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LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 09.08.2011, 6 Sa 230/10

   
Schlagworte: Betriebsrat, Kündigung, Betriebsübergang
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Aktenzeichen: 6 Sa 230/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.08.2011
   
Leitsätze:

1. Geht ein Betrieb als Ganzes auf einen anderen Arbeitgeber über und widersprechen Arbeitnehmer diesem Betriebsübergang und werden daraufhin gekündigt, ist weder eine Anhörung des Betriebsrats des übergegangenen Betriebes noch eine solche des Betriebsrats des Hauptbetriebes erforderlich. Es ist weder eine entsprechende Anwendung des § 21b BetrVG (Restmandat) noch eine solche des § 21a BetrVG (Übergangsmandat) veranlasst.

2. Die Kündigung dieser widersprechenden Arbeitnehmer stellt unabhängig von der Zahl der gekündigten Arbeitnehmer keine interessenausgleichs- und sozialplanpflichtige Maßnahme dar.

3. Die in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses gemachte Äußerung des Arbeitgebers, die widersprechenden Mitarbeiter erhielten eine Abfindung gemäß einem bestehenden Sozialplan, lässt sich als "Zusage" nur dann interpretieren, wenn sie so verstanden werden musste, dass dies unabhängig von den Regelungen im Sozialplan der Fall sein solle. Ein Schadensersatzanspruch scheidet aus, wenn dem Geschäftsführer vor seiner Äußerung nicht deutlich gemacht wurde, dass diese Äußerung an die betroffenen Arbeitnehmer weitergegeben werden solle.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Weiden, Urteil vom 11.02.2011, 1 Ca 724/09
   

6 Sa 230/10

1 Ca 724/09

(Ar­beits­ge­richt Wei­den)  

 

Verkündet am: 09.08.2011

 

...

Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg


Im Na­men des Vol­kes


UR­TEIL

In dem Rechts­streit

 

G... U...


- Kläger und Be­ru­fungskläger -


Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r:
Rechts­se­kretäre L... und Kol­le­gen,


ge­gen

Fir­ma P... GmbH,
ver­tre­ten durch die Geschäftsführer K... R..., F... O..., J... W... und W... Wi...

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r:
As­ses­sor S... M... und Kol­le­gen,

- 2 -

erlässt die 6. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nürn­berg auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 09. Au­gust 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt V e t t e r als Vor­sit­zen­den und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Zie­barth und Frie­del


im Na­men des Vol­kes


fol­gen­des


Ur­teil:

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Wei­den vom 11.02.2010 – Az. 1 Ca 724/09 – wird auf Kos­ten des Klägers zurück­ge­wie­sen.


2. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.


Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über die Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses durch be­triebs­be­ding­te Kündi­gung so­wie hilfs­wei­se über die Zah­lung ei­nes An­spru­ches auf Ab­fin­dung.


Der Kläger war seit 26.01.1970 bei der Be­klag­ten als Qua­litätsprüfer im Werk W..., in dem mehr als zehn Ar­beit­neh­mer beschäftigt wa­ren und in dem ein ei­ge­ner Be­triebs­rat ge­bil­det war, tätig. Zwi­schen der Be­klag­ten, dem Ge­samt­be­triebs­rat und den ein­zel­nen ört­li­chen Be­triebsräten be­stand ein am 31.05.2005 ab­ge­schlos­se­ner Rah­men­so­zi­al­plan, in dem, so­weit vor­lie­gend von In­ter­es­se, fol­gen­des fest­ge­legt ist (An­la­ge zum Schrift­satz der Kläger­ver­tre­ter vom 13.11.2009, Bl. 36 ff. d.A.):


„Präam­bel
Zur Er­hal­tung der Stand­or­te und de­ren Ar­beitsplätze ist es er­for­der­lich, die Fir­ma für
die nächs­ten Jah­re im Wett­be­werb der Au­to­mo­bil­zu­lie­fe­rer am Markt neu aus­zu­rich­ten.

In­so­weit ge­trof­fe­ne Maßnah­men sol­len u.a. zur Er­rei­chung fol­gen­der Zie­le bei­tra­gen:



 

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...
Zwi­schen den Be­triebs­par­tei­en be­steht Ein­ver­neh­men, dass vor An­wen­dung des Rah­men­so­zi­al­plans un­ter wirt­schaft­li­chen Ge­sichts­punk­ten zur Er­hal­tung der Ar­beitsplätze die­nen­de Maßnah­men ge­prüft wer­den und über ei­ne Be­triebsände­rung i.S.d. § 111 Be­trVG und die da­durch ent­ste­hen­den Nach­tei­le zu­vor ein ent­spre­chen­der In­ter­es­sen­aus­gleich ver­ein­bart wird.


Über ei­ne ge­plan­te Be­triebsände­rung i.S.d. § 111 Be­trVG und die In­hal­te der an­ge­streb­ten Maßnah­men wer­den der Wirt­schafts­aus­schuss, der Be­triebs­rat und der Ge­samt­be­triebs­rat ord­nungs­gemäß nach § 106 und § 111 Be­trVG in­for­miert.


Die Mit­be­stim­mungs­rech­te im Hin­blick auf In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen gem. § 111 ff. Be­trVG der für die ein­zel­nen Stand­or­te zuständi­gen ört­li­chen Be­triebsräte blei­ben un­ein­ge­schränkt be­ste­hen.


§ 1 Gel­tungs­be­reich


1. Die Re­ge­lun­gen die­ses So­zi­al­plans gel­ten für al­le Mit­ar­bei­ter der Stand­or­te B..., N..., O..., M..., W... und G... so­wie der Zen­tral­be­rei­che und der an­ge­glie­der­ten Mo­dul­cen­ter, die in ei­nem un­gekündig­ten und un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis ste­hen und


a. de­ren Ar­beits­verhält­nis zur Um­set­zung in­ter­es­sen­aus­gleichs­pflich­ti­ger Maßnah­men i.S.d. § 111 Be­trVG durch ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge be­triebs­be­ding­te Kündi­gung be­en­det oder aus glei­chem Grund ein­ver­nehm­lich auf­ge­ho­ben wird,

b. oder de­ren Ar­beits­verhält­nis in­fol­ge in­ter­es­sen­aus­gleichs­pflich­ti­ger Maßnah­men i.S.d. § 111 Be­trVG ein­ver­nehm­lich oder durch ei­ne ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge be­triebs­be­ding­te Ände­rungskündi­gung ab­geändert wird.


...


§ 2 Leis­tun­gen

...
2.b.(4) Ab­fin­dungs­zah­lun­gen sind, so­weit nichts an­ders ver­ein­bart ist, mit der letz­ten Ent­gel­tab­rech­nung, je­doch nicht vor Ab­lauf von 6 Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung, fällig. Im Fal­le der Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­hal­ten Mit­ar­bei­ter Leis­tun­gen aus dem So­zi­al­plan ggf. erst nach Rück­nah­me der Kla­ge oder nach rechts­kräfti­gem Ur­teil/Ver­gleich. Wer­den vom Ar­beits­ge­richt an­de­re Leis­tun­gen fest­ge­setzt oder im Rah­men ei­nes Ar­beits­ge­richts­ver­fah­rens ver­ein­bart, so wer­den die Leis­tun­gen aus die­sem So­zi­al­plan voll an­ge­rech­net.
...“


Zum 01.08.2009 fand ein Be­triebsüber­gang des in W... ge­bil­de­ten Be­trie­bes auf die Fir­ma Po... C... W... GmbH statt. Der Kläger wur­de hierüber mit Schrei­ben vom 27.07.2009 in­for­miert. Mit Schrei­ben vom 28.08.2009 wi­der­sprach der Kläger wie wei­te­re neun Mit­ar­bei­ter dem Be­triebsüber­gang. Die Be­klag­te kündig­te dar­auf­hin das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 31.08.2009 mit Wir­kung zum 31.03.2010.


 

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Mit sei­ner am 16.09.2009 beim Ar­beits­ge­richt Wei­den ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat der Kläger die Un­wirk­sam­keit die­ser Kündi­gung gel­tend ge­macht. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, Kündi­gungs­gründe lägen nicht vor; zu­dem wer­de die ord­nungs­gemäße Anhörung des Be­triebs­rats be­strit­ten. Mit am 16.11.2009 ein­ge­gan­ge­nem An­trag hat er die Kla­ge mit dem Hilfs­an­trag auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung nach dem Rah­men­so­zi­al­plan er­wei­tert.


Der Kläger hat erst­in­stanz­lich zu­letzt – un­ter Zurück­nah­me des zunächst ge­stell­ten all­ge­mei­nen Fest­stel­lungs­an­tra­ges – be­an­tragt:


1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 31.8.2009 nicht be­en­det wird.


2. Im Fal­le des Ob­sie­gens mit dem An­trag zu 1. wird die Be­klag­te ver­ur­teilt, den Kläger bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als Kunst­stoff­form­ge­ber wei­ter zu beschäfti­gen.


3. Hilfs­wei­se wird be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger ent­spre­chend des Rah­men­so­zi­al­plans vom 31.5.2005 ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 49.018,02 € brut­to zu be­zah­len.


Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.


Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Kla­ge sei nicht be­gründet. Der Beschäfti­gungs­be­trieb sei in Gänze auf die Fir­ma Po... C... W... GmbH über­ge­gan­gen. Sie selbst un­ter­hal­te am Stand­ort W... kei­ne wei­te­ren Be­trie­be, so dass die Beschäfti­gungsmöglich­keit für den Kläger ent­fal­len sei. An­de­re freie Ar­beitsplätze in wei­te­ren Be­trie­ben sei­en nicht vor­han­den; sie baue an den an­de­ren Stand­or­ten Per­so­nal ab. Ei­ner So­zi­al­aus­wahl bedürfe es nicht, weil sämt­li­che Ar­beit­neh­mer, die dem Be­triebsüber­gang wi­der­spro­chen hätten, gekündigt wor­den sei­en. Ei­ne Be­triebs­rats­anhörung sei nicht durch­zuführen ge­we­sen, da für die durch Wi­der­spruch aus dem Be­trieb W... aus­ge­schie­de­nen Mit­ar­bei­ter kein Be­triebs­rat zuständig sei.


Der Kläger hat ein­ge­wandt, der im Werk W..., wel­ches über­ge­gan­gen sei, wei­ter be­ste­hen­de Be­triebs­rat be­sit­ze hin­sicht­lich der Kündi­gung der Ar­beit­neh­mer, die dem Be­triebsüber­gang wi­der­spro­chen hätten, ein Rest­man­dat. Dies ha­be auch das LAG Rhein­land-

 


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Pfalz im Be­schluss vom 18.04.2005 ent­schie­den. So­weit man ei­ne an­de­re Auf­fas­sung ver­tre­te, sei zu­min­dest der Be­triebs­rat des Haupt­be­triebs in B... für die Kündi­gun­gen zuständig ge­we­sen. Das Ar­beits­verhält­nis sei nach dem Wi­der­spruch noch nicht ab­ge­schlos­sen ge­we­sen. Die Per­so­nal­ak­te wer­de noch geführt, die Vergütung ge­zahlt. Er sei da­her zu­min­dest dem Haupt­be­trieb zu­zu­ord­nen. So­weit die Kündi­gung wirk­sam sei, wer­de zu­min­dest die Ab­fin­dung nach dem Rah­men­so­zi­al­plan vom 31.05.2005 ge­schul­det. Die Vor­aus­set­zun­gen für des­sen An­wend­bar­keit sei­en auf­grund der be­triebs­be­dingt aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung erfüllt. Darüber hin­aus sei ihm von der Be­klag­ten ei­ne Ab­fin­dungs­zah­lung ent­spre­chend den Re­ge­lun­gen des Rah­men­so­zi­al­plans für den Fall zu­ge­sagt wor­den, dass er dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses wi­der­spre­chen würde. Hierüber sei er durch den im Werk W... be­ste­hen­den Be­triebs­rat un­ter­rich­tet wor­den. Der Geschäftsführer der Be­klag­ten ha­be dies mehr­fach ge­genüber dem Be­triebs­rat bestätigt.


Die Be­klag­te hat ein­ge­wandt, nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts stel­le der vollständi­ge Über­gang ei­nes Be­trie­bes kei­ne Be­triebsände­rung dar. In­so­fern sei­en die Vor­aus­set­zun­gen des Rah­men­so­zi­al­plans, die aus­drück­lich auf das Vor­lie­gen ei­ner sol­chen Be­triebsände­rung ab­stell­ten, nicht erfüllt. Ein An­spruch auf­grund ein­zel­ver­trag­li­cher Zu­sa­ge be­ste­he eben­falls nicht. Die An­ga­ben des Klägers sei­en un­sub­stan­ti­iert. Für un­rich­ti­ge Auskünf­te des Be­triebs­rats ha­be sie, die Be­klag­te, nicht ein­zu­ste­hen. Die vom Kläger zi­tier­te Ent­schei­dung des LAG Rhein­land-Pfalz sei nicht ein­schlägig, da es in der dor­ti­gen Kon­stel­la­ti­on um den Ab­schluss ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs und So­zi­al­plans für die wi­der­spre­chen­den Ar­beit­neh­mer ge­gan­gen sei. Dem­ge­genüber ha­be das LAG Sach­sen im Ur­teil vom 21.06.2005 aus­drück­lich ent­schie­den, dass in ei­ner Kon­stel­la­ti­on wie der vor­lie­gen­den kei­ne Be­triebs­rats­anhörung in Be­tracht kom­me. Der Be­triebs­rat in B... sei nicht zu be­tei­lig­ten ge­we­sen, weil er für ei­nen an­de­ren Be­trieb er­rich­tet wor­den sei. Da der Kläger nach dem Wi­der­spruch ge­gen den Be­triebsüber­gang so­fort von der Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt wor­den sei, sei er ih­rem Wei­sungs­recht nicht mehr un­ter­wor­fen und kei­nem Be­trieb zu­zu­ord­nen ge­we­sen.


Der Kläger hat erläutert, im Vor­feld des Be­triebsüber­gangs hätten meh­re­re Sit­zun­gen des Wirt­schafts­aus­schus­ses statt­ge­fun­den. Der Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ha­be den Geschäftsführer ge­fragt, was bei ei­nem Wi­der­spruch sei; die­ser ha­be die An­wen­dung des Rah­men­so­zi­al­plans bestätigt. Die Geschäfts­lei­tung und der Ge­samt­be­triebs­rat sei­en im-


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mer da­von aus­ge­gan­gen, dass in sol­chen Fällen der Rah­men­so­zi­al­plan an­wend­bar sei. Auch die Mit­ar­bei­ter des IT-Be­rei­ches, der auf die Fir­ma G... über­ge­gan­gen sei, hätten die Ab­fin­dung gemäß dem Rah­men­so­zi­al­plan er­hal­ten.


Das Ar­beits­ge­richt hat mit En­dur­teil vom 11.10.2010 wie folgt ent­schie­den:


1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.
2. Der Kläger trägt die Kos­ten des Rechts­streits.
3. Der Streit­wert wird fest­ge­setzt auf € 57.418,02.
4. Die Be­ru­fung wird nicht ge­son­dert zu­ge­las­sen.


Das Ar­beits­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung im we­sent­li­chen da­mit be­gründet, die Kündi­gung vom 31.08.2009 ha­be das Ar­beits­verhält­nis auf­gelöst. Zwar bedürfe die Kündi­gung ei­ner so­zia­len Recht­fer­ti­gung, weil hier­bei auf die Beschäftig­ten­zahl des W... Be­trie­bes – et­wa 300 Ar­beit­neh­mer – ab­zu­stel­len sei. Zu­min­dest sei im We­ge ver­fas­sungs­kon­for­mer Aus­le­gung des § 23 KSchG auf das Un­ter­neh­men ab­zu­stel­len. Die Kündi­gung sei aber durch be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se, die ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers ent­ge­genständen, be­dingt. Die bis­he­ri­gen Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten sei­en durch die Über­nah­me des Be­trie­bes durch die Fir­ma Po... C... GmbH ent­fal­len. Die Be­klag­te ha­be dem Kläger da­her am Stand­ort W... kei­ne Beschäfti­gung mehr an­bie­ten können. Der Kläger ha­be nicht vor­ge­tra­gen, dass es an an­de­ren Stand­or­ten freie ge­eig­ne­te Ar­beitsplätze ge­ge­ben ha­be. Ei­ner So­zi­al­aus­wahl ha­be es nicht be­durft, da die Be­klag­te al­len wi­der­spre­chen­den Ar­beit­neh­mern gekündigt ha­be. Die Kündi­gung schei­te­re auch nicht an der feh­len­den Anhörung des Be­triebs­rats. Der Be­triebs­rat des über­ge­gan­ge­nen Be­triebs sei für die Kündi­gung nicht mehr zuständig. Er könne die Rechts­stel­lung des Klägers zu sei­nem Ver­trags­ar­beit­ge­ber nicht mehr be­ein­flus­sen. Ein Über­gangs- oder ein Rest­man­dat die­ses Be­triebs­rats be­ste­he nicht. Ins­be­son­de­re lie­ge kei­ne Um­struk­tu­rie­rung vor, weil der ge­sam­te Be­trieb über­ge­gan­gen sei. Die zehn Ar­beit­neh­mer, die dem Be­triebsüber­gang wi­der­spro­chen hätten, bil­de­ten zu­dem kei­ne be­triebs­ratsfähi­ge Ein­heit, weil für sie kei­ne Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur er­kenn­bar sei. Der Be­triebs­rat des Be­trie­bes in B... sei nicht zuständig, weil kei­ne tatsächli­che Be­zie­hung des Klägers zu die­sem Be­trieb vor­han­den sei, weil er die­ser Ein­heit nie zu­ge­ord­net ge­we­sen sei. Die Rich­tig­keit die­ses Er­geb­nis­ses zei­ge sich in ei­ner Kon­stel­la­ti­on wie der vor­lie­gen­den, in der beim Ar­beit­ge­ber meh­re­re


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Be­trie­be ver­blie­ben sei­en, auch dar­an, dass nicht er­kenn­bar sei, wel­cher der beim Ar­beit­ge­ber ver­blei­ben­den Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten der Kläger zu­ge­ord­net wer­den sol­le. Man­gels Zuständig­keit nach § 50 Be­trVG kom­me auch ei­ne Anhörungs­pflicht des Ge­samt­be­triebs­rats nicht in Be­tracht. Man­gels Rüge sei nicht zu ent­schei­den, ob die Kündi­gungs­frist ein­ge­hal­ten sei. Ein An­spruch auf Wei­ter­beschäfti­gung be­ste­he an­ge­sichts der Wirk­sam­keit der Kündi­gung nicht. Ein An­spruch auf Ab­fin­dungs­zah­lung be­ste­he schon des­we­gen der­zeit nicht, weil ein sol­cher je­den­falls nicht fällig sei. Nach aus­drück­li­cher Re­ge­lung im Rah­men­so­zi­al­plan wer­de sie erst nach Rück­nah­me der Kündi­gungs­schutz­kla­ge oder nach rechts­kräfti­gem Ur­teil oder Ver­gleich fällig. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lägen nicht vor.


Das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts vom 11.02.2010 ist den Ver­tre­tern des Klägers aus­weis­lich de­ren Emp­fangs­be­kennt­nis­ses am 15.02.2010 zu­ge­stellt wor­den. Sie ha­ben na­mens des Klägers mit Schrift­satz vom 08.03.2010, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen am 10.03.2010, Be­ru­fung ein­ge­legt. Sie ha­ben die Be­ru­fung nach Verlänge­rung der Be­gründungs­frist auf­grund am 08.04.2010 ein­ge­gan­ge­nen An­trags bis 07.05.2010 mit am 07.05.2010 ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz sel­ben Da­tums be­gründet.


Zur Be­gründung sei­ner Be­ru­fung führt der Kläger aus, das Ar­beits­ge­richt ha­be un­zu­tref­fend die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung nach § 102 Be­trVG ver­neint. Die Wahr­neh­mung des Wi­der­spruchs­rechts ge­gen ei­nen Be­triebsüber­gang könne nicht da­zu führen, dass die bis­he­ri­gen Be­tei­li­gungs­rech­te des Be­triebs­rats ent­fie­len. § 4 Abs. 2 Be­trVG nor­mie­re, dass auch Ar­beit­neh­mer, die in ei­nem Be­trieb des Un­ter­neh­mens tätig sei­en, der die Vor­aus­set­zun­gen des § 1 Be­trVG nicht erfülle, dem Haupt­be­trieb zu­zu­ord­nen sei­en. Das Be­trVG wol­le da­durch si­cher­stel­len, dass al­le Ar­beit­neh­mer un­ter den Schutz des Be­trVG fal­len soll­ten. Wenn dies für ei­nen nicht be­triebs­ratsfähi­gen Be­triebs­teil gel­te, müsse dies erst recht für Ar­beit­neh­mer gel­ten, die ei­nem Be­triebsüber­gang wi­der­spro­chen hätten. So­weit die Zuständig­keit des Be­triebs­rats des Haupt­be­triebs in B... ver­neint wer­de, müsse zu­min­dest der Be­triebs­rat des über­ge­gan­ge­nen Be­triebs in W... be­tei­ligt wer­den. In­so­weit be­ste­he ein Rest­man­dat im­mer dann, wenn ein Be­trieb still­ge­legt wer­de. Ei­ne sol­che Still­le­gung sei in der Auflösung der Pro­duk­ti­ons­ge­mein­schaft zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer er­folgt. Still­le­gung und Veräußerung un­ter­schie­den sich le­dig­lich da-


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durch, dass durch ei­ne Veräußerung ein Ver­kaufs­erlös er­zielt wer­de. Falls die Kündi­gung das Ar­beits­verhält­nis tatsächlich auf­gelöst ha­be, ste­he ihm zu­min­dest die gel­tend ge­mach­te So­zi­al­plan­ab­fin­dung zu, und zwar auf­grund der Zu­sa­ge der Geschäfts­lei­tung.


Der Kläger und Be­ru­fungskläger stellt im Be­ru­fungs­ver­fah­ren fol­gen­de Anträge:


1. Das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Wei­den vom 11.02.10, Az.: 1 Ca 724/09, wird auf­ge­ho­ben.
2. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 31.08.09 nicht auf­gelöst wor­den ist.
3. Hilfs­wei­se wird be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger ent­spre­chend des Rah­men­so­zi­al­plans vom 21.05.05 ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 49.018,02 EUR brut­to zu be­zah­len.
4. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt:


I. Die Be­ru­fung wird zurück­ge­wie­sen.
II. Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens trägt der Kläger.


Die Be­klag­te schließt sich den Gründen des Ar­beits­ge­richts an. Sei meint, die Be­ru­fung auf § 4 Abs. 2 Be­trVG ge­he fehl, weil die An­wen­dung die­ser Vor­schrift auch vor­aus­set­ze, dass ein Be­trieb vor­han­den sei. Hier­an feh­le es, weil der Beschäfti­gungs­be­trieb auf die Fir­ma Po... C... W... GmbH über­ge­gan­gen sei. Der Kläger sei wie die an­de­ren dem Be­triebsüber­gang wi­der­spre­chen­den Mit­ar­bei­ter frei­ge­stellt und nicht in ei­nem an­de­ren Be­trieb ein­ge­setzt wor­den. Der bloße Be­triebsüber­gang wer­de von der Vor­schrift des § 21b Be­trVG nicht er­fasst, so dass ein Rest­man­dat nicht in Be­tracht kom­me. Letzt­lich sei es der Kläger ge­we­sen, der durch Ausübung sei­nes Wi­der­spruchs­rechts für die Auflösung der Be­triebs- und Pro­duk­ti­ons­ge­mein­schaft ge­sorgt ha­be. Das Ar­beits­ge­richt ha­be auch hin­sicht­lich der Ab­fin­dung zu­tref­fend ent­schie­den. Der Rah­men­so­zi­al­plan kom­me nicht zur An­wen­dung, da kei­ne Be­triebsände­rung vor­lie­ge. Ei­ne ein­zel­ver­trag­li­che Zu­sa­ge sei sei­tens der Be­klag­ten nie ab­ge­ge­ben wor­den, und zwar auch nicht ge­genüber dem Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­den.
 


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Die Be­ru­fungs­kam­mer hat die Ver­fah­ren vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt mit den Ak­ten­zei­chen 8 Sa 224/10 und 6 Sa 410/10 mit Ein­verständ­nis der Par­tei­en bei­ge­zo­gen. Die Par­tei­en ha­ben sich ein­ver­stan­den erklärt, die in den Ver­fah­ren 8 Sa 224/10 und 6 Sa 410/10 durch­geführ­te Be­weis­auf­nah­me zu ver­wer­ten. Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf den Tat­be­stand des ar­beits­ge­richt­li­chen En­dur­teils, die Nie­der­schrift über die münd­li­che Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt vom 09.08.2011 (Bl. 154 ff. d.A.), die Nie­der­schrift im Ver­fah­ren 8 Sa 224/10 vom 03.12.2010 (dort Bl. 146 ff.) und die­je­ni­ge im Ver­fah­ren 6 Sa 410/10 vom 01.03.2011 (dort Bl. 173 ff. d.A.) und die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.


Ent­schei­dungs­gründe:


I. 


Die Be­ru­fung ist, so­weit sich der Kläger ge­gen die Ab­wei­sung sei­nes Kündi­gungs­schutz­an­trags wen­det, zulässig. Sie ist ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Hin­sicht­lich des Hilfs­an­trags fehlt es an ei­ner aus­rei­chen­den Be­ru­fungs­be­gründung. Der Kläger hat sich mit dem ent­schei­den­den Ar­gu­ment des Ar­beits­ge­richts, die Ab­fin­dung sei erst nach rechts­kräfti­ger Be­en­di­gung des Kündi­gungs­rechts­streits fällig, in kei­ner Wei­se aus­ein­an­der­ge­setzt. Der Satz „Da das Ar­beits­ge­richt die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ab­ge­wie­sen hat, hätte es über den Hilfs­an­trag un­ter Ein­ver­nah­me der von uns an­ge­bo­te­nen Zeu­gen ent­schei­den müssen“ stellt kei­ne aus­rei­chen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit der auf die Fällig­keits­be­stim­mung gestütz­ten Ar­gu­men­ta­ti­on des Ar­beits­ge­richts dar.


II. 


Die Be­ru­fung ist un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend ent­schie­den. Das Ar­beits­verhält­nis des Klägers mit der Be­klag­ten ist durch de­ren Kündi­gung vom 31.08.2009


 

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mit Wir­kung zum 31.03.2010 auf­gelöst wor­den. Die Be­ru­fungs­kam­mer folgt den sorgfälti­gen und ausführ­li­chen Be­gründun­gen des Ar­beits­ge­richts, de­nen sie sich in vol­lem Um­fang an­sch­ließt, so dass auf ei­ne er­neu­te, nur wie­der­ho­len­de Dar­stel­lung ver­zich­tet wer­den kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Zu den in der Be­ru­fung vor­ge­tra­ge­nen Ar­gu­men­ten ist fol­gen­des hin­zu­zufügen:


1. Der Kläger hat das Vor­lie­gen ei­nes drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­ses, das den Aus­spruch der Kündi­gung im Sin­ne des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes so­zi­al recht­fer­tigt, in der Be­ru­fungs­in­stanz nicht mehr be­strit­ten. Aus die­sem Grund kann da­hin­ste­hen, ob das Kündi­gungs­schutz­ge­setz auf die vor­lie­gen­de Kündi­gung an­wend­bar ist. Die ursprüng­li­che Beschäfti­gungsmöglich­keit ist für den Kläger nach sei­nem Wi­der­spruch ge­gen den Be­triebsüber­gang nicht mehr vor­han­den. Das Be­ste­hen an­de­rer Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten hat der Kläger nicht be­haup­tet. Zwei­fel an der so­zia­len Recht­fer­ti­gung der Kündi­gung be­ste­hen so­mit in der Tat nicht.


2. Die Kündi­gung ist nicht nach § 102 Abs. 1 S. 3 Be­trVG un­wirk­sam, weil ein Be­triebs­rat nicht an­gehört wor­den ist. Das Ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend fest­ge­stellt, dass ei­ne sol­che Anhörung nicht er­for­der­lich war, weil für den Kläger im Kündi­gungs­zeit­punkt kein Be­triebs­rat be­stand oder zuständig ge­we­sen wäre.


a. Die Zuständig­keit des Be­triebs­rats des Wer­kes W... für die Kündi­gungs­anhörung schei­det aus. Mit der – zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig wirk­sa­men, ins­be­son­de­re frist­ge­rech­ten – Ausübung sei­nes Wi­der­spruchs stand fest, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers nicht mit­tels Be­triebsüber­gangs auf die Fir­ma Po... C... W... GmbH über­ge­gan­gen ist. Der Wi­der­spruch wirkt „ex tunc“, al­so rück­wir­kend. Mit der Über­neh­mer­fir­ma hat le­dig­lich ein fak­ti­sches Ar­beits­verhält­nis be­stan­den. Das Ar­beits­verhält­nis be­stand über den 01.08.2009 hin­aus al­lein zur Be­klag­ten (BAG vom 13.07.2006, 8 AZR 305/07, Rn. 39 ff. der Ent­schei­dungs­gründe; BAG vom 23.07.2009, 8 AZR 538/08, Rn. 51 der Ent­schei­dungs­gründe, je­weils zi­tiert nach ju­ris). Die Kündi­gung er­folg­te zu ei­nem Zeit­punkt, in dem der Kläger auf­grund sei­nes Wi­der­spruchs dem W... Be­trieb nicht mehr an­gehört hat. Der Be­triebs­rat des auf die Fir­ma Po... C... W... GmbH über­ge­gan­ge­nen Be­triebs ist aber nur für Ar-


 

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beit­neh­mer zuständig, die die­sem Be­trieb an­gehören. Im Zeit­punkt der Kündi­gung war dies beim Kläger nicht mehr der Fall.


b. Ei­ne Zuständig­keit des Be­triebs­rats des über­ge­gan­ge­nen Be­trie­bes lässt sich auch nicht aus dem Ge­sichts­punkt ei­nes Rest­man­dats nach § 21b Be­trVG be­gründen. Die­se Vor­schrift setzt schon nach ih­rem Wort­laut vor­aus, dass der Be­trieb un­ter­ge­gan­gen ist. Dies ist vor­lie­gend nicht der Fall. Ent­ge­gen der An­sicht des Klägers ist er auch nicht beim bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber un­ter­ge­gan­gen. Ein sol­cher Un­ter­gang setzt die Auflösung der Or­ga­ni­sa­ti­on des Be­trie­bes vor­aus. Die­se ist nicht ge­ge­ben. Der Be­trieb be­steht viel­mehr mit all sei­nen Ar­beitsplätzen fort, nur nicht beim bis­he­ri­gen Be­triebs­in­ha­ber, son­dern beim Über­neh­mer. Die di­rek­te An­wen­dung der Vor­schrift schei­det so­mit aus.


c. Die Zuständig­keit er­gibt sich auch nicht aus ei­ner ana­lo­gen An­wen­dung von § 21b oder § 21a Be­trVG oder § 4 S. 1 Be­trVG im Hin­blick auf ei­ne bei An­wen­dung die­ser Vor­schrif­ten ent­ste­hen­de Schutzlücke. Es er­scheint schon als sehr zwei­fel­haft, ob ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung der­ar­ti­ger Aus­nah­me­vor­schrift über­haupt in Be­tracht kommt. Je­den­falls ist sie nicht ver­an­lasst. Der Kläger hat den Be­trieb, für den der Be­triebs­rat nach wie vor be­steht, auf­grund ei­ge­ner Ent­schei­dung – nämlich Wi­der­spruch ge­gen den Be­triebsüber­gang – ver­las­sen. Die Kon­stel­la­ti­on ist mit der­je­ni­gen, in der ein Ver­lust der Re­präsen­ta­ti­on durch den gewähl­ten Be­triebs­rat auf­grund ei­ner Maßnah­me des Ar­beit­ge­bers er­folgt – wie et­wa Still­le­gung, Be­triebs­spal­tung oder Be­triebs­zu­sam­men­le­gung –, nicht ver­gleich­bar. Dies gilt auch im Hin­blick auf die Vor­schrift des § 4 S. 2 Be­trVG. Die­se Vor­schrift soll gewähr­leis­ten, dass die Ar­beit­neh­mer nicht auf­grund von Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dun­gen des Ar­beit­ge­bers – Schaf­fung von so klei­nen Ein­hei­ten, dass dort die Vor­aus­set­zun­gen für die Bil­dung des Be­triebs­rats nicht erfüllt sind – an der Re­präsen­ta­ti­on durch ei­nen Be­triebs­rat ge­hin­dert sind. Hier wur­de der Kläger eben­so wie die an­de­ren dem Über­gang wi­der­spre­chen­den Ar­beit­neh­mer durch den Be­triebs­rat des W... Be­triebs re­präsen­tiert. Sie ha­ben die­sen Be­trieb durch Ausübung ih­res Wi­der­spruchs­rechts ver­las­sen und wa­ren da­her, so­lan­ge ih­nen kei­ne Tätig­keit in ei­nem an­de­ren Be­trieb an­ge­wie­sen wur­de, kei­ner Be­triebs­ge­mein­schaft mehr zu­zu­ord­nen. Da­mit entfällt für sie ei­ne Re­präsen­ta­ti­on durch den Be­triebs­rat. Der Ein-

 

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tritt die­ser Rechts­fol­ge ent­spricht ganz herr­schen­der Mei­nung in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur (vgl. BAG vom 21.03.1996, 2 AZR 559/95; LAG Sach­sen vom 21.06.2006, 2 Sa 677/05; LAG Düssel­dorf vom 12.10.2005, 12 Sa 931/05; LAG Düssel­dorf vom 11.01.2011, 17 Sa 828/10, je­weils zi­tiert nach ju­ris; Thüsing in Ri­char­di, Be­trVG, 12. Aufl. 2010, § 21b Rn. 4b und § 102 Rn. 36; Et­zel in Ge­mein­schafts­kom­men­tar zum Kündi­gungs­recht, 9. Aufl. 2009, § 102 Be­trVG Rn. 47; Kreutz in Ge­mein­schafts­kom­men­tar zum Be­trVG, 9. Aufl. 2010, § 21b Rn. 23 und § 21a Rn. 86; Fit­ting u.a., Be­trVG 25. Aufl. 2010, § 21b Rn. 6; of­fen ge­las­sen von Busch­mann in Däubler u.a., Be­trVG 12. Aufl. 2010, § 21b Rn. 17a).


So­weit das LAG Rhein­land-Pfalz im Be­schluss vom 18.04.2005 (2 TaBV 15/05, zi­tiert nach ju­ris) ei­ne an­de­re Auf­fas­sung an­deu­tet, über­zeugt dies nicht. Das Rest­man­dat be­steht schon des­we­gen nicht, weil der Be­trieb nicht un­ter­ge­gan­gen ist. Würde man in der Auflösung der Be­triebs­ge­mein­schaft zwi­schen dem ursprüng­li­chen Be­triebs­in­ha­ber und dem über­ge­gan­ge­nen Be­trieb ei­nen „Un­ter­gang“ se­hen, müss­te die­se Auflösung An­lass für das Ent­ste­hen ei­nes Rest­man­da­tes sein. Die­se Veräußerung hat aber Mit­be­stim­mungs­rech­te nicht aus­gelöst; die­se Veräußerung hat Rechts­fol­gen für die Ar­beit­neh­mer – außer dem Über­gang ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses – nicht aus­gelöst. Für die auf­grund des Wi­der­spruchs aus der Be­triebs­ge­mein­schaft aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer be­steht kein Rest­man­dat, weil we­der die­ses Aus­schei­den noch die nach­fol­gen­de Kündi­gung in Zu­sam­men­hang mit dem Ver­zicht auf das Wei­ter­be­trei­ben die­ser Ein­heit durch den bis­he­ri­gen Un­ter­neh­mer ste­hen. Es würde an der in § 21b Be­trVG ver­lang­ten Kau­sa­lität feh­len. Zu be­ach­ten ist schließlich, dass sich die Ausführun­gen des LAG auf die Ein­rich­tung ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zum Ab­schluss ei­nes So­zi­al­plans, nicht aber auf die Zuständig­keit des ursprüng­lich be­ste­hen­den Be­triebs­rats für den Aus­spruch von Kündi­gun­gen be­zie­hen. Im Übri­gen be­zieht sich der Prüfungs­maßstab zur Ein­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le nach § 98 ArbGG nur auf ei­ne of­fen­sicht­li­che Un­zuständig­keit; schon vom An­satz her ist die Ent­schei­dung da­her un­ge­eig­net, das Be­ste­hen sol­cher Mit­be­stim­mungs­rech­te ver­bind­lich fest­zu­le­gen. Sch­ließlich ist zu be­ach­ten, dass die in­so­weit ge­mach­ten Ausführun­gen des LAG für die Ent­schei­dung schon des­we­gen nicht tra­gend sind, weil das LAG den An­trag auf Ein­set­zung der Ei­ni­gungs­stel­le aus an­de­ren Gründen ab­ge­wie­sen hat.


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So­weit Busch­mann in Däubler, a.a.O., § 21a Rn. 22a für das Be­ste­hen ei­nes Über­g­angs­man­dats des im über­ge­gan­ge­nen Be­trieb wei­ter­be­ste­hen­den Be­triebs­rats ein­tritt, über­zeugt dies nicht. Da das Ar­beits­verhält­nis rück­wir­kend al­lein mit dem Be­triebs­veräußerer be­stand, muss der Ar­beit­neh­mer nicht, wie Busch­mann meint, nach sei­nem Wi­der­spruch aus dem über­ge­gan­ge­nen Beschäfti­gungs­be­trieb her­aus­gelöst wer­den; viel­mehr müss­te nach dem Wi­der­spruch ei­ne neue Auf­nah­me in die wei­ter­be­ste­hen­de Pro­duk­ti­ons­ge­mein­schaft – et­wa durch An­ge­bot des Ar­beit­ge­bers, bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist in die­sem über­ge­gan­ge­nen Be­trieb wei­ter­ar­bei­ten zu können – erst er­fol­gen. Er­folgt die­ses An­ge­bot – ei­ne An­wei­sung dürf­te nicht möglich sein – nicht und nimmt der Ar­beit­neh­mer die Ar­beit in die­sem über­ge­gan­ge­nen oder ei­nem an­de­ren beim Ar­beit­ge­ber ver­blie­be­nen Be­trieb nicht auf, be­steht im Zeit­punkt der Kündi­gung kei­ner­lei Zu­gehörig­keit zu ei­ner Be­triebs­ge­mein­schaft. Da­mit fehlt es auch an der Re­präsen­ta­ti­on durch ei­nen Be­triebs­rat.


d. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers be­steht auch kei­ne Anhörungs­pflicht des Be­triebs­rats ei­nes vom Kläger be­nann­ten „Haupt­be­triebs“. Der Kläger war ei­ner sol­chen Be­triebs­ge­mein­schaft nie zu­ge­ord­net, hat nach dem Be­triebsüber­gang des W... Be­triebs nie in die­ser Ein­heit ge­ar­bei­tet. Er ist in die­sen Be­trieb nie ein­ge­glie­dert ge­we­sen, hat – an­ders, als dies bei Außen­dienst­mit­ar­bei­tern re­gelmäßig der Fall ist – nie Wei­sun­gen von in die­sem Be­trieb täti­gen Wei­sungs­be­fug­ten er­hal­ten. Er wird von die­sem Be­triebs­rat da­her nicht re­präsen­tiert, zählt nicht zu des­sen Be­leg­schaft. Die­ser Be­triebs­rat ist für ihn und sein Ar­beits­verhält­nis da­her eben­so we­nig zuständig wie der für die Be­trie­be der Be­klag­ten be­ste­hen­de Ge­samt­be­triebs­rat (vgl. BAG vom 21.03.1996, a.a.O., und die wei­te­ren oben un­ter c) auf­geführ­ten Nach­wei­se).


e. Wei­te­re Gründe, die die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung be­din­gen könn­ten, sind vom Kläger nicht auf­geführt und auch sonst aus den Ak­ten nicht er­sicht­lich. Da­mit ist die Be­ru­fung, so­weit der Haupt­an­trag be­trof­fen ist, zurück­zu­wei­sen.


3. Der Hilfs­an­trag ist wie aus­geführt un­zulässig. Er ist aber auch un­be­gründet.

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a. Das gilt zunächst, so­weit sich der An­spruch un­mit­tel­bar auf den Rah­men­so­zi­al­plan stützt. Die­ser Rah­men­so­zi­al­plan sieht aus­drück­lich vor, dass er nur zur An­wen­dung kommt, wenn das Ar­beits­verhält­nis „in­fol­ge in­ter­es­sen­augleichs­pflich­ti­ger Maßnah­men“ be­en­det wer­de. Sol­che Maßnah­men – Be­triebsände­run­gen im Sin­ne des § 111 Be­trVG – lie­gen aber nicht vor. Der Be­triebsüber­gang stellt kei­ne sol­che dar, weil der Be­trieb als Gan­zes über­ge­gan­gen ist. Der Wi­der­spruch des Klägers ge­gen den Be­triebsüber­gang als nur für ihn selbst aus­geübtes Ge­stal­tungs­recht eben­falls nicht. Und schließlich auch nicht die fol­gen­de Kündi­gung, weil die­se mit ei­nem „Be­trieb“ im Sin­ne des § 111 Be­trVG nicht mehr in Zu­sam­men­hang stand, so dass ei­ne – in § 111 Be­trVG vor­aus­ge­setz­te – „Be­triebsände­rung“ durch den Aus­spruch die­ser Kündi­gung nicht in Be­tracht kom­men kann.


b. Das Ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend aus­geführt, dass es an der Fällig­keit die­ses An­spru­ches fehlt. Dies gilt auch, so­weit der Ab­fin­dungs­an­spruch nicht aus dem Rah­men­so­zi­al­plan un­mit­tel­bar, son­dern aus ei­ner ge­son­der­ten Zu­sa­ge fol­gen soll­te. Der Kläger selbst trägt vor, dass die Zu­sa­ge da­hin­ge­hend ge­lau­tet ha­be, es sol­le ihm bei ei­ner Kündi­gung nach dem Wi­der­spruch die im Rah­men­so­zi­al­plan vor­ge­se­he­ne Ab­fin­dung ge­zahlt wer­den. Er selbst be­rech­net die Ab­fin­dungshöhe ent­spre­chend dem Rah­men­so­zi­al­plan. Schon nach sei­nem ei­ge­nen Vor­trag ist da­von aus­zu­ge­hen, dass auch die an­de­ren Aus­zah­lungs­mo­da­litäten zur An­wen­dung kom­men soll­ten. Hier­zu gehört auch die Fällig­keits­re­ge­lung.


c. Un­abhängig hier­von ist der An­spruch aber auch von vorn­her­ein nicht be­gründet. Er er­gibt sich nicht aus ei­ner Ge­samt- oder Ein­zel­zu­sa­ge des für die Be­klag­te han­deln­den Geschäftsführers. Der Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­de A... hat vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt so­wohl in der Ver­neh­mung vor der 8. als auch der 6. Kam­mer in den bei­ge­zo­ge­nen Ver­fah­ren aus­ge­sagt, dass er mit dem Geschäftsführer nicht kon­kret über die Fra­ge ge­spro­chen ha­be, ob die dem Be­triebsüber­gang wi­der­spre­chen­den Ar­beit­neh­mer ei­ne Ab­fin­dung ent­spre­chend dem Rah­men­so­zi­al­plan er­hal­ten soll­ten. Wenn es aber schon an ei­ner sol­chen Aus­sa­ge fehlt, gibt es kei­ner­lei An­satz für ei­ne der Be­klag­ten zu­zu­rech­nen­de Zu­sa­ge.
 


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Im Übri­gen wäre ei­ne Äußerung des Geschäftsführers im Rah­men der Sit­zung des Wirt­schafts­aus­schus­ses, die wi­der­spre­chen­den Mit­ar­bei­ter er­hiel­ten die Ab­fin­dun­gen nach dem Rah­men­so­zi­al­plan, nicht ein­mal aus­rei­chend ge­we­sen. Als „Zu­sa­ge“ wäre ei­ne sol­che Erklärung des Geschäftsführers nur dann an­zu­se­hen ge­we­sen, wenn die­ser die Zah­lung der Ab­fin­dun­gen im Be­wusst­sein des­sen ver­spro­chen hätte, dass die Vor­aus­set­zun­gen des Rah­men­so­zi­al­plans nicht ge­ge­ben wa­ren. Hierfür gibt es im Sach­vor­trag des Klägers kei­ne An­halts­punk­te. Zu­min­dest wäre Vor­aus­set­zung für ei­ne Ver­pflich­tung der Be­klag­ten – mögli­cher­wei­se auf Scha­dens­er­satz – ge­we­sen, dass der Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­de dem Geschäftsführer ge­genüber deut­lich ge­macht hätte, er fra­ge im Auf­trag des Klägers. Auch hierfür gibt es kei­ne An­halts­punk­te. Der Kläger hat sich – legt man hy­po­the­tisch sei­nen Sach­vor­trag, des­sen Rich­tig­keit of­fen­blei­ben muss, da die Be­triebs­rats­mit­glie­der selbst am vor­lie­gen­den Ver­fah­ren nicht be­tei­ligt wa­ren und sich hier­zu auch nicht äußern konn­ten, als zu­tref­fend zu­grun­de – auf die Recht­s­einschätzung der Be­triebs­rats­mit­glie­der ver­las­sen. Die­se sind we­der zur Rechts­aus­kunft ge­eig­ne­te Per­so­nen noch haf­ten sie für ei­ne et­wai­ge un­zu­tref­fen­de Einschätzung der Rechts­la­ge.


4. Nach all­dem hat das Ar­beits­ge­richt rich­tig ent­schie­den. Die Be­ru­fung ist zurück­zu­wei­sen. Der Kläger hat die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Be­ru­fung zu tra­gen (§ 97 Abs. 1 ZPO).


5. Für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­steht kein ge­setz­lich be­gründe­ter An­lass.

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung:


Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben; auf § 72 a ArbGG wird hin­ge­wie­sen.


Vet­ter 

Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt

 

Zie­barth 

Eh­ren­amt­li­cher Rich­ter

 

Frie­del

Eh­ren­amt­li­cher Rich­ter

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