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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/034

Ge­schäfts­füh­rer-Kün­di­gungs­schutz­kla­ge vor dem Ar­beits­ge­richt?

Ge­richt baut Kla­ge­mög­lich­keit von Ge­schäfts­füh­rern vor den Ar­beits­ge­rich­ten wei­ter aus: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Be­schluss vom 08.12.2011, 11 Ta 230/11
Auktionshammer bzw. Gerichtshammer auf Geldscheinen

20.01.2012. Wird man als GmbH-Ge­schäfts­füh­rer ab­be­ru­fen und/oder kün­digt die Ge­sell­schaft den Ge­schäfts­füh­rer­ver­trag, ist dem Ge­schäfts­füh­rer der Zu­gang zu ei­nem kos­ten­güns­ti­gen Ar­beits­ge­richts­pro­zess im All­ge­mei­nen ver­baut. Das liegt an § 5 Abs.1 Satz 2 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG). Da­nach „gel­ten“ Ge­schäfts­füh­rer nicht als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des ArbGG. Das ist so­gar dann zu be­ach­ten, wenn ein Ge­schäfts­füh­rer auf Grund­la­ge ei­nes Ar­beits­ver­trags sei­ne Ge­schäfts­füh­rer­tä­tig­keit aus­übt.

An­ders ist es aber dann, wenn ne­ben dem Ge­schäfts­füh­rer­ver­trag ein - vor­über­ge­hend ru­hen­der - Ar­beits­ver­trag be­steht, der mit der Ab­be­ru­fung als Ge­schäfts­füh­rer wie­der auf­lebt. Ein sol­cher Ar­beits­ver­trag be­rech­tigt den Ex-Ge­schäfts­füh­rer zum Ar­beits­ge­richts­ver­fah­ren. Die­ses Ne­ben­ein­an­der von Ver­trä­gen kommt manch­mal vor, wenn ein An­ge­stell­ter zum Ge­schäfts­füh­rer be­för­dert wird. Zwar hebt ein schrift­li­cher Ge­schäfts­füh­rer­ver­trag nach An­sicht des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) den al­ten Ar­beits­ver­trag auf (auch wenn im Ge­schäfts­füh­rer­ver­trag die Auf­he­bung des al­ten Ar­beits­ver­trags nicht er­wähnt wird), doch gibt es hin und wie­der ei­ne Be­för­de­rung zum Ge­schäfts­füh­rer per Hand­schlag, d.h. oh­ne schrift­li­chen Ge­schäfts­füh­rer­ver­trag. Und münd­lich kann ein Ar­beits­ver­trag nicht auf­ge­bo­ben wer­den (§ 623 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch - BGB).

Für der­ar­ti­ge Fäl­le hat das BAG im letz­ten Jahr mehr­fach ent­schie­den, dass der Ex-Ge­schäfts­füh­rer vor das Ar­beits­ge­richt zie­hen kann (BAG, Be­schluss vom 15.03.2011, 10 AZB 32/10, und BAG, Be­schluss vom 23.08.2011, 10 AZB 51/10). Da­mit hat das BAG die frü­her fest ver­schlos­se­nen Tü­ren zur Ar­beits­ge­richts­bar­keit ei­nen Spalt­breit ge­öff­net. Ge­schäfts­füh­rer ha­ben da­her der­zeit zu­neh­mend bes­se­re Chan­cen für ei­nen Gang zum Ar­beits­ge­richt. Das be­stä­tigt das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Rhein­land-Pfalz in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung (LAG Rhein­land-Pfalz, Be­schluss vom 08.12.2011, 11 Ta 230/11).

In dem Fall hat­te ei­ne lei­ten­de An­ge­stell­te im März 2010 ei­nen Ver­trag ab­ge­schlos­sen, der als "Ge­schäfts­füh­rer­ver­trag" be­zeich­net wur­de, aber zu­nächst die Tä­tig­keit als lei­ten­de An­ge­stell­te vor­sah. Die­se Tä­tig­keit soll­te "vor­saus­sicht­lich" nur vor­über­ge­hend, näm­lich bis En­de Ju­ni 2010 aus­ge­übt wer­den, denn vor­aus­sicht­lich zum 01.07.2010 sah der Ver­trag die Be­ru­fung zur Ge­schäfts­füh­re­rin vor. Wie ge­plant wur­de die An­ge­stell­te auch zum 01.07.2010 zur Ge­schäfts­füh­re­rin be­ru­fen. Am 31.03.2011 er­hielt sie ei­ne frist­lo­se Kün­di­gung so­wie ei­ne hilfs­wei­se or­dent­li­che Kün­di­gung zum 30.09.2011.

Da­ge­gen er­hob sie Kün­di­gungs­schutz­kla­ge, um so­wohl ihr Ge­schäfts­füh­rer­ver­trags­ver­hält­nis als auch ihr An­ge­stell­ten­ver­hält­nis zu ret­ten, so­wie Kla­ge auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung als Ge­schäfts­füh­re­rin so­wie hilfs­wei­se als lei­ten­de An­ge­stell­te und Kla­ge auf Zah­lung lau­fen­der Ge­häl­ter, und zwar vor dem Ar­beits­ge­richt Mainz. Das er­klär­te sich mit Be­schluss vom 21.07.2011 (5 Ca 347/11) für teil­wei­se un­zu­stän­dig, näm­lich so­weit es um den Streit um die Kün­di­gung des Ge­schäfts­füh­rer­ver­trags­ver­hält­nis­ses und um Wei­ter­be­schäf­ti­gung als Ge­schäfts­füh­re­rin ging. Ge­gen die­se Teil­ver­wei­sung zum Land­ge­richt wehr­te sich die Klä­ge­rin durch ei­ne Be­schwer­de, die das LAG zu­guns­ten der Klä­ge­rin ent­schied. So­mit war nach An­sicht des LAG für al­le Strei­tig­kei­ten das Ar­beits­ge­richt zu­stän­dig.

Zur Be­grün­dung stützt sich das LAG im we­sent­li­chen auf drei Über­le­gun­gen:

Ers­tens be­stan­den sei­ner Mei­nung nach zwei Ver­trags­ver­hält­nis­se, näm­lich ein Ar­beits- und ein Ge­schäfts­füh­rer­dienst­ver­hält­nis (ob­wohl die Par­tei­en nur ei­nen ein­heit­li­chen schrift­li­chen Ver­trag un­ter­zeich­net hat­ten).

Zwei­tens war das Ar­beits­ver­hält­nis nie wirk­sam be­en­det wor­den, denn es war zwar auf­lö­send be­dingt oder zweck­be­fris­tet bis zur Ge­schäfts­füh­rer­be­stel­lung, doch gab im Zu­sam­men­hang mit der dann er­folg­ten Ge­schäfts­füh­rer­be­stel­lung kei­ne Be­en­di­gungs­mit­tei­lung sei­tens der Ge­sell­schaft im Sin­ne von § 15 Abs.2 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG). Da­nach en­det ein zweck­be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag "frü­hes­tens je­doch zwei Wo­chen nach Zu­gang der schrift­li­chen Un­ter­rich­tung des Ar­beit­neh­mers durch den Ar­beit­ge­ber über den Zeit­punkt der Zweck­er­rei­chung".

Drit­tens schließ­lich meint das LAG, dass das Ar­beits­ge­richt auch für den Streit über die Be­en­di­gung des Ge­schäfts­füh­rer­dienst­ver­hält­nis­ses und über die wei­te­re Be­schäf­ti­gung als Ge­schäfts­füh­re­rin zu­stän­dig sei, denn hier kommt sei­ner An­sicht nach § 2 Abs.3 ArbGG zur An­wen­dung. Da­nach kön­nen auch Strei­tig­kei­ten vor das Ar­beits­ge­richt ge­bracht wer­den, die dort ei­gent­lich nicht hin­ge­hö­ren, aber mit ei­ner vor dem Ar­beits­ge­richt an­hän­gi­gen Kla­ge in recht­li­chem oder un­mit­tel­bar wirt­schaft­li­chem Zu­sam­men­hang ste­hen.

Fa­zit: Ob die­se Ent­schei­dung rich­tig ist, kann man be­zwei­feln. Das LAG hat die Rechts­be­schwer­de zum BAG zu­ge­las­sen, das die Ent­schei­dung des LAG da­her mög­li­cher­wei­se auf­he­ben wird. In je­dem Fall zeigt sich, dass die ak­tu­el­le Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te Ge­schäfts­füh­rer­kla­gen "sehr auf­ge­schlos­sen" ge­gen­über­steht. Auf­grund des ge­rin­ge­ren Kos­ten­ri­si­kos bei Kla­gen vor dem Ar­beits­ge­richt soll­ten ge­kün­dig­te Ge­schäfts­füh­rer da­her im­mer erst vor dem Ar­beits­ge­richt kla­gen. Wird der Pro­zess dann an das Land­ge­richt ver­wie­sen, hat man nur Zeit ver­lo­ren, aber die ar­bei­tet bei ei­ner Kün­di­gungs­schutz­kla­ge oh­ne­hin eher für den Klä­ger.

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Letzte Überarbeitung: 5. November 2018

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