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Frist­lo­se Kün­di­gung ei­nes Ge­schäfts­füh­rers und Zwei­wo­chen­frist

Erst wenn die zur Kün­di­gung be­rech­tig­ten Ver­tre­ter der GmbH Kennt­nis von den Kün­di­gungs­grün­den ha­ben, be­ginnt die Zwei­wo­chen­frist für die Kün­di­gungs­er­klä­rung: Bun­des­ge­richts­hof, Ur­teil vom 09.04.2013, II ZR 273/11
Rechte Hand mit roter Karte Wer die ro­te Kar­te zückt, muss sich be­ei­len.

28.05.2013. Wer als Ge­schäfts­füh­rer ei­ner GmbH sei­ne Pflich­ten ge­gen­über der Ge­sell­schaft mas­siv ver­letzt, ris­kiert die au­ßer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kün­di­gung sei­nes Ge­schäfts­füh­rer­ver­trags.

In ei­nem sol­chen Fall müs­sen sich die Ver­tre­ter der Ge­sell­schaft al­ler­dings mit dem Aus­spruch der Kün­di­gung be­ei­len, denn ge­mäß § 626 Abs.2 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) muss die Kün­di­gung in­ner­halb von zwei Wo­chen er­klärt wer­den.

Die­se kur­ze Frist be­ginnt aber erst dann, wenn die zur Kün­di­gung be­rech­tig­ten Ver­tre­ter der Ge­sell­schaft al­le zur Kün­di­gung be­rech­ti­gen­den Tat­sa­chen ken­nen, d.h. ein blo­ßes "Ken­nen-Müs­sen" ge­nügt nicht: Bun­des­ge­richts­hof, Ur­teil vom 09.04.2013, II ZR 273/11.

Wann be­ginnt die Zwei­wo­chen­frist zur Erklärung ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung beim Ver­dacht kri­mi­nel­ler Ma­chen­schaf­ten des Geschäftsfühe­rers?

Der Geschäftsführer ei­ner GmbH muss die fi­nan­zi­el­len In­ter­es­sen der Ge­sell­schaft wah­ren. Ge­gen die­se Pflicht verstößt er grob, wenn er ei­nen Be­ra­ter­ver­trag zu­las­ten der GmbH ab­sch­ließt, der die GmbH zu er­heb­li­chen Zah­lun­gen ver­pflich­tet, wenn da­bei zu­gleich klar ist, dass ef­fek­ti­ve Be­ra­tungs­leis­tun­gen gar nicht er­bracht wer­den sol­len. Ein sol­cher Schein­be­ra­ter­ver­trag schädigt die GmbH und be­rech­tigt sie zur frist­lo­sen Kündi­gung des Geschäftsführer­ver­trags.

Lässt sich die GmbH al­ler­dings in Kennt­nis ei­nes sol­chen Kündi­gungs­grun­des mehr als zwei Wo­chen Zeit, bis sie die Kündi­gung end­lich erklärt, ver­liert sie gemäß § 626 Abs.2 BGB ihr Kündi­gungs­recht. Denn wer so lan­ge trödelt, kann nicht mehr be­haup­ten, die wei­te­re Fort­set­zung des An­stel­lungs­ver­trags sei ihm un­zu­mut­bar.

Da­bei be­ginnt die ge­setz­li­che Zwei­wo­chen­frist, wenn die zur Kündi­gung be­rech­tig­ten Ver­tre­ter der Ge­sell­schaft die Tat­sa­chen er­fah­ren, die die GmbH zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung be­rech­ti­gen. Da ei­ne ver­späte­te Kündi­gung un­wirk­sam ist, wird in Kündi­gungs­pro­zes­sen im­mer wie­der darüber ge­strit­ten, ob bzw. wann die GmbH-Ver­tre­ter ei­ne sol­che Kennt­nis hat­ten. So ist z.B. frag­lich, ob es für ei­ne Kennt­nis genügt, dass sich der Ver­dacht kri­mi­nel­ler Ma­chen­schaf­ten "auf­drängt".

Der Fall des BGH: Geschäftsführer ei­ner zur Spar­kas­se Düssel­dorf gehören­den GmbH schanzt Kölner Po­li­ti­ker Jo­sef Müller ei­nen Be­ra­ter­ver­trag zu

Im Streit­fall ging es um ei­nen Geschäftsführer ei­ner Toch­ter­ge­sell­schaft der Stadt­spar­kas­se Düssel­dorf, der Toch­ter Nr.1. Der Geschäftsführer war später auch Geschäftsführer ei­ner hun­dert­pro­zen­ti­gen Toch­ter-GmbH die­ser Spar­kas­sen-Toch­ter, der Toch­ter Nr.2.

Zu­las­ten der Toch­ter Nr.1 hat­te der Geschäftsführer im Jah­re 2000 mit dem Kölner Po­lit­ker Jo­sef Müller ei­nen Be­ra­ter­ver­trag ver­ein­bart, der Herrn Müller ein Ge­halt von 200.000 DM pro Jahr be­scher­te. Die­ses Ge­halt er­stat­te­te die Spar­kas­se Köln der Toch­ter Nr.1. Hin­ter­grund all des­sen war ei­ne po­li­ti­sche Vet­tern­wirt­schaft, die An­fang 2009 öffent­lich be­kannt wur­de und da­zu führ­te, dass Herr Müller am 01.02.2009 al­le po­li­ti­schen Ämter nie­der­leg­te. An­geb­lich war zwi­schen den Spar­kas­sen-Chefs und Herrn Müller aus­ge­mau­schelt, dass die­ser nie­mals Be­ra­tungs­leis­tun­gen er­brin­gen soll­te.

Dar­auf­hin erklärte die Toch­ter Nr.2 die außer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kündi­gung des Geschäftsführer­ver­trags. Der Geschäftsführer zog vor das Land­ge­richt Düssel­dorf und griff die Kündi­gung an. Denn an­geb­lich hat­ten die Ge­sell­schaf­te­rin der Toch­ter Nr.2 (bzw. die für die­se han­deln­den Geschäftsführer der Toch­ter Nr.1) be­reits lan­ge vor Aus­spruch der Kündi­gung Kennt­nis vom Kündi­gungs­sach­ver­halt. Der Be­ra­ter­ver­trag wur­de nämlich schon im Fe­bru­ar 2004 ein­ver­nehm­lich zu En­de 2003 auf­ge­ho­ben, wor­an die Geschäftsführer der Toch­ter Nr.1 mit­wirk­ten, so das Ar­gu­ment des Klägers.

Mit die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on hat­te der Geschäftsführer vor dem Land­ge­richt Düssel­dorf zwar kei­nen Er­folg (Ur­teil vom 02.11.2010, 35 O 28/09), doch folg­te ihm das Ober­lan­des­ge­richt (OLG) Düssel­dorf und erklärt die Kündi­gung für un­wirk­sam (Ur­teil vom 24.11.2011, 14 U 27/11). Die Ver­tre­ter der Toch­ter Nr.1 hätten schon 2004 An­lass ge­habt, der Sa­che auf der Grund zu ge­hen, und zwar in­ner­halb der Zwei­wo­chen­frist, so das OLG.

BGH: Erst wenn die zur Kündi­gung be­rech­tig­ten Ver­tre­ter der GmbH Kennt­nis von den Kündi­gungs­gründen ha­ben, be­ginnt die Zwei­wo­chen­frist für die Kündi­gungs­erklärung

Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH)hob das OLG-Ur­teil auf und ver­wies den Rechts­streit zurück an das OLG. Aus Sicht des BGH hat­te die be­klag­te Toch­ter Nr.1 die Zwei­wo­chen­frist ein­ge­hal­ten.

Denn nur dann, wenn die Kündi­gungs­gründe be­reits im We­sent­li­chen be­kannt sind und nur noch ergänzen­de Er­mitt­lun­gen nötig sind, z.B. ei­ne Anhörung des Geschäftsführers oder die Aufklärung von ge­gen ei­ne Kündi­gung spre­chen­den Tat­sa­chen, muss die GmbH die­se Er­mitt­lun­gen zügig durchführen. Auf ei­nen bloßen An­fangs­ver­dacht hin, wie er mögli­cher­wei­se hier im Streit­fall schon 2004 be­stand, muss die GmbH kei­ne Er­mitt­lun­gen an­stel­len.

Da­her lag hier im Fe­bru­ar 2004 höchs­tens ein "Ken­nenmüssen" der Ver­feh­lun­gen des Geschäftsführers vor, und das genügt nicht, um die Zwei­wo­chen­frist des § 626 Abs.2 BGB in Gang zu set­zen.

Im übri­gen stellt der BGH klar, dass auch gro­be Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers als Geschäftsführer der Toch­ter Nr.1 ei­ne Kündi­gung sei­nes An­stel­lungs­ver­trags mit der Toch­ter Nr.2 recht­fer­ti­gen können. Denn wer die In­ter­es­sen der Kon­zer­no­ber­ge­sell­schaft (hier: der Toch­ter Nr.1) grob schädigt, ist auch als Geschäftsführer von de­ren Toch­ter (hier: der Toch­ter Nr.2) nicht mehr trag­bar.

Fa­zit: Die Zwei­wo­chen­frist des § 626 Abs.2 BGB be­ginnt nicht schon dann zu lau­fen, wenn die Ver­tre­ter der Ge­sell­schaft "grob fahrlässig" die Au­gen vor ei­nem er­heb­li­chen Pflicht­ver­s­toß des Geschäftsfühe­rers ver­sch­ließen. In Fällen der vor­lie­gen­den Art be­steht kei­ne Pflicht der Ge­sell­schaft, aus An­lass "anrüchi­ger" Be­ra­ter­verträge zu er­mit­teln, ob die­se nur zum Schein ab­ge­schlos­sen wur­den. Erst wenn ein sol­cher Miss­brauch für die Ge­sell­schaft fest­steht, be­ginnt die Zwei­wo­chen­frist.

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Letzte Überarbeitung: 15. Februar 2021

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