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ArbG Pa­der­born, Ur­teil vom 07.07.2010, 2 Ca 392/10

   
Schlagworte: Kündigung
   
Gericht: Arbeitsgericht Paderborn
Aktenzeichen: 2 Ca 392/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 07.07.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Pa­der­born, 2 Ca 392/10

 

Te­nor:

Es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung des Be­klag­ten vom 19.02.2010 nicht be­en­det wur­de.

Der Be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

Der Streit­wert wird auf 11.700,00 € fest­ge­setzt.

 

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über ei­ne frist­lo­se und hilfs­wei­se frist­ge­rech­te Kündi­gung des Be­klag­ten.

Der Kläger ist seit dem 01.01.2010 gemäß dem schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag vom 15.01.2010 (Bl. 11/12 d. A.) bei dem Be­klag­ten beschäftigt. Das ver­ein­bar­te Brut­to­mo­nats­ge­halt des Klägers beträgt 3.900,00 € zuzüglich Spe­sen.

In dem schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag tra­fen die Par­tei­en u. a. noch fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

§ 2 Kündi­gung

1. Das An­stel­lungs­verhält­nis ist un­be­fris­tet.
2. Ei­ne Pro­be­zeit entfällt.
3. Das Ar­beits­verhält­nis kann frühes­tens nach zwei Jah­ren von sei­tens des Ar­beit­ge­bers be­en­det wer­den es sei den in bei­der­sei­ti­gem Ein­verständ­nis
4. Das Recht zur außer­ord­li­chen Kündi­gung bleibt un­berührt. Ei­ne frist­lo­se Kündi­gung gilt für den Fall der Un­wirk­sam­keit als frist­ge­rech­te Kündi­gung zum nächst­zulässi­gen Ter­min.
...

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§ 7 Schluss­be­stim­mun­gen

1. Münd­li­che Ne­ben­ab­spra­chen zu die­sem Ver­trag be­ste­hen nicht. Ergänzun­gen oder Verände­run­gen bedürfen der Schrift­form.
...

Der Kläger ist der ein­zi­ge Ar­beit­neh­mer des Be­klag­ten.

Der Be­klag­te übt sei­ne geschäft­li­che Tätig­keit auf dem Be­triebs­gelände der Fir­ma A2 12 M2 GmbH & Co. KG aus. Der Be­klag­ten nahm erst vor kur­zem sei­ne geschäft­li­che Tätig­keit auf und kauft seit dem 01.01.2010 Schrott in Po­len ein und ver­kauft die­sen in Deutsch­land wei­ter. Haupt­ab­neh­mer und Kun­de des Be­klag­ten ist hier­bei die Fir­ma M2, die dem Be­klag­ten ca. 90 % des Wa­ren­im­por­tes ab­kauft. Die rest­li­chen 10 % ent­fal­len auf klei­ne­re Kun­den.

Vor sei­ner Beschäfti­gung bei dem Be­klag­ten war der Kläger seit dem 01.02.2002 Ar­beit­neh­mer der Fir­ma A2 M2 GmbH & Co. KG. Im Rah­men sei­ner Beschäfti­gung bei der Fir­ma M2 un­ter­zeich­ne­te der Kläger u. a. ei­ne Ver­schwie­gen­heits­erklärung un­ter dem 05.06.2002 (Bl. 79 d. A.). Der Kläger war bei der Fir­ma M2 zunächst als Dis­po­nent tätig, wo­bei sich sein Ar­beits­platz im so­ge­nann­ten W4 be­fand. An sei­nem Ar­beits­platz be­fand sich auch ein Te­le­fon­buch, in das die An­sprech­part­ner bei Kun­den mit Te­le­fon­num­mer ein­ge­tra­gen wur­den. Die wei­te­ren Ein­zel­hei­ten zu dem Te­le­fon­buch sind zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Im Jahr 2006 kam es zu krank­heits­be­ding­ten Aus­fall­zei­ten des Klägers. Ab Mit­te 2006 über­nahm der Sohn des Geschäftsführers A2 M2 jun. die Tätig­keit des Klägers, wo­bei er des­sen Te­le­fon­buch al­ler­dings nicht nutz­te. Im Jahr 2008 kündig­te die Fir­ma M2 das mit dem Kläger be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis. Da sich die Kündi­gung im ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren als un­wirk­sam er­wies, führ­te der Kläger das Ar­beits­verhält­nis mit der Fir­ma M2 seit dem 01.12.2008 wie­der fort. Ab die­sem Zeit­punkt wur­de der Kläger als Fuhr­park­lei­ter beschäftigt und hat­te im Rah­men sei­ner Tätig­keit kei­ne Kun­den­kon­tak­te mehr.

Im Rah­men der Auf­nah­me der Geschäfts­be­zie­hun­gen zwi­schen dem Be­klag­ten und der Fir­ma M2 ver­mit­tel­te die­se den Kläger an den Be­klag­ten. Zeit­gleich mit dem Ar­beits­ver­trag vom 15.01.2010 schlos­sen der Kläger und die Fir­ma M2 ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag zum 31.12.2009 (Bl. 43-45 d. A.). Der Auf­he­bungs­ver­trag enthält un­ter § 4 "Be­triebs­ge­heim­nis­se" die Re­ge­lung, dass sich der Kläger ver­pflich­tet, al­le ihm während sei­ner Tätig­keit be­kannt ge­wor­de­nen be­triebs­in­ter­nen An­ge­le­gen­hei­ten, vor al­lem Geschäfts- und Be­triebs­ge­heim­nis­se, ge­heim zu hal­ten.

Nach dem Wech­sel des Klägers zu dem Be­klag­ten räum­te der Be­klag­te den Schreib­tisch des Klägers bei der Fir­ma M2 aus. Die Un­ter­la­gen des Klägers leg­te der Be­klag­te in ei­nen Kar­ton. Die­se soll­ten später ver­brannt wer­den. Ei­ni­ge Ta­ge nach Auf­nah­me sei­ner Ar­beit bei dem Be­klag­ten am 18.01.2010 frag­te der Kläger den Be­klag­ten nach "sei­nem" Te­le­fon­buch. Der Be­klag­te sag­te dar­auf­hin, die­ses sei wohl ver­brannt wor­den. Der Kläger sprach dar­auf­hin den Mit­ar­bei­ter der Fir­ma M2 N2 auf das Te­le­fon­buch an. Die­ser teil­te dem Kläger mit, dass sich des­sen Un­ter­la­gen noch im Hei­zungs­raum befänden und bis­lang noch nicht ver­brannt wor­den sei­en. Dar­auf­hin wur­de das Te­le­fon­buch aus dem Hei­zungs­raum ge­holt und von dem Kläger in Be­sitz ge­nom­men.

Im Rah­men sei­ner Tätig­keit für den Be­klag­ten kon­tak­tier­te der Kläger ver­schie­de­ne Kun­den der Fir­ma M2 und un­ter­brei­te­te die­sen An­ge­bo­te.

Am 18.02.2010 er­hielt der Be­klag­te ei­nen An­ruf des Geschäftsführers der Fir­ma M2, 

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A2 M2 sen., der sehr auf­ge­bracht war und den Be­klag­ten an­schrie, dass er die Geschäfts­be­zie­hung so­fort be­en­den wol­le. Kurz dar­auf fand ein Gespräch des Be­klag­ten mit Herrn M2 sen. statt, der dem Be­klag­ten vor­warf, er ha­be ver­sucht, Stamm­kun­den von ihm ab­zu­wer­ben. Nach dem Gespräch be­ga­ben sich der Be­klag­te und Herr M2 sen. in das Büro des Klägers, wo­bei der Kläger nicht mehr an­we­send war. In der Schreib­tisch­schub­la­de fan­den sie das ehe­ma­li­ge Te­le­fon­buch des Klägers von der Fir­ma M2. Des Wei­te­ren fan­den sie di­ver­se DVD’s des Klägers mit por­no­gra­fi­schem Ma­te­ri­al. Auf die­sen ist der Kläger u. a. da­bei zu se­hen, wie er sich di­ver­se Ge­genstände anal einführt. Wo die DVD’s ge­nau auf­ge­fun­den wur­den, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Der Be­klag­te kon­tak­tier­te den Kläger an­sch­ließend auf dem Han­dy. Der In­halt des Gesprächs ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

Mit zwei Schrei­ben vom 19.02.2010, wel­che dem Kläger am 20.02.2010 und am 23.02.2010 zu­gin­gen, kündig­te der Be­klag­te das mit dem Kläger be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis frist­los und hilfs­wei­se frist­gemäß. Ge­gen die Kündi­gung hat der Kläger mit ei­nem am 26.02.2010 per Fax ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben.

Der Kläger be­strei­tet das Vor­lie­gen von Kündi­gungs­gründen. Ins­be­son­de­re könne der Be­klag­te we­gen der Re­ge­lung in § 2 Zif­fer 3 des Ar­beits­ver­tra­ges frühes­tens nach zwei Jah­ren kündi­gen. Gründe für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung lägen je­doch nicht vor. Der Be­klag­te könne dem Kläger nicht vor­wer­fen, er ha­be das Te­le­fon­buch bei der Fir­ma M2 ent­wen­det. Viel­mehr ha­be der Kläger das Te­le­fon­buch selbst vor ca. acht Jah­ren an­ge­schafft und es auch geführt. Der Kläger ha­be bis zu­letzt bei der Fir­ma M2 mit die­sem Te­le­fon­buch ge­ar­bei­tet. Im Ja­nu­ar 2009 ha­be Herr M2 jun. dem Kläger Kar­tons mit Un­ter­la­gen in sein neu­es Büro ge­bracht, wo­bei sich in den Kar­tons auch das Te­le­fon­buch des Klägers be­fun­den ha­be. Nach dem Wech­sel zu dem Be­klag­ten ha­be der Kläger den Mit­ar­bei­ter der Fir­ma M2 N2 ge­be­ten, das Te­le­fon­buch zurück­zu­brin­gen, so­fern dies noch nicht ver­brannt wor­den sei. Dies ha­be Herr N2 ge­tan, wo­bei der Kläger Herrn N2 auch Dank­bar­keit ein Mit­tag­es­sen aus­ge­ge­ben ha­be. Der Kläger ha­be dies auch dem Be­klag­ten erzählt, der sich ge­freut ha­be und den Kläger auf­ge­for­dert ha­be, die im Te­le­fon­buch auf­geführ­ten Kun­den zu kon­tak­tie­ren. Der Be­klag­te ha­be den Kläger auch aus­drück­lich auf­ge­for­dert, geschäft­li­che Kon­tak­te zu frühe­ren Kun­den der Fir­ma M2 her­zu­stel­len. Zu die­sem Zweck ha­be der Be­klag­te sich Kon­takt­adres­sen vom Kläger ge­ben las­sen und sei per E-Mail mit den Kun­den in Ver­bin­dung ge­tre­ten, da es noch kei­ne Fir­men-E-Mail-Adres­se ge­ge­ben ha­be. Beim Aus­schei­den des Klägers bei der Fir­ma M2 und der Ein­stel­lung bei dem Be­klag­ten sei es zu kei­nem Zeit­punkt The­ma ge­we­sen, dass der Kläger nicht an Kun­den der Fir­ma M2 her­an­tre­ten dürfe. Viel­mehr sei­en sol­che Kon­tak­te aus­drück­lich von dem Be­klag­ten gewünscht ge­we­sen. Der Be­klag­te ha­be den Kläger auch auf­ge­for­dert, nach neu­en Büroräum­en zu su­chen, da­mit der Geschäftsführer der Fir­ma M2 ihm nicht ständig "über die Schul­ter schaue". Zu die­sem Zwe­cke ha­be der Kläger noch am 18. und 19.02.2010 Büroräume be­sich­tigt.

Am 18.02.2010 sei dann ca. um 16.30 Uhr der Geschäftsführer M2 Sen. in das Büro des Klägers ge­kom­men und ha­be die­sen an­gebrüllt, wie er denn Kun­den der Fir­ma M2 an­schrei­ben könne. Der Kläger ha­be dar­auf­hin ge­sagt, dies sei nicht ver­bo­ten, son­dern viel­mehr sein Job. Der Kläger sei dann ge­gan­gen, weil der Be­klag­te dem Kläger schon vor An­kunft des Geschäftsführers der Fir­ma M2 ge­sagt ha­be, der Kläger sol­le Fei­er­abend ma­chen. Die por­no­gra­fi­schen DVD’s sei­en in der am Ar­beits­platz be­find­li­chen Ja­cke des Klägers und nicht im Schreib­tisch ge­we­sen. Im Übri­gen wie­sen die­se kei­nen ver­bo­te­nen In­halt auf. Der Kläger ha­be den In­halt der DVD’s auch nicht auf dem PC am Ar­beits­platz ge­spei­chert, wo­bei die­ser PC ihm oh­ne­hin erst Mit­te Fe­bru­ar 2010 zur Verfügung ge­stan­den ha­be. Kur­ze Zeit nach­dem der Kläger am 18.02.2010 sei­nen Ar­beits­platz bei dem Be­klag­ten ver­las­sen ha­be, ha­be er ei­nen An­ruf von dem Be­klag­ten er­hal­ten. Der

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Be­klag­te ha­be ihm ge­sagt, er wer­de "A6" (den Geschäftsführer der Fir­ma M2) schon wie­der be­ru­hi­gen und der Kläger sol­le in je­dem Fall ein neu­es Büro su­chen. Nach Zu­gang der Kündi­gung ha­be der Kläger dann aber den Be­klag­ten an­ge­ru­fen und die­sen ge­fragt, was das denn sol­le. Der Be­klag­te ha­be dem Kläger ge­sagt, man wer­de sich Mon­tag zu­sam­men­set­zen und über al­les spre­chen. Dies sei je­doch nicht er­folgt.

Nach der Überg­a­be von zwei Büro­schlüsseln im Kam­mer­ter­min am 07.07.2010 ha­ben bei­de Par­tei­en den Wi­der­kla­ge­an­trag übe­rein­stim­mend für er­le­digt erklärt.

Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt, 

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge, frist­lo­se, hilfs­wei­se frist­gemäße Kündi­gung vom 19.02.2010, zu­ge­stellt so­wohl am 20.02.2010, als auch am 23.02.2010, nicht be­en­det wor­den ist.

Der Be­klag­te be­an­tragt, 

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, die frist­ge­rech­te Kündi­gung sei wirk­sam. Der Kläger sei sei­ner­zeit bei der Ein­stel­lung durch die Fir­ma M2 von dem Geschäftsführer be­auf­tragt wor­den ein neu­es Te­le­fon­buch an­zu­le­gen. Die­ses Te­le­fon­buch sei von der Fir­ma M2 an­ge­schafft und ge­zahlt wor­den. Im Lau­fe der Zeit sei­en von ver­schie­de­nen Mit­ar­bei­tern Ein­tra­gun­gen vor­ge­nom­men wor­den. Mit Über­nah­me der Tätig­keit des Klägers durch Herrn M2 jun. sei das Te­le­fon­buch in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten, aber je­doch noch wei­ter geführt wor­den. Als der Kläger zu­letzt bei der Fir­ma M2 als Fuhr­park­lei­ter tätig war, sei das Te­le­fon­buch an sei­nem frühe­ren Ar­beits­platz ver­blie­ben, dem das Buch zu­ge­ord­net ge­we­sen sei. Während der Tätig­keit als Fuhr­park­lei­ter ha­be der Kläger dann of­fen­sicht­lich sein al­tes Te­le­fon­buch ent­wen­det.

Im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­schluss des Auf­he­bungs­ver­tra­ges zwi­schen dem Kläger und der Fir­ma M2 so­wie des Ar­beits­ver­tra­ges zwi­schen den Par­tei­en sei im Vor­feld in­ten­siv mit dem Kläger darüber ge­spro­chen wor­den, dass Vor­aus­set­zung sei, dass der Kläger die er­lang­ten Kun­den­kon­tak­te aus der Zeit bei der Fir­ma M2 nicht nut­zen und auch kei­ne Kun­den ab­wer­ben sol­le. Dies sei auch noch­mals An­fang Ja­nu­ar 2010 im Bei­sein des Geschäftsführers der Fir­ma M2 mit und zwi­schen den Par­tei­en be­spro­chen wor­den. Dem Be­klag­ten sei von dem Geschäftsführer der Fir­ma M2 auch mit­ge­teilt wor­den, dass er aus­sch­ließlich Kun­den aus Nord­deutsch­land an­spre­chen dürfe, da es sich hier­bei nicht um ein Ein­zugs­ge­biet der Fir­ma M2 han­de­le. Dem Kläger sei mit­ge­teilt wor­den, dass bei Zu­wi­der­hand­lun­gen kein Ar­beits­ver­trag ge­schlos­sen wer­de. In ei­nem wei­te­ren Gespräch am 15.01.2010 zwi­schen den Par­tei­en im Bei­sein des Geschäftsführers der Fir­ma M2 ha­be der Be­klag­te dem Kläger noch­mals mit­ge­teilt, dass er kei­ne Kun­den der Fir­ma M2 ab­wer­ben dürfe, weil sonst die Fir­ma M2 al­le Geschäfts­be­zie­hun­gen zu ihm ab­bre­che und die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses dann nicht möglich sei. Der Kläger ha­be dies dem Be­klag­ten ver­si­chert. An­sch­ließend sei der schrift­li­che Ar­beits­ver­trag ge­schlos­sen wor­den.

Nach Auf­nah­me sei­ner Tätig­keit bei dem Be­klag­ten sei der Kläger dann selbst in den Hei­zungs­raum ge­gan­gen und ha­be sich das Te­le­fon­buch der Fir­ma M2 ge­holt. Als am 18.02.2010 der Be­klag­te und der Geschäftsführer der Fir­ma M2 um 16 Uhr zum Büro des Klägers ge­gan­gen sei­en, um ihn zur Re­de zu stel­len, sei der Kläger förm­lich geflüch­tet, ob­wohl sein re­guläres Ar­beits­zei­t­en­de erst um 17 Uhr ge­we­sen wäre. Als der Be­klag­te ge­mein­sam mit Herrn M2 den Schreib­tisch des Klägers durch­such­te, ha­be der Be­klag­te dann erst­ma­lig das Te­le­fon­buch der Fir­ma M2 ge­se­hen. Des Wei­te­ren hätten sich die

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DVD’s mit dem por­no­gra­fi­schen Ma­te­ri­al in den Schub­la­den des Schreib­ti­sches des Klägers be­fun­den. Die dar­auf do­ku­men­tier­ten Nei­gun­gen des Klägers sei­en ein­deu­tig als per­vers zu qua­li­fi­zie­ren. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass der Kläger den In­halt der DVD’s auch während der Ar­beits­zeit sich­te­te. Die auf Blatt 86 und 87 der Ak­te ge­zeig­ten Fo­tos sei­en am 17. und 18.02.2010 auf dem Rech­ner des Be­klag­ten ge­spei­chert wor­den. Nach Durch­su­chung des Schreib­ti­sches des Klägers ha­be der Be­klag­te den Kläger auf sei­nem Han­dy kon­tak­tiert. Der Be­klag­te ha­be hier­bei sein Te­le­fon we­gen der An­we­sen­heit des Geschäftsführers Fir­ma M2 auf Laut­spre­cher ge­stellt und die­sen Um­stand dem Kläger mit­ge­teilt. Dar­auf­hin ha­be der Be­klag­te den Kläger in sach­li­cher Form mit dem Sach­ver­halt kon­fron­tiert. Der Kläger ha­be sich in­halt­lich nicht äußern wol­len. Er ha­be le­dig­lich ge­sagt: "Ich pis­se auf euch al­le. Ihr Arschlöcher, ihr könnt mich al­le mal". Da­nach sei die Ver­bin­dung ab­ge­bro­chen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der von den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

A. Die Kla­ge ist zulässig und be­gründet.

Die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung vom 19.02.2010 ver­moch­te das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en we­der frist­los noch frist­gemäß zu be­en­den.

I. Die frist­lo­se Kündi­gung vom 19.02.2010 ist un­wirk­sam.

1. Der Kläger hat die dreiwöchi­ge Kla­ge­frist gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG ein­ge­hal­ten.

2. Es fehlt je­doch am Vor­lie­gen ei­nes wich­ti­gen Grun­des zur frist­lo­sen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses gemäß § 626 Abs. 1 BGB.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Ar­beits­verhält­nis aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist oder bis zu der ver­ein­bar­ten Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann.

a. Das un­strei­ti­ge Un­ter­brei­ten von An­ge­bo­ten an Kun­den der Fir­ma M2 be­rech­tigt den Be­klag­ten nicht zur frist­lo­sen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses.

aa. Zunächst ha­ben der Kläger und die Fir­ma M2 we­der im Auf­he­bungs­ver­trag noch an­ders­wo ein nach­ver­trag­li­ches Wett­be­werbs­ver­bot gemäß §§ 74 ff. HGB ver­ein­bart. Auch die zwi­schen dem Kläger und der Fir­ma M2 ver­ein­bar­te nach­ver­trag­li­che Ver­schwie­gen­heits­pflicht be­gründet kei­ne Ver­pflich­tung des Klägers, nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses an Kun­den der Fir­ma M2 her­an­zu­tre­ten. Im Übri­gen han­delt es sich hier­bei um ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen zwi­schen dem Kläger und der Fir­ma M2, wel­che für das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en kei­ne un­mit­tel­ba­ren Aus­wir­kun­gen ha­ben.

bb. Ein wich­ti­ger Grund zur frist­lo­sen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­gibt sich auch nicht aus dem Vor­brin­gen des Be­klag­ten zu den ge­trof­fe­nen Ab­spra­chen im Zu­sam­men­hang mit der Ein­ge­hung des Ar­beits­verhält­nis­ses, wo­nach der Kläger nicht an

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Kun­den der Fir­ma M2 her­an­tre­ten dürfe.

in­er Be­weis­auf­nah­me über die von dem Be­klag­ten be­haup­te­ten Ab­re­den vor Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges be­durf­te es nicht. Denn dem Be­klag­ten ist es we­gen der Re­ge­lun­gen in § 7 Zif­fer 1 des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en ver­wehrt, sich auf die von ihm be­haup­te­te münd­li­che Ab­re­de zu be­ru­fen.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges be­ste­hen münd­li­che Ne­ben­ab­spra­chen zu die­sem Ver­trag nicht. Der­ar­ti­ge Ab­re­den vor Ver­trags­schluss be­haup­tet der Be­klag­te je­doch. Es han­delt sich ins­be­son­de­re bei den von der Be­klag­ten dar­ge­leg­ten Ab­spra­chen nicht le­dig­lich um Ar­beits­an­wei­sun­gen durch den Be­klag­ten, son­dern viel­mehr um Ab­re­den im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en. Denn die von dem Be­klag­ten be­haup­te­ten Gespräche fan­den al­le vor Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en statt. Zu die­sem Zeit­punkt gab es noch kein ar­beits­ver­trag­li­ches Wei­sungs­recht, wel­ches der Be­klag­te ge­genüber dem Kläger hätte ausüben können. Viel­mehr ging es nach dem Vor­trag des Be­klag­ten ihm und dem Geschäftsführer der Fir­ma M2 dar­um, die Vor­aus­set­zun­gen für den Ab­schluss ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses der Par­tei­en fest­zu­le­gen. Nach den Ausführun­gen des Be­klag­ten soll­te die Ab­spra­che, dass kei­ne Kun­den der Fir­ma M2 ab­ge­wor­ben wer­den, so­zu­sa­gen Geschäfts­grund­la­ge für das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en sei­en.

Ei­ne der­ar­ti­ge Ab­re­de fin­det sich je­doch in dem schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en nicht wie­der. We­gen der Re­ge­lung und § 7 Abs. 1 des Ar­beits­ver­tra­ges kann sich der Be­klag­te auch nicht auf die von ihm be­haup­te­te Ab­spra­che der Par­tei­en be­ru­fen. Da es sich bei den Re­ge­lun­gen des schrift­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges um all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen gemäß §§ 305 ff. BGB han­delt, ist es dem Be­klag­ten als Ver­wen­der der all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zu­dem ver­wehrt, sich auf ei­ne et­wai­ge Un­wirk­sam­keit der ver­trag­li­chen Re­ge­lung in § 7 Abs. 1 zu be­ru­fen (vgl. BAG vom 27.10.2005 - 8 AZR 3/05 - AP BGB § 310 Nr. 5).

Al­lein die Un­ter­brei­tung von An­ge­bo­ten an Kun­den der Fir­ma M2 durch den Kläger recht­fer­tigt al­lein vor dem Hin­ter­grund, dass es sich bei der Fir­ma M2 un­strei­tig um den größten Kun­den des Be­klag­ten han­delt, nicht die frist­lo­se Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Ins­be­son­de­re ist nach der recht­li­chen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Ar­beit­neh­mer grundsätz­lich frei, sei­nem ehe­ma­li­gen Ar­beit­ge­ber Wett­be­werb zu ma­chen. Dass es sich bei sei­nem Ver­hal­ten um ei­ne Pflicht­ver­let­zung han­deln könn­te, war aus Sicht des Klägers da­mit über­haupt nicht er­kenn­bar. Von da­her recht­fer­tigt das An­spre­chen von Kun­den der Fir­ma M2 al­len­falls nach ei­ner vor­he­ri­gen Ab­mah­nung die Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Ei­ne frist­lo­se Kündi­gung oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung ist da­her un­wirk­sam.

b. Der Be­klag­te kann sich zur Recht­fer­ti­gung der frist­lo­sen Kündi­gung gemäß § 626 Abs. 1 BGB auch nicht dar­auf be­ru­fen, dass der Kläger das bei der Fir­ma M2 ver­wen­de­te Te­le­fon­buch an sich nahm und die dar­in be­find­li­chen In­for­ma­tio­nen wei­ter ver­wen­de­te.

Das Te­le­fon­buch ist nach dem ei­ge­nen Vor­brin­gen des Be­klag­ten bei der Fir­ma M2 be­reits seit dem Jahr 2006 in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten. Nach dem übe­rein­stim­men­den Vor­trag der Par­tei­en stand das Buch be­reits im Hei­zungs­kel­ler zur Ver­bren­nung be­reit. Von da­her hat es nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht das Ge­wicht ei­nes wich­ti­gen Grun­des gemäß § 626 Abs. 1 BGB, wenn der Kläger sein (ehe­ma­li­ges) Te­le­fon­buch vor der Ver­bren­nung be­wahrt und an sich nimmt. Ins­be­son­de­re ist un­abhängig von den Ei­gen­tums­verhält­nis­sen hin­sicht­lich des Te­le­fon­buchs die­ses Ver­hal­ten nicht mit der Be­ge­hung ei­nes Vermögens­de­lik­tes zu Las­ten des größten Kun­den des Be­klag­ten gleich­zu­set­zen, zu­mal es sich bei dem Kläger zu­dem um den ehe­ma­li­gen Ar­beit­neh­mer

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der Fir­ma M2 han­delt.

So­weit man auf die Ver­wen­dung der sich aus dem Te­le­fon­buch er­ge­ben­den In­for­ma­tio­nen durch den Kläger ab­stellt, er­gibt sich dar­aus – wie be­reits un­ter I. 2. a. aus­geführt – kein Grund zur frist­lo­sen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Viel­mehr war der Kläger grundsätz­lich frei, nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei­ne Kennt­nis­se hin­sicht­lich der Kun­den der Fir­ma M2 zu ver­wen­den. In die­sem Zu­sam­men­hang wiegt auch die Nut­zung von In­for­ma­tio­nen aus dem Te­le­fon­buch der Fir­ma M2 nicht schwer. Ins­be­son­de­re ist zu berück­sich­ti­gen, dass bei der Be­ur­tei­lung, ob ein wich­ti­ger Grund zur frist­lo­sen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vor­liegt, aus­sch­ließlich auf das Verhält­nis der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ab­zu­stel­len ist. Dar­auf, wie der Geschäftsführer der Fir­ma M2 das Ver­hal­ten des Klägers wer­tet, kommt es nicht an.

c. Auch die von dem Be­klag­ten auf den DVD’s vor­ge­fun­de­nen por­no­gra­fi­schen Auf­nah­men des Klägers be­rech­ti­gen den Be­klag­ten nicht zur frist­lo­sen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses.

Straf­recht­lich re­le­vant ist der In­halt der DVD’s un­strei­tig nicht. Grundsätz­lich han­delt es sich bei den auf den DVD’s zu se­hen­den se­xu­el­len Prak­ti­ken des Klägers um des­sen Pri­vat­an­ge­le­gen­hei­ten, auch wenn der Be­klag­te die DVD’s im Be­reich der kläge­ri­schen Ar­beits­plat­zes auf­fand. Das außer­dienst­li­che Ver­hal­ten ei­nes Ar­beit­neh­mers kommt je­doch nur dann als wich­ti­ger Grund zur frist­lo­sen Kündi­gung in Be­tracht, wenn hier­durch das Ar­beits­verhält­nis kon­kret be­ein­träch­tigt wird. Hier­bei ist der Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich nicht zum Sit­ten­rich­ter über die in sei­nem Be­trieb täti­gen Ar­beit­neh­mer be­ru­fen (vgl. KR-Fi­scher­mei­er, 8. Auf­la­ge, § 626 BGB, Rd­nr. 414).

Al­lein der Um­stand, dass die auf den DVD’s zu se­hen­den Auf­nah­men den Be­klag­ten an­wi­dern und er die­se als "per­vers" emp­fin­det, be­rech­tigt den Be­klag­ten da­her nicht zur frist­lo­sen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, da der In­halt der DVD’s kei­nen Be­zug zur Tätig­keit des Klägers und sei­nen Ar­beits­leis­tun­gen auf­weist. Kon­kre­te Be­ein­träch­ti­gun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses sind da­mit nicht er­kenn­bar.

Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht aus der Be­haup­tung des Be­klag­ten, die auf Blatt 86 und 87 der Ak­te be­find­li­chen Auf­nah­men hätten sich auf dem Rech­ner des Klägers be­fun­den. Der Kläger hat in Ab­re­de ge­stellt, Fo­tos auf sei­nem dienst­li­chen Com­pu­ter ge­spei­chert zu ha­ben. Der Be­klag­te hat für sei­ne Be­haup­tung kei­nen Be­weis an­ge­tre­ten. Al­lein aus den auf den Fo­tos auf­ge­druck­ten Da­tums- und Uhr­zeit­an­ga­ben er­gibt sich nicht, dass die­se auf dem PC am Ar­beits­platz des Klägers ge­spei­chert wa­ren.

Dass der Kläger die por­no­gra­fi­schen Fo­tos während sei­ner Ar­beits­zeit an­schau­te und be­ar­bei­te­te, ist nicht er­sicht­lich. Hier­bei han­delt es sich viel­mehr um ei­ne Ver­mu­tung des Be­klag­ten, die die­ser nicht wei­ter sub­stan­ti­iert hat.

d. Des Wei­te­ren be­rech­tigt nach Auf­fas­sung der Kam­mer auch die von dem Be­klag­ten be­haup­te­ten Äußerun­gen des Klägers in dem Han­dy­te­le­fo­nat der Par­tei­en nach Auf­fin­den der DVD´s am Ar­beits­platz des Klägers nicht die frist­lo­se Kündi­gung gemäß § 626 BGB.

Zwar können gro­be Be­lei­di­gun­gen des Ar­beit­ge­bers bzw. sei­ner Ver­tre­ter oder Re­präsen­tan­ten, die nach Form und In­halt ei­ne er­heb­li­che Ehr­ver­let­zung für den Be­trof­fe­nen be­deu­ten, ei­nen er­heb­li­chen Ver­s­toß des Ar­beit­neh­mers ge­gen sei­ne Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis dar­stel­len und ei­ne frist­lo­se Kündi­gung an sich recht­fer­ti­gen (vgl. BAG vom 10. Ok­to­ber 2002 – 2 AZR 418/01 – DB 2003, 1797 – BAG vom 17. Fe­bru­ar 2000 – 2 ARZ 927/98 – ju­ris). Un­ter Berück­sich­ti­gung der Umstände des

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Ein­zel­fal­les ist die von dem Be­klag­ten an­geführ­te Be­lei­di­gung nicht als so gra­vie­rend zu er­ach­ten, als dass ei­ne frist­lo­se Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung ge­recht­fer­tigt wäre.

Nach­dem der Be­klag­te noch im Kla­ge­er­wi­de­rungs­schrift­satz die be­haup­te­ten Be­lei­di­gun­gen des Klägers gänz­lich un­erwähnt ließ und le­dig­lich vor­trug, der Kläger ha­be sich in dem Han­dy­te­le­fo­nat nicht zum Sach­ver­halt äußern wol­len, hat er im Schrift­satz vom 25. Mai 2010 erst­mals be­haup­tet, der Kläger ha­be – nach­dem ihm der Be­klag­te im sach­li­chen Ton den Sach­ver­halt schil­der­te - ab­sch­ließend geäußert: "Ich pis­se auf euch al­le. Ihr Arschlöcher, ihr könnt mich al­le mal." Hier­bei han­delt es sich tat­be­stand­lich um ei­ne er­heb­li­che Be­lei­di­gung so­wohl des Be­klag­ten als auch des mithören­den Geschäftsführers der Fa. M2.

Je­doch ist die­se Äußerung in den ge­sam­ten Ge­sche­hens­ab­lauf ein­zu­ord­nen und in die­sem Licht zu be­trach­ten. Un­strei­tig hat der Be­klag­te zu­sam­men mit dem Geschäftsführer der Fa. M2 die DVD`s mit dem por­no­gra­fi­schen Ma­te­ri­al des Klägers auf­ge­fun­den und sich die­se mit ihm zu­sam­men an­ge­schaut. Un­abhängig da­von, ob sich die DVD`s des Klägers in der Schreib­tisch­schub­la­de oder in der Ja­cke des Klägers be­fan­den, war es vom Kläger si­cher­lich nicht be­zweckt, den In­halt die­ser DVD´s sei­nem jet­zi­gen und sei­nem ehe­ma­li­gen Ar­beit­ge­ber zugäng­lich zu ma­chen. Es kann da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Sich­tung des Bild- und Film­ma­te­ri­als auf den DVD´s durch den Be­klag­ten und Herrn M2 sen. für den Kläger zu­min­dest un­an­ge­nehm war.

Selbst wenn man al­so un­ter­stellt, dass der Be­klag­te – wie er vorträgt – auch die­sen Sach­ver­halt dem Kläger am Han­dy sach­lich und wer­tungs­frei schil­der­te, wiegt in die­sem Zu­sam­men­hang die be­haup­te­te Be­lei­di­gung des Klägers als Über­re­ak­ti­on nicht der­art schwer, als dass ei­ne Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses für den Be­klag­ten nicht mehr zu­mut­bar wäre. Viel­mehr recht­fer­tigt die zwar schwer­wie­gen­de, aber je­doch ein­ma­li­ge und unüber­legt aus­geführ­te Be­lei­di­gung (vgl. auch BAG vom 17. Fe­bru­ar 2000 – 2 AZR 927/98 – a. a. O.) nicht die so­for­ti­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch den Be­klag­ten.

e. Sch­ließlich recht­fer­tigt auch das von dem Be­klag­ten be­haup­te­te un­ent­schul­dig­te Feh­len des Klägers am 18. Fe­bru­ar 2010 in der Zeit von 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr nicht die frist­lo­se Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung kann ei­ne frist­lo­se Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses al­len­falls ge­recht­fer­tigt sein, wenn der Ar­beit­neh­mer über länge­re Zeit un­ent­schul­digt fehlt. Ein ein­zi­ger Fehl­tag recht­fer­tigt grundsätz­lich noch kei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung (vgl. KR-Fi­scher­mei­er, 8. Auf­la­ge, § 626 BGB, Rd-Nr. 409).

Von da­her reicht ei­ne ein­zi­ge St­un­de un­ent­schul­dig­tes Feh­len nicht aus, um ei­nen wich­ti­gen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB dar­zu­stel­len und die frist­lo­se Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu recht­fer­ti­gen.

f. Da die von dem Be­klag­ten un­ter a. bis e. an­geführ­ten Kündi­gungs­gründe schon je­weils für sich ge­se­hen nicht rei­chen, um das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich gemäß § 626 BGB zu be­en­den, er­gibt sich ein frist­lo­ser Kündi­gungs­grund nicht auch aus ei­ner Ge­samt­be­trach­tung al­ler Vorwürfe. Nach al­le­dem ist die frist­lo­se Kündi­gung un­wirk­sam.

II. Die von dem Be­klag­ten aus­ge­spro­che­ne, hilfs­wei­se frist­gemäße Kündi­gung ver­mag das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en eben­falls nicht zu be­en­den. Denn die or­dent­li­che Kündi­gung des Be­klag­ten ist schon des­halb un­wirk­sam, weil sie auf­grund § 2 Zif­fer 3 des von den Par­tei­en un­ter dem 15. Ja­nu­ar 2010 ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­tra­ges aus­ge­schlos­sen ist. Grundsätz­lich kann ein Ar­beits­ver­trag un­ter Ein­hal­tung der

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or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den. Die Par­tei­en können je­doch das Recht zur or­dent­li­chen Kündi­gung aus­sch­ließen. Dies kann aus­drück­lich ge­sche­hen oder sich aus den Umständen zwei­fels­frei er­ge­ben (vgl. BAG vom 13. Ju­ni 1990 – 5 AZR 301/89 – ju­ris; KR-Spil­ger, 8. Auf­la­ge, § 622 BGB, Rd-Nr. 116 ff.).

Gemäß § 2 Abs. 3 des Ar­beits­ver­tra­ges kann das Ar­beits­verhält­nis frühes­tens nach 2 Jah­ren von Sei­ten des Ar­beit­ge­bers be­en­det wer­den. Aus die­ser Re­ge­lung er­gibt sich der Aus­schluss der or­dent­li­chen Kündi­gungsmöglich­keit für den Be­klag­ten für die Dau­er von zwei Jah­ren nach Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges. Dies hat zur Fol­ge, dass während die­ser Zeit zu­ge­gan­ge­ne or­dent­li­che Kündi­gun­gen un­wirk­sam sind. Ei­ne Um­deu­tung da­hin­ge­hend, dass die Wir­kung erst zum Ab­lauf der 2-Jah­res-Frist ein­tritt, er­folgt nicht.

So­mit war dem Kla­ge­an­trag voll­umfäng­lich statt­zu­ge­ben. 

B. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91 a ZPO. So­weit die Par­tei­en hin­sicht­lich der Wi­der­kla­ge den Rechts­streit übe­rein­stim­mend für er­le­digt erklärt ha­ben, wären die Kos­ten des Rechts­streits in­so­weit dem Kläger auf­zu­er­le­gen ge­we­sen, da er sich nach der (fak­ti­schen) Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Rück­ga­be der Büro­schlüssel in Ver­zug be­fand. Da für die Wi­der­kla­ge je­doch le­dig­lich ein Streit­wert von 250,00 Eu­ro zu­grun­de zu le­gen war und das Un­ter­lie­gen des Klägers sich in­so­weit ge­ringfügig dar­stellt und kei­ne höhe­ren Kos­ten ver­an­lasst hat, wa­ren dem Be­klag­ten die ge­sam­ten Kos­ten des Rechts­streits auf­zu­er­le­gen.

C. Der Streit­wert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Ur­teil fest­zu­set­zen. Er war für den Kündi­gungs­schutz­an­trag mit ei­nem Vier­tel­jah­res­ein­kom­men des Klägers gemäß § 42 Abs. 4 GKG zu be­wer­ten.

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