­din­gun­gen (ABl. L 288, S. 32) er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen, die Lohn­ab­rech­nun­gen, die Ar­beits­zeit­nach­wei­se, die Nach­wei­se über er­folg­te Lohn­zah­lun­gen so­wie al­le sons­ti­gen Un­ter­la­gen, die von den deut­schen Behörden ver­langt wer­den, ins Deut­sche über­set­zen zu las­sen (§ 2 AEntG);

- ausländi­sche Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men ver­pflich­tet sind, ei­ne An­mel­dung nicht nur vor je­der Über­las­sung ei­nes Ar­beit­neh­mers an ei­nen Ent­lei­her in Deutsch­land vor­zu­neh­men, son­dern auch vor je­der Beschäfti­gung auf ei­ner Bau­stel­le durch den Ent­lei­her (§ 3 Abs. 2 AEntG).

Recht­li­cher Rah­men

Ge­mein­schafts­recht

EG-Ver­trag

2 Art. 49 EG be­stimmt:

„Die Be­schränkun­gen des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs in­ner­halb der Ge­mein­schaft für An­gehöri­ge der Mit­glied­staa­ten, die in ei­nem an­de­ren Staat der Ge­mein­schaft als dem­je­ni­gen des Leis­tungs­empfängers ansässig sind, sind nach Maßga­be der fol­gen­den Be­stim­mun­gen ver­bo­ten.

…“

Richt­li­nie 96/71/EG

3 Nach ih­rem Art. 1 Abs. 1 gilt die Richt­li­nie 96/71/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 16. De­zem­ber 1996 über die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern im Rah­men der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen (ABl. 1997, L 18, S. 1) „für Un­ter­neh­men mit Sitz in ei­nem Mit­glied­staat, die im Rah­men der länderüberg­rei­fen­den Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen Ar­beit­neh­mer … in das Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats ent­sen­den“.
4 Art. 3 („Ar­beits‑ und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen“) die­ser Richt­li­nie be­stimmt:

„(1) Die Mit­glied­staa­ten sor­gen dafür, dass un­abhängig von dem auf das je­wei­li­ge Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Recht die in Ar­ti­kel 1 Ab­satz 1 ge­nann­ten Un­ter­neh­men den in ihr Ho­heits­ge­biet ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern bezüglich der nach­ste­hen­den As­pek­te die Ar­beits‑ und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen ga­ran­tie­ren, die in dem Mit­glied­staat, in des­sen Ho­heits­ge­biet die Ar­beits­leis­tung er­bracht wird,

- durch Rechts- oder Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten und/oder

- durch für all­ge­mein ver­bind­lich erklärte Ta­rif­verträge oder Schiedssprüche im Sin­ne des Ab­sat­zes 8, so­fern sie die im An­hang ge­nann­ten Tätig­kei­ten be­tref­fen,

fest­ge­legt sind:

b) be­zahl­ter Min­dest­jah­res­ur­laub;

d) Be­din­gun­gen für die Über­las­sung von Ar­beits­kräften, ins­be­son­de­re durch Leih­ar­beits­un­ter­neh­men;

…“

5 Art. 4 („Zu­sam­men­ar­beit im In­for­ma­ti­ons­be­reich“) der Richt­li­nie sieht vor:

„(1) Zur Durchführung die­ser Richt­li­nie be­nen­nen die Mit­glied­staa­ten gemäß ih­ren Rechts­vor­schrif­ten und/oder Prak­ti­ken ein oder meh­re­re Ver­bin­dungsbüros oder ei­ne oder meh­re­re zuständi­ge ein­zel­staat­li­che Stel­len.

(2) Die Mit­glied­staa­ten se­hen die Zu­sam­men­ar­beit der Behörden vor, die ent­spre­chend den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten für die Über­wa­chung der in Ar­ti­kel 3 auf­geführ­ten Ar­beits‑ und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen zuständig sind. Die­se Zu­sam­men­ar­beit be­steht ins­be­son­de­re dar­in, be­gründe­te An­fra­gen die­ser Behörden zu be­ant­wor­ten, die das länderüberg­rei­fen­de Zur­verfügung­stel­len von Ar­beit­neh­mern, ein­sch­ließlich of­fen­kun­di­ger Verstöße oder Fälle von Ver­dacht auf un­zulässi­ge länderüberg­rei­fen­de Tätig­kei­ten, be­tref­fen.

…“

Na­tio­na­les Recht

6

Bei Ab­lauf der Frist, die der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land in der ihr zu­ge­stell­ten mit Gründen ver­se­he­nen Stel­lung­nah­me ge­setzt wor­den war, war die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern in die­sem Mit­glied­staat durch das Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz ge­re­gelt.
7 Nach § 1 Abs. 1 AEntG gel­ten für all­ge­mein ver­bind­lich erklärte Ta­rif­verträge des Bau­ge­wer­bes, die die Dau­er des Er­ho­lungs­ur­laubs, das Ur­laubs­ent­gelt oder ein zusätz­li­ches Ur­laubs­geld zum Ge­gen­stand ha­ben, auch für Ar­beit­ge­ber mit Sitz im Aus­land, die Ar­beit­neh­mer nach Deutsch­land ent­sen­den.
8 § 1 Abs. 3 AEntG be­stimmt:

„Sind im Zu­sam­men­hang mit der Gewährung von Ur­laubs­ansprüchen nach Ab­satz 1 die Ein­zie­hung von Beiträgen und die Gewährung von Leis­tun­gen durch all­ge­mein­ver­bind­li­che Ta­rif­verträge ei­ner ge­mein­sa­men Ein­rich­tung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über­tra­gen, so fin­den die Rechts­nor­men sol­cher Ta­rif­verträge auch auf ei­nen ausländi­schen Ar­beit­ge­ber und sei­nen im räum­li­chen Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­tra­ges beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer zwin­gend An­wen­dung, wenn in den be­tref­fen­den Ta­rif­verträgen oder auf sons­ti­ge Wei­se si­cher­ge­stellt ist, dass

1. der ausländi­sche Ar­beit­ge­ber nicht gleich­zei­tig zu Beiträgen nach die­ser Vor­schrift und Beiträgen zu ei­ner ver­gleich­ba­ren Ein­rich­tung im Staat sei­nes Sit­zes her­an­ge­zo­gen wird und

2. das Ver­fah­ren der ge­mein­sa­men Ein­rich­tung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne An­rech­nung der­je­ni­gen Leis­tun­gen vor­sieht, die der ausländi­sche Ar­beit­ge­ber zur Erfüllung des ge­setz­li­chen, ta­rif­ver­trag­li­chen oder ein­zel­ver­trag­li­chen Ur­laubs­an­spruchs sei­nes Ar­beit­neh­mers be­reits er­bracht hat.

…“

9 § 2 Abs. 3 AEntG sieht vor:

„Je­der Ar­beit­ge­ber mit Sitz im Aus­land ist ver­pflich­tet, die für die Kon­trol­le der Ein­hal­tung der Rechts­pflich­ten nach § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2a Satz 2 und Abs. 3a Satz 5 er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen im In­land für die ge­sam­te Dau­er der tatsächli­chen Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers im Gel­tungs­be­reich die­ses Ge­set­zes, min­des­tens für die Dau­er der ge­sam­ten Bau­leis­tung, ins­ge­samt je­doch nicht länger als zwei Jah­re in deut­scher Spra­che, auf Ver­lan­gen der Prüfbehörde auch auf der Bau­stel­le be­reit­zu­hal­ten.“

10 § 3 Abs. 2 AEntG schließlich sieht vor:

„Überlässt ein Ver­lei­her mit Sitz im Aus­land ei­nen oder meh­re­re Ar­beit­neh­mer zur Ar­beits­leis­tung ei­nem Ent­lei­her im Gel­tungs­be­reich die­ses Ge­set­zes, so hat er … vor Be­ginn je­der Bau­leis­tung der zuständi­gen Behörde der Zoll­ver­wal­tung schrift­lich ei­ne An­mel­dung in deut­scher Spra­che mit fol­gen­den An­ga­ben zu­zu­lei­ten:

1. Na­men, Vor­na­men und Ge­burts­da­ten der von ihm in den Gel­tungs­be­reich die­ses Ge­set­zes über­las­se­nen Ar­beit­neh­mer,

2. Be­ginn und Dau­er der Über­las­sung,

3. Ort der Beschäfti­gung (Bau­stel­le),

…“

Vor­ver­fah­ren

11 Auf­grund zahl­rei­cher Be­schwer­den wies die Kom­mis­si­on die deut­schen Behörden mit ei­nem Mahn­schrei­ben vom 12. No­vem­ber 1998 und ei­nem ergänzen­den Mahn­schrei­ben vom 17. Au­gust 1999 auf die Un­ver­ein­bar­keit ver­schie­de­ner Be­stim­mun­gen des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes mit Art. 59 EG-Ver­trag (nach Ände­rung jetzt Art. 49 EG) hin.
12 Da die Kom­mis­si­on die Erklärun­gen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land in de­ren Schrei­ben vom 8. März, 4. Mai und 25. Ok­to­ber 1999 für un­zu­rei­chend hielt, for­der­te sie die­se mit ei­ner mit Gründen ver­se­he­nen Stel­lung­nah­me vom 25. Ju­li 2001 auf, die Maßnah­men zu er­grei­fen, die er­for­der­lich sind, um die­ser Stel­lung­nah­me bin­nen zwei Mo­na­ten nach de­ren Ein­gang nach­zu­kom­men.
13 Mit Schrei­ben vom 1. Ok­to­ber 2001, 10. De­zem­ber 2001, 3. Fe­bru­ar 2003 und 4. De­zem­ber 2003 über­mit­tel­te die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land der Kom­mis­si­on ih­re Erklärun­gen zu der mit Gründen ver­se­he­nen Stel­lung­nah­me. Mit Schrei­ben vom 23. Ja­nu­ar 2004 no­ti­fi­zier­te sie der Kom­mis­si­on ei­ne auf­grund des Er­las­ses des Drit­ten Ge­set­zes für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 2848) geänder­te Fas­sung des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes.
14 Nach­dem sie fest­ge­stellt hat­te, dass die ursprüng­lich gerügten Verstöße durch die No­vel­lie­rung des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes nur zum Teil ab­ge­stellt wur­den, hat die Kom­mis­si­on die vor­lie­gen­de Kla­ge er­ho­ben.

Kla­ge

Zulässig­keit

15 Die deut­sche Re­gie­rung er­hebt vier Ein­re­den der Un­zulässig­keit, die sich auf die Wahl von Art. 49 EG als Maßstab für die Prüfung der Ver­ein­bar­keit des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes mit dem Ge­mein­schafts­recht, die un­an­ge­mes­se­ne Dau­er des Vor­ver­fah­rens, die Un­be­stimmt­heit der Kla­ge­schrift und die Ände­rung des Ge­gen­stands der ers­ten Rüge der Kom­mis­si­on be­zie­hen.

Wahl von Art. 49 EG als Maßstab für die Prüfung der Ver­ein­bar­keit des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes mit dem Ge­mein­schafts­recht

16 Die deut­schen Behörden ver­tre­ten die Auf­fas­sung, dass die frag­li­chen Be­stim­mun­gen des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes vor­ran­gig an­hand der Richt­li­nie 96/71 zu prüfen sei­en, die spe­zi­ell die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern im Rah­men der Er­brin­gung ei­ner Dienst­leis­tung be­tref­fe. Im Ein­zel­nen hätte die Kom­mis­si­on dar­le­gen müssen, dass die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land die Richt­li­nie nicht ord­nungs­gemäß um­ge­setzt ha­be oder dass die frag­li­chen Be­stim­mun­gen nicht im Ein­klang mit der Richt­li­nie an­ge­wandt würden.
17 In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Richt­li­nie 96/71 die Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten ko­or­di­nie­ren soll, in­dem sie ei­ne Lis­te der na­tio­na­len Vor­schrif­ten auf­stellt, die ein Mit­glied­staat auf die in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Un­ter­neh­men an­wen­den muss, die im Rah­men ei­ner länderüberg­rei­fen­den Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen Ar­beit­neh­mer in sein Ho­heits­ge­biet ent­sen­den.
18 So müssen die Mit­glied­staa­ten nach Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 die­ser Richt­li­nie dafür sor­gen, dass die­se Un­ter­neh­men un­abhängig von dem auf das je­wei­li­ge Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Recht den in ihr Ho­heits­ge­biet ent­sand­ten Ar­beit­neh­mern bezüglich der in die­sem Ar­ti­kel ge­nann­ten As­pek­te die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen ga­ran­tie­ren, die in dem Mit­glied­staat fest­ge­legt sind, in des­sen Ho­heits­ge­biet die Ar­beits­leis­tung er­bracht wird.
19 Die Richt­li­nie 96/71 har­mo­ni­siert je­doch nicht den ma­te­ri­ell-recht­li­chen In­halt die­ser na­tio­na­len Vor­schrif­ten (vgl. in die­sem Sin­ne Mit­tei­lung der Kom­mis­si­on an den Rat, das Eu­ropäische Par­la­ment, den Eu­ropäischen Wirt­schafts- und So­zi­al­aus­schuss und den Aus­schuss der Re­gio­nen vom 25. Ju­li 2003 über die Durchführung der Richt­li­nie 96/71 in den Mit­glied­staa­ten, KOM[2003] 458 endg., Punkt 2.3.1.3). Die­ser In­halt kann da­her von den Mit­glied­staa­ten un­ter Be­ach­tung des EG-Ver­trags und der all­ge­mei­nen Grundsätze des Ge­mein­schafts­rechts, im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren al­so auch des Art. 49 EG, frei be­stimmt wer­den.
20 In ih­rer Kla­ge­schrift macht die Kom­mis­si­on gel­tend, § 1 Abs. 3, § 2 und § 3 Abs. 2 AEntG sei­en mit dem EG-Ver­trag un­ver­ein­bar, weil sie den frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehr in­ner­halb der Ge­mein­schaft un­zulässig be­schränk­ten.
21 Be­schränkun­gen die­ser Grund­frei­heit sind nach Art. 49 EG ver­bo­ten. Die Kom­mis­si­on hat sich des­halb zu Recht auf die­se Vor­schrift be­ru­fen, um die Un­ver­ein­bar­keit der strei­ti­gen Be­stim­mun­gen mit dem Ge­mein­schafts­recht zu rügen.
22 Die ers­te Un­zulässig­keits­ein­re­de der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ist da­her zurück­zu­wei­sen.

Über­lan­ge Dau­er des Vor­ver­fah­rens

23 Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hält die Kla­ge we­gen der Verzöge­run­gen des vor­lie­gen­den Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­rens, die der Kom­mis­si­on an­zu­las­ten sei­en, für un­zulässig. Ob­wohl das Mahn­schrei­ben, das die Kom­mis­si­on an sie ge­rich­tet ha­be, vom 12. No­vem­ber 1998 da­tie­re, ha­be die­se ih­re Kla­ge erst am 29. No­vem­ber 2004 er­ho­ben, d. h. über sechs Jah­re nach Ver­sen­dung des Mahn­schrei­bens. Mit die­ser sich aus die­sen Verzöge­run­gen er­ge­ben­den Nachlässig­keit ha­be die Kom­mis­si­on zum ei­nen ih­re Pflicht zur Wah­rung ei­ner an­ge­mes­se­nen Ver­fah­rens­dau­er ver­letzt und zum an­de­ren ge­gen das Ge­bot der Rechts­si­cher­heit ver­s­toßen, auf das sich die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und die durch das Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz geschütz­ten Ar­beit­neh­mer be­ru­fen könn­ten.
24 Nach An­sicht der deut­schen Stel­len hätte die Kom­mis­si­on das Ver­fah­ren be­schleu­ni­gen können und müssen. Nach des­sen Ein­lei­tung ha­be der Ge­richts­hof nämlich meh­re­re Ur­tei­le, die sich all­ge­mein mit der Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern be­fass­ten, und ein Ur­teil spe­zi­ell zum Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz (vgl. Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2001, Fi­nal­ar­te u. a., C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-68/98 bis C-1/98, Slg. 2001, I-831) er­las­sen. Die­se Ur­tei­le hätten es ermögli­chen müssen, die An­ge­le­gen­heit zügi­ger ab­zu­sch­ließen.
25 In­so­weit ist je­doch zum ei­nen dar­auf hin­zu­wei­sen, dass das vor­pro­zes­sua­le Ver­fah­ren nach Art. 226 EG dem be­trof­fe­nen Mit­glied­staat Ge­le­gen­heit ge­ben soll, sei­nen ge­mein­schafts­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen nach­zu­kom­men oder sei­ne Ver­tei­di­gungs­mit­tel ge­genüber den Rügen der Kom­mis­si­on wir­kungs­voll gel­tend zu ma­chen (Ur­teil vom 5. No­vem­ber 2002, Kom­mis­si­on/Öster­reich, C-75/98, Slg. 2002, I-797, Rand­nr. 35).
26 Zum an­de­ren ist fest­zu­stel­len, dass die Be­stim­mun­gen des Art. 226 EG nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs an­zu­wen­den sind, oh­ne dass die Kom­mis­si­on ei­ne be­stimm­te Frist ein­hal­ten muss, so­fern nicht ein Fall vor­liegt, in dem ei­ne zu lan­ge Dau­er des in die­sem Ar­ti­kel vor­ge­se­he­nen Vor­ver­fah­rens es dem be­trof­fe­nen Staat er­schwe­ren könn­te, die Ar­gu­men­te der Kom­mis­si­on zu wi­der­le­gen, und da­mit die Ver­tei­di­gungs­rech­te ver­let­zen würde. Dass dies der Fall ist, hat der be­trof­fe­ne Mit­glied­staat nach­zu­wei­sen (vgl. Ur­tei­le vom 16. Mai 1991, Kom­mis­si­on/Nie­der­lan­de, C-6/89, Slg. 1991, I-461, Rand­nrn. 15 und 16, vom 21. Ja­nu­ar 1999, Kom­mis­si­on/Bel­gi­en, C-07/97, Slg. 1999, I-75, Rand­nr. 25, und Kom­mis­si­on/Öster­reich, Rand­nr. 36).
27 Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Zeit zwi­schen dem an die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ge­rich­te­ten Mahn­schrei­ben und der Kla­ge­er­he­bung im vor­lie­gen­den Fall in An­be­tracht der vom Ge­richts­hof zur Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern er­las­se­nen Ur­tei­le als zu lang zu be­trach­ten ist, da die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land kei­ne Ver­let­zung ih­rer Ver­tei­di­gungs­rech­te auf­grund der Dau­er des Vor­ver­fah­rens gel­tend macht und auch sonst nichts für ei­ne sol­che Ver­let­zung vorträgt.
28 Dem­nach ist auch die zwei­te Un­zulässig­keits­ein­re­de der deut­schen Re­gie­rung zurück­zu­wei­sen.

Un­be­stimmt­heit der Kla­ge­schrift

29 Die deut­sche Re­gie­rung hält die Kla­ge für un­zulässig, weil in der Kla­ge­schrift die Rügen, über die der Ge­richts­hof ent­schei­den sol­le, nicht klar an­ge­ge­ben sei­en. Ins­be­son­de­re las­se die Kom­mis­si­on die Fra­ge of­fen, ob sie nur die Be­stim­mun­gen des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes als sol­che oder auch ih­re An­wen­dung durch die deut­schen Behörden und Ge­rich­te in kon­kre­ten Fällen be­an­stan­de.
30 Nach Art. 38 § 1 Buchst. c der Ver­fah­rens­ord­nung muss die Kla­ge­schrift u. a. den Streit­ge­gen­stand und ei­ne kur­ze Dar­stel­lung der Kla­ge­gründe ent­hal­ten. Folg­lich hat die Kom­mis­si­on in ei­ner gemäß Art. 226 EG ein­ge­reich­ten Kla­ge­schrift die Rügen, über die der Ge­richts­hof ent­schei­den soll, hin­rei­chend ge­nau und zu­sam­menhängend an­zu­ge­ben, da­mit der Mit­glied­staat sich gebührend ver­tei­di­gen und der Ge­richts­hof über­prüfen kann, ob die be­haup­te­te Ver­trags­ver­let­zung vor­liegt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 13. De­zem­ber 1990, Kom­mis­si­on/Grie­chen­land, C-47/88, Slg. 1990, I-747, Rand­nr. 28, und vom 4. Mai 2006, Kom­mis­si­on/Ver­ei­nig­tes König­reich, C-8/04, Slg. 2006, I-003, Rand­nr. 18).
31 Im vor­lie­gen­den Fall geht aus der Be­gründung und den Anträgen der Kla­ge­schrift der Kom­mis­si­on je­doch hin­rei­chend klar und be­stimmt her­vor, dass die Kla­ge die Ver­ein­bar­keit der §§ 1 Abs. 3, 2 und 3 Abs. 2 AEntG mit Art. 49 EG be­trifft. Die Kla­ge ist da­her nicht mehr­deu­tig.
32 Folg­lich ist auch die drit­te Un­zulässig­keits­ein­re­de der deut­schen Re­gie­rung zurück­zu­wei­sen.

Ände­rung des Ge­gen­stands der ers­ten Rüge

33 Die deut­sche Re­gie­rung trägt vor, die ers­te Rüge sei un­zulässig, weil ihr Ge­gen­stand in der mit Gründen ver­se­he­nen Stel­lung­nah­me und in der Kla­ge­schrift nicht gleich­lau­tend for­mu­liert sei.
34 In der mit Gründen ver­se­he­nen Stel­lung­nah­me ha­be die Kom­mis­si­on erklärt, dass die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land da­durch ge­gen ih­re Ver­pflich­tun­gen aus Art. 49 EG ver­s­toßen ha­be, dass sie ausländi­sche Un­ter­neh­men ver­pflich­te, Beiträge an die deut­sche Ur­laubs­kas­se des Bau­ge­wer­bes ab­zuführen, „ob­wohl sie ih­ren Beschäftig­ten im Mit­glied­staat ih­rer Nie­der­las­sung wei­ter­hin di­rekt ei­ne Ur­laubs­vergütung zah­len“. In der Kla­ge­schrift ha­be sie da­ge­gen ei­nen Ver­s­toß ge­gen den EG-Ver­trag fest­ge­stellt, der sich dar­aus er­ge­be, dass ausländi­sche Un­ter­neh­men selbst dann ver­pflich­tet sei­en, für ih­re Ar­beit­neh­mer Beiträge an die Ur­laubs­kas­se ab­zuführen, „wenn sie nach den Rechts­vor­schrif­ten des Nie­der­las­sungs­staa­tes … ei­nen im We­sent­li­chen glei­chen Schutz“ genössen. Da­mit ha­be die Kom­mis­si­on den Streit­ge­gen­stand geändert und er­wei­tert.
35 Die Kom­mis­si­on ent­geg­net, dass die un­ter­schied­li­che For­mu­lie­rung des verfügen­den Teils der mit Gründen ver­se­he­nen Stel­lung­nah­me und der Kla­ge­anträge kei­ne Ände­rung des Streit­ge­gen­stands be­deu­te.
36

Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs wird der Ge­gen­stand der gemäß Art. 226 EG er­ho­be­nen Kla­ge in der Tat durch das in die­ser Be­stim­mung vor­ge­se­he­ne Vor­ver­fah­ren um­schrie­ben, wes­halb die mit Gründen ver­se­he­ne Stel­lung­nah­me und die Kla­ge auf die­sel­ben Rügen gestützt wer­den müssen (vgl. Ur­tei­le vom 17. No­vem­ber 1992, Kom­mis­si­on/Grie­chen­land, C-105/91, Slg. 1992, I-5871, Rand­nr. 12, und vom 10. Sep­tem­ber 1996, Kom­mis­si­on/Bel­gi­en, C-11/95, Slg. 1996, I-4115, Rand­nr. 73).  

37 Die­ses Er­for­der­nis kann je­doch nicht so weit ge­hen, dass in je­dem Fall ei­ne völli­ge Übe­rein­stim­mung zwi­schen dem verfügen­den Teil der mit Gründen ver­se­he­nen Stel­lung­nah­me und den Anträgen in der Kla­ge­schrift be­ste­hen muss, so­fern nur der Streit­ge­gen­stand nicht er­wei­tert oder geändert wor­den ist (Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 1998, Kom­mis­si­on/Deutsch­land, C-191/95, Slg. 1998, I-5449, Rand­nr. 56, und vom 6. No­vem­ber 2003, Kom­mis­si­on/Spa­ni­en, C-358/01, Slg. 2003, I-13145, Rand­nr. 28).
38 Im vor­lie­gen­den Fall er­gibt sich aus der mit Gründen ver­se­he­nen Stel­lung­nah­me, dass die Kom­mis­si­on im Vor­ver­fah­ren be­an­stan­de­te, dass die den ausländi­schen Un­ter­neh­men in § 1 Abs. 3 AEntG auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, Beiträge an die deut­sche Ur­laubs­kas­se ab­zuführen, zu ei­ner dop­pel­ten Ur­laubs­vergütung führe, und zwar so­wohl im Sitz­mit­glied­staat als auch im Ent­sen­de­mit­glied­staat, und dass die­se Dop­pel­zah­lung nur dann ver­mie­den wer­de, wenn es im Sitz­mit­glied­staat ei­ne der deut­schen Ur­laubs­kas­se ver­gleich­ba­re Ein­rich­tung ge­be. Auch in ih­rer Kla­ge­schrift rügt die Kom­mis­si­on die Dop­pel­be­las­tung des Ar­beit­ge­bers, der Ar­beit­neh­mer nach Deutsch­land ent­sen­det, und die zu en­ge Fas­sung der in § 1 Abs. 3 AEntG vor­ge­se­he­nen Be­frei­ung von der Bei­trags­pflicht.
39 Die Kom­mis­si­on hat so­mit den Streit­ge­gen­stand nicht er­wei­tert oder geändert und folg­lich nicht ge­gen Art. 226 EG ver­s­toßen.
40 Dem­nach ist auch die vier­te Un­zulässig­keits­ein­re­de der deut­schen Re­gie­rung zurück­zu­wei­sen und die Kla­ge der Kom­mis­si­on für zulässig zu erklären.

Be­gründet­heit

Ver­pflich­tung zur Zah­lung von Beiträgen an die deut­sche Ur­laubs­kas­se (§ 1 Abs. 3 AEntG)

Vor­brin­gen der Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten

41 Die Kom­mis­si­on trägt vor, die in § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG vor­ge­se­he­ne Be­frei­ung von der Bei­trags­pflicht sei zu eng ge­fasst, so dass es zu ei­ner mit Art. 49 EG un­ver­ein­ba­ren Dop­pel­be­las­tung des Ar­beit­neh­mer nach Deutsch­land ent­sen­den­den Ar­beit­ge­bers kom­men könne. Das Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz müss­te in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­ge Un­ter­neh­men, die Ar­beit­neh­mer ent­sen­de­ten, nicht nur dann von der Bei­trags­pflicht be­frei­en, wenn si­cher­ge­stellt sei, dass sie im Nie­der­las­sungs­staat Beiträge zu ei­nem ver­gleich­ba­ren Sys­tem ent­rich­te­ten, son­dern auch dann, wenn es in die­sem Staat Re­ge­lun­gen ge­be, die zwar nicht auf vom Ar­beit­ge­ber ge­zahl­ten Beiträgen be­ruh­ten, dem Ar­beit­neh­mer aber den­noch ei­nen dem deut­schen Ni­veau ent­spre­chen­den Schutz sei­ner Ur­laubs­ansprüche böten. 
42 Die deut­sche Re­gie­rung ent­geg­net, die Kom­mis­si­on ha­be kei­ne kon­kre­ten Be­wei­se dafür er­bracht, dass § 1 Abs. 3 AEntG ver­trags­wid­rig sei. Die­se Vor­schrift wer­de von den na­tio­na­len Behörden und Ge­rich­ten ge­mein­schafts­rechts­kon­form an­ge­wandt. 
43 Um ei­ne Dop­pel­be­las­tung der in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Un­ter­neh­men zu ver­mei­den, ha­be die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land nämlich ei­ne prag­ma­ti­sche grenzüber­schrei­ten­de Zu­sam­men­ar­beit mit den an­de­ren Mit­glied­staa­ten be­gründet und so­gar mit ein­zel­nen von ih­nen bi­la­te­ra­le Ab­kom­men über die ge­gen­sei­ti­ge An­er­ken­nung der na­tio­na­len Ur­laubs­sys­te­me ge­schlos­sen.
44 Auch die deut­schen Ge­rich­te, ins­be­son­de­re das Bun­des­ar­beits­ge­richt, hätten stets die vom Ge­richts­hof auf dem Ge­biet der Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern auf­ge­stell­ten Grundsätze be­ach­tet. Sie hätten – ne­ben der Prüfung, ob ein bi­la­te­ra­les Ab­kom­men be­ste­he – stets dafür ge­sorgt, dass dem ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer durch die An­wen­dung der deut­schen Re­ge­lung über die Ur­laubs­ansprüche ein Vor­teil er­wach­se, in­dem sie die­se nur dann an­wen­de­ten, wenn sie für den Ar­beit­neh­mer güns­ti­ger als die in sei­nem Hei­mat­staat gel­ten­den Vor­schrif­ten sei­en.

Würdi­gung durch den Ge­richts­hof

45 Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG sind ausländi­sche Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, Beiträge an die deut­sche Ur­laubs­kas­se ab­zuführen, so­fern sie nicht gleich­zei­tig zu Beiträgen zu die­ser Ur­laubs­kas­se und zu ei­ner ver­gleich­ba­ren Ein­rich­tung im Staat des Sit­zes ih­res Un­ter­neh­mens her­an­ge­zo­gen wer­den (Nr. 1) und die Leis­tun­gen an­ge­rech­net wer­den, die die­se Ar­beit­ge­ber zur Erfüllung der ge­setz­li­chen, ta­rif­ver­trag­li­chen oder ein­zel­ver­trag­li­chen Ur­laubs­ansprüche ih­rer Ar­beit­neh­mer be­reits er­bracht ha­ben (Nr. 2).
46 Der Ge­richts­hof hat sich im Ur­teil Fi­nal­ar­te u. a. be­reits zur Ver­ein­bar­keit die­ser Be­stim­mung des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes mit dem EG-Ver­trag geäußert. In den Rand­nrn. 45, 49 und 53 die­ses Ur­teils hat er ins­be­son­de­re dar­auf hin­ge­wie­sen, dass § 1 Abs. 3 AEntG nur un­ter zwei Vor­aus­set­zun­gen mit dem Ge­mein­schafts­recht ver­ein­bar ist, de­ren Erfüllung das vor­le­gen­de Ge­richt zu prüfen hat. Die­ses muss un­ter­su­chen, ob die deut­schen Rechts­vor­schrif­ten über be­zahl­ten Ur­laub den Ar­beit­neh­mern, die von außer­halb Deutsch­lands ansässi­gen Dienst­leis­tungs­er­brin­gern ent­sandt wor­den sind, ei­nen tatsächli­chen zusätz­li­chen Schutz gewähren und ob die An­wen­dung die­ser Rechts­vor­schrif­ten im Hin­blick auf die Ver­wirk­li­chung des Ziels des so­zia­len Schut­zes die­ser Ar­beit­neh­mer verhält­nismäßig ist.
47 Im vor­lie­gen­den Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren war es Sa­che der Kom­mis­si­on, zu prüfen, ob die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt wa­ren, und dem Ge­richts­hof die er­for­der­li­chen An­halts­punk­te zu lie­fern, an­hand de­ren er die Ver­ein­bar­keit der be­tref­fen­den Be­stim­mung mit Art. 49 EG prüfen kann.
48 Nach ständi­ger Recht­spre­chung ist es im Rah­men ei­nes Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­rens nach Art. 226 EG nämlich Sa­che der Kom­mis­si­on, das Vor­lie­gen der be­haup­te­ten Ver­trags­ver­let­zung nach­zu­wei­sen. Sie muss dem Ge­richts­hof die er­for­der­li­chen An­halts­punk­te lie­fern, an­hand de­ren er das Vor­lie­gen die­ser Ver­trags­ver­let­zung prüfen kann, wo­bei sie sich nicht auf Ver­mu­tun­gen stützen darf (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 20. März 1990, Kom­mis­si­on/Frank­reich, C-62/89, Slg. 1990, I-925, Rand­nr. 37, und vom 14. April 2005, Kom­mis­si­on/Deutsch­land, C-341/02, Slg. 2005, I-2733, Rand­nr. 35).
49 Außer­dem ist dar­an zu er­in­nern, dass die Be­deu­tung der na­tio­na­len Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs un­ter Berück­sich­ti­gung ih­rer Aus­le­gung durch die na­tio­na­len Ge­rich­te zu be­ur­tei­len ist (vgl. ins­be­son­de­re Ur­teil vom 8. Ju­ni 1994, Kom­mis­si­on/Ver­ei­nig­tes König­reich, C-382/92, Slg. 1994, I-2435, Rand­nr. 36, und vom 29. Mai 1997, Kom­mis­si­on/Ver­ei­nig­tes König­reich, C-300/95, Slg. 1997, I-2649, Rand­nr. 37).
50 Im vor­lie­gen­den Fall hat die Kom­mis­si­on nicht die er­for­der­li­chen An­halts­punk­te ge­lie­fert, an­hand de­ren die Un­ver­ein­bar­keit von § 1 Abs. 3 AEntG mit Art. 49 EG fest­ge­stellt wer­den könn­te. Sie hat sich nämlich auf ei­ne wört­li­che Aus­le­gung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 AEntG be­schränkt, oh­ne sich da­zu zu äußern, ob die bei­den im Ur­teil Fi­nal­ar­te u. a. auf­ge­stell­ten Vor­aus­set­zun­gen (Rand­nr. 46 des vor­lie­gen­den Ur­teils) erfüllt sind. Die Kom­mis­si­on hat zur Stützung ih­rer Kla­ge we­der Ar­gu­men­te vor­ge­tra­gen noch auf na­tio­na­le Ge­richts­ent­schei­dun­gen oder an­de­re Ge­sichts­punk­te ver­wie­sen, die be­le­gen könn­ten, dass § 1 Abs. 3 AEntG ent­ge­gen dem Vor­brin­gen der deut­schen Behörden in der Pra­xis nicht ge­mein­schafts­rechts­kon­form an­ge­wandt oder aus­ge­legt wird.
51 Die Kom­mis­si­on macht gel­tend, ih­re wört­li­che Aus­le­gung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 AEntG wer­de durch ein Bei­spiel bestätigt, das die däni­schen Rechts­vor­schrif­ten be­tref­fe. In Däne­mark würden die Ur­laubs­vergütun­gen nicht von ei­ner der deut­schen Ur­laubs­kas­se ver­gleich­ba­ren Ein­rich­tung an den Ar­beit­neh­mer ge­zahlt. Er­fol­ge kei­ne Zah­lung durch den Ar­beit­ge­ber selbst, könne der Ar­beit­neh­mer die Zah­lung durch den Ar­beit­ge­ber­ver­band ver­lan­gen. Trotz die­ser Ga­ran­tie sei ein in Däne­mark ansässi­ger Ar­beit­ge­ber, der Ar­beit­neh­mer nach Deutsch­land ent­sen­de, ver­pflich­tet, Beiträge an die deut­sche Ur­laubs­kas­se ab­zuführen. Die­se Bei­trags­pflicht ha­be le­dig­lich da­durch ver­mie­den wer­den können, dass zwi­schen dem König­reich Däne­mark und der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ein Ver­wal­tungs­ab­kom­men über die ge­gen­sei­ti­ge An­er­ken­nung der na­tio­na­len Sys­te­me zur Si­che­rung des be­zahl­ten Ur­laubs ge­schlos­sen wor­den sei. Der Grund­satz der Rechts­si­cher­heit ver­bie­te je­doch, dass die sich aus dem Ver­trag er­ge­ben­den Rech­te vom Ab­schluss von Ver­wal­tungs­ab­kom­men ab­hin­gen.
52 Die­sem Vor­brin­gen kann in­des­sen nicht ge­folgt wer­den. Aus den Ak­ten er­gibt sich nämlich, dass in Däne­mark ein Fonds be­steht (Ar­be­jds­mar­ke­dets Fe­rie­fond), der mit der deut­schen Ur­laubs­kas­se ver­gleich­bar ist, und dass die däni­schen Un­ter­neh­men, die in die­sen Fonds ein­zah­len, nach § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG, wie er nach dem ge­nann­ten Ver­wal­tungs­ab­kom­men an­ge­wandt wird, von der Bei­trags­pflicht ge­genüber der deut­schen Ur­laubs­kas­se be­freit sind.  
53 Darüber hin­aus wi­der­spricht es zwar dem Ge­bot der Rechts­si­cher­heit, dass die Rech­te Ein­zel­ner nach dem Ge­mein­schafts­recht in ih­rer Ausübung von Vor­aus­set­zun­gen und Gren­zen abhängen, die in na­tio­na­len Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten ge­re­gelt sind (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 28. April 1993, Kom­mis­si­on/Ita­li­en, C-306/91, Slg. 1993, I-2133, Rand­nr. 14, und vom 8. Ju­li 1999, Kom­mis­si­on/Frank­reich, C-354/98, Slg. 1999, I-4927, Rand­nr. 11), doch las­sen sich die Pro­ble­me, die sich im Rah­men der länderüberg­rei­fen­den Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern beim Ver­gleich der na­tio­na­len Ur­laubs­re­ge­lun­gen stel­len können, in Er­man­ge­lung ei­ner ent­spre­chen­den Har­mo­ni­sie­rung nicht oh­ne wirk­sa­me Zu­sam­men­ar­beit der Behörden der Mit­glied­staa­ten lösen (vgl. in die­sem Sin­ne Mit­tei­lung der Kom­mis­si­on an den Rat, das Eu­ropäische Par­la­ment, den Eu­ropäischen Wirt­schafts‑ und So­zi­al­aus­schuss und den Aus­schuss der Re­gio­nen vom 25. Ju­li 2003). Der Ab­schluss von Ver­wal­tungs­ab­kom­men, der die ge­gen­sei­ti­ge An­er­ken­nung sol­cher Re­ge­lun­gen gewähr­leis­ten soll, gehört zu die­ser Zu­sam­men­ar­beit und, all­ge­mei­ner ge­sagt, zur Pflicht zu loya­ler Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Mit­glied­staa­ten in den vom Ge­mein­schafts­recht er­fass­ten Be­rei­chen.
54 Un­ter die­sen Umständen ist fest­zu­stel­len, dass die Kom­mis­si­on nicht nach­ge­wie­sen hat, dass ausländi­sche Un­ter­neh­men auch dann Beiträge an die deut­sche Ur­laubs­kas­se abführen müssen, wenn die von ih­nen beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer nach dem Recht des Sitz­staats die­ser Un­ter­neh­men ei­nen im We­sent­li­chen ver­gleich­ba­ren Schutz ge­nießen.
55 Die ers­te Rüge der Kom­mis­si­on geht da­her fehl.

Ver­pflich­tung zur Be­reit­hal­tung be­stimm­ter Un­ter­la­gen in deut­scher Spra­che auf der Bau­stel­le (§ 2 Abs. 3 AEntG)

Vor­brin­gen der Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten

56 Die Kom­mis­si­on macht gel­tend, die Ver­pflich­tung ausländi­scher Un­ter­neh­men, al­le nach § 2 Abs. 3 AEntG er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen, d. h. den Ar­beits­ver­trag (oder ein gleich­wer­ti­ges Do­ku­ment nach der Richt­li­nie 91/533), Lohn­ab­rech­nun­gen, Ar­beits­zeit‑ und Lohn­zah­lungs­nach­wei­se so­wie al­le an­de­ren von den deut­schen Behörden ge­for­der­ten Un­ter­la­gen, ins Deut­sche über­set­zen zu las­sen, stel­le ei­ne un­ge­recht­fer­tig­te und un­verhält­nismäßige Be­schränkung der nach Art. 49 EG ga­ran­tier­ten Dienst­leis­tungs­frei­heit dar.
57 Was die feh­len­de Recht­fer­ti­gung die­ser Be­stim­mung des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes an­ge­he, ha­be der Ge­richts­hof im Ur­teil vom 23. No­vem­ber 1999, Ar­b­lade u. a. (C-369/96 und C-376/96, Slg. 1999, I-8453), ent­schie­den, dass die Ver­pflich­tung ausländi­scher Un­ter­neh­men, Un­ter­la­gen im Auf­nahm­e­mit­glied­staat auf­zu­be­wah­ren, nicht da­mit be­gründet wer­den könne, dass die Erfüllung der Über­wa­chungs­auf­ga­ben der Behörden die­ses Staa­tes all­ge­mein er­leich­tert wer­den sol­le. Wenn aber das Er­for­der­nis, Un­ter­la­gen auf­zu­be­wah­ren, nicht mit die­sem Ziel ge­recht­fer­tigt wer­den könne, dann sei auch die min­des­tens eben­so auf­wen­di­ge zwin­gen­de Ver­pflich­tung, al­le Un­ter­la­gen zu über­set­zen, nicht zu recht­fer­ti­gen.
58 Zur Verhält­nismäßig­keit der frag­li­chen Be­stim­mung trägt die Kom­mis­si­on - wie­der­um un­ter Be­zug­nah­me auf das Ur­teil Ar­b­lade u. a. - vor, die all­ge­mei­ne Über­set­zungs­pflicht sei durch das in Art. 4 der Richt­li­nie 96/71 vor­ge­se­he­ne Sys­tem der Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den Mit­glied­staa­ten überflüssig ge­wor­den.
59 Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, un­terstützt von der Französi­schen Re­pu­blik, macht gel­tend, dass die in § 2 Abs. 3 AEntG vor­ge­se­he­ne Über­set­zungs­pflicht mit Art. 49 EG ver­ein­bar sei.
60 Die­se Ver­pflich­tung sol­le ei­ne ef­fek­ti­ve Kon­trol­le der Ein­hal­tung der Rechts­pflich­ten nach dem Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz ermögli­chen und so­mit ei­nen wirk­sa­men Schutz der Ar­beit­neh­mer gewähr­leis­ten. Die Kon­troll­behörden müss­ten in der La­ge sein, die frag­li­chen Un­ter­la­gen zu le­sen und zu ver­ste­hen, was ver­lan­ge, dass sie über­setzt sei­en. Die Wirk­sam­keit der Kon­trol­le dürfe nicht von den Fremd­spra­chen­kennt­nis­sen der Kon­troll­behörden auf den je­wei­li­gen Bau­stel­len abhängen.
61 Die deut­sche und die französi­sche Re­gie­rung tra­gen vor, das Ur­teil Ar­b­lade u. a. las­se kei­ne un­mit­tel­ba­ren Rück­schlüsse in Be­zug auf die Recht­fer­ti­gung und die Verhält­nismäßig­keit von § 2 Abs. 3 AEntG zu.
62 Sch­ließlich sind die deut­sche und die französi­sche Re­gie­rung der An­sicht, dass die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den na­tio­na­len Behörden nach Art. 4 der Richt­li­nie 96/71 die den ausländi­schen Ar­beit­ge­bern auf­er­leg­te Über­set­zungs­pflicht nicht er­set­zen könne.

Würdi­gung durch den Ge­richts­hof

63 Nach ständi­ger Recht­spre­chung ver­langt Art. 49 EG nicht nur die Be­sei­ti­gung je­der Dis­kri­mi­nie­rung des in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Dienst­leis­ten­den auf­grund sei­ner Staats­an­gehörig­keit, son­dern auch die Auf­he­bung al­ler Be­schränkun­gen – selbst wenn sie un­ter­schieds­los für inländi­sche Dienst­leis­ten­de wie für sol­che aus an­de­ren Mit­glied­staa­ten gel­ten –, so­fern sie ge­eig­net sind, die Tätig­kei­ten des Dienst­leis­ten­den, der in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässig ist und dort rechtmäßig ähn­li­che Dienst­leis­tun­gen er­bringt, zu un­ter­bin­den, zu be­hin­dern oder we­ni­ger at­trak­tiv zu ma­chen (vgl. Ur­tei­le vom 25. Ju­li 1991, Säger, C-76/90, Slg. 1991, I-4221, Rand­nr. 12, vom 28. März 1996, Gui­ot, C-272/94, Slg. 1996, I-1905, Rand­nr. 10, und vom 19. Ja­nu­ar 2006, Kom­mis­si­on/Deutsch­land, C-244/04, Slg. 2006, I-885, Rand­nr. 30).
64 Auch wenn ei­ne Har­mo­ni­sie­rung in die­sem Be­reich fehlt, darf der freie Dienst­leis­tungs­ver­kehr als fun­da­men­ta­ler Grund­satz des Ver­trags doch nur durch Re­ge­lun­gen be­schränkt wer­den, die durch zwin­gen­de Gründe des All­ge­mein­in­ter­es­ses ge­recht­fer­tigt sind und für al­le im Ho­heits­ge­biet des Auf­nahm­e­mit­glied­staats täti­gen Per­so­nen oder Un­ter­neh­men gel­ten, so­weit die­ses In­ter­es­se nicht durch die Vor­schrif­ten geschützt wird, de­nen der Dienst­leis­ten­de in dem Mit­glied­staat un­ter­liegt, in dem er ansässig ist (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le Ar­b­lade u. a., Rand­nrn. 34 und 35, vom 24. Ja­nu­ar 2002, Por­tu­gaia Con­struções, C-164/99, Slg. 2002, I-787, Rand­nr. 19, und vom 21. Ok­to­ber 2004, Kom­mis­si­on/Lu­xem­burg, C-445/03, Slg. 2004, I-10191, Rand­nr. 21).
65 Sch­ließlich muss die An­wen­dung der na­tio­na­len Re­ge­lun­gen ei­nes Mit­glied­staats auf die in an­de­ren Mit­glied­staa­ten nie­der­ge­las­se­nen Dienst­leis­ten­den ge­eig­net sein, die Ver­wirk­li­chung des mit ih­nen ver­folg­ten Ziels zu gewähr­leis­ten, und darf nicht über das hin­aus­ge­hen, was zur Er­rei­chung die­ses Ziels er­for­der­lich ist (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le Säger, Rand­nr. 15, vom 31. März 1993, Kraus, C-19/92, Slg. 1993, I-1663, Rand­nr. 32, und vom 30. No­vem­ber 1995, Geb­hard, C-55/94, Slg. 1995, I-4165, Rand­nr. 37).
66 Im vor­lie­gen­den Fall er­gibt sich aus § 2 Abs. 3 AEntG, dass ein außer­halb Deutsch­lands ansässi­ger Ar­beit­ge­ber, der Ar­beit­neh­mer in Deutsch­land beschäftigt, ver­pflich­tet ist, be­stimm­te Un­ter­la­gen für die ge­sam­te Dau­er der tatsächli­chen Beschäfti­gung der ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer, min­des­tens für die Dau­er der ge­sam­ten Bau­leis­tung, ins­ge­samt je­doch nicht länger als zwei Jah­re, in deut­scher Spra­che, auf Ver­lan­gen der Prüfbehörde auch auf der Bau­stel­le be­reit­zu­hal­ten. Wie die deut­sche Re­gie­rung in der Sit­zung aus­geführt hat, oh­ne dass ihr die Kom­mis­si­on wi­der­spro­chen hätte, han­delt es sich bei die­sen Un­ter­la­gen um den Ar­beits­ver­trag, die Lohn­ab­rech­nun­gen so­wie die Ar­beits­zeit- und Lohn­zah­lungs­nach­wei­se.
67 Da es in die­sem Be­reich kei­ne ge­mein­schaft­li­chen Har­mo­ni­sie­rungs­maßnah­men gibt, ist da­her, um die Be­gründet­heit der zwei­ten Rüge der Kom­mis­si­on be­ur­tei­len zu können, zunächst zu prüfen, ob die in die­ser Be­stim­mung des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes ge­stell­ten An­for­de­run­gen re­strik­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf den frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehr ha­ben, und dann ge­ge­be­nen­falls, ob in dem be­tref­fen­den Tätig­keits­be­reich zwin­gen­de Gründe des All­ge­mein­in­ter­es­ses der­ar­ti­ge Be­schränkun­gen des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs recht­fer­ti­gen. Ist dies der Fall, ist schließlich zu prüfen, ob das glei­che Er­geb­nis nicht durch we­ni­ger ein­schränken­de Vor­schrif­ten er­reicht wer­den kann.
68 Ers­tens ist fest­zu­stel­len, dass die frag­li­che Be­stim­mung durch die Ver­pflich­tung zur Über­set­zung der ge­nann­ten Un­ter­la­gen ei­ne Be­schränkung des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs dar­stellt.
69 Die­se Ver­pflich­tung ver­ur­sacht nämlich Kos­ten so­wie zusätz­li­chen fi­nan­zi­el­len und ad­mi­nis­tra­ti­ven Auf­wand für die in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Un­ter­neh­men, so dass die­se den im Auf­nahm­e­mit­glied­staat ansässi­gen Ar­beit­ge­bern un­ter dem Ge­sichts­punkt des Wett­be­werbs nicht gleich­ge­stellt sind und so­mit von der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen in die­sem Mit­glied­staat ab­ge­hal­ten wer­den können.
70 Zwei­tens je­doch ist zu be­ach­ten, dass § 2 Abs. 3 AEntG ein im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­gen­des Ziel ver­folgt, nämlich den so­zia­len Schutz der Ar­beit­neh­mer des Bau­ge­wer­bes und die Kon­trol­le der Gewähr­leis­tung die­ses Schut­zes. Der Ge­richts­hof hat be­reits an­er­kannt, dass die­ses Ziel zu den zwin­gen­den Gründen gehört, die sol­che Be­schränkun­gen der Dienst­leis­tungs­frei­heit recht­fer­ti­gen (vgl. Ur­tei­le vom 3. Fe­bru­ar 1982, Se­co und Des­quen­ne & Gi­ral, 62/81 und 63/81, Slg. 1982, 223, Rand­nr. 14, vom 27. März 1990, Rush Por­tu­gue­sa, C-113/89, Slg. 1990, I-1417, Rand­nr. 18, Gui­ot, Rand­nr. 16, und Ar­b­lade u. a., Rand­nr. 51).
71 Da­durch, dass § 2 Abs. 3 AEntG zur Auf­be­wah­rung der frag­li­chen Un­ter­la­gen in der Spra­che des Auf­nahm­e­mit­glied­staats auf der Bau­stel­le ver­pflich­tet, soll es den zuständi­gen Behörden die­ses Staa­tes nämlich ermöglicht wer­den, am Beschäfti­gungs­ort die Kon­trol­len durch­zuführen, die er­for­der­lich sind, um die Ein­hal­tung der na­tio­na­len Vor­schrif­ten zum Schutz der Ar­beit­neh­mer, ins­be­son­de­re der­je­ni­gen über die Ent­loh­nung und die Ar­beits­zeit, zu gewähr­leis­ten. Sol­che Kon­trol­len vor Ort würden in der Pra­xis übermäßig er­schwert, wenn nicht gar unmöglich ge­macht, wenn die­se Un­ter­la­gen in der Spra­che des Sitz­staats des Ar­beit­ge­bers vor­ge­legt wer­den könn­ten, die die Be­am­ten des Auf­nahm­e­mit­glied­staats womöglich nicht be­herr­schen.
72 Dar­aus folgt, dass die in § 2 Abs. 3 AEntG vor­ge­se­he­ne Pflicht ge­recht­fer­tigt ist.
73 Die­ses Er­geb­nis wird durch das Ur­teil Ar­b­lade u. a. nicht in Fra­ge ge­stellt.
74 Zwar hat der Ge­richts­hof in Rand­nr. 76 des Ur­teils Ar­b­lade u. a. ent­schie­den, dass es zur Recht­fer­ti­gung ei­ner Be­schränkung des frei­en Dienst­leis­tungs­ver­kehrs, die in der Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers be­steht, be­stimm­te Un­ter­la­gen am Wohn­sitz ei­ner im Auf­nahm­e­mit­glied­staat woh­nen­den natürli­chen Per­son be­reit­zu­hal­ten, nicht genügt, dass das Vor­han­den­sein die­ser Un­ter­la­gen in die­sem Staat ge­eig­net ist, die Erfüllung der Über­wa­chungs­auf­ga­be der Behörden die­ses Staa­tes im All­ge­mei­nen zu er­leich­tern. Es ging dort je­doch um die dem Ar­beit­ge­ber auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, be­stimm­te Un­ter­la­gen auch dann noch für die zuständi­gen Behörden be­reit­zu­hal­ten, wenn er im Auf­nahm­e­mit­glied­staat kei­ne Ar­beit­neh­mer mehr beschäftig­te.
75 Dies ist hier je­doch nicht der Fall, da § 2 Abs. 3 AEntG da­zu ver­pflich­tet, Un­ter­la­gen in deut­scher Spra­che für die Dau­er der tatsächli­chen Beschäfti­gung der nach Deutsch­land ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer und für die Dau­er der Bau­leis­tung be­reit­zu­hal­ten. Wie sich aus Rand­nr. 74 des vor­lie­gen­den Ur­teils er­gibt, be­schränkt sich die­se Vor­schrift außer­dem nicht dar­auf, die Erfüllung der Über­wa­chungs­auf­ga­be der zuständi­gen deut­schen Behörden im All­ge­mei­nen zu er­leich­tern; sie soll viel­mehr die Kon­trol­le der Bau­stel­len durch die­se Behörden in der Pra­xis ermögli­chen.
76 Drit­tens ist fest­zu­stel­len, dass nach die­ser Vor­schrift nur vier Do­ku­men­te (der Ar­beits­ver­trag, die Lohn­ab­rech­nun­gen so­wie die Ar­beits­zeit- und Lohn­zah­lungs­nach­wei­se) über­setzt wer­den müssen, die nicht übermäßig lang sind und übli­cher­wei­se un­ter Ver­wen­dung von for­mel­haf­ten Wen­dun­gen er­stellt wer­den. Da § 2 Abs. 3 AEntG dem Ar­beit­neh­mer nach Deutsch­land ent­sen­den­den Ar­beit­ge­ber so­mit kei­nen großen ad­mi­nis­tra­ti­ven oder fi­nan­zi­el­len Auf­wand ver­ur­sacht, geht er nicht über das hin­aus, was zur Er­rei­chung des ver­folg­ten Ziels des so­zia­len Schut­zes er­for­der­lich ist. 
77 Sch­ließlich gibt es nach der gel­ten­den Rechts­la­ge kei­ne we­ni­ger ein­schränken­den Maßnah­men, mit de­nen die­ses Ziel er­reicht wer­den kann.
78 Das in Art. 4 der Richt­li­nie 96/71 vor­ge­se­he­ne Sys­tem der Zu­sam­men­ar­beit und des In­for­ma­ti­ons­aus­tauschs zwi­schen den na­tio­na­len Behörden macht die den außer­halb Deutsch­lands ansässi­gen Ar­beit­ge­bern auf­er­leg­te Über­set­zungs­pflicht nicht überflüssig. Aus den Ak­ten geht nämlich her­vor, dass die nach dem Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz von den Ar­beit­ge­bern ver­lang­ten Un­ter­la­gen sich nicht im Be­sitz die­ser Behörden be­fin­den, die so­mit nicht in der La­ge sind, sie zu­sam­men mit ei­ner Über­set­zung in­ner­halb an­ge­mes­se­ner Fris­ten den zuständi­gen Behörden der an­de­ren Mit­glied­staa­ten zu über­mit­teln.
79 Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 86 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, gibt es außer­dem ge­genwärtig kei­ne ge­mein­schafts­recht­li­che Norm, die im Fall der Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern die Ver­wen­dung mehr­spra­chi­ger Un­ter­la­gen vor­schreibt.
80 Nach al­le­dem ist die zwei­te Rüge der Kom­mis­si­on zurück­zu­wei­sen.

Ver­pflich­tung der ausländi­schen Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men, den je­wei­li­gen Ein­satz­ort der ent­sand­ten Ar­beit­neh­mer an­zu­mel­den (§ 3 Abs. 2 AEntG)

Vor­brin­gen der Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten

81 Die Kom­mis­si­on macht gel­tend, dass die den ausländi­schen Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men auf­er­leg­te Ver­pflich­tung, den zuständi­gen Behörden nicht nur die Über­las­sung ei­nes Ar­beit­neh­mers an ei­nen Ent­lei­her, son­dern auch den Wech­sel des Ar­beit­neh­mers von ei­ner Bau­stel­le zur an­de­ren zu mel­den, während für die in Deutsch­land ansässi­gen Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men kei­ne sol­che zusätz­li­che Pflicht be­ste­he, ei­ne Maßnah­me dar­stel­le, die die grenzüber­schrei­ten­de Dienst­leis­tungs­er­brin­gung ge­genüber ei­ner Leis­tungs­er­brin­gung im In­land er­schwe­re. Für die­se un­ter­schied­li­che Be­hand­lung ge­be es kei­nen stich­hal­ti­gen Grund.
82 Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ent­geg­net, dass die Mel­de­pflicht nach § 3 Abs. 2 AEntG mit Art. 49 EG ver­ein­bar sei. Die­se Ver­pflich­tung sei durch die Not­wen­dig­keit wirk­sa­mer Kon­trol­len und im In­ter­es­se ei­nes stärke­ren Schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­recht­fer­tigt. Darüber hin­aus sei sie für das be­trof­fe­ne Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men nicht mit übermäßigem Auf­wand ver­bun­den.

Würdi­gung durch den Ge­richts­hof 

83 Nach ständi­ger Recht­spre­chung setzt der freie Dienst­leis­tungs­ver­kehr ins­be­son­de­re die Be­sei­ti­gung je­der Dis­kri­mi­nie­rung ge­genüber dem Dienst­leis­ten­den auf­grund sei­ner Staats­an­gehörig­keit oder des Um­stands vor­aus, dass er in ei­nem an­de­ren als dem Mit­glied­staat nie­der­ge­las­sen ist, in dem die Dienst­leis­tung zu er­brin­gen ist (vgl. Ur­tei­le vom 25. Ju­li 1991, Collec­tie­ve An­ten­ne­vo­or­zi­e­ning Gou­da, C-288/89, Slg. 1991, I-4007, Rand­nr. 10, Kom­mis­si­on/Nie­der­lan­de, C-353/89, Slg. 1991, I-4069, Rand­nr. 14, und vom 4. Mai 1993, Dis­tri­bui­do­res Ci­ne­ma­to­gráfi­cos, C-17/92, Slg. 1993, I-2239, Rand­nr. 13).
84 In­so­weit ist fest­zu­stel­len, dass § 3 Abs. 2 AEntG ei­ne Be­nach­tei­li­gung der außer­halb Deutsch­lands ansässi­gen Dienst­leis­tungs­er­brin­ger zur Fol­ge hat.
85 Nach die­ser Be­stim­mung müssen die in an­de­ren Mit­glied­staa­ten ansässi­gen Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men nämlich nicht nur Be­ginn und Dau­er der Über­las­sung ei­nes Ar­beit­neh­mers an ei­nen Ent­lei­her in Deutsch­land bei den zuständi­gen deut­schen Behörden schrift­lich an­mel­den, son­dern auch den Ein­satz­ort und je­de Ände­rung die­ses Or­tes, während für die in Deutsch­land ansässi­gen Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men die­se zusätz­li­che Pflicht - die stets den Ent­lei­hern ob­liegt - nicht be­steht.
86 Der Ge­richts­hof hat aber be­reits ent­schie­den, dass in­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die nicht un­ter­schieds­los auf al­le Dienst­leis­tun­gen oh­ne Rück­sicht auf de­ren Ur­sprung an­wend­bar sind, mit dem Ge­mein­schafts­recht nur dann ver­ein­bar sind, wenn sie un­ter ei­ne aus­drück­li­che Aus­nah­me­be­stim­mung fal­len, wie z. B. Art. 46 EG, auf den Art. 55 EG ver­weist (vgl. Ur­tei­le des Ge­richts­hofs vom 18. Ju­ni 1991, ERT, C-260/89, Slg. 1991, I-2925, Rand­nr. 24, Collec­tie­ve An­ten­ne­vo­or­zi­e­ning Gou­da, Rand­nr. 11, und vom 21. März 2002, Cu­ra An­la­gen, C-451/99, Slg. 2002, I-3193, Rand­nr. 31). Nach Art. 46 EG, der eng aus­zu­le­gen ist, können dis­kri­mi­nie­ren­de Vor­schrif­ten aus Gründen der öffent­li­chen Ord­nung, Si­cher­heit oder Ge­sund­heit ge­recht­fer­tigt sein. 
87 Im vor­lie­gen­den Fall hat die deut­sche Re­gie­rung nichts vor­ge­tra­gen, was un­ter ei­nen die­ser Gründe fal­len könn­te.
88 Dem­nach ist die drit­te Rüge der Kom­mis­si­on be­gründet.
89 Es ist da­her fest­zu­stel­len, dass die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land da­durch ge­gen ih­re Ver­pflich­tun­gen aus Art. 49 EG ver­s­toßen hat, dass sie ei­ne Be­stim­mung wie § 3 Abs. 2 AEntG er­las­sen hat, nach der ausländi­sche Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men nicht nur die Über­las­sung ei­nes Ar­beit­neh­mers an ei­nen Ent­lei­her in Deutsch­land, son­dern auch je­de Ände­rung sei­nes Ein­satz­orts an­mel­den müssen.

Kos­ten

90 Nach Art. 69 § 2 der Ver­fah­rens­ord­nung ist die un­ter­lie­gen­de Par­tei zur Tra­gung der Kos­ten zu ver­ur­tei­len. Nach Art. 69 § 3 der Ver­fah­rens­ord­nung kann der Ge­richts­hof je­doch die Kos­ten tei­len oder be­sch­ließen, dass je­de Par­tei ih­re ei­ge­nen Kos­ten trägt, wenn je­de Par­tei teils ob­siegt, teils un­ter­liegt oder wenn ein außer­gewöhn­li­cher Grund vor­liegt.  
91 Im vor­lie­gen­den Fall sind der Kom­mis­si­on, die mit zwei ih­rer drei Rügen un­ter­le­gen ist, zwei Drit­tel und der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ein Drit­tel der Kos­ten auf­zu­er­le­gen. 
92 Nach Art. 69 § 4 der Ver­fah­rens­ord­nung trägt die Französi­sche Re­pu­blik ih­re ei­ge­nen Kos­ten.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Ers­te Kam­mer) für Recht er­kannt und ent­schie­den:

1. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat da­durch ge­gen ih­re Ver­pflich­tun­gen aus Art. 49 EG ver­s­toßen, dass sie ei­ne Be­stim­mung wie § 3 Abs. 2 des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes vom 26. Fe­bru­ar 1996 er­las­sen hat, nach der ausländi­sche Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men nicht nur die Über­las­sung ei­nes Ar­beit­neh­mers an ei­nen Ent­lei­her in Deutsch­land, son­dern auch je­de Ände­rung sei­nes Ein­satz­orts an­mel­den müssen.

2. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

3. Die Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten trägt zwei Drit­tel der Kos­ten. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land trägt ein Drit­tel der Kos­ten.

4. Die Französi­sche Re­pu­blik trägt ih­re ei­ge­nen Kos­ten.

Un­ter­schrif­ten


* Ver­fah­rens­spra­che: Deutsch. 

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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