HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 18.03.2014, C-363/12

   
Schlagworte: Diskriminierung: Geschlecht, Diskriminierung: Behinderung, Mutterschutz
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-363/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.03.2014
   
Leitsätze:

1. Die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, insbesondere ihre Art. 4 und 14, ist dahin auszulegen, dass es keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn einer Arbeitnehmerin in ihrer Eigenschaft als Bestellmutter, die im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung ein Kind erhalten hat, kein dem Mutterschaftsurlaub entsprechender bezahlter Urlaub gewährt wird.

Was die Gewährung eines Adoptionsurlaubs betrifft, fällt die Situation einer solchen Bestellmutter nicht unter diese Richtlinie.

2. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass es keine Diskriminierung wegen einer Behinderung darstellt, wenn einer Arbeitnehmerin, die keine Kinder austragen kann und die eine Ersatzmuttervereinbarung geschlossen hat, kein dem Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub entsprechender bezahlter Urlaub gewährt wird.

Die Gültigkeit dieser Richtlinie kann nicht anhand des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen beurteilt werden, aber die Richtlinie ist nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen.

Vorinstanzen: Equality Tribunal (Irland), Entscheidung vom 26.07.2012
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Große Kam­mer)

18. März 2014(*)

„Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen - So­zi­al­po­li­tik - Richt­li­nie 2006/54/EG - Gleich­be­hand­lung von Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­neh­me­rin­nen - Be­stell­mut­ter, die im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ein Kind er­hal­ten hat - Ver­sa­gung ei­nes dem Mut­ter­schafts- oder Ad­op­ti­ons­ur­laub ver­gleich­ba­ren Ur­laubs - Übe­r­ein­kom­men der Ver­ein­ten Na­tio­nen über die Rech­te von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen - Richt­li­nie 2000/78/EG - Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf - Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung - Be­stell­mut­ter, die kei­ne Kin­der aus­tra­gen kann - Vor­lie­gen ei­ner Be­hin­de­rung - Gültig­keit der Richt­li­ni­en 2006/54 und 2000/78“

In der Rechts­sa­che C-363/12

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Equa­li­ty Tri­bu­nal (Ir­land) mit Ent­schei­dung vom 26. Ju­li 2012, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 30. Ju­li 2012, in dem Ver­fah­ren

Z.

ge­gen

A Go­vern­ment de­part­ment,

The Board of ma­nage­ment of a com­mu­ni­ty school

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Große Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten V. Skou­ris, des Vi­ze­präsi­den­ten K. Lena­erts, des Kam­mer­präsi­den­ten A. Tiz­za­no, der Kam­mer­präsi­den­tin R. Sil­va de La­pu­er­ta, der Kam­mer­präsi­den­ten M. Ilešič, E. Juhász, A. Borg Bart­het, M. Saf­jan (Be­richt­er­stat­ter) und J. L. da Cruz Vi­laça, der Rich­ter G. Ares­tis und J. Ma­le­n­ovský, der Rich­te­rin A. Prechal und des Rich­ters E. Ja­rašiūnas,

Ge­ne­ral­an­walt: N. Wahl,

Kanz­ler: C. Strömholm, Ver­wal­tungsrätin,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 28. Mai 2013,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

- von Frau Z., ver­tre­ten durch N. But­ler, SC, P. Dil­lon Ma­lo­ne, BL, und A. Beir­ne, BL,

- des Go­vern­ment de­part­ment und des Board of ma­nage­ment of a com­mu­ni­ty school, ver­tre­ten durch E. Cree­don als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von G. Durcan, SC, und C. Smith, BL,

- Ir­lands, ver­tre­ten durch E. Cree­don als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von G. Durcan, SC, und C. Smith, BL,

- der por­tu­gie­si­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch L. Inez Fer­nan­des und S. Ri­bei­ro als Be­vollmäch­tig­te,

- des Eu­ropäischen Par­la­ments, ver­tre­ten durch K. Ze­jdová und A. Pospíšil­ová Pa­dow­s­ka als Be­vollmäch­tig­te,

- des Ra­tes der Eu­ropäischen Uni­on, ver­tre­ten durch H. Grahn, R. Li­ud­vina­vici­u­te-Cor­dei­ro und S. Tho­mas als Be­vollmäch­tig­te,

- der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch J. En­e­gren und C. Gheor­ghiu als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 26. Sep­tem­ber 2013

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung der Richt­li­ni­en 2006/54/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 5. Ju­li 2006 zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Chan­cen­gleich­heit und Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en in Ar­beits- und Beschäfti­gungs­fra­gen (ABl. L 204, S. 23) und 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. L 303, S. 16) so­wie die Gültig­keit die­ser bei­den Richt­li­ni­en.
2 Die­ses Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Frau Z., ei­ner Be­stell­mut­ter, die im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ein Kind er­hal­ten hat, auf der ei­nen Sei­te und ei­nem Go­vern­ment de­part­ment (iri­sches Mi­nis­te­ri­um) so­wie dem Board of ma­nage­ment of a com­mu­ni­ty school (Ver­wal­tungs­rat ei­ner ge­meind­li­chen Schu­le, im Fol­gen­den: Board of ma­nage­ment) auf der an­de­ren Sei­te we­gen de­ren Ab­leh­nung, Frau Z. in­fol­ge der Ge­burt des Kin­des ei­nen ei­nem Mut­ter­schafts- oder Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­den be­zahl­ten Ur­laub zu gewähren.

Recht­li­cher Rah­men

Völker­recht

3 Im Übe­r­ein­kom­men der Ver­ein­ten Na­tio­nen über die Rech­te von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen, das mit dem Be­schluss 2010/48/EG des Ra­tes vom 26. No­vem­ber 2009 (ABl. 2010, L 23, S. 35, im Fol­gen­den: VN-Übe­r­ein­kom­men) im Na­men der Eu­ropäischen Ge­mein­schaft ge­neh­migt wur­de, heißt es in Buchst. e der Präam­bel:

„in der Er­kennt­nis, dass das Verständ­nis von Be­hin­de­rung sich ständig wei­ter­ent­wi­ckelt und dass Be­hin­de­rung aus der Wech­sel­wir­kung zwi­schen Men­schen mit Be­ein­träch­ti­gun­gen und ein­stel­lungs- und um­welt­be­ding­ten Bar­rie­ren ent­steht, die sie an der vol­len, wirk­sa­men und gleich­be­rech­tig­ten Teil­ha­be an der Ge­sell­schaft hin­dern“.

4 Art. 1 des VN-Übe­r­ein­kom­mens sieht vor:

„Zweck die­ses Übe­r­ein­kom­mens ist es, den vol­len und gleich­be­rech­tig­ten Ge­nuss al­ler Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten durch al­le Men­schen mit Be­hin­de­run­gen zu fördern, zu schützen und zu gewähr­leis­ten und die Ach­tung der ih­nen in­ne­woh­nen­den Würde zu fördern.

Zu den Men­schen mit Be­hin­de­run­gen zählen Men­schen, die lang­fris­ti­ge körper­li­che, see­li­sche, geis­ti­ge oder Sin­nes­be­ein­träch­ti­gun­gen ha­ben, wel­che sie in Wech­sel­wir­kung mit ver­schie­de­nen Bar­rie­ren an der vol­len, wirk­sa­men und gleich­be­rech­tig­ten Teil­ha­be an der Ge­sell­schaft hin­dern können.“

5 In Art. 4 („All­ge­mei­ne Ver­pflich­tun­gen“) des VN-Übe­r­ein­kom­mens heißt es:

„(1) Die Ver­trags­staa­ten ver­pflich­ten sich, die vol­le Ver­wirk­li­chung al­ler Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten für al­le Men­schen mit Be­hin­de­run­gen oh­ne je­de Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von Be­hin­de­rung zu gewähr­leis­ten und zu fördern. Zu die­sem Zweck ver­pflich­ten sich die Ver­trags­staa­ten,

a) al­le ge­eig­ne­ten Ge­setz­ge­bungs-, Ver­wal­tungs- und sons­ti­gen Maßnah­men zur Um­set­zung der in die­sem Übe­r­ein­kom­men an­er­kann­ten Rech­te zu tref­fen;

b) al­le ge­eig­ne­ten Maßnah­men ein­sch­ließlich ge­setz­ge­be­ri­scher Maßnah­men zur Ände­rung oder Auf­he­bung be­ste­hen­der Ge­set­ze, Ver­ord­nun­gen, Ge­pflo­gen­hei­ten und Prak­ti­ken zu tref­fen, die ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen dar­stel­len;

c) den Schutz und die Förde­rung der Men­schen­rech­te von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen in al­len po­li­ti­schen Kon­zep­ten und al­len Pro­gram­men zu berück­sich­ti­gen;

d) Hand­lun­gen oder Prak­ti­ken, die mit die­sem Übe­r­ein­kom­men un­ver­ein­bar sind, zu un­ter­las­sen und dafür zu sor­gen, dass die staat­li­chen Behörden und öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen im Ein­klang mit die­sem Übe­r­ein­kom­men han­deln;

e) al­le ge­eig­ne­ten Maßnah­men zur Be­sei­ti­gung der Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von Be­hin­de­rung durch Per­so­nen, Or­ga­ni­sa­tio­nen oder pri­va­te Un­ter­neh­men zu er­grei­fen;

(3) Bei der Aus­ar­bei­tung und Um­set­zung von Rechts­vor­schrif­ten und po­li­ti­schen Kon­zep­ten zur Durchführung die­ses Übe­r­ein­kom­mens und bei an­de­ren Ent­schei­dungs­pro­zes­sen in Fra­gen, die Men­schen mit Be­hin­de­run­gen be­tref­fen, führen die Ver­trags­staa­ten mit den Men­schen mit Be­hin­de­run­gen, ein­sch­ließlich Kin­dern mit Be­hin­de­run­gen, über die sie ver­tre­ten­den Or­ga­ni­sa­tio­nen en­ge Kon­sul­ta­tio­nen und be­zie­hen sie ak­tiv ein.

…“

6 Art. 5 („Gleich­be­rech­ti­gung und Nicht­dis­kri­mi­nie­rung“) des VN-Übe­r­ein­kom­mens lau­tet:

„(1) Die Ver­trags­staa­ten an­er­ken­nen, dass al­le Men­schen vor dem Ge­setz gleich sind, vom Ge­setz gleich zu be­han­deln sind und oh­ne Dis­kri­mi­nie­rung An­spruch auf glei­chen Schutz durch das Ge­setz und glei­che Vor­tei­le durch das Ge­setz ha­ben.

(2) Die Ver­trags­staa­ten ver­bie­ten je­de Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von Be­hin­de­rung und ga­ran­tie­ren Men­schen mit Be­hin­de­run­gen glei­chen und wirk­sa­men recht­li­chen Schutz vor Dis­kri­mi­nie­rung, gleich­viel aus wel­chen Gründen.

(3) Zur Förde­rung der Gleich­be­rech­ti­gung und zur Be­sei­ti­gung von Dis­kri­mi­nie­rung un­ter­neh­men die Ver­trags­staa­ten al­le ge­eig­ne­ten Schrit­te, um die Be­reit­stel­lung an­ge­mes­se­ner Vor­keh­run­gen zu gewähr­leis­ten.

(4) Be­son­de­re Maßnah­men, die zur Be­schleu­ni­gung oder Her­beiführung der tatsächli­chen Gleich­be­rech­ti­gung von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen er­for­der­lich sind, gel­ten nicht als Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne die­ses Übe­r­ein­kom­mens.“

7 Art. 6 („Frau­en mit Be­hin­de­run­gen“) des VN-Übe­r­ein­kom­mens be­stimmt:

„(1) Die Ver­trags­staa­ten an­er­ken­nen, dass Frau­en und Mädchen mit Be­hin­de­run­gen mehr­fa­cher Dis­kri­mi­nie­rung aus­ge­setzt sind, und er­grei­fen in die­ser Hin­sicht Maßnah­men, um zu gewähr­leis­ten, dass sie al­le Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten voll und gleich­be­rech­tigt ge­nießen können.

(2) Die Ver­trags­staa­ten tref­fen al­le ge­eig­ne­ten Maßnah­men zur Si­che­rung der vol­len Ent­fal­tung, der Förde­rung und der Stärkung der Au­to­no­mie der Frau­en, um zu ga­ran­tie­ren, dass sie die in die­sem Übe­r­ein­kom­men ge­nann­ten Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten ausüben und ge­nießen können.“

8 Art. 27 („Ar­beit und Beschäfti­gung“) des VN-Übe­r­ein­kom­mens sieht in sei­nem Abs. 1 vor:

„Die Ver­trags­staa­ten an­er­ken­nen das glei­che Recht von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen auf Ar­beit; dies be­inhal­tet das Recht auf die Möglich­keit, den Le­bens­un­ter­halt durch Ar­beit zu ver­die­nen, die in ei­nem of­fe­nen, in­te­gra­ti­ven und für Men­schen mit Be­hin­de­run­gen zugäng­li­chen Ar­beits­markt und Ar­beits­um­feld frei gewählt oder an­ge­nom­men wird. Die Ver­trags­staa­ten si­chern und fördern die Ver­wirk­li­chung des Rechts auf Ar­beit, ein­sch­ließlich für Men­schen, die während der Beschäfti­gung ei­ne Be­hin­de­rung er­wer­ben, durch ge­eig­ne­te Schrit­te, ein­sch­ließlich des Er­las­ses von Rechts­vor­schrif­ten, um un­ter an­de­rem

b) das glei­che Recht von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen auf ge­rech­te und güns­ti­ge Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich Chan­cen­gleich­heit und glei­chen Ent­gelts für gleich­wer­ti­ge Ar­beit, auf si­che­re und ge­sun­de Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich Schutz vor Belästi­gun­gen, und auf Ab­hil­fe bei Missständen zu schützen;

…“

9 Art. 28 („An­ge­mes­se­ner Le­bens­stan­dard und so­zia­ler Schutz“) des VN-Übe­r­ein­kom­mens sieht in sei­nem Abs. 2 vor:

„Die Ver­trags­staa­ten an­er­ken­nen das Recht von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen auf so­zia­len Schutz und den Ge­nuss die­ses Rechts oh­ne Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund von Be­hin­de­rung und un­ter­neh­men ge­eig­ne­te Schrit­te zum Schutz und zur Förde­rung der Ver­wirk­li­chung die­ses Rechts, ein­sch­ließlich Maßnah­men, um

b) Men­schen mit Be­hin­de­run­gen, ins­be­son­de­re Frau­en und Mädchen so­wie älte­ren Men­schen mit Be­hin­de­run­gen, den Zu­gang zu Pro­gram­men für so­zia­len Schutz und Pro­gram­men zur Ar­muts­bekämp­fung zu si­chern;

…“

10 Art. 42 des VN-Übe­r­ein­kom­mens be­stimmt:

„Die­ses Übe­r­ein­kom­men liegt für al­le Staa­ten und für Or­ga­ni­sa­tio­nen der re­gio­na­len In­te­gra­ti­on ab dem 30. März 2007 am Sitz der Ver­ein­ten Na­tio­nen in New York zur Un­ter­zeich­nung auf.“

11 Art. 43 des VN-Übe­r­ein­kom­mens sieht vor:

„Die­ses Übe­r­ein­kom­men be­darf der Ra­ti­fi­ka­ti­on durch die Un­ter­zeich­ner­staa­ten und der förm­li­chen Bestäti­gung durch die un­ter­zeich­nen­den Or­ga­ni­sa­tio­nen der re­gio­na­len In­te­gra­ti­on. Es steht al­len Staa­ten oder Or­ga­ni­sa­tio­nen der re­gio­na­len In­te­gra­ti­on, die das Übe­r­ein­kom­men nicht un­ter­zeich­net ha­ben, zum Bei­tritt of­fen.“

12 Das VN-Übe­r­ein­kom­men ist am 3. Mai 2008 in Kraft ge­tre­ten.

Uni­ons­recht

Richt­li­nie 92/85/EWG

13 Art. 2 der Richt­li­nie 92/85/EWG des Ra­tes vom 19. Ok­to­ber 1992 über die Durchführung von Maßnah­men zur Ver­bes­se­rung der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes von schwan­ge­ren Ar­beit­neh­me­rin­nen, Wöch­ne­rin­nen und stil­len­den Ar­beit­neh­me­rin­nen am Ar­beits­platz (zehn­te Ein­zel­richt­li­nie im Sin­ne des Ar­ti­kels 16 Ab­satz 1 der Richt­li­nie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1) enthält fol­gen­de De­fi­ni­tio­nen:

„Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie gilt als

a) ‚schwan­ge­re Ar­beit­neh­me­rin‘ je­de schwan­ge­re Ar­beit­neh­me­rin, die den Ar­beit­ge­ber gemäß den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten von ih­rer Schwan­ger­schaft un­ter­rich­tet;

b) ‚Wöch­ne­rin‘ je­de Ar­beit­neh­me­rin kurz nach ei­ner Ent­bin­dung im Sin­ne der ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten, die den Ar­beit­ge­ber gemäß die­sen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten von ih­rer Ent­bin­dung un­ter­rich­tet;

c) ‚stil­len­de Ar­beit­neh­me­rin‘ je­de stil­len­de Ar­beit­neh­me­rin im Sin­ne der ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten, die den Ar­beit­ge­ber gemäß die­sen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten darüber un­ter­rich­tet, dass sie stillt.“

14 Art. 8 („Mut­ter­schafts­ur­laub“) die­ser Richt­li­nie sieht vor:

„(1) Die Mit­glied­staa­ten tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, um si­cher­zu­stel­len, dass den Ar­beit­neh­me­rin­nen im Sin­ne des Ar­ti­kels 2 ein Mut­ter­schafts­ur­laub von min­des­tens 14 Wo­chen oh­ne Un­ter­bre­chung gewährt wird, die sich ent­spre­chend den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten auf die Zeit vor und/oder nach der Ent­bin­dung auf­tei­len.

(2) Der Mut­ter­schafts­ur­laub gemäß Ab­satz 1 muss ei­nen ob­li­ga­to­ri­schen Mut­ter­schafts­ur­laub von min­des­tens zwei Wo­chen um­fas­sen, die sich ent­spre­chend den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten auf die Zeit vor und/oder nach der Ent­bin­dung auf­tei­len.“

Richt­li­nie 2006/54

15 Im 27. Erwägungs­grund die­ser Richt­li­nie heißt es:

„Ähn­li­che Be­din­gun­gen gel­ten für die Zu­er­ken­nung – durch die Mit­glied­staa­ten – ei­nes in­di­vi­du­el­len, nicht über­trag­ba­ren Rechts auf Ur­laub nach Ad­op­ti­on ei­nes Kin­des an Männer und Frau­en. Es ist Sa­che der Mit­glied­staa­ten zu ent­schei­den, ob sie ein sol­ches Recht auf Va­ter­schafts­ur­laub und/oder Ad­op­ti­ons­ur­laub zu­er­ken­nen oder nicht, so­wie al­le außer­halb des Gel­tungs­be­reichs die­ser Richt­li­nie lie­gen­den Be­din­gun­gen, mit Aus­nah­me der­je­ni­gen, die die Ent­las­sung und die Rück­kehr an den Ar­beits­platz be­tref­fen, fest­zu­le­gen.“

16 In Art. 1 der Richt­li­nie heißt es:

„Ziel der vor­lie­gen­den Richt­li­nie ist es, die Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Chan­cen­gleich­heit und Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en in Ar­beits- und Beschäfti­gungs­fra­gen si­cher­zu­stel­len.

Zu die­sem Zweck enthält sie Be­stim­mun­gen zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung in Be­zug auf

b) Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich des Ent­gelts,

…“

17 Art. 2 der Richt­li­nie be­stimmt:

„(1) Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­zeich­net der Aus­druck

a) ‚un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung‘ ei­ne Si­tua­ti­on, in der ei­ne Per­son auf­grund ih­res Ge­schlechts ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde;

b) ‚mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung‘ ei­ne Si­tua­ti­on, in der dem An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren Per­so­nen des ei­nen Ge­schlechts in be­son­de­rer Wei­se ge­genüber Per­so­nen des an­de­ren Ge­schlechts be­nach­tei­li­gen können, es sei denn, die be­tref­fen­den Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel sind zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich;

(2) Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie gel­ten als Dis­kri­mi­nie­rung

c) jeg­li­che ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung ei­ner Frau im Zu­sam­men­hang mit Schwan­ger­schaft oder Mut­ter­schafts­ur­laub im Sin­ne der Richt­li­nie 92/85/EWG.“

18 Art. 4 der Richt­li­nie, der sich auf das glei­che Ent­gelt be­zieht, sieht vor:

„Bei glei­cher Ar­beit oder bei ei­ner Ar­beit, die als gleich­wer­tig an­er­kannt wird, wird mit­tel­ba­re und un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts in Be­zug auf sämt­li­che Ent­gelt­be­stand­tei­le und ‑be­din­gun­gen be­sei­tigt.

…“

19 Art. 14 der Richt­li­nie, der sich auf die Gleich­be­hand­lung hin­sicht­lich des Zu­gangs zur Beschäfti­gung, zur Be­rufs­bil­dung und zum be­ruf­li­chen Auf­stieg so­wie in Be­zug auf die Ar­beits­be­din­gun­gen be­zieht, be­stimmt in sei­nem Abs. 1:

„Im öffent­li­chen und pri­va­ten Sek­tor ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len darf es in Be­zug auf fol­gen­de Punk­te kei­ner­lei un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts ge­ben:

c) die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen so­wie das Ar­beits­ent­gelt nach Maßga­be von Ar­ti­kel [157 AEUV];

…“

20

Art. 16 („Va­ter­schafts­ur­laub und Ad­op­ti­ons­ur­laub“) der Richt­li­nie lau­tet:

„Die­se Richt­li­nie lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­berührt, ei­ge­ne Rech­te auf Va­ter­schafts­ur­laub und/oder Ad­op­ti­ons­ur­laub an­zu­er­ken­nen. Die Mit­glied­staa­ten, die der­ar­ti­ge Rech­te an­er­ken­nen, tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, um männ­li­che und weib­li­che Ar­beit­neh­mer vor Ent­las­sung in­fol­ge der In­an­spruch­nah­me die­ser Rech­te zu schützen, und gewähr­leis­ten, dass sie nach Ab­lauf des Ur­laubs An­spruch dar­auf ha­ben, an ih­ren frühe­ren Ar­beits­platz oder ei­nen gleich­wer­ti­gen Ar­beits­platz un­ter Be­din­gun­gen, die für sie nicht we­ni­ger güns­tig sind, zurück­zu­keh­ren, und dar­auf, dass ih­nen auch al­le Ver­bes­se­run­gen der Ar­beits­be­din­gun­gen, auf die sie während ih­rer Ab­we­sen­heit An­spruch ge­habt hätten, zu­gu­te­kom­men.“

Richt­li­nie 2000/78

21

Art. 1 die­ser Richt­li­nie lau­tet:

„Zweck die­ser Richt­li­nie ist die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung in Beschäfti­gung und Be­ruf im Hin­blick auf die Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung in den Mit­glied­staa­ten.“

22 Art. 2 („Der Be­griff ‚Dis­kri­mi­nie­rung‘“) der Richt­li­nie be­stimmt:

„(1) Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­deu­tet ‚Gleich­be­hand­lungs­grund­satz‘, dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe ge­ben darf.

(2) Im Sin­ne des Ab­sat­zes 1

a) liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde;

b) liegt ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn dem An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren Per­so­nen mit ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung, ei­ner be­stimm­ten Be­hin­de­rung, ei­nes be­stimm­ten Al­ters oder mit ei­ner be­stimm­ten se­xu­el­len Aus­rich­tung ge­genüber an­de­ren Per­so­nen in be­son­de­rer Wei­se be­nach­tei­li­gen können, es sei denn:

i) die­se Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt, und die Mit­tel sind zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich, oder

ii) der Ar­beit­ge­ber oder je­de Per­son oder Or­ga­ni­sa­ti­on, auf die die­se Richt­li­nie An­wen­dung fin­det, ist im Fal­le von Per­so­nen mit ei­ner be­stimm­ten Be­hin­de­rung auf­grund des ein­zel­staat­li­chen Rechts ver­pflich­tet, ge­eig­ne­te Maßnah­men ent­spre­chend den in Ar­ti­kel 5 ent­hal­te­nen Grundsätzen vor­zu­se­hen, um die sich durch die­se Vor­schrift, die­ses Kri­te­ri­um oder die­ses Ver­fah­ren er­ge­ben­den Nach­tei­le zu be­sei­ti­gen.

…“

23 Art. 3 der Richt­li­nie legt de­ren Gel­tungs­be­reich wie folgt fest:

„(1) Im Rah­men der auf die Ge­mein­schaft über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten gilt die­se Richt­li­nie für al­le Per­so­nen in öffent­li­chen und pri­va­ten Be­rei­chen, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len, in Be­zug auf

c) die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts;

…“

24 Art. 5 („An­ge­mes­se­ne Vor­keh­run­gen für Men­schen mit Be­hin­de­rung“) der Richt­li­nie lau­tet:

„Um die An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes auf Men­schen mit Be­hin­de­rung zu gewähr­leis­ten, sind an­ge­mes­se­ne Vor­keh­run­gen zu tref­fen. Das be­deu­tet, dass der Ar­beit­ge­ber die ge­eig­ne­ten und im kon­kre­ten Fall er­for­der­li­chen Maßnah­men er­greift, um den Men­schen mit Be­hin­de­rung den Zu­gang zur Beschäfti­gung, die Ausübung ei­nes Be­ru­fes, den be­ruf­li­chen Auf­stieg und die Teil­nah­me an Aus- und Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men zu ermögli­chen, es sei denn, die­se Maßnah­men würden den Ar­beit­ge­ber un­verhält­nismäßig be­las­ten. Die­se Be­las­tung ist nicht un­verhält­nismäßig, wenn sie durch gel­ten­de Maßnah­men im Rah­men der Be­hin­der­ten­po­li­tik des Mit­glied­staa­tes aus­rei­chend kom­pen­siert wird.“

Iri­sches Recht

25 Die Er­satz­mut­ter­schaft ist in Ir­land nicht ge­re­gelt.
26 Art. 8 des Mut­ter­schutz­ge­set­zes von 1994 (Ma­ter­ni­ty Pro­tec­tion Act 1994) in der für das Aus­gangs­ver­fah­ren maßgeb­li­chen Fas­sung be­stimmt, dass ei­ne schwan­ge­re Beschäftig­te An­spruch auf Mut­ter­schafts­ur­laub für ei­ne Dau­er von we­nigs­tens 26 Wo­chen hat.
27 Nach Art. 9 die­ses Ge­set­zes ist ei­ne der not­wen­di­gen Vor­aus­set­zun­gen für die Gewährung von Mut­ter­schafts­ur­laub, dass die Beschäftig­te bei ih­rem Ar­beit­ge­ber ei­ne ärzt­li­che oder sons­ti­ge ge­eig­ne­te Be­schei­ni­gung über das Be­ste­hen der Schwan­ger­schaft und die vor­aus­sicht­li­che Wo­che der Ent­bin­dung ein­reicht.
28 Art. 6 des Ge­set­zes über den Ad­op­ti­ons­ur­laub von 1995 (Ad­op­ti­ve Lea­ve Act 1995) in der für das Aus­gangs­ver­fah­ren maßgeb­li­chen Fas­sung gewährt beschäftig­ten Ad­op­tivmüttern und al­lein­er­zie­hen­den Ad­op­tivvätern ei­nen An­spruch auf Ad­op­ti­ons­ur­laub von we­nigs­tens 24 Wo­chen ab der Auf­nah­me des Ad­op­tiv­kinds.
29 Art. 7 die­ses Ge­set­zes be­stimmt u. a., dass der Ar­beit­ge­ber vor­ab von der Ad­op­ti­on zu un­ter­rich­ten ist und dass ihm ei­ne Be­schei­ni­gung über die Auf­nah­me des Kin­des in der Fa­mi­lie oder - bei ei­ner Aus­land­sa­d­op­ti­on - ein Nach­weis der Befähi­gung und Eig­nung zur Ad­op­ti­on vor­zu­le­gen ist.

30

In Ka­pi­tel 9 bzw. Ka­pi­tel 11 des ko­di­fi­zier­ten So­zi­al­schutz­ge­set­zes von 2005 (So­ci­al Wel­fa­re Con­so­li­da­ti­on Act 2005) ist die Gewährung von Mut­ter­schafts- bzw. Ad­op­ti­ons­geld ge­re­gelt.
31 Art. 2 der Ge­set­ze über die Gleich­heit bei der Beschäfti­gung von 1998–2011 (Em­ploy­ment Equa­li­ty Acts 1998–2011) de­fi­niert den Be­griff der Be­hin­de­rung u. a. als vollständi­ges oder teil­wei­ses Feh­len der körper­li­chen oder geis­ti­gen Funk­tio­nen ei­nes Men­schen, ein­sch­ließlich des Feh­lens von Körper­tei­len, und den Be­griff Fa­mi­li­en­stand als das Ver­ant­wort­lich­sein u. a. als El­tern­teil oder als Per­son, der ei­ne Per­son von un­ter 18 Jah­ren an­stel­le der leib­li­chen El­tern an­ver­traut ist.
32 Art. 6 Abs. 1 und 2 die­ser Ge­set­ze be­stimmt, dass ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung u. a. dann vor­liegt, wenn ein Mensch aus den ge­nann­ten Gründen we­ni­ger güns­tig als ein an­de­rer Mensch in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on be­han­delt wird, be­han­delt wur­de oder be­han­delt wer­den würde. Zu die­sen zwi­schen zwei Per­so­nen vor­lie­gen­den Gründen zählt u. a., dass es sich bei der ei­nen Per­son um ei­ne Frau und bei der an­de­ren um ei­nen Mann han­delt, was als „[Dis­kri­mi­nie­rung] we­gen des Ge­schlechts“ be­zeich­net wird, oder dass die ei­ne Per­son be­hin­dert ist und die an­de­re nicht oder in an­de­rer Wei­se be­hin­dert ist, was als „[Dis­kri­mi­nie­rung] we­gen ei­ner Be­hin­de­rung“ be­zeich­net wird.
33 Art. 6 Abs. 2A der ge­nann­ten Ge­set­ze be­stimmt, dass un­be­scha­det der all­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen in ih­rem Art. 6 Abs. 1 und 2 ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts vor­liegt, wenn ei­ne weib­li­che Beschäftig­te we­gen ih­rer Schwan­ger­schaft oder ih­res Mut­ter­schafts­ur­laubs ent­ge­gen ei­ner ge­setz­li­chen Be­stim­mung we­ni­ger güns­tig als ein an­de­rer Beschäftig­ter be­han­delt wird, be­han­delt wur­de oder be­han­delt wer­den würde.

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen

34 Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung geht her­vor, dass Frau Z. in ei­ner Ge­mein­de­schu­le, die vom Board of ma­nage­ment ver­wal­tet wird, zu den vom Go­vern­ment de­part­ment - von dem sie ihr Ge­halt be­zieht - fest­ge­leg­ten Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen als Leh­re­rin der Se­kun­dar­stu­fe beschäftigt ist.
35 Frau Z. lei­det an ei­ner sel­te­nen Fehl­bil­dung, in­fol­ge de­ren sie, ob­wohl sie über ge­sun­de Ei­erstöcke verfügt und frucht­bar ist, kei­ne Gebärmut­ter hat und des­halb nicht schwan­ger wer­den kann. In den Jah­ren 2008 und 2009 ent­schie­den sich Frau Z. und ihr Ehe­mann zu ei­ner Er­satz­mut­ter­schaft und wand­ten sich an ei­ne hier­auf spe­zia­li­sier­te Ver­mitt­lung mit Sitz in Ka­li­for­ni­en (Ver­ei­nig­te Staa­ten von Ame­ri­ka), wo Er­satz­mut­ter­schwan­ger­schaf­ten und -ge­bur­ten de­tail­liert ge­setz­lich ge­re­gelt sind.
36 Die In-vi­tro-Fer­ti­li­sa­ti­ons­be­hand­lung er­folg­te in Ir­land, während die Über­tra­gung der Ei­zel­len auf die Er­satz­mut­ter im Au­gust 2009 in Ka­li­for­ni­en vor­ge­nom­men wur­de.
37 Am 7. April 2010 be­gab sich Frau Z. nach Ka­li­for­ni­en, um bei der Ge­burt des Kin­des, ei­nes Mädchens, am 28. April 2010 an­we­send zu sein. Das Kind ist das ge­ne­ti­sche Kind von Frau Z. und ih­res Ehe­man­nes, da es aus ih­ren Ga­me­ten ent­stan­den ist. Nach ka­li­for­ni­schem Recht gel­ten Frau Z. und ihr Ehe­mann als El­tern des Kin­des, während die Er­satz­mut­ter auf der Ge­burts­ur­kun­de des Kin­des nicht an­ge­ge­ben ist. Mit Un­terstützung ih­res Ehe­manns nimmt Frau Z. die tatsächli­che el­ter­li­che Sor­ge für das Kind seit des­sen Ge­burt wahr. Am 18. Mai 2010 kehr­ten Frau Z. und ihr Ehe­mann mit ih­rem Kind nach Ir­land zurück, wo Er­satz­mut­ter­schafts­ver­ein­ba­run­gen nicht ge­re­gelt sind.
38 Die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen von Frau Z. se­hen ei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Mut­ter­schafts- und Ad­op­ti­ons­ur­laub vor. Nimmt ein Leh­rer, der die­sen Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen un­ter­liegt, ei­nen die­ser Ur­lau­be in An­spruch, so wird die Ent­gelt­fort­zah­lung in den meis­ten Fällen zu ei­nem Teil vom Go­vern­ment de­part­ment über­nom­men und der Rest­be­trag als Mut­ter­schafts­geld durch das Mi­nis­te­ri­um für So­zia­les gewährt.
39 Da Frau Z. nicht schwan­ger war und kei­ne Kin­der gebären kann, konn­te sie die im Mut­ter­schutz­ge­setz von 1994 fest­ge­leg­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Gewährung ei­nes Mut­ter­schafts­ur­laubs nicht erfüllen. Da sie das aus der Er­satz­mut­ter­schaft her­vor­ge­gan­ge­ne Kind nicht ad­op­tiert hat­te, konn­te sie auch kei­nen Ad­op­ti­ons­ur­laub nach den Vor­aus­set­zun­gen des Ge­set­zes von 1995 über den Ad­op­ti­ons­ur­laub in An­spruch neh­men.
40 Im Übri­gen ist die Gewährung von Ur­laub we­gen der Ge­burt ei­nes Kin­des im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­schaft we­der ge­setz­lich noch im Ar­beits­ver­trag von Frau Z. aus­drück­lich vor­ge­se­hen.
41 Am 10. Fe­bru­ar 2010 be­an­trag­te Frau Z. beim Go­vern­ment de­part­ment die Gewährung ei­nes dem Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­den Ur­laubs. Das Go­vern­ment de­part­ment lehn­te die­sen An­trag am 5. März 2010 mit der Be­gründung ab, die Be­trof­fe­ne erfülle nicht die in den be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen zum Mut­ter­schafts- und Ad­op­ti­ons­ur­laub vor­ge­se­he­nen Vor­aus­set­zun­gen.
42 Das Go­vern­ment de­part­ment wies je­doch dar­auf hin, dass es be­reit sei, Frau Z. für die Dau­er ih­res Auf­ent­halts in Ka­li­for­ni­en bis zur Ge­burt des Kin­des un­be­zahl­ten Ur­laub zu gewähren. Nach der Ge­burt könne Frau Z. ge­setz­li­chen El­tern­ur­laub vom Tag der Ge­burt bis En­de Mai 2010 und er­neut ab Be­ginn des nächs­ten Schul­jahrs in An­spruch neh­men. Frau Z. ha­be An­spruch auf El­tern­ur­laub für die Dau­er von höchs­tens 14 Wo­chen und be­hal­te während der Som­mer­mo­na­te wie zu­vor ih­ren An­spruch auf Ent­gelt­zah­lung.
43 Durch ei­ne Auf­ein­an­der­fol­ge von Schul­sch­ließungs­zei­ten und Zei­ten, in de­nen Frau Z. ärzt­lich aus Gründen krank­ge­schrie­ben war, die nicht mit ih­rer Be­hin­de­rung zu­sam­men­hin­gen, je­doch in ei­ner Stress­si­tua­ti­on la­gen, ar­bei­te­te Frau Z. in der Zeit vom 12. April 2010 bis An­fang Ja­nu­ar 2011 et­wa neun Ta­ge. Das Go­vern­ment de­part­ment zahl­te Frau Z. ihr Ar­beits­ent­gelt während des ge­sam­ten Zeit­raums un­gekürzt wei­ter.
44 Im No­vem­ber 2010 er­hob Frau Z. beim Equa­li­ty Tri­bu­nal Be­schwer­de ge­gen das Go­vern­ment de­part­ment. Sie mach­te gel­tend, dass sie we­gen des Ge­schlechts, des Fa­mi­li­en­stands und ei­ner Be­hin­de­rung dis­kri­mi­niert wor­den sei, dass das Go­vern­ment de­part­ment es un­ter­las­sen ha­be, an­ge­mes­se­ne Vor­keh­run­gen für sie als Per­son mit Be­hin­de­rung zu tref­fen, und dass das Go­vern­ment de­part­ment es ab­ge­lehnt ha­be, ihr ei­nen dem Mut­ter­schafts- oder Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­den be­zahl­ten Ur­laub zu gewähren, als sie sich ei­ner In-vi­tro-Fer­ti­li­sa­ti­ons­be­hand­lung un­ter­zo­gen ha­be.
45 Un­ter die­sen Umständen hat das Equa­li­ty Tri­bu­nal be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

1. Ist un­ter Berück­sich­ti­gung der nach­ste­hen­den Be­stim­mun­gen des Primärrechts der Eu­ropäischen Uni­on:

- Art. 3 EUV,

- Art. 8 AEUV und Art. 157 AEUV und/oder

- Art. 21, 23, 33 und 34 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on

die Richt­li­nie 2006/54, ins­be­son­de­re Art. 4 und 14, so aus­zu­le­gen, dass ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts vor­liegt, wenn ei­ner Frau, de­ren ge­ne­ti­sches Kind im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ge­bo­ren wur­de und die seit der Ge­burt die Sor­ge für ihr ge­ne­ti­sches Kind ausübt, ein dem Mut­ter­schafts­ur­laub und/oder Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­der be­zahl­ter Ur­laub ver­wei­gert wird?

2. So­fern Fra­ge 1 zu ver­nei­nen ist: Ist die Richt­li­nie 2006/54 mit den vor­ste­hen­den Be­stim­mun­gen des Primärrechts der Uni­on ver­ein­bar?

3. Ist un­ter Berück­sich­ti­gung der nach­ste­hen­den Be­stim­mun­gen des Primärrechts der Uni­on:

- Art. 10 AEUV und/oder

- Art. 21, 26 und 34 der Char­ta

die Richt­li­nie 2000/78, ins­be­son­de­re Art. 3 Abs. 1 und Art. 5, so aus­zu­le­gen, dass ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung vor­liegt, wenn ei­ner Frau, die an ei­ner Be­hin­de­rung lei­det, auf­grund de­ren sie nicht gebären kann, de­ren ge­ne­ti­sches Kind im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ge­bo­ren wur­de und die seit der Ge­burt die Sor­ge für ihr ge­ne­ti­sches Kind ausübt, ein dem Mut­ter­schafts­ur­laub und/oder Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­der be­zahl­ter Ur­laub ver­wei­gert wird?

4. So­fern Fra­ge 3 zu ver­nei­nen ist: Ist die Richt­li­nie 2000/78 mit den vor­ste­hen­den Be­stim­mun­gen des Primärrechts der Uni­on ver­ein­bar?

5. Kann zur Aus­le­gung der Richt­li­nie 2000/78 und/oder zur An­fech­tung der Gültig­keit die­ser Richt­li­nie das VN-Übe­r­ein­kom­men gel­tend ge­macht wer­den?

6. So­fern Fra­ge 5 zu be­ja­hen ist: Ist die Richt­li­nie 2000/78, ins­be­son­de­re Art. 3 und 5, ver­ein­bar mit den Art. 5, 6, 27 Abs. 1 Buchst. b und 28 Abs. 2 Buchst. b des VN-Übe­r­ein­kom­mens?

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

Zu der ers­ten und der zwei­ten Fra­ge

46 Mit der ers­ten und der zwei­ten Fra­ge, die zu­sam­men zu prüfen sind, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob die Richt­li­nie 2006/54, ins­be­son­de­re ih­re Art. 4 und 14, da­hin aus­zu­le­gen ist, dass es ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts dar­stellt, wenn ei­ner Ar­beit­neh­me­rin in ih­rer Ei­gen­schaft als Be­stell­mut­ter, die im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ein Kind er­hal­ten hat, kein dem Mut­ter­schafts- oder Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­der be­zahl­ter Ur­laub gewährt wird, und, falls dies ver­neint wird, ob die­se Richt­li­nie im Hin­blick auf Art. 3 EUV, Art. 8 AEUV und Art. 157 AEUV so­wie die Art. 21, 23, 33 und 34 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on (im Fol­gen­den: Char­ta) gültig ist.
47 Es ist zunächst zu prüfen, ob der Um­stand, dass ei­ner Be­stell­mut­ter wie Frau Z. kein Mut­ter­schafts­ur­laub gewährt wird, ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts im Sin­ne der Richt­li­nie 2006/54 dar­stellt.

48

Art. 4 die­ser Richt­li­nie sieht vor, dass bei glei­cher Ar­beit oder bei ei­ner Ar­beit, die als gleich­wer­tig an­er­kannt wird, mit­tel­ba­re und un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts in Be­zug auf sämt­li­che Ent­gelt­be­stand­tei­le und -be­din­gun­gen be­sei­tigt wird.
49 Nach Art. 14 der Richt­li­nie darf es im öffent­li­chen und pri­va­ten Sek­tor ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len u. a. in Be­zug auf die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen so­wie das Ar­beits­ent­gelt kei­ner­lei un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts ge­ben.
50 In der vor­lie­gen­den Rechts­sa­che sind die­se bei­den Vor­schrif­ten der Richt­li­nie 2006/54 in Ver­bin­dung mit de­ren Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b und Abs. 2 Buchst. c zu se­hen.
51 Was die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richt­li­nie 2006/54 ge­nann­ten Dis­kri­mi­nie­run­gen be­trifft, stellt die Ver­sa­gung ei­nes Mut­ter­schafts­ur­laubs in dem Fall, auf den sich das vor­le­gen­de Ge­richt be­zieht, dann ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts im Sin­ne des ge­nann­ten Buchst. a dar, wenn der we­sent­li­che Grund für die­se Ver­sa­gung aus­sch­ließlich für Ar­beit­neh­mer ei­nes der bei­den Ge­schlech­ter gilt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 8. No­vem­ber 1990, Dek­ker, C-177/88, Slg. 1990, I-3941, Rn. 10, vom 5. Mai 1994, Ha­ber­mann-Bel­ter­mann, C-421/92, Slg. 1994, I-1657, Rn. 14, und vom 26. Fe­bru­ar 2008, Mayr, C-506/06, Slg. 2008, I-1017, Rn. 50).
52 Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 63 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, würde ein Be­stell­va­ter, der im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ein Kind er­hiel­te, nach den Rechts­vor­schrif­ten, die in ei­ner Si­tua­ti­on wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen an­wend­bar sind, in der­sel­ben Wei­se be­han­delt wie ei­ne Be­stell­mut­ter in ver­gleich­ba­rer Si­tua­ti­on, d. h., er hätte eben­so we­nig ei­nen An­spruch auf ei­nen dem Mut­ter­schafts­ur­laub ent­spre­chen­den be­zahl­ten Ur­laub. Folg­lich be­ruht die Ver­sa­gung des Mut­ter­schafts­ur­laubs ge­genüber Frau Z. nicht auf ei­nem Grund, der aus­sch­ließlich für Ar­beit­neh­mer ei­nes der bei­den Ge­schlech­ter gilt.
53 Fer­ner liegt nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts vor, wenn ei­ne na­tio­na­le Maßnah­me zwar neu­tral for­mu­liert ist, in ih­rer An­wen­dung aber we­sent­lich mehr Ar­beit­neh­mer des ei­nen Ge­schlechts als Ar­beit­neh­mer des an­de­ren Ge­schlechts be­nach­tei­ligt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 2. Ok­to­ber 1997, Gers­ter, C-1/95, Slg. 1997, I-5253, Rn. 30, vom 20. Ok­to­ber 2011, Brach­ner, C-123/10, Slg. 2011, I-10003, Rn. 56, und vom 20. Ju­ni 2013, Riežnie­ce, C-7/12, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rn. 39).
54 Zu der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richt­li­nie 2006/54 ge­nann­ten mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ist je­doch fest­zu­stel­len, dass die Ak­ten kei­ne An­halts­punk­te dafür ent­hal­ten, dass die in Re­de ste­hen­de Ur­laubs­ver­sa­gung Ar­beit­neh­me­rin­nen ge­genüber Ar­beit­neh­mern in be­son­de­rer Wei­se be­nach­tei­li­gen würde.
55 Dass ei­ner Be­stell­mut­ter wie Frau Z. kein Mut­ter­schafts­ur­laub gewährt wird, stellt folg­lich kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts im Sin­ne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richt­li­nie 2006/54 dar. Der in der ers­ten Fra­ge erwähn­te Um­stand, dass die Be­stell­mut­ter das Kind seit der Ge­burt ver­sorgt, kann die­se Be­ur­tei­lung nicht in Fra­ge stel­len.
56 Fer­ner be­stimmt Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Richt­li­nie 2006/54, dass jeg­li­che ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung ei­ner Frau im Zu­sam­men­hang mit Schwan­ger­schaft oder Mut­ter­schafts­ur­laub im Sin­ne der Richt­li­nie 92/85 als Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne der Richt­li­nie 2006/54 gilt.
57 Zum ei­nen je­doch kann ei­ne Be­stell­mut­ter, die im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ein Kind er­hal­ten hat, im Zu­sam­men­hang mit Schwan­ger­schaft na­tur­gemäß schon des­halb nicht ungüns­ti­ger be­han­delt wer­den, weil sie mit die­sem Kind nicht schwan­ger war.
58 Zum an­de­ren hat es der Ge­richts­hof mit sei­nem Ur­teil vom 18. März 2014, D. (C-167/12, Nr. 1 des Te­nors, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht), für Recht er­kannt, dass die Richt­li­nie 92/85 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass die Mit­glied­staa­ten nicht ver­pflich­tet sind, ei­ner Ar­beit­neh­me­rin in ih­rer Ei­gen­schaft als Be­stell­mut­ter, die im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ein Kind er­hal­ten hat, Mut­ter­schafts­ur­laub nach Art. 8 die­ser Richt­li­nie zu gewähren, und zwar auch dann nicht, wenn sie das Kind nach sei­ner Ge­burt mögli­cher­wei­se oder tatsächlich stillt.

59

Da­her wird ei­ne sol­che Be­stell­mut­ter nicht im Zu­sam­men­hang mit der Gewährung von Mut­ter­schafts­ur­laub im Sin­ne der Richt­li­nie 92/85 ungüns­ti­ger be­han­delt und kann folg­lich nicht so an­ge­se­hen wer­den, als sei sie im Sin­ne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Richt­li­nie 2006/54 auf­grund des Ge­schlechts dis­kri­mi­niert wor­den.
60 Nach al­le­dem ist fest­zu­stel­len, dass der Um­stand, dass ei­ner Be­stell­mut­ter, die im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ein Kind er­hal­ten hat, kein dem Mut­ter­schafts­ur­laub ent­spre­chen­der Ur­laub gewährt wird, kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne der Richt­li­nie 2006/54, ins­be­son­de­re ih­rer Art. 4 und 14, dar­stellt.
61 So­dann ist zu prüfen, ob der Um­stand, dass ei­ner Be­stell­mut­ter wie Frau Z. kein dem Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­der Ur­laub gewährt wird, ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts im Sin­ne der Richt­li­nie 2006/54 dar­stellt.
62 Nach Art. 16 der Richt­li­nie 2006/54 lässt die­se das Recht der Mit­glied­staa­ten un­berührt, ei­ge­ne Rech­te auf Va­ter­schafts­ur­laub und/oder Ad­op­ti­ons­ur­laub an­zu­er­ken­nen. Die­se Vor­schrift sieht le­dig­lich vor, dass Mit­glied­staa­ten, die der­ar­ti­ge Rech­te an­er­ken­nen, die er­for­der­li­chen Maßnah­men tref­fen, um männ­li­che und weib­li­che Ar­beit­neh­mer vor Ent­las­sung in­fol­ge der In­an­spruch­nah­me die­ser Rech­te zu schützen, und gewähr­leis­ten, dass die­se nach Ab­lauf des Ur­laubs An­spruch dar­auf ha­ben, an ih­ren frühe­ren Ar­beits­platz oder ei­nen gleich­wer­ti­gen Ar­beits­platz un­ter Be­din­gun­gen, die für sie nicht we­ni­ger güns­tig sind, zurück­zu­keh­ren, und dar­auf, dass ih­nen auch al­le Ver­bes­se­run­gen der Ar­beits­be­din­gun­gen, auf die sie während ih­rer Ab­we­sen­heit An­spruch ge­habt hätten, zu­gu­te­kom­men.
63 Aus die­ser Vor­schrift in Ver­bin­dung mit dem 27. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2006/54 geht klar her­vor, dass die­se Richt­li­nie es den Mit­glied­staa­ten frei­stellt, ob sie Ad­op­ti­ons­ur­laub gewähren oder nicht, während die für die Gewährung die­ses Ur­laubs fest­ge­leg­ten Vor­aus­set­zun­gen, an­ders als die für die Ent­las­sung und die Rück­kehr an den Ar­beits­platz gel­ten­den, nicht in den Gel­tungs­be­reich die­ser Richt­li­nie fal­len.
64 Was schließlich die Gültig­keit der Richt­li­nie 2006/54 im Hin­blick auf Art. 3 EUV, Art. 8 AEUV und Art. 157 AEUV so­wie die Art. 21, 23, 33 und 34 der Char­ta be­trifft, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Ge­richts­hof nach ständi­ger Recht­spre­chung nicht über ei­ne Fra­ge ent­schei­det, wenn die Be­stim­mung, de­ren Gültig­keit in der Vor­la­ge be­an­stan­det wird, für die Ent­schei­dung des Aus­gangs­rechts­streits of­fen­sicht­lich un­er­heb­lich ist (vgl. Ur­teil vom 10. Ja­nu­ar 2006, Cas­sa di Ris­par­mio di Firen­ze u. a., C-222/04, Slg. 2006, I-289, Rn. 75).
65 Wie sich aus den vor­ste­hen­den Erwägun­gen er­gibt, fällt die Si­tua­ti­on ei­ner Be­stell­mut­ter, was die Gewährung ei­nes Mut­ter­schafts- oder ei­nes Ad­op­ti­ons­ur­laubs be­trifft, nicht un­ter die Richt­li­nie 2006/54.
66 Folg­lich ist die Gültig­keit die­ser Richt­li­nie im Hin­blick auf Art. 3 EUV, Art. 8 AEUV und Art. 157 AEUV so­wie die Art. 21, 23, 33 und 34 der Char­ta nicht zu prüfen.
67 Dem­nach ist auf die ers­te und die zwei­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass

- die Richt­li­nie 2006/54, ins­be­son­de­re ih­re Art. 4 und 14, da­hin aus­zu­le­gen ist, dass es kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts dar­stellt, wenn ei­ner Ar­beit­neh­me­rin in ih­rer Ei­gen­schaft als Be­stell­mut­ter, die im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ein Kind er­hal­ten hat, kein dem Mut­ter­schafts­ur­laub ent­spre­chen­der be­zahl­ter Ur­laub gewährt wird;

- die Si­tua­ti­on ei­ner sol­chen Be­stell­mut­ter, was die Gewährung ei­nes Ad­op­ti­ons­ur­laubs be­trifft, nicht un­ter die­se Richt­li­nie fällt.

Zu der drit­ten bis sechs­ten Fra­ge

68 Mit sei­ner drit­ten, vier­ten, fünf­ten und sechs­ten Fra­ge, die zu­sam­men zu prüfen sind, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob die Richt­li­nie 2000/78, ge­ge­be­nen­falls aus­ge­legt im Licht des VN-Übe­r­ein­kom­mens, da­hin zu ver­ste­hen ist, dass es ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung dar­stellt, wenn ei­ner Ar­beit­neh­me­rin, die kei­ne Kin­der aus­tra­gen kann und die ei­ne Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen hat, kein dem Mut­ter­schafts- oder Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­der be­zahl­ter Ur­laub gewährt wird, und, falls dies ver­neint wird, ob die­se Richt­li­nie im Hin­blick auf Art. 10 AEUV, die Art. 21, 26 und 34 der Char­ta so­wie das VN-Übe­r­ein­kom­men gültig ist.
69 Vor­ab ist fest­zu­stel­len, dass die Richt­li­nie 2000/78 nach ih­rem Art. 1 die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung von Dis­kri­mi­nie­run­gen in Beschäfti­gung und Be­ruf aus ei­nem der in die­sem Ar­ti­kel ge­nann­ten Gründe be­zweckt, zu de­nen die Be­hin­de­rung zählt (vgl. Ur­teil vom 11. Ju­li 2006, Chacón Na­vas, C-13/05, Slg. 2006, I-6467, Rn. 41). Die­se Richt­li­nie gilt nach ih­rem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c im Rah­men der auf die Uni­on über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten für al­le Per­so­nen u. a. in Be­zug auf die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts.
70 Der Be­griff „Be­hin­de­rung“ ist in der Richt­li­nie 2000/78 selbst nicht de­fi­niert.
71 Es ist in­des­sen dar­an zu er­in­nern, dass die Or­ga­ne der Uni­on, wenn die­se in­ter­na­tio­na­le Übe­r­einkünf­te schließt, nach Art. 216 Abs. 2 AEUV an die­se Übe­r­einkünf­te ge­bun­den sind. Die­se Übe­r­einkünf­te ha­ben da­her ge­genüber den Rechts­ak­ten der Uni­on Vor­rang (Ur­teil vom 21. De­zem­ber 2011, Air Trans­port As­so­cia­ti­on of Ame­ri­ca u. a., C-366/10, Slg. 2011, I-13755, Rn. 50, und vom 11. April 2013, HK Dan­mark, C-335/11 und C-337/11, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rn. 28).
72 Der Vor­rang der von der Uni­on ge­schlos­se­nen völker­recht­li­chen Verträge vor den Be­stim­mun­gen des ab­ge­lei­te­ten Rechts ge­bie­tet es, die­se Be­stim­mun­gen nach Möglich­keit in Übe­rein­stim­mung mit die­sen Verträgen aus­zu­le­gen (Ur­tei­le vom 22. No­vem­ber 2012, Di­gi­tal­net u. a., C-320/11, C-330/11, C-382/11 und C-383/11, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rn. 39, und HK Dan­mark, Rn. 29).
73 Aus dem Be­schluss 2010/48 geht her­vor, dass die Uni­on das VN-Übe­r­ein­kom­men ge­neh­migt hat. Die Be­stim­mun­gen die­ses Übe­r­ein­kom­mens bil­den folg­lich seit des­sen In­kraft­tre­ten ei­nen in­te­grie­ren­den Be­stand­teil der Uni­ons­rechts­ord­nung (vgl. Ur­tei­le vom 30. April 1974, Ha­e­ge­man, 181/73, Slg. 1974, 449, Rn. 5, und HK Dan­mark, Rn. 30).
74 Fer­ner er­gibt sich aus der An­la­ge zu An­hang II die­ses Be­schlus­ses, dass in den Be­rei­chen selbständi­ge Le­bensführung, so­zia­le Ein­glie­de­rung, Ar­beit und Beschäfti­gung die Richt­li­nie 2000/78 zu den Rechts­ak­ten der Uni­on gehört, die durch das VN-Übe­r­ein­kom­men er­fass­te An­ge­le­gen­hei­ten be­tref­fen.
75 Folg­lich kann das VN-Übe­r­ein­kom­men zur Aus­le­gung der Richt­li­nie 2000/78 her­an­ge­zo­gen wer­den, die nach Möglich­keit in Übe­rein­stim­mung mit die­sem Übe­r­ein­kom­men aus­zu­le­gen ist (vgl. Ur­teil HK Dan­mark, Rn. 32).
76 Aus die­sem Grund hat der Ge­richts­hof nach der Ra­ti­fi­zie­rung des VN-Übe­r­ein­kom­mens durch die Uni­on fest­ge­stellt, dass der Be­griff „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 so zu ver­ste­hen ist, dass er ei­ne Ein­schränkung er­fasst, die u. a. auf phy­si­sche, geis­ti­ge oder psy­chi­sche Be­ein­träch­ti­gun­gen von Dau­er zurück­zuführen ist, die in Wech­sel­wir­kung mit ver­schie­de­nen Bar­rie­ren den Be­tref­fen­den an der vol­len und wirk­sa­men Teil­ha­be am Be­rufs­le­ben, gleich­be­rech­tigt mit den an­de­ren Ar­beit­neh­mern, hin­dern können (vgl. Ur­teil HK Dan­mark, Rn. 37 bis 39).
77 Es ist hin­zu­zufügen, dass der Be­griff „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 so zu ver­ste­hen ist, dass er nicht nur die Unmöglich­keit er­fasst, ei­ne be­ruf­li­che Tätig­keit aus­zuüben, son­dern auch ei­ne Be­ein­träch­ti­gung der Ausübung ei­ner sol­chen Tätig­keit. Ei­ne an­de­re Aus­le­gung wäre mit dem Ziel die­ser Richt­li­nie un­ver­ein­bar, die ins­be­son­de­re Men­schen mit Be­hin­de­rung Zu­gang zur Beschäfti­gung oder die Ausübung ei­nes Be­rufs ermögli­chen soll (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil HK Dan­mark, Rn. 44).
78 Im vor­lie­gen­den Fall kann Frau Z. kei­ne Kin­der gebären, da sie an ei­ner sel­te­nen Fehl­bil­dung lei­det, in­fol­ge de­ren sie kei­ne Gebärmut­ter hat.
79 Im Hin­blick auf den in Rn. 76 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­geführ­ten Be­griff „Be­hin­de­rung“ steht fest, dass ei­ne sol­che Fehl­bil­dung ei­ne Ein­schränkung dar­stellt, die u. a. auf phy­si­sche, geis­ti­ge oder psy­chi­sche Be­ein­träch­ti­gun­gen zurück­zuführen und von Dau­er ist. Ins­be­son­de­re kann in­so­weit nicht be­strit­ten wer­den, dass ei­ne Frau sehr dar­un­ter lei­den kann, nicht in der La­ge zu sein, ein Kind aus­zu­tra­gen.
80 Der Be­griff „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 setzt je­doch vor­aus, dass die Ein­schränkung, un­ter der ei­ne Per­son lei­det, sie in Wech­sel­wir­kung mit ver­schie­de­nen Bar­rie­ren an der vol­len und wirk­sa­men Teil­ha­be am Be­rufs­le­ben, gleich­be­rech­tigt mit den an­de­ren Ar­beit­neh­mern, hin­dern kann.
81 Wie der Ge­ne­ral­an­walt in den Nrn. 95 bis 97 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, hin­dert die Unmöglich­keit, auf kon­ven­tio­nel­lem Weg ein Kind zu be­kom­men, für sich ge­nom­men die Be­stell­mut­ter nicht am Zu­gang zur Beschäfti­gung, an der Ausübung ei­nes Be­rufs oder dem be­ruf­li­chen Auf­stieg. Der Vor­la­ge­ent­schei­dung ist im vor­lie­gen­den Fall nicht zu ent­neh­men, dass die Fehl­bil­dung, an der Frau Z. lei­det, es für sich ge­nom­men ihr unmöglich ge­macht hätte, ih­rer Ar­beit nach­zu­ge­hen, oder sie in der Ausübung ih­rer be­ruf­li­chen Tätig­keit be­ein­träch­tigt hätte.
82 Un­ter die­sen Umständen ist fest­zu­stel­len, dass die Fehl­bil­dung, an der Frau Z. lei­det, kei­ne „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78 dar­stellt. Folg­lich gilt die­se Richt­li­nie, ins­be­son­de­re ihr Art. 5, nicht für ei­ne Si­tua­ti­on wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che. Der in der drit­ten Fra­ge erwähn­te Um­stand, dass die Be­stell­mut­ter das Kind seit sei­ner Ge­burt ver­sorgt, kann die­se Fest­stel­lung nicht in Fra­ge stel­len.
83 Gemäß der in Rn. 64 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­geführ­ten Recht­spre­chung ist die Gültig­keit der Richt­li­nie 2000/78 folg­lich nicht an­hand von Art. 10 AEUV so­wie der Art. 21, 26 und 34 der Char­ta zu prüfen.

84

Was die Prüfung der Gültig­keit die­ser Richt­li­nie an­hand des VN-Übe­r­ein­kom­mens be­trifft, geht aus der oben in Rn. 71 an­geführ­ten Recht­spre­chung her­vor, dass die Gültig­keit ei­nes Rechts­akts der Uni­on durch die Un­ver­ein­bar­keit mit völker­recht­li­chen Re­geln berührt wer­den kann. Wird ei­ne sol­che Ungültig­keit vor ei­nem na­tio­na­len Ge­richt gel­tend ge­macht, prüft der Ge­richts­hof, ob in dem Rechts­streit, mit dem er be­fasst ist, be­stimm­te Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind, um gemäß Art. 267 AEUV die Gültig­keit des be­tref­fen­den Rechts­akts der Uni­on an den gel­tend ge­mach­ten völker­recht­li­chen Re­geln mes­sen zu können (vgl. Ur­tei­le vom 3. Ju­ni 2008, In­ter­tan­ko u. a., C-308/06, Slg. 2008, I-4057, Rn. 43, und Air Trans­port As­so­cia­ti­on of Ame­ri­ca u. a., Rn. 51).
85 Was die in der vor­ste­hen­den Rand­num­mer ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen be­trifft, so ist, wenn die Art und Struk­tur ei­nes völker­recht­li­chen Ver­trags ei­ne Kon­trol­le der Gültig­keit des Rechts­akts der Uni­on an­hand der Be­stim­mun­gen die­ses Ver­trags zu­las­sen, außer­dem er­for­der­lich, dass die in­so­weit gel­tend ge­mach­ten Be­stim­mun­gen in­halt­lich un­be­dingt und hin­rei­chend ge­nau er­schei­nen (vgl. Ur­tei­le In­ter­tan­ko u. a., Rn. 45, und Air Trans­port As­so­cia­ti­on of Ame­ri­ca u. a., Rn. 54).
86 Die­se Vor­aus­set­zung ist erfüllt, wenn die gel­tend ge­mach­te Vor­schrift ei­ne kla­re und präzi­se Ver­pflich­tung enthält, de­ren Erfüllung und de­ren Wir­kun­gen nicht vom Er­lass ei­nes wei­te­ren Rechts­akts abhängen (vgl. Ur­tei­le vom 30. Sep­tem­ber 1987, De­mi­rel, 12/86, Slg. 1987, 3719, Rn. 14, vom 15. Ju­li 2004, Pêcheurs de l’étang de Ber­re, C-213/03, Slg. 2004, I-7357, Rn. 39, und Air Trans­port As­so­cia­ti­on of Ame­ri­ca u. a., Rn. 55).
87 Im vor­lie­gen­den Fall er­gibt sich je­doch aus Art. 4 Abs. 1 des VN-Übe­r­ein­kom­mens, dass es u. a. Sa­che der Ver­trags­staa­ten ist, al­le ge­eig­ne­ten Ge­setz­ge­bungs-, Ver­wal­tungs- und sons­ti­gen Maßnah­men zur Um­set­zung der in die­sem Übe­r­ein­kom­men an­er­kann­ten Rech­te zu tref­fen. Außer­dem sieht Art. 4 Abs. 3 des VN-Übe­r­ein­kom­mens vor, dass die Ver­trags­staa­ten bei der Aus­ar­bei­tung und Um­set­zung von Rechts­vor­schrif­ten und po­li­ti­schen Kon­zep­ten zur Durchführung die­ses Übe­r­ein­kom­mens und bei an­de­ren Ent­schei­dungs­pro­zes­sen in Fra­gen, die Men­schen mit Be­hin­de­run­gen be­tref­fen, mit den Men­schen mit Be­hin­de­run­gen, ein­sch­ließlich Kin­dern mit Be­hin­de­run­gen, über die sie ver­tre­ten­den Or­ga­ni­sa­tio­nen en­ge Kon­sul­ta­tio­nen führen und sie ak­tiv ein­be­zie­hen.
88 Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 114 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, hat die­ses in­ter­na­tio­na­le Übe­r­ein­kom­men da­her in­so­weit, als die da­mit be­gründe­ten Pflich­ten die Ver­trags­staa­ten be­tref­fen, pro­gram­ma­ti­schen Cha­rak­ter.
89 Folg­lich hängen die Erfüllung und die Wir­kun­gen der Be­stim­mun­gen des VN-Übe­r­ein­kom­mens vom Er­lass ei­nes wei­te­ren Rechts­akts durch die Ver­trags­staa­ten ab. Vor die­sem Hin­ter­grund enthält An­hang II des Be­schlus­ses 2010/48 ei­ne Erklärung bezüglich Zuständig­kei­ten der Uni­on in Be­zug auf die durch das VN-Übe­r­ein­kom­men er­fass­ten An­ge­le­gen­hei­ten und die Rechts­ak­te der Uni­on mit Be­zug zu den durch die­ses Übe­r­ein­kom­men er­fass­ten An­ge­le­gen­hei­ten.

90

Un­ter die­sen Umständen ist, oh­ne dass die Art und Struk­tur des VN-Übe­r­ein­kom­mens zu prüfen wäre, fest­zu­stel­len, dass des­sen Be­stim­mun­gen nicht im Sin­ne der in den Rn. 85 und 86 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­geführ­ten Recht­spre­chung in­halt­lich un­be­dingt und hin­rei­chend ge­nau sind und ih­nen da­her uni­ons­recht­lich kei­ne un­mit­tel­ba­re Wir­kung zu­kommt. In­fol­ge­des­sen kann die Gültig­keit der Richt­li­nie 2000/78 nicht an­hand des VN-Übe­r­ein­kom­mens be­ur­teilt wer­den.
91 Nach al­le­dem ist auf die drit­te, die vier­te, die fünf­te und die sechs­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass

- die Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass es kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung dar­stellt, wenn ei­ner Ar­beit­neh­me­rin, die kei­ne Kin­der aus­tra­gen kann und die ei­ne Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen hat, kein dem Mut­ter­schafts- oder Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­der be­zahl­ter Ur­laub gewährt wird;

- die Gültig­keit die­ser Richt­li­nie nicht an­hand des VN-Übe­r­ein­kom­mens be­ur­teilt wer­den kann, aber die Richt­li­nie nach Möglich­keit in Übe­rein­stim­mung mit die­sem Übe­r­ein­kom­men aus­zu­le­gen ist.

Kos­ten

92 Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Große Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Die Richt­li­nie 2006/54/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 5. Ju­li 2006 zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Chan­cen­gleich­heit und Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en in Ar­beits- und Beschäfti­gungs­fra­gen, ins­be­son­de­re ih­re Art. 4 und 14, ist da­hin aus­zu­le­gen, dass es kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts dar­stellt, wenn ei­ner Ar­beit­neh­me­rin in ih­rer Ei­gen­schaft als Be­stell­mut­ter, die im Rah­men ei­ner Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ein Kind er­hal­ten hat, kein dem Mut­ter­schafts­ur­laub ent­spre­chen­der be­zahl­ter Ur­laub gewährt wird.

Was die Gewährung ei­nes Ad­op­ti­ons­ur­laubs be­trifft, fällt die Si­tua­ti­on ei­ner sol­chen Be­stell­mut­ter nicht un­ter die­se Richt­li­nie.

2. Die Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf ist da­hin aus­zu­le­gen, dass es kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung dar­stellt, wenn ei­ner Ar­beit­neh­me­rin, die kei­ne Kin­der aus­tra­gen kann und die ei­ne Er­satz­mut­ter­ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen hat, kein dem Mut­ter­schafts- oder Ad­op­ti­ons­ur­laub ent­spre­chen­der be­zahl­ter Ur­laub gewährt wird.

Die Gültig­keit die­ser Richt­li­nie kann nicht an­hand des Übe­r­ein­kom­mens der Ver­ein­ten Na­tio­nen über die Rech­te von Men­schen mit Be­hin­de­run­gen be­ur­teilt wer­den, aber die Richt­li­nie ist nach Möglich­keit in Übe­rein­stim­mung mit die­sem Übe­r­ein­kom­men aus­zu­le­gen.

Un­ter­schrif­ten

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* Ver­fah­rens­spra­che: Eng­lisch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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