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Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt und be­trieb­li­che Übung

Ar­beits­ver­trag­li­cher Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt für Weih­nachts­geld und Ur­laubs­geld ver­hin­dert be­trieb­li­che Übung: Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Ur­teil vom 01.12.2011, 8 Sa 1245/11
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05.03.2012. Ar­beit­ge­ber kön­nen sich nicht nur aus­drück­lich durch (schrift­li­chen) Ar­beits­ver­trag, son­dern auch durch ihr Ver­hal­ten zu be­stimm­ten Son­der­zah­lun­gen ver­pflich­ten wie z.B. zu ei­nem Weih­nachts­geld oder ei­nem Ur­laubs­geld. Denn mehr­fa­che vor­be­halt­lo­se Son­der­zah­lun­gen füh­ren zu ei­nem An­spruch des Ar­beit­neh­mers, auch wenn der Ar­beit­ge­ber das gar nicht will. Man spricht hier von be­trieb­li­cher Übung.

Um das zu ver­hin­dern, neh­men Ar­beit­ge­ber in ih­re Ar­beits­ver­trä­ge oft ei­nen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt auf, d.h. die Klar­stel­lung, dass Son­der­zah­lun­gen frei­wil­lig und nicht an­spruchs­be­grün­dend sein sol­len. Ob das ge­nügt, um ei­ne Be­triebs­übung zu ver­hin­dern, ist der­zeit in der Dis­kus­si­on. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm meint, ja: LAG Hamm, Ur­teil vom 01.12.2011, 8 Sa 1245/11.

Kann ei­ne ar­beits­ver­trag­li­cher Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt ei­ne be­trieb­li­che Übung ver­hin­dern?

Da Ansprüche auf Gra­ti­fi­ka­tio­nen bzw. Son­der­leis­tun­gen auch durch mehr­fa­che vor­be­halt­lo­se Aus­zah­lun­gen ent­ste­hen können ("be­trieb­li­che Übung"), bau­en klu­ge Ar­beit­ge­ber vor. Sie stel­len im Ar­beits­ver­trag aus­drück­lich klar, dass be­stimm­te Son­der­leis­tun­gen kei­nen An­spruch für die Zu­kunft be­gründen sol­len. Wirk­sam sind sol­che Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­te aber nur, wenn sie die An­for­de­run­gen des Rechts der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB) erfüllen. Sie dürfen da­her nicht mehr­deu­tig oder un­klar sein.

Bis­her ging das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) da­von aus, dass ein ver­trag­li­cher Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­te nicht bei je­der Zah­lung aus­drück­lich wie­der­holt wer­den muss, son­dern dass ei­ne ein­ma­li­ge ar­beits­ver­trag­li­che Re­ge­lung genügt. Vor kur­zem äußer­te es Zwei­fel an die­ser Recht­spre­chung, je­den­falls dann, wenn der Ar­beit­ge­ber sehr lan­ge Zeit vor­be­halt­los zahlt (BAG, Ur­teil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10; wir be­rich­te­ten darüber in: Ar­beits­recht ak­tu­ell 12/001). Die­se Zwei­fel hat­te das LAG Hamm da­ge­gen nicht.

LAG Hamm: Ar­beits­ver­trag­li­cher Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt muss nicht bei je­der Zah­lung wie­der­holt wer­den

Ein Ar­beit­neh­mer er­hielt von sei­nem Ar­beit­ge­ber seit 2004 ein Ur­laubs- und ein Weih­nachts­geld. 2006 un­ter­schrien der Ar­beit­neh­mer ei­ne Ver­trags­fas­sung, der zu­fol­ge bei­de Son­der­zah­lun­gen "frei­wil­lig und oh­ne Be­gründung ei­nes Rechts­an­spruchs für die Zu­kunft" ge­leis­tet würden. Nach­dem die­se Zah­lun­gen 2009 und 2010 aus­blie­ben, klag­te der Ar­beit­neh­mer.

Das Ar­beits­ge­richt Iser­lohn (Ur­teil vom 07.06.2011, 2 Ca 174/11) und das LAG Hamm wie­sen die Kla­ge ab. Denn der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt war wirk­sam, so das LAG, weil er auch für Lai­en verständ­lich zu er­ken­nen gibt, dass sich der Ar­beit­ge­ber nicht bin­den möch­te. An den Vor­be­halt muss der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer nicht bei je­der Zah­lung er­in­nern, so das LAG. Ei­ne be­trieb­li­che Übung konn­te da­her nicht ent­ste­hen.

Im hier ent­schie­de­nen Fall war der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt klar, denn er war nicht mit ei­nem Wi­der­rufs­vor­be­halt kom­bi­niert und be­zog sich auch nicht auf al­le mögli­chen Son­der­zah­lun­gen, son­dern al­lein auf das Ur­laubs- und das Weih­nachts­geld. Da­mit erfüllt der Vor­be­halt die bei­den Haupt­an­for­de­run­gen, die sol­che Klau­seln nach der ak­tu­el­len BAG-Recht­spre­chung erfüllen müssen (BAG, Ur­teil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10). Ob das BAG sei­ne in die­sem Ur­teil an­ge­deu­te­te An­sicht ernst meint, dass der Ar­beit­ge­ber nämlich trotz­dem bei je­der Zah­lung den Vor­be­halt wie­der­ho­len muss, kann das BAG demnächst klar­stel­len, denn das LAG Hamm hat die Re­vi­si­on zum BAG zu­ge­las­sen.

Fa­zit: Ar­beit­ge­ber sind gut be­ra­ten, sich nicht mehr al­lein auf ver­trag­li­che Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­te zu ver­las­sen, son­dern Son­der­zah­lun­gen trotz­dem bei je­der ein­zel­nen Zah­lung als "frei­wil­lig" zu be­zeich­nen. Ar­beit­neh­mer da­ge­gen soll­ten sich durch Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­te nicht von ei­ner Zah­lungs­kla­ge ab­schre­cken las­sen, da sol­che Vor­be­hal­te oft un­wirk­sam sind.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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