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LAG Ham­burg - Kün­di­gung bei Be­schäf­ti­gungs­mög­lich­keit im Aus­land

Ei­ne be­triebs­be­ding­te Kün­di­gung schei­tert nicht an der Mög­lich­keit ei­ner Wei­ter­be­schäf­ti­gung im Aus­land: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, Ur­teil vom 11.05.2011, 5 Sa 1/11
Globus mit Europa im Vordergrund, gekreuzte rote Klebestreifen auf einigen Ländern Im Aus­land muss der Ar­beit­ge­ber nicht für Ar­beit sor­gen
23.09.2011. Ge­nie­ßen Ar­beit­neh­mer Kün­di­gungs­schutz, braucht der Ar­beit­ge­ber für je­de or­dent­li­che, d.h. frist­ge­mä­ße Kün­di­gung ei­nen Grund, der vor § 1 Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) Be­stand hat. Das kann u.a. ein be­triebs­be­ding­ter Grund sein, wenn z.B. auf­grund ei­ner Um­struk­tu­rie­rung oder Be­triebs­stil­le­gung die Fort­füh­rung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses nicht mehr mög­lich ist.

Er­hebt der Ar­beit­neh­mer ge­gen ei­ne be­triebs­be­ding­te Kün­di­gung ei­ne Kün­di­gungs­schutz­kla­ge, muss der Ar­beit­ge­ber dar­le­gen, dass er auf­grund sei­ner Un­ter­neh­mer­ent­schei­dung dau­er­haft kei­nen (aus­rei­chen­den) Ar­beits­be­darf mehr hat. Die Un­ter­neh­mer­ent­schei­dung kann ei­ne Um­struk­tu­rie­rung, ein Out­cour­cing oder auch ei­ne Be­triebs­still­le­gung sein. Vor Ge­richt kann der Ar­beit­neh­mer z.B. ein­wen­den, dass er in ei­nem an­de­ren Be­trieb des Ar­beit­ge­bers wei­ter­be­schäf­tigt wer­den könn­te, d.h. die Mög­lich­keit der Wei­ter­be­schäf­ti­gung an ei­nem an­de­ren Ort bringt ei­ne be­triebs­be­ding­te Kün­di­gung vor Ge­richt zu Fall.

Aber gilt das auch bei ei­ner bei ei­ner Wei­ter­be­schäf­ti­gungs­mög­lich­keit im Aus­land? Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ham­burg, d.h. sei­ne fünf­te Kam­mer, meint nein (LAG Ham­burg, Ur­teil vom 11.05.2011, 5 Sa 1/11).

Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung trotz Beschäfti­gungsmöglich­keit im Aus­land?

Nach dem KSchG ist ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung un­wirk­sam, wenn der Ar­beit­neh­mer an ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz in dem­sel­ben Be­trieb oder in ei­nem an­de­ren Be­trieb des Un­ter­neh­mens wei­ter­beschäftigt wer­den kann (§ 1 Abs.2 Satz 2 Nr.1 b) KSchG). Dass die­se Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit in Deutsch­land be­ste­hen muss, sagt das Ge­setz nicht aus­drück­lich.

Al­ler­dings ist das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) bis­lang die­ser Mei­nung, v.a. mit dem Ar­gu­ment, man könne ausländi­schen Be­trie­ben nicht das deut­sche Ar­beits­recht auf­zwin­gen (BAG, Ur­teil vom 26.03.2009, 2 AZR 883/07).

Das ist aber nicht sehr über­zeu­gend, da mit dem KSchG kei­ne Beschäfti­gung im Aus­land er­zwun­gen wer­den soll, son­dern nur die Fra­ge geklärt wird, ob ei­ne in Deutsch­land aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung wirk­sam ist oder nicht. Außer­dem wird der Ar­beit­ge­ber die Be­haup­tung, der Ar­beit­neh­mer könne im Aus­land wei­ter beschäftigt wer­den, meist mit prak­ti­schen Über­le­gun­gen ent­kräften können.

LAG Ham­burg: Das Kündi­gungs­schutz­ge­setz ist nur auf Be­trie­be in Deutsch­land an­wend­bar

Das LAG Ham­burg hat sich dem BAG an­ge­schlos­sen und die Kla­ge ei­ner Air­lines-An­ge­stell­ten ab­ge­wie­sen (LAG Ham­burg, Ur­teil vom 11.05.2011, 5 Sa 1/11). Ihr Ar­beit­ge­ber, ei­ne un­ga­ri­sche Flug­ge­sell­schaft, hat­te al­len in Deutsch­land beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern gekündigt, um die in Deutsch­land an­fal­len­den Ar­bei­ten künf­tig von Bu­da­pest aus zu er­le­di­gen.

Die Ar­beit­neh­me­rin hat­te sich dar­auf be­ru­fen, es sei der Air­lines möglich, sie in Bu­da­pest wei­ter zu beschäfti­gen. Das ließ das LAG Ham­burg nicht gel­ten. Denn das KSchG, so das LAG, ist nur auf in Deutsch­land lie­gen­de Be­trie­be an­zu­wen­den.

Da­mit wi­der­spricht das LAG Ham­burg bzw. sei­ne fünf­te Kam­mer ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil der ers­ten Kam­mer des LAG Ham­burg (Ur­teil vom 22.03.2011, 1 Sa 2/11). Die ers­te Kam­mer hat­te ei­nen Par­al­lel­fall, bei dem es um die­sel­be un­ga­ri­sche Air­lines ging, zu­guns­ten ei­nes gekündig­ten Ar­beit­neh­mers ent­schie­den. Denn das KSchG, so die ers­te Kam­mer des LAG Ham­burg, er­fasst nicht nur Be­trie­be in Deutsch­land.

Fa­zit: Über die bei­den ge­gensätz­li­chen Ur­tei­le des LAG Ham­burg wird demnächst das BAG ent­schei­den und da­bei u.U. sei­ne Recht­spre­chung ändern. Im­mer­hin hat das BAG vor kur­zem ent­schie­den, dass ei­ne Be­triebs­ver­la­ge­rung ins Aus­land ein Be­triebsüber­gang im Sin­ne von § 613a Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) sein kann - mit der Fol­ge, dass dem ausländi­schen Be­triebs­er­wer­ber der Fort­be­stand der deut­schen Ar­beits­verhält­nis­se zu­ge­mu­tet wird (BAG, Ur­teil vom 26.05.2011, 8 AZR 37/10).

Wenn aber § 613a BGB an den Gren­zen nicht Halt macht, wie­so dann das KSchG? Ar­beit­neh­mern, die be­triebs­be­dingt gekündigt wer­den, ist bei ei­ner Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit im Aus­land der­zeit zur Kündi­gungs­schutz­kla­ge ra­ten.

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Letzte Überarbeitung: 28. März 2018

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