19.01.2015. Mit einer Ausgleichsquittung bestätigt der Arbeitnehmer den Erhalt seiner Arbeitspapiere und zugleich auch, dass ihm keine Ansprüche mehr gegen den Arbeitgeber zustehen.
Manchmal enthält eine Ausgleichsquittung auch den Verzicht des Arbeitnehmers auf Erhebung einer Klage, insbesondere auf Einreichung einer Kündigungsschutzklage.
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor kurzem bestätigt hat, ist ein vom Arbeitgeber vorformulierter Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage, der in eine Ausgleichsquittung mit der Überschrift "Arbeitspapiere" hineingemogelt wurde, eine überraschende Klausel und außerdem eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, wenn dieser für den Klageverzicht keine Gegenleistung bekommt: BAG, Urteil vom 25.09.2014, 2 AZR 788/13.
Wer als Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Empfang seiner Arbeitspapiere bestätigt, d.h. den Erhalt von Arbeitsbescheinigung, sozialversicherungsrechtlicher Abmeldung, Zeugnis und/oder Urlaubsbescheinigung, riskiert damit nicht viel, denn eine solche Empfangsbestätigung ist nur eine harmlose Quittung.
Ganz anders sieht die Sache aus, wenn in einer solchen Empfangsbestätigung zugleich die Erklärung enthalten ist, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt sind, denn mit einer solche Ausgleichsklausel vernichtet der Arbeitnehmer offene Ansprüche: Sollten ihm noch Lohnansprüche, Überstundenbezahlung oder eine Urlaubsabgeltung zustehen, gehen diese Zahlungsansprüche infolge der Ausgleichsklausel unter.
Das Besondere einer Ausgleichsquittung besteht darin, diese beiden Erklärungen (harmlose Quittung und weitreichende Ausgleichsklausel) miteinander zu kombinieren. Das macht die Ausgleichsquittung zu einem juristischen Problemkind.
Denn wenn über einer vom Arbeitgeber vorformulierten und vom Arbeitnehmer abgezeichneten Erklärung "Arbeitspapiere" oder "Empfangsbekenntnis" oder "Quittung" steht, sollte in dieser Erklärung auch nur das enthalten sein, was der Überschrift entspricht. Andernfalls ist die in das Schriftstück hineingeschmuggelte Ausgleichsklausel "überraschend" im Sinne des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), und überraschende Klauseln werden nicht in den Vertrag einbezogen (§ 305c Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
In der bisherigen Rechtsprechung zu Ausgleichsquittungen stand allerdings weniger der überraschende Charakter von Klauseln im Vordergrund, sondern ihr einseitig den Arbeitnehmer belastender Charakter.
Zum Beispiel wurde entschieden, dass ein Klageverzicht des Arbeitnehmers, den er nach Erhalt einer Kündigung in einer Abwicklungsvereinbarung erklärt, nur bei einer Gegenleistung des Arbeitgebers wirksam ist (BAG, Urteil vom 06.09.2007, 2 AZR 722/06, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 07/44 Bei Kündigung kein Klageverzicht ohne Gegenleistung; Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27.03.2014, 5 Sa 1099/13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/169 Verzicht auf Kündigungsschutzklage). Geklärt ist auch, dass eine einseitig auf Ansprüche des Arbeitnehmers bezogene Ausgleichsklausel in einem Abwicklungsvertrag eine unangemessene Benachteiligung darstellt (BAG, Urteil vom 21.06.2011, 9 AZR 203/10, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/005 Aufhebungsvertrag ohne Abfindung, aber mit Ausgleichsklausel?).
In dem hier besprochenen Urteil hat das BAG klargestellt, dass ein Klageverzicht, der in einer mit "Arbeitspapiere" überschriebenen Ausgleichsquittung enthalten ist, überraschend ist und daher rechtlich unwirksam.
In dem Fall des BAG war ein Bauwerker nach längerer, durch einen Arbeitsunfall bedingten Krankheit ordentlich gekündigt worden. Einen Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) konnte der Arbeitgeber später nicht vorweisen, obwohl dem gekündigten Bauarbeiter Kündigungsschutz nach dem KSchG zustand.
Immerhin hatte sich Arbeitgeber die Mühe gemacht, das Kündigungsschreiben dem Bauwerker durch einen anderen Mitarbeiter persönlich aushändigen zu lassen, und zwar in der Wohnung des Bauwerkers. Angeblich, so jedenfalls der Arbeitgeber, soll der gekündigte Bauwerker bei dieser Gelegenheit auch eine Ausgleichsquittung unterschrieben haben, was dieser bestritt.
Die Vereinbarung trug die Überschrift "Arbeitspapiere" und hatte folgenden Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr,
anbei überreichen wir Ihnen die unten aufgeführten Arbeitspapiere mit der Bitte, uns den Empfang durch Ihre Unterschrift und Rückgabe dieses Schreibens zu bestätigen.
Hiermit bestätige ich, folgende Papiere ordnungsgemäß von der Firma F zurückerhalten zu haben:
X | Lohnsteuerkarte + Lohnsteuerbescheinigung |
Sozialversicherungsabmeldung | |
Lohnzettel | |
| |
Urlaubsnachweis | |
Ich (Arbeitnehmer) bestätige, dass ich weitergehende Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung nicht mehr gegen die Firma F habe. Eine Kündigungsschutzklage werde ich nicht erheben; eine bereits erhobene Kündigungsschutzklage werde ich unverzüglich zurücknehmen.
Die vorstehende Ausgleichsquittung habe ich sorgfältig gelesen und zur Kenntnis genommen.
Magdeburg 26.04.2011"
Nachdem das Arbeitsgericht Magdeburg durch Einholung eines graphologischen Gutachtens (!) zu der Überzeugung gekommen war, dass der Bauwerker die Ausgleichsquittung unterschrieben hatte, wies es seine Kündigungsschutzklage ab (Urteil vom 29.11.2011, 9 Ca 1337/11).
Dagegen gab das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen-Anhalt dem Arbeitnehmer Recht, da es die Verzichtsklausel als unangemessene Benachteiligung des gekündigten Arbeitnehmers bewertete (LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26.06.2013, 4 Sa 41/12). Es kam daher aus Sicht des LAG gar nicht mehr darauf an, ob der Bauwerker die Erklärung unterzeichnet hatte oder nicht.
Das BAG schloss sich der Meinung des LAG Sachsen-Anhalt in allen Punkten an, wobei es die Wirksamkeit des Klageverzichts aus zwei Gründen verneinte:
Erstens war der Klageverzicht überraschend im Sinne von § 305c Abs.1 BGB, weil er in AGB des Arbeitgebers enthalten war, die dieser mit "Arbeitspapiere" überschrieben hatte. Angesichts der durch Fettdruck hervorgehobenen Überschrift und der (ebenfalls fettgedruckten) Ankreuz-Liste mit ausgehändigten Arbeitspapieren muss ein durchschnittlicher Arbeitnehmer nicht mit einer Klageverzichtsklausel rechnen.
Zweitens war die Klausel aber auch inhaltlich nicht in Ordnung, d.h. sie stellte eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar (§ 307 Abs.1 BGB). Denn, so das BAG unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung:
"Ein formularmäßiger Klageverzicht ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation - etwa in Bezug auf den Beendigungszeitpunkt, die Beendigungsart, die Zahlung einer Entlassungsentschädigung oder den Verzicht auf eigene Ersatzansprüche - ist (...) idR unzulässig."
Fazit: Arbeitgeber sollten generell keine Ausgleichsquittungen mehr verwenden, da Verzichtserklärungen in einer Quittung nichts zu suchen haben. Arbeitnehmer, die sich bei Übergabe der Arbeitspapiere zu solchen Erklärungen haben drängen lassen und auf Ansprüche und/oder das Klagerecht verzichtet haben, sollten sich davon nicht abhalten lassen, mit Hilfe eines Anwalts vor Gericht zu ziehen. Denn Ausgleichsquittungen von der Art der hier im Streitfall verwendeten sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind.
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Letzte Überarbeitung: 21. Mai 2016
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