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ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/106

Ge­setz­li­che De­fi­ni­ti­on des Ar­beit­neh­mer­be­griffs

Der neue § 611a BGB: Mehr Klar­heit beim The­ma Schein­selb­stän­dig­keit oder Re­ge­lungsat­trap­pe?: BMAS, Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Än­de­rung des Ar­beit­neh­mer­über­las­sungs­ge­set­zes und an­de­rer Ge­set­ze, Stand 17.02.2016
unterschiedliche Arbeitnehmer

29.03.2016. En­de No­vem­ber 2015 be­rich­te­ten wir über ei­nen Re­fe­ren­ten­ent­wurf des Ar­beits­mi­nis­te­ri­ums vom 16.11.2015 zur ei­ner Re­form der Ar­beit­neh­mer­über­las­sung (Ar­beits­recht ak­tu­ell: 5/330 Ge­setz­ent­wurf zur Zeit­ar­beit 2015).

Ein Teil die­ser um­fang­rei­chen Vor­schlä­ge zur Än­de­rung des Ar­beit­neh­mer­über­las­sungs­ge­setz (AÜG) und an­de­rer Ge­set­ze war ein neu­er § 611a Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB), mit dem erst­mals in der Ge­schich­te des deut­schen Ar­beits­rechts der Be­griff des Ar­beit­neh­mers ge­setz­lich de­fi­niert wer­den soll­te. Da­hin­ter steht das Ziel, die miss­bräuch­li­che Um­ge­hung des Ar­beits­rechts durch Schein­selb­stän­dig­keits­kon­struk­tio­nen zu be­kämp­fen.

Nach­dem die­ser Vor­schlag viel­fach kri­ti­siert wor­den war, hat das Ar­beits­mi­nis­te­ri­um nun nach­ge­bes­sert: Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les (BMAS), Ent­wurf ei­nes Ge­set­zes zur Än­de­rung des Ar­beit­neh­mer­über­las­sungs­ge­set­zes und an­de­rer Ge­set­ze, Stand 17.02.2016.

Ar­beit­neh­mer, Ar­beits­ver­trag und Schein­selbständig­keit

Die Ar­beits­ge­rich­te und die ei­gent­li­chen "Kun­den" des staat­li­chen Ar­beits­rechts, d.h. Ar­beit­neh­mer, Ar­beit­ge­ber, Ge­werk­schaf­ten und Be­triebsräte, sind bis heu­te oh­ne ei­ne ge­setz­li­che De­fi­ni­ti­on des Ar­beit­neh­mer­be­griffs aus­ge­kom­men. Statt­des­sen ver­wen­det man seit je­her ei­ne von den Ge­rich­ten und ju­ris­ti­schen Au­to­ren ent­wi­ckel­te De­fi­ni­ti­on. Sie steht zwar in kei­nem Ge­setz, ist aber un­an­ge­foch­te­ner Be­stand­teil des gel­ten­den Rechts.

Die­se ne­ben dem Ge­setz ("prae­ter le­gem") ent­wi­ckel­te De­fi­ni­ti­on be­sagt: Ein Ar­beit­neh­mer ist ein be­son­de­rer Dienst­ver­trags­neh­mer, nämlich ein Dienst­ver­trags­neh­mer, der vom Auf­trag­ge­ber "so­zi­al abhängig" ist. Dem­ent­spre­chend ist ein Ar­beits­ver­trag ein be­son­de­rer Un­ter­fall ei­nes Dienst­ver­trags, der sich durch die so­zia­le Abhängig­keit des Dienst­ver­pflich­te­ten aus­zeich­net.

Will man her­aus­fin­den, ob je­mand ein Ar­beit­neh­mer und die recht­li­che Grund­la­ge sei­ner Tätig­keit ein Ar­beits­verhält­nis ist, muss man da­her fol­gen­de Check­lis­te durch­prüfen:

Ers­tens: Grund­la­ge der Tätig­keit muss ein pri­vat­recht­li­cher Ver­trag sein. Be­am­te, Sol­da­ten oder Zi­vil­dienst­leis­ten­de ar­bei­ten nicht auf ei­ner sol­chen Grund­la­ge und sind da­her von vorn­her­ein kei­ne Ar­beit­neh­mer. Das gilt auch für Straf­ge­fan­ge­ne.

Zwei­tens: Die­ser (pri­vat­recht­li­che) Ver­trag muss ein Dienst­ver­trag sein. Ein Dienst­ver­trag ver­pflich­tet den Dienst­ver­trags­neh­mer gemäß § 611 BGB "zur Leis­tung der ver­spro­che­nen Diens­te" ge­gen Geld, d.h. zu ei­ner be­stimm­ten Tätig­keit, während ein Werk­ver­trag den Werk­un­ter­neh­mer "zur Her­stel­lung des ver­spro­che­nen Wer­kes" ver­pflich­tet, d.h. zur Her­beiführung ei­nes be­stimm­ten Er­folgs (§ 631 BGB). Wer als Fuhr­un­ter­neh­mer, Tisch­ler, Ma­ler usw. ein be­stimm­te Sa­che her­stel­len oder verändern muss, ist von vorn­her­ein kein Ar­beit­neh­mer, denn er schul­det kei­ne Tätig­keit, son­dern ei­nen Er­folg.

Drit­tens: Der Dienst­ver­pflich­te­te muss von sei­nem Auf­trag­ge­ber so­zi­al abhängig sein. Die­se Abhängig­keit ist nicht im wirt­schaft­li­chen Sinn zu ver­ste­hen. Denn wirt­schaft­lich abhängig können auch klei­ne Selbständi­ge sein, die im We­sent­li­chen für ei­nen Haupt­kun­den ar­bei­ten. So­zi­al abhängig ist man, wenn man
a) in die Or­ga­ni­sa­ti­on sei­nes Auf­trag­ge­bers ein­ge­glie­dert ist, al­so die Be­triebs­mit­tel des Auf­trag­ge­bers nutzt und Hand in Hand mit des­sen Ar­beit­neh­mern zu­sam­men­ar­bei­tet, wenn man wei­ter­hin
b) die An­wei­sun­gen des Auf­trag­ge­bers be­fol­gen muss, die sich auf den In­halt der Tätig­keit be­zie­hen können oder auf den Ort oder die Zeit der Ar­beit, und wenn man schließlich
c) kein ei­ge­nes un­ter­neh­me­ri­sches Ri­si­ko trägt.

Lie­gen die o.g. Vor­aus­set­zun­gen des Ar­beit­neh­mer­be­griffs vor, ist der Er­werbstäti­ge ein Ar­beit­neh­mer und sei­ne Ver­trags­be­zie­hung zu sei­nem Auf­trag­ge­ber ist als Ar­beits­ver­trag bzw. Ar­beits­verhält­nis an­zu­se­hen. Das hat wich­ti­ge Rechts­fol­gen, denn vie­le ge­setz­li­che Schutz­vor­schrif­ten gel­ten ex­klu­siv für Ar­beit­neh­mer und können auch nicht per Ver­trag ab­be­dun­gen, d.h. ver­trag­lich bei­sei­te ge­scho­ben wer­den.

Wer Ar­beit­neh­mer bzw. Ar­beit­neh­me­rin ist, hat z.B. An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn, auf Lohn­fort­zah­lung bei Krank­heit, auf be­zahl­ten Ur­laub und auf Mut­ter­schutz­leis­tun­gen. Zu­dem ge­nießen Ar­beit­neh­mer Kündi­gungs­schutz. Darüber hin­aus sind Ar­beit­neh­mer prak­tisch im­mer Beschäftig­te im Sin­ne des So­zi­al­ver­si­che­rungs­rechts, d.h. für sie müssen So­zi­al­ab­ga­ben ab­geführt wer­den. Dem­ent­spre­chend ha­ben sie so­zi­al­recht­li­che Ansprüche ge­genüber der Kran­ken­kas­se, der Ren­ten­ver­si­che­rung und der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung.

Das al­les kos­tet den Auf­trag­ge­ber Geld und ist we­gen des Kündi­gungs­schut­zes mit wirt­schaft­li­chen Ri­si­ken ver­bun­den. Es be­steht da­her ein An­reiz, dem zwin­gen Ar­beits- und So­zi­al­ver­si­che­rungs­recht zu ent­kom­men, in­dem man die so­zia­le Abhängig­keit ei­nes Ar­beit­neh­mers hin­ter ei­ner schein­ba­ren Selbständig­keit ver­steckt, d.h. so tut, als wäre der Ar­beit­neh­mer ein Selbständi­ger. Das nennt man Schein­selbständig­keit.

Das wie­der­um ist ein so­zi­al­po­li­ti­sches Ärger­nis, denn den So­zi­al­ver­si­che­rungs­trägern ent­ge­hen Beiträge und die Schein­selbständi­gen er­hal­ten den not­wen­di­gen ar­beits­recht­li­chen Schutz nicht. Schein­selbständig­keit führt auch zu ei­nem un­fai­ren Wett­be­werb, denn Un­ter­neh­men, die sich dem Ar­beits- und So­zi­al­recht ent­zie­hen, spa­ren il­le­gal Kos­ten und ha­ben ei­nen un­ge­recht­fer­tig­ten Vor­teil ge­genüber ih­rer Kon­kur­renz.

Wer als An­walt, Per­so­na­ler oder Rich­ter im­mer wie­der mit der Un­ter­schei­dung von Ar­beit­neh­mern und Selbständi­gen zu tun hat, kennt die Unschärfe der oben ge­nann­ten Ab­gren­zungs­kri­te­ri­en: Auch ein selbständi­ger IT-Spe­zia­list ar­bei­tet oft im Be­trieb sei­nes Kun­den und ist da­her in ge­wis­ser Wei­se in des­sen Or­ga­ni­sa­ti­on "ein­ge­glie­dert", und wie je­der selbständi­ge Ma­ler­meis­ter muss er sich nach den Vor­ga­ben und Wünschen sei­nes Auf­trag­ge­bers rich­ten, und das bringt ihn in die Nähe der Wei­sungs­abhängig­keit. Wo hier die Gren­ze zwi­schen Selbständig­keit und so­zia­ler Abhängig­keit verläuft, ist oft nicht klar.

Frag­lich ist, ob man den Be­trof­fe­nen, Ge­rich­ten und Behörden hilft, wenn man die seit Jahr­zehn­ten im Kern iden­ti­schen Prüfpunk­te zur Fest­stel­lung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses er­setzt durch ei­ne ge­setz­li­che De­fi­ni­ti­on des Ar­beit­neh­mers. An die­ser Stel­le ist das BMAS op­ti­mis­tisch. 

Ge­setz­li­che De­fi­ni­ti­on des Ar­beit­neh­mer­be­griffs - der Vor­schlag des BMAS vom No­vem­ber 2015

Wie be­reits erwähnt, ent­hielt der ursprüng­li­che Re­fe­ren­ten­ent­wurf des Ar­beits­mi­nis­te­ri­ums vom 16.11.2015 ei­nen neu­en § 611a BGB mit der Über­schrift "Ver­trags­ty­pi­sche Pflich­ten beim Ar­beits­ver­trag" (wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 15/330 Ge­setz­ent­wurf zur Zeit­ar­beit 2015). Die ge­plan­te Vor­schrift war recht lang und soll­te lau­ten:

"(1) Han­delt es sich bei den auf­grund ei­nes Ver­tra­ges zu­ge­sag­ten Leis­tun­gen um Ar­beits­leis­tun­gen, liegt ein Ar­beits­ver­trag vor. Ar­beits­leis­tun­gen er­bringt, wer Diens­te er­bringt und da­bei in ei­ne frem­de Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on ein­ge­glie­dert ist und Wei­sun­gen un­ter­liegt. Wenn der Ver­trag und sei­ne tatsächli­che Durchführung ein­an­der wi­der­spre­chen, ist für die recht­li­che Ein­ord­nung des Ver­tra­ges die tatsächli­che Durchführung maßge­bend.

(2) Für die Fest­stel­lung, ob je­mand in ei­ne frem­de Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on ein­ge­glie­dert ist und Wei­sun­gen un­ter­liegt, ist ei­ne wer­ten­de Ge­samt­be­trach­tung vor­zu­neh­men. Für die­se Ge­samt­be­trach­tung ist ins­be­son­de­re maßgeb­lich, ob je­mand
a. nicht frei dar­in ist, sei­ne Ar­beits­zeit oder die ge­schul­de­te Leis­tung zu ge­stal­ten oder sei­nen Ar­beits­ort zu be­stim­men,
b. die ge­schul­de­te Leis­tung über­wie­gend in Räum­en ei­nes an­de­ren er­bringt,
c. zur Er­brin­gung der ge­schul­de­ten Leis­tung re­gelmäßig Mit­tel ei­nes an­de­ren nutzt,
d. die ge­schul­de­te Leis­tung in Zu­sam­men­ar­beit mit Per­so­nen er­bringt, die von ei­nem an­de­ren ein­ge­setzt oder be­auf­tragt sind,
e. aus­sch­ließlich oder über­wie­gend für ei­nen an­de­ren tätig ist,
f. kei­ne ei­ge­ne be­trieb­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on un­terhält, um die ge­schul­de­te Leis­tung zu er­brin­gen,
g. Leis­tun­gen er­bringt, die nicht auf die Her­stel­lung oder Er­rei­chung ei­nes be­stimm­ten Ar­beits­er­geb­nis­ses oder ei­nes be­stimm­ten Ar­beits­er­fol­ges ge­rich­tet sind,
h. für das Er­geb­nis sei­ner Tätig­keit kei­ne Gewähr leis­tet.

(3) Das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges wird wi­der­leg­lich ver­mu­tet, wenn die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Bund nach § 7a des Vier­ten Bu­ches So­zi­al­ge­setz­buch in­so­weit das Be­ste­hen ei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses fest­ge­stellt hat."

Die­ser Vor­schlag ei­ner ge­setz­li­chen De­fi­ni­ti­on von Ar­beits­verträgen bzw. ei­ner Ab­gren­zung der für Ar­beits­verhält­nis­se "ver­trags­ty­pi­schen Pflich­ten" wie­der­holt zunächst die bei­den wich­tigs­ten der der­zeit schon gel­ten­den Merk­ma­le, nämlich die Wei­sungs­abhängig­keit und die Ein­glie­de­rung (Abs.1 Satz 2).

Neu ist dann ein acht Punk­te um­fas­sen­der Ka­ta­log von Merk­ma­len, die bei ei­ner "wer­ten­den Ge­samt­be­trach­tung" für das Vor­lie­gen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses spre­chen. Auf die­se acht Merk­ma­le soll es aber nur "ins­be­son­de­re" an­kom­men, d.h. die­se Lis­te ist nicht ab­sch­ließend. Und weil die­se Punk­te auch nur im Rah­men ei­ner "Ge­samt­be­trach­tung" ei­ne Rol­le spie­len, sind sie al­les an­de­re als ei­ne ein­fa­che Check­lis­te.

Trotz­dem mein­te die IG Me­tall in ei­ner kri­ti­schen Stel­lung­nah­me zu dem Ent­wurf, der Acht-Punk­te-Ka­ta­log wer­de vor­aus­sicht­lich die Kon­trol­le von Werk­verträgen er­leich­tern und "Rechts­klar­heit für al­le Be­tei­lig­ten" schaf­fen (IG Me­tall zoom: Ge­set­zes­ent­wurf liegt vor - Miss­brauch ver­hin­dern geht an­ders!).

Dem­ge­genüber befürch­te­te der Ar­beit­ge­ber­ver­band Ge­samt­me­tall, dass mit ei­nem sol­chen In­di­zi­en­ka­ta­log ein Sys­tem­bruch ver­bun­den wäre, denn die ein­zel­nen Prüfpunk­te sind, so die Kri­tik, an­geb­lich zu weit ge­fasst und würden da­her ten­den­zi­ell zu vie­le bis­her an­er­kann­te For­men der selbständi­gen Tätig­keit zu Ar­beits­verhält­nis­sen ma­chen (Ar­beit­ge­ber­ver­band Ge­samt­me­tall, Stel­lung­nah­me zum BMAS-Ent­wurf zur wei­te­ren Re­gu­lie­rung von Zeit­ar­beit und Werk­verträgen vom 16.11.2015).

Rea­lis­tisch dürf­te dem­ge­genüber die Einschätzung sein, dass sich der hier auf­ge­stell­te Acht-Punk­te-Ka­ta­log ziem­lich eng an die Recht­spre­chung an­lehnt und da­her kein Sys­tem­bruch wäre. Aus die­sem Grund ist an­de­rer­seits nicht verständ­lich, war­um ei­ne Über­nah­me schon vor­han­de­ner Ab­gren­zungs­kri­te­ri­en ins Ge­setz mehr Rechts­klar­heit brin­gen soll­te. Da je­des der acht Kri­te­ri­en nur ne­ben den an­de­ren sie­ben ei­ne Rol­le spie­len soll und da es nicht nur auf die­se acht Kri­te­ri­en, son­dern auch auf an­de­re Umstände an­kom­men kann ("ins­be­son­de­re"), kann man mit die­sem Punk­te­ka­ta­log nicht "ein­fach so" fest­stel­len, ob ei­ne Tätig­keit selbständig oder un­selbständig ist.

Es ist da­her zu be­grüßen, dass die­ser Vor­schlag vom Tisch ist.

Ge­setz­li­che De­fi­ni­ti­on des Ar­beit­neh­mer­be­griffs - der Vor­schlag des BMAS vom Fe­bru­ar 2016

Der ak­tu­ell vor­lie­gen­de Vor­schlag des BMAS zu ei­ner ge­setz­li­chen De­fi­ni­ti­on des Ar­beit­neh­mer­be­griffs in ei­nem neu­en § 611a BGB sieht un­ter der Über­schrift "Ar­beit­neh­mer" fol­gen­de Re­ge­lung vor:

"Ar­beit­neh­mer ist, wer auf Grund ei­nes pri­vat­recht­li­chen Ver­trags im Diens­te ei­nes an­de­ren zur Leis­tung wei­sungs­ge­bun­de­ner, fremd­be­stimm­ter Ar­beit in persönli­cher Abhängig­keit ver­pflich­tet ist. Das Wei­sungs­recht kann In­halt, Durchführung, Zeit, Dau­er und Ort der Tätig­keit be­tref­fen. Ar­beit­neh­mer ist der­je­ni­ge Mit­ar­bei­ter, der nicht im We­sent­li­chen frei sei­ne Tätig­keit ge­stal­ten und sei­ne Ar­beits­zeit be­stim­men kann; der Grad der persönli­chen Abhängig­keit hängt da­bei auch von der Ei­gen­art der je­wei­li­gen Tätig­keit ab. Für die Fest­stel­lung der Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft ist ei­ne Ge­samt­be­trach­tung al­ler Umstände vor­zu­neh­men. Zeigt die tatsächli­che Durchführung des Ver­trags­verhält­nis­ses, dass es sich um ein Ar­beits­verhält­nis han­delt, kommt es auf die Be­zeich­nung im Ver­trag nicht an.“

Auch die­se deut­lich ab­ge­speck­te Ver­si­on ei­nes Ab­gren­zungs­pa­ra­gra­phen lehnt sich an der be­reits vor­han­de­nen Recht­spre­chung an. Da­zu heißt es in der Be­gründung (S.30):

"Da­mit sol­len miss­bräuch­li­che Ge­stal­tun­gen des Fremd­per­so­nal­ein­sat­zes durch ver­meint­lich selbstständi­ge Tätig­kei­ten ver­hin­dert und die Rechts­si­cher­heit der Verträge erhöht wer­den. Da­zu legt die Vor­schrift des § 611a BGB un­ter wört­li­cher Wie­der­ga­be der Leitsätze der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung fest, wer Ar­beit­neh­mer ist. So­weit an­de­re Rechts­vor­schrif­ten ei­ne ab­wei­chen­de De­fi­ni­ti­on des Ar­beit­neh­mers, des Ar­beits­ver­tra­ges oder des Ar­beits­verhält­nis­ses vor­se­hen, um ei­nen en­ge­ren oder wei­te­ren Gel­tungs­be­reich die­ser Rechts­vor­schrif­ten fest­zu­le­gen, blei­ben die­se un­berührt."

An­ge­sichts die­ser Be­gründung fragt sich, wel­chen prak­ti­schen Nut­zen sich die Ent­wurfs­ver­fas­ser da­von ver­spre­chen, ei­ne "neue" Ge­set­zes­vor­schrift "un­ter wört­li­cher Wie­der­ga­be der Leitsätze der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung" zu schaf­fen. Die Nach­tei­le ei­ner sol­chen Fest­schrei­bung der ak­tu­el­len Leit­li­ni­en der Recht­spre­chung dürf­ten die Vor­tei­le über­wie­gen.

So war z.B. über ei­ni­ge Jah­re hin­weg in der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) die Ten­denz zu er­ken­nen, das Merk­mal der Ein­glie­de­rung ge­genüber dem Merk­mal der Wei­sungs­abhängig­keit in den Hin­ter­grund tre­ten zu las­sen, d.h. nicht mehr so stark zu ge­wich­ten. Da­mit legt sich die Recht­spre­chung aber im Un­ter­schied zu fest­ze­men­tier­ten Pa­ra­gra­phen nicht wirk­lich fest. Und das ist gut so, wie ein im Sep­tem­ber 2013 vom BAG ent­schie­de­ner Fall zeig­te, in dem die Ein­glie­de­rung des Ar­beit­neh­mers in die Or­ga­ni­sa­ti­on und das EDV-Sys­tem des Ar­beit­ge­bers ei­ne große Be­deu­tung hat­te und im Er­geb­nis da­zu führ­te, dass die Ge­rich­te ein Ar­beits­verhält­nis fest­stell­ten (BAG, Ur­teil vom 25.09.2013, 10 AZR 282/12, wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/276 Ar­beits­ver­trag oder Werk­ver­trag?).

Fa­zit: Miss­brauch von Schein­werk­verträgen lässt sich nicht mit ei­ner Auf­nah­me des Ar­beit­neh­mer­be­griffs in das Ge­setz bekämp­fen

So­lan­ge es zwin­gen­de und aus Ar­beit­ge­ber­sicht "teu­re" Schutz­vor­schrif­ten zu­guns­ten von Ar­beit­neh­mern bzw. so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäftig­ten gibt, wird es auch Un­ter­neh­men ge­ben, die die­se Vor­schrif­ten um­ge­hen wol­len. Und auf­grund tech­ni­scher und or­ga­ni­sa­to­ri­scher Verände­run­gen im Ar­beits­le­ben wer­den auch im­mer wie­der neue "krea­ti­ve" For­men der Schein­selbständig­keit aus­pro­biert.

An­ge­sichts die­ser Her­aus­for­de­run­gen ha­ben sich die Ar­beits- und So­zi­al­ge­rich­te in den letz­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten si­cher nicht schlecht ge­schla­gen. Ein Vor­teil der Recht­spre­chung ge­genüber fest­gefügten ge­setz­li­chen Vor­ga­ben be­steht dar­in, die vor­han­de­nen Ab­gren­zungs­kri­te­ri­en fle­xi­bel auf neue Fall­kon­stel­la­tio­nen an­wen­den zu können.

So­lan­ge dem Ge­setz­ge­ber an­ge­sichts der Viel­ge­stal­tig­keit von Schein­selbständig­keits­kon­struk­tio­nen nichts Bes­se­res einfällt als die Leitsätze der ein­schlägi­gen BAG-Recht­spre­chung ab­zu­schrei­ben, soll­te man auf ei­nen Ab­gren­zungs­pa­ra­gra­phen bes­ser ver­zich­ten.

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Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2020

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