HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Hamm, Ur­teil vom 01.12.2011, 8 Sa 1245/11

   
Schlagworte: Betriebliche Übung, AGB, Freiwilligkeitsvorbehalt
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 8 Sa 1245/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 01.12.2011
   
Leitsätze:

1. Entgegen im Schrifttum erhobener Bedenken kann die Entstehung einer betrieblichen Übung durch einen salvatorischen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag verhindert werden. Einer jeweiligen Erneuerung des Vorbehalts anlässlich der Zahlung bedarf es nicht.

2. Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach welcher die Zahlung eines Weihnachtsgeldes "von z. Zt. 55% der Monatsvergütung" unter Ausschluss von Rechtsansprüchen für die Zukunft erfolgt, ist trotz Erwähnung von Berechnungsgrundlagen und Kürzungsregeln bei Fehlzeiten ausreichend transparent, da letztere erkennbar allein für den Fall zur Geltung kommen, dass sich der Arbeitgeber zur Leistung entschließt und so allein eine Selbstbindung hinsichtlich der Gleichbehandlung der Beschäftigten begründet.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Iserlohn, Urteil vom 7.06.2011, 2 Ca 174/11
   

8 Sa 1245/11

2 Ca 174/11
ArbG Iser­lohn

 

Verkündet am 01.12.2011

Gre­watsch Re­gie­rungs­beschäftig­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

hat die 8. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 01.12.2011
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Du­den­bos­tel
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Stüber und Mant­will

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Iser­lohn vom 07.06.2011 – 2 Ca 174/11 – wird auf Kos­ten des Klägers zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Mit sei­ner Kla­ge macht der Kläger, wel­cher seit dem Jah­re 1997 im Be­trieb der Be­klag­ten beschäftigt ist, ei­nen An­spruch auf Zah­lung von Ur­laubs- und Weih­nachts­geld für die Jah­re 2009 und 2010 gel­tend.

Die­sen An­spruch stützt der Kläger auf die Grundsätze der be­trieb­li­chen Übung, wel­che sich dar­aus er­ge­be, dass die Be­klag­te un­strei­tig je­den­falls seit dem Jah­re 2004 ein Weih­nachts­geld in Höhe von 55 % und ein Ur­laubs­geld in Höhe von 50 % des Ur­laubs­ent­gelts zur Aus­zah­lung ge­bracht hat. So­weit die Be­klag­te dem Zah­lungs­be­geh­ren ent­ge­genhält, der Ar­beits­ver­trag vom 01.01.2006 (Bl. 59 ff. der Ak­te) nebst Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 01.10.2006 (Bl. 69 der Ak­te) schließe ei­nen Rechts­an­spruch auf Zah­lung von Ur­laubs- und Weih­nachts­geld aus, hält der Kläger die ent­spre­chen­de Ver­trags­klau­sel für un­wirk­sam und führt aus, durch ei­nen pau­scha­len Vor­be­halt könne die Ent­ste­hung ei­ner be­trieb­li­chen Übung als kon­klu­den­te Ver­tragsände­rung nicht vor­ab ver­hin­dert wer­den.

Die in § 4 des Ar­beits­ver­tra­ges ent­hal­te­ne Re­ge­lung lau­tet wie folgt:

§ 4 Vergütung

Die Ar­beits­vergütung beträgt 12,84 € brut­to.

Über­stun­den­zu­schläge wer­den wie folgt vergütet: ...

Die Zah­lung des Ur­laubs- und Weih­nachts­gel­des von zur­zeit 55 % der Mo­nats­vergütung er­folgt frei­wil­lig und oh­ne Be­gründung ei­nes Rechts­an­spruchs für die Zu­kunft. Die Weih­nachts­geld­zah­lung min­dert sich im Verhält­nis zu den Fehl­ta­gen im Ka­len­der­jahr, sie entfällt bei we­ni­ger als 20 Ar­beits­ta­gen.

Das Weih­nachts­geld beträgt:

 

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bei ei­ner Be­triebs­zu­gehörig­keit von mind. 6 Mo­na­ten 25 %
bei ei­ner Be­triebs­zu­gehörig­keit von mind. 1 Jahr 35 %
...
bei ei­ner Be­triebs­zu­gehörig­keit von mind. 3 Jahr 55 %
des je­wei­li­gen Durch­schnitts­ver­diens­tes

Die Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 01.10.2006 enthält fol­gen­de Re­ge­lung:

Der § 4 Vergütung wird wie folgt geändert:

1. Die Ver­ein­ba­rung zur Grund­vergütung bleibt un­verändert.

2. Sämt­li­che Über­stun­den­zu­schläge zum Grund­lohn ent­fal­len.
...

3. Die Ver­ein­ba­rung zur Zah­lung von Weih­nachts­geld und Ur­laubs­geld bleibt un­verändert.

4. Die­se Ver­ein­ba­rung wird gültig ab der Ab­rech­nung für den
Mo­nat Ok­to­ber 2006...

5. Ergänzun­gen oder Verände­run­gen die­ser Zu­satz­ver­ein­ba­rung bedürfen der Schrift­form ....

Durch Ur­teil vom 07.06.2011 (Bl. 32 ff. der Ak­te), auf wel­ches we­gen des wei­te­ren erst­in­stanz­li­chen Par­tei­vor­brin­gens und der Fas­sung der Kla­ge­anträge Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt die Ansprüche auf Zah­lung von Ur­laubs- und Weih­nachts­geld für die Jah­re 2009 und 2010 ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung ist im We­sent­li­chen aus­geführt wor­den, we­der nach dem Ar­beits­ver­trag noch nach den Re­geln der be­trieb­li­chen Übung ste­he dem Kläger der ver­folg­te An­spruch zu. Wie der Ar­beits­ver­trag klar und un­miss­verständ­lich er­ken­nen las­se, han­de­le es sich bei der Weih­nachts- und Ur­laubs­geld­zah­lung um ei­ne frei­wil­li­ge Leis­tung oh­ne Rechts­an­spruch für die Zu­kunft. Un­ter die­sen Umständen ha­be der Kläger nicht dar­auf ver­trau­en können, dass die Be­klag­te sich durch die je­wei­li­ge jähr­li­che Leis­tung auch zu zukünf­ti­gen Leis­tun­gen ver­pflich­ten wol­le. In dem ver­ein­bar­ten Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt lie­ge auch kei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung. Zwei­fels­frei könne der Ar­beit­ge­ber im Zu­sam­men­hang mit der je­wei­li­gen Zah­lung Rechts­ansprüche für die Zu­kunft aus­sch­ließen. Dann müsse dies erst recht auch vor­ab im Ar­beits­ver­trag möglich sein.

 

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Mit sei­ner recht­zei­tig ein­ge­leg­ten und be­gründe­ten Be­ru­fung tritt der Kläger dem Stand­punkt des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils ent­ge­gen, trotz der er­folg­ten Zah­lun­gen in den Jah­ren 2004 bis 2008 sei auf­grund des ar­beits­ver­trag­li­chen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts ei­ne be­trieb­li­che Übung nicht ent­stan­den.

Zum ei­nen sei der in § 4 des Ar­beits­ver­tra­ges ent­hal­te­ne Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt nicht so ein­deu­tig for­mu­liert, dass hier­aus ein Aus­schluss des Rechts­an­spruchs fol­ge. Ei­ner­seits sei­nen zwar die Son­der­zah­lun­gen als frei­wil­lig und oh­ne Be­gründung ei­nes Rechts­an­spruchs für die Zu­kunft ge­kenn­zeich­net, an­de­rer­seits ent­hal­te die Re­ge­lung An­ga­ben zur Höhe der Leis­tung und wei­te­ren Leis­tungs­mo­da­litäten. Im Er­geb­nis führe dies zu ei­ner un­kla­ren und un­verständ­li­chen Re­ge­lung. Fer­ner müsse berück­sich­tigt wer­den, dass in der Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 01.10.2006 al­lein die Re­ge­lung ent­hal­ten sei, die Ver­ein­ba­rung zur Zah­lung von Weih­nachts­geld und Ur­laubs­geld blei­be un­verändert. Da ein er­neu­ter Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt trotz der zwi­schen­zeit­lich wie­der­hol­ten Leis­tungs­gewährung nicht auf­ge­nom­men wor­den sei, müsse dar­auf ge­schlos­sen wer­den, dass die Par­tei­en am ursprüng­li­chen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt nicht wei­ter hätten fest­hal­ten wol­len.

Zum an­de­ren könne das Ent­ste­hen ei­ner be­trieb­li­chen Übung – ab­wei­chend von der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts - nicht schon vor­ab durch ei­nen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt im Ar­beits­ver­trag aus­ge­schlos­sen wer­den, al­lein ein dies­bezügli­cher Vor­be­halt im Zu­sam­men­hang mit der tatsächli­chen Leis­tungs­er­brin­gung könne – wie Preis (ErfK § 305 BGB Rn. 68) über­zeu­gend be­gründet ha­be - das Ent­ste­hen ei­ner Be­triebsübung ver­hin­dern. Ei­ne Ver­trags­klau­sel, wel­che vor­ab späte­re Ver­tragsände­run­gen – auch durch be­trieb­li­che Übung - aus­sch­ließe, könne nicht als wirk­sam an­ge­se­hen wer­den.

Sch­ließlich zei­ge auch der Um­stand, dass die Be­klag­te den Ver­such un­ter­nom­men ha­be, die Ar­beit­neh­mer im Jah­re 2009 zu ei­nem Ver­zicht zu ver­an­las­sen, dass die Be­klag­te selbst von ei­ner be­ste­hen­den Zah­lungs­ver­pflich­tung aus­ge­gan­gen sei. Von ei­ner kla­ren und ein­deu­ti­gen Ver­trags­re­ge­lung könne un­ter die­sen Umständen nicht aus­ge­gan­gen wer­den.

 

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Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Iser­lohn vom 07.06.2011 – 2 Ca 174/11 – wird ab­geändert:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 6.200,06 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz der EZB bezüglich ei­nes Be­tra­ges von 3.320,53 € brut­to seit Rechtshängig­keit der Kla­ge­schrift vom 28.01.2011 so­wie bezüglich ei­nes wei­te­ren Be­tra­ges von 2.879,53 € brut­to seit Rechtshängig­keit des Schrift­sat­zes vom 28.02.2011 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung des Klägers bleibt oh­ne Er­folg.

I. In Übe­rein­stim­mung mit dem ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teil steht dem Kläger der ver­folg­te Zah­lungs­an­spruch nicht zu.

1. Der Ar­beits­ver­trag vom 01.01.2006 sieht ei­nen An­spruch auf Zah­lung von Ur­laubs- und Weih­nachts­geld nicht vor. Nach § 4 des Ar­beits­ver­tra­ges er­folgt die Zah­lung des Ur­laubs- und Weih­nachts­gel­des frei­wil­lig und oh­ne Be­gründung ei­nes Rechts­an­spruchs für die Zu­kunft.

 

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Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht aus dem Um­stand, dass die ge­nann­te Pas­sa­ge des Ver­tra­ges An­ga­ben zur Höhe der ge­nann­ten Leis­tung (,‚zur Zeit 55 % der Mo­nats­vergütung") enthält und fer­ner ei­ne For­mel zur Staf­fe­lung der An­spruchshöhe nach Be­triebs­zu­gehörig­keit so­wie ei­ne Re­ge­lung über die Min­de­rung des Weih­nachts­gel­des we­gen Fehl­zei­ten vor­sieht. An­ders als nach ei­ner Ver­trags­for­mu­lie­rung, nach wel­cher der Ar­beit­ge­ber die Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des ver­spricht bzw. erklärt, dass ein Ur­laubs- oder Weih­nachts­geld ge­zahlt oder gewährt wird, je­doch gleich­wohl die auf die­sem We­ge ver­spro­che­ne Leis­tung un­ter ei­nen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt mit Aus­schluss von Rechts­ansprüchen für die Zu­kunft ge­stellt wird, was ins­ge­samt zur In­trans­pa­renz der Re­ge­lung führt (BAG, 30.07.2008, 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173), enthält § 4 des Ar­beits­ver­tra­ges von vorn­her­ein kein Leis­tungs­ver­spre­chen. Die in § 4 ge­nann­ten An­ga­be zur Höhe der Leis­tung (,‚zur Zeit 55 %") so­wie die wei­te­ren Leis­tungs­mo­da­litäten sol­len viel­mehr al­lein für den Fall zur Gel­tung kom­men, dass sich der Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung ent­schließt. Die Be­deu­tung ei­ner sol­chen Re­ge­lung zeigt sich, wenn der Ar­beit­ge­ber tatsächlich ei­ne ent­spre­chen­de Leis­tung gewährt, ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer je­doch von der Zah­lung aus­neh­men oder nach an­de­ren Maßstäben be­han­deln will. Die im Ver­trag ent­hal­te­ne Re­ge­lung über die Mo­da­litäten der Leis­tungs­gewährung führt nämlich zu ei­ner Bin­dung nach den Re­geln des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes, oh­ne je­doch ei­nen strik­ten An­spruch auf Leis­tungs­gewährung zu be­gründen (BAG, 10.12.2008, 10 AZR 35/08, NZA 2009, 258).

2. Auch die Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag be­gründet we­der ei­nen ei­genständi­gen An­spruch auf Gra­ti­fi­ka­ti­ons­leis­tun­gen, noch enthält er ei­ne Re­ge­lung zum Weg­fall des ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts. Die ver­wen­de­te For­mu­lie­rung, nach wel­cher die Ver­ein­ba­run­gen zur Zah­lung von Weih­nachts­geld und Ur­laubs­geld un­verändert blei­ben, ist ge­ra­de nicht auf Ände­rung der Rechts­la­ge ge­rich­tet.

3. Der Kläger kann die ver­folg­ten Zah­lungs­ansprüche auch nicht auf die Grundsätze der be­trieb­li­chen Übung stützen. Dem Ent­ste­hen ei­ner sol­chen Be­triebsübung steht der dar­ge­stell­te Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt ent­ge­gen.

 

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a) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers ist nicht zwei­fel­haft, dass sich der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt nicht al­lein auf das Weih­nachts­geld, son­dern auch auf das Ur­laubs­geld be­zieht. Zwar be­zieht sich die Re­ge­lung über den maßgeb­li­chen Pro­zent­satz und die Mo­da­litäten der Zah­lung al­lein auf das Weih­nachts­geld. Der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt be­trifft in­des­sen aus­drück­lich glei­cher­maßen das Ur­laubs-und Weih­nachts­geld.

b) Im Ge­gen­satz zu ei­nem Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt, wel­cher sich an ein im Ar­beits­ver­trag selbst ent­hal­te­nes Leis­tungs­ver­spre­chen an­sch­ließt und des­halb we­gen In­trans­pa­renz kei­ne Gel­tung be­an­spru­chen kann (BAG 30.07.2008, a.a.O.), han­delt es sich vor­lie­gend um ei­nen vor­sorg­li­chen, „sal­va­to­ri­schen" Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt, wel­cher zum Aus­druck brin­gen soll, dass auch im Fal­le wie­der­hol­ter Zah­lung ei­ne ent­spre­chen­de Rechts­pflicht nach den Re­geln der Be­triebsübung nicht ent­ste­hen soll.

c) Ge­gen die Wirk­sam­keit ei­nes sol­chen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts be­ste­hen kei­ne Be­den­ken. Der Ar­beit­neh­mer, der wie­der­holt ei­ne ent­spre­chen­de Zah­lung erhält, kann auf der Grund­la­ge der Ver­trags­klau­sel oh­ne wei­te­res er­ken­nen, dass der Ar­beit­ge­ber mit der Zah­lung kei­nen wei­ter­ge­hen­den Ver­pflich­tungs­wil­len ver­bin­det. So­weit der Kläger hier­ge­gen ein­wen­det, häufig sei dem Ar­beit­neh­mer bei Emp­fang der Leis­tung der im Ar­beits­ver­trag ent­hal­te­ne Vor­be­halt nicht be­wusst, ins­be­son­de­re wenn der Ver­trags­schluss lan­ge zurück­lie­ge oder der schrift­li­che Ar­beits­ver­trag nicht mehr zur Hand sei, über­zeugt dies nicht. Al­lein die ver­blass­te Er­in­ne­rung des Ar­beit­neh­mers an den In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges lässt we­der die Wirk­sam­keit der Ver­trags­klau­sel ent­fal­len, noch kann der Ar­beit­neh­mer da­mit gehört wer­den, er ha­be die wie­der­hol­te Zah­lung im Sin­ne ei­nes rechts­geschäft­li­chen Ver­pflich­tungs­wil­lens auf­fas­sen dürfen, weil ihm der In­halt des schrift­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges nicht mehr präsent ge­we­sen sei und der Ar­beit­ge­ber hier­mit ha­be rech­nen müssen.

d) Auch in in­halt­li­cher Hin­sicht be­geg­net der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt kei­ne Be­den­ken. Der Vor­be­halt ist auf die Gewährung von Weih­nachts­geld und Ur­laubs­geld be­schränkt und er­fasst da­mit nicht lau­fend ge­zahl­tes und als Ge­gen­leis­tung für die Ar­beit be­stimm­te Vergütungs­be­stand­tei­le (BAG 30.07.2008, a.a.O.).

 

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e) Eben­so we­nig lässt sich ge­gen die Wirk­sam­keit ei­nes „sal­va­to­ri­schen" Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts ein­wen­den, die­ser zie­le nicht an­ders als die die dop­pel­te Schrift­form­klau­sel dar­auf, die Wirk­sam­keit nach­fol­gen­der Ver­tragsände­run­gen zu ver­hin­dern (so Preis, Der Ar­beits­ver­trag, 4. Aufl., II V 70 Rn 70 ff.; ders. In ErfK, § 305-307 BGB Rn 68). Rich­tig ist zwar, dass sich die Ver­trags­par­tei­en nach den Re­geln der Pri­vat­au­to­no­mie ih­rer Rechts­macht zum Ver­trags­schluss nicht ent­le­di­gen können, wie das Bei­spiel der nicht wirk­sam zu ver­ein­ba­ren­den „ver­drängen­den Voll­macht" zeigt. Auf der­sel­ben Ebe­ne liegt die dop­pel­te Schrift­form­klau­sel, mit wel­cher im Vor­hin­ein die Rechts­wirk­sam­keit ei­ner Ver­ein­ba­rung über die form­lo­se Auf­he­bung ei­nes ver­ein­bar­ten Schrift­for­mer­for­der­nis­ses aus­ge­schlos­sen und da­mit die Rechts­macht der Ver­trags­par­tei­en zur Ge­stal­tung ih­rer Verhält­nis­se ein­ge­schränkt wer­den soll. Ab­wei­chend hier­von ist Ge­gen­stand des sal­va­to­ri­schen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts ist nicht das Ver­bot bzw. die Un­wirk­sam­keit nach­fol­gen­der Ver­trags­re­ge­lun­gen, viel­mehr kommt dem Vor­be­halt le­dig­lich klar­stel­len­de Be­deu­tung in tatsäch­li­cher Hin­sicht zu, in­dem schon bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges zum Aus­druck ge­bracht wird, dass ei­ne tatsächli­che Leis­tungs­gewährung nach dem er­kenn­ba­ren Wil­len des Erklären­den nicht als kon­klu­den­tes Leis­tungs­ver­spre­chen auf­ge­fasst wer­den soll. Ei­ne Ab­wei­chung vom Vor­bild der ge­setz­li­chen Re­ge­lung ist hier­mit nicht ver­bun­den, eben­so we­nig wird nicht ei­nem be­stimm­ten Ver­hal­ten (z.B. Schwei­gen) ein rechts­geschäft­li­cher Be­deu­tungs­ge­halt (Zu­stim­mung) un­ter­legt, viel­mehr steht es mit all­ge­mei­nen Aus­le­gungs­re­geln in Ein­klang, dass für das Verständ­nis aus­drück­li­cher und kon­klu­den­ter Erklärun­gen sämt­li­che dem Empfänger er­kenn­ba­ren Umstände maßgeb­lich sind. Hier­zu gehört zwei­fel­los auch ein schrift­lich erklärter Vor­be­halt, die Gewährung ei­ner ver­trag­lich nicht ver­spro­che­nen Leis­tung möge nicht als Ver­trags­an­ge­bot zur Be­gründung ei­ner Rechts­pflicht auf­ge­fasst wer­den. Dem Stand­punkt von Preis (a.a.O. Rn 72), ar­beits­ver­trag­li­che Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­te sei­en eben­so we­nig wie Schrift­form­klau­seln ge­eig­net, das Ent­ste­hen ei­ner Be­triebsübung zu ver­hin­dern, kann da­nach nicht ge­folgt wer­den.

4. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers kann auch der Um­stand, dass die Be­klag­te - wie der Kläger vorträgt er­folg­los – den Ver­such un­ter­nom­men hat, die Beschäftig­ten auf ei­ner Be­triebs­ver­samm­lung zum Ver­zicht auf Zah­lung von Ur­laubs-

 

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und Weih­nachts­geld zu ver­an­las­sen, die Wir­kun­gen des im Ar­beits­ver­trag vor­ge­se­he­nen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts nicht in Fra­ge stel­len. Aus dem Ver­zichts­ver­lan­gen der Be­klag­ten mag zwar fol­gen, dass die Be­klag­te zu die­sem Zeit­punkt un­si­cher oder gar sub­jek­tiv da­von über­zeugt war, dass in­fol­ge der wie­der­hol­ten Zah­lung oder an­de­ren Umständen ein Rechts­an­spruch der Beschäftig­ten auf Zah­lung von Ur­laubs- und Weih­nachts­geld ent­stan­den sei. Die sub­jek­ti­ve Einschätzung der Wirk­sam­keit oder Un­wirk­sam­keit ei­ner Ver­trags­klau­sel ist für de­ren Aus­le­gung je­doch oh­ne Be­lang. Der Kläger trägt auch nicht vor, bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges sei­en die Par­tei­en übe­rein­stim­mend von ei­nem be­stimm­ten Verständ­nis der ver­trag­li­chen Re­ge­lung aus­ge­gan­gen, wes­we­gen die­ses ge­mein­sa­me Verständ­nis Vor­rang vor der nach all­ge­mei­nem Verständ­nis be­gründe­ten Ver­trags­aus­le­gung im vor­ste­hend aus­geführ­ten Sin­ne be­an­spru­chen könne. Sch­ließlich liegt im An­ge­bot ei­ner Ver­zichts­ver­ein­ba­rung auch nicht ein rechts­geschäft­li­ches An­ge­bot, ei­ne in Wahr­heit nicht be­ste­hen­de Ver­pflich­tung zu be­gründen, von wel­cher nur aus ak­tu­el­lem An­lass ein­mal ab­ge­wi­chen wer­den sol­le. Der Ver­such der Be­klag­ten, mit den Beschäftig­ten Ein­ver­neh­men darüber zu er­zie­len, dass we­gen der schlech­ten wirt­schaft­li­chen La­ge für das Jahr 2009 kein Weih­nachts- und Ur­laubs­geld aus­ge­zahlt wird, ist da­mit für die Aus­le­gung des Ar­beits­ver­tra­ges und die Rechts­ansprüche des Klägers oh­ne Be­lang.

5. Auch der Hin­weis des Klägers auf die Ent­schei­dung des LAG Ber­lin-Bran­den­burg vom 19.02.2009 (20 Sa 2078/08) ist nicht ge­eig­net, den Stand­punkt des Klägers zu stützen. Die ge­nann­te Ent­schei­dung be­zieht sich auf ei­nen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt, mit wel­cher sämt­li­che über das mo­nat­li­che Brut­to­ge­halt hin­aus­ge­hen­de Leis­tun­gen und Vergütun­gen er­fasst wer­den sol­len. Da­mit sind auch lau­fen­de, im Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis ste­hen­de Ar­beits­ent­gel­te er­fasst, was in der Tat zur Un­wirk­sam­keit der Klau­sel führt (so auch LAG Hamm, 2010.2011, 8 Sa 463/11). Wie die Ausführun­gen in der vom Kläger zi­tier­ten Ent­schei­dung un­ter Rn. 33 be­le­gen, stellt auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht in Fra­ge, dass in Be­zug auf Son­der­zah­lun­gen ein Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt möglich ist.

6. Sch­ließlich kann auch dem Stand­punkt des Klägers nicht ge­folgt wer­den, die von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Grundsätze zur Zulässig­keit und Be­schränkung

 

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von Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­ten sei­en für den ju­ris­tisch nicht vor­ge­bil­de­ten Bürger voll­kom­men un­klar, un­verständ­lich und pra­xis­fremd; al­lein die vollständi­ge Un­zulässig­keit von Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­ten ent­spre­che dem Bedürf­nis nach Rechts­klar­heit. Nach Auf­fas­sung der Kam­mer bringt die For­mu­lie­rung, die Zah­lung des Ur­laubs- und Weih­nachts­gel­des er­fol­ge frei­wil­lig und oh­ne Be­gründung ei­nes Rechts­an­spruchs für die Zu­kunft, auch für den Lai­en verständ­lich zum Aus­druck, dass der Ar­beit­ge­ber sich zu ei­ner Zah­lung nicht ver­pflich­ten will und dem­ent­spre­chend auch wie­der­hol­te Zah­lun­gen die Be­deu­tung der ar­beits­ver­trag­li­chen Frei­wil­lig­keits­klau­sel nicht ent­fal­len las­sen. An­ga­ben zu den Leis­tungs­mo­da­litäten sind da­nach er­kenn­bar nur für den Fall von Be­lang, dass sich der Ar­beit­ge­ber zur Leis­tung ent­schließt und be­gründen al­lein für die­sen Fall ei­ne Selbst­bin­dung des Ar­beit­ge­bers an die ge­nann­ten Maßstäbe, oh­ne dass da­mit Un­klar­hei­ten und der Ein­druck ent­ste­hen kann, es lie­ge ein un­be­ding­tes Leis­tungs­ver­spre­chen vor. Die Tat­sa­che, dass die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts das In­kraft­tre­ten der Schuld­rechts­re­form zum An­lass ge­nom­men hat, bis­lang ak­zep­tier­te Klau­seln zu Frei­wil­lig- und Wi­der­ruf­lich­keit von Son­der­zah­lun­gen ei­ner verschärf­ten Kon­trol­le zu un­ter­wer­fen, be­deu­tet nicht, dass jed­we­der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt von vorn­her­ein als un­durch­schau­bar und in­trans­pa­rent an­zu­se­hen und da­mit als un­wirk­sam zu ver­wer­fen ist.

II. Die Kos­ten der er­folg­lo­sen Be­ru­fung hat der Kläger zu tra­gen.

III. Die Kam­mer hat die Re­vi­si­on ge­gen das Ur­teil gemäß § 72 ArbGG zu­ge­las­sen.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der kla­gen­den Par­tei

RE­VISION

ein­ge­legt wer­den.

 

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Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Fax: 0361 2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie
Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

Dr. Du­den­bos­tel 

Stüber

Mant­will

/Gr.

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