HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 24.11.2010, 8 Sa 491/10

   
Schlagworte: Abmahnung, Kündigung: Fristlos
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 Sa 491/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.11.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Offenbach, Urteil vom 24.02.2010, 5 Ca 451/09
   

Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt


Ak­ten­zei­chen: 8 Sa 491/10

(Ar­beits­ge­richt Of­fen­bach: 5 Ca 451/09)  

Verkündet am:

24. No­vem­ber 2010

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes


Ur­teil

In dem Be­ru­fungs­ver­fah­ren

Be­klag­te und

Be­ru­fungskläge­rin

Pro­zess­be­vollmäch­tigt.:

ge­gen

Kläger und
Be­ru­fungs­be­klag­ter

Pro­zess­be­vollmäch­tigt.:

hat das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt, Kam­mer 8, auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 27. Ok­to­ber 2010

durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt als Vor­sit­zen­den und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter

für Recht er­kannt:

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts in Of­fen­bach vom 24.02.2010 – 5 Ca 451/09 – ab­geändert:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, dem Kläger ein qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis zu er­tei­len.

Im übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits hat der Kläger zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

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Tat­be­stand


Die Par­tei­en strei­ten im We­sent­li­chen darüber, ob ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung ihr Ar­beits­verhält­nis be­en­det hat.

Der am 09. Ju­li 1962 ge­bo­re­ne Kläger ist ver­hei­ra­tet und ei­nem min­derjähri­gen Kind zum Un­ter­halt ver­pflich­tet. Er trat am 15. Au­gust 1988 als Be­am­ter in die Diens­te der A, der Vorgänge­rin der Be­klag­ten. Seit dem 01. Ok­to­ber 1993 ist er bei der Be­klag­ten als Flug­lot­se am Tower Nürn­berg mit ei­ner Vergütung von durch­schnitt­lich 9.371,59 EUR mo­nat­lich beschäftigt. Der Kläger ist nach dem für ihn gel­ten­den Man­tel­ta­rif­ver­trag or­dent­lich unkünd­bar.

Die Be­klag­te ist von der Bun­des­re­pu­blik da­mit be­auf­tragt, die si­che­re, ge­ord­ne­te und flüssi­ge Ab­wick­lung des Luft­ver­kehrs zu gewähr­leis­ten und übt für die­se die im Luft­ver­kehrs­ge­setz auf­geführ­ten Flug­si­che­rungs­auf­ga­ben aus. Ne­ben den Lot­sen, die über Ra­dar den obe­ren und un­te­ren Luft­raum kon­trol­lie­ren und lei­ten, sind Lot­sen der Be­klag­ten in Kon­trolltürmen auf 16 Flughäfen der Bun­des­re­pu­blik, dar­un­ter dem Flug­ha­fen Nürn­berg, ein­ge­setzt. Die Lot­sen im Kon­troll­turm, dem so­ge­nann­ten Tower, ha­ben aus ih­rer Kan­zel her­aus di­rek­ten Blick­kon­takt zu den Flug­zeu­gen, die sie kon­trol­lie­ren und können darüber hin­aus auf Ra­dar­in­for­ma­tio­nen zurück­grei­fen. Ih­re Ar­beit be­schränkt sich auf den un­mit­tel­ba­ren Be­reich um den Flug­ha­fen. Sie sind für die rol­len­den, star­ten­den und lan­den­den Flug­zeu­ge ver­ant­wort­lich und sor­gen für ei­nen rei­bungs­lo­sen Ab­lauf des Ver­kehrs am Flug­ha­fen. Sie ko­or­di­nie­ren per Sprech­funk den Flug­ver­kehr auf den Roll-, Start- und Lan­de­bah­nen so­wie im Luft­raum in di­rek­ter Flug­ha­fennähe. Sta­tis­tisch be­trach­tet sind die Start- und Lan­de­vorgänge, die von ih­nen kon­trol­liert wer­den, die gefähr­lichs­ten Flug­ab­schnit­te. Am Flug­ha­fen Nürn­berg wer­den von der Be­klag­ten 14 Flug­lot­sen bzw. Flug­lot­sin­nen und 2 Su­per­vi­so­ren beschäftigt.

In der Nacht vom 17. auf den 18. Ju­li 2009 war es auf dem Frank­fur­ter Rhein-Main-Flug­ha­fen zu ei­ner gefähr­li­chen Annäherung zwi­schen zwei Flug­zeu­gen ge­kom­men, die von der dor­ti­gen Tower­be­sat­zung nicht be­merkt wor­den war. Im Zu­ge der Un­ter­su­chung die­ses Vor­fal­les stell­te sich her­aus, dass dort nicht al­le Ar­beitsplätze von den vier Mit­ar­bei­tern wie vor­ge­schrie­ben be­setzt wa­ren, son­dern zeit­wei­se vor­schrifts­wid­rig un­be­setzt blie­ben. Die Be­klag­te sus­pen­dier­te die be­tref­fen­den Mit­ar­bei­ter mit so­for­ti­ger Wir­kung von ih­rer Tätig­keit im Tower. Sie in­for­mier­te am 04. Au­gust 2009 al­le Mit­ar­bei­ter über den Vor­fall am Frank­fur­ter Flug­ha­fen. In der Nie­der­las­sung Nürn­berg wur­den die Lot­sen im Rah­men von sog. Brie­fings von den

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Su­per­vi­so­ren (Wach­lei­tern) noch­mals ge­son­dert über den Vor­fall in Frank­furt in­for­miert und auf die Ein­hal­tung der Dienst­vor­schrif­ten über die Ar­beits­platz­zei­ten und die kor­rek­te Do­ku­men­ta­ti­on hin­ge­wie­sen. Der Kläger nahm am 17. Au­gust 2009 an ei­nem sol­chen Brie­fing durch den Su­per­vi­sor B teil.

Am Tower Nürn­berg ist in der Nacht­schicht von 21:45 Uhr bis 6:45 Uhr ei­ne Be­set­zung mit 2 Flug­lot­sen vor­ge­schrie­ben - je ein Lot­se für die Ar­beitsplätze PL und PG. Vor­ge­se­hen ist wei­ter, dass der Ar­beits­platz PG zwi­schen 01:00 Uhr bis 05:00 Uhr lo­ka­le Zeit durch den Ar­beits­platz PL über­nom­men wird d.h. nur ein Lot­se Dienst tun muss. Während die­ser Zeit ha­ben die bei­den Lot­sen ih­re Pau­sen von je zwei St­un­den ab­zu­wi­ckeln. Ih­re Er­reich­bar­keit in den Pau­sen ha­ben sie si­cher­zu­stel­len. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die An­wei­sung der Nie­der­las­sungs­lei­te­rin TWR-nue Nr. 12/2008 über die Dienst(schicht)plan­ge­stal­tung und Per­so­nal­ein­satz ver­wie­sen (An­la­ge 5 zum Schrift­satz der Be­klag­ten vom 12. No­vem­ber 2009). Nach der Be­triebs­an­wei­sung Flug­ver­kehrs­kon­trol­le (An­la­ge zum Schrift­satz der Be­klag­ten vom 01. Fe­bru­ar 2010), die die Be­klag­te auf­grund der Ver­ord­nung über die Be­triebs­diens­te der Flug­si­che­rung er­ließ, ist die Über­nah­me bzw. Überg­a­be ei­nes Ar­beits­plat­zes un­ter ge­nau­er UTC-St­un­den- und Mi­nu­ten­an­ga­be im Form­blatt „Ar­beits­platz­nach­weis“ ein­zu­tra­gen.
Beim Neu­bau des Towers Nürn­berg wa­ren im Jahr 1999 vier Ka­me­ras im Ei­gen­tum des Flug­ha­fens Nürn­berg in Be­trieb ge­nom­men wor­den. Je ei­ne die­ser Ka­me­ras be­ob­ach­tet die Ein­gangs­schran­ke nebst Roll­tor, die Ein­gangstür der Tower­nie­der­las­sung, die Ein­gangstür Towerkan­zel und die Schie­betür West des Towergeländes. Die Bil­der der Ka­me­ras wur­den auf Bild­schir­men in der Towerkan­zel, dem Ar­beits­platz des Klägers und drei wei­te­ren Büros an­ge­zeigt.
In ei­nem ab­ge­schlos­se­nen Kel­ler­raum des Towers lie­fen die Bild­da­ten auf ei­ner Fest­plat­te ei­nes PC auf. Auf­ge­zeich­net wur­den, aus­gelöst durch Be­we­gungs­mel­der, je­weils nur die Zeit­span­nen, in de­nen im Be­ob­ach­tungs­be­reich Be­we­gun­gen er­kannt wer­den. Im Bild­be­reich wa­ren auch Da­tum und Uhr­zeit sicht­bar, die gleich­falls mit auf­ge­zeich­net wur­den. Die Spei­cher­ka­pa­zität be­trug ca. 6 Wo­chen, da­nach wur­den die Da­ten fort­lau­fend tag­wei­se über­schrie­ben.

Nur Herrn C, ei­ne bei der Be­klag­ten an­ge­stell­ten Fach­kraft für Lo­gis­tik, wuss­te, dass sol­che Auf­zeich­nun­gen er­folg­ten. We­der die Lei­te­rin der Nie­der­las­sung noch dem Be­triebs­rat noch den Su­per­vi­so­ren oder den Mit­ar­bei­tern war dies be­kannt.

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Die Be­klag­te hat­te am 01. Ok­to­ber 2008 mit dem Ge­samt­be­triebs­rat ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Ver­ar­bei­tung und Aus­wer­tung von Da­ten durch tech­ni­sche Sys­te­me“ ab­ge­schlos­sen. Dar­in heißt es

㤠2
Gel­tungs­be­reich
...
(2) Sach­li­cher Gel­tungs­be­reich
Ge­gen­stand die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung und Aus­wer­tung von Da­ten, die in mit­tel­ba­ren oder un­mit­tel­ba­ren Zu­sam­men­hang mit von DFS ge­nutz­ten tech­ni­schen Sys­te­men ste­hen.

(3) Ört­li­cher Gel­tungs­be­reich
Die­se BV gilt in al­len Be­trie­ben der DFS.

§ 3
Leis­tungs- und Ver­hal­tens­kon­trol­le

(1)
Die DFS ver­pflich­tet sich dafür zu sor­gen, dass die im Sys­tem gemäß § 2 Abs. 2 ver­ar­bei­te­ten Da­ten we­der in­tern noch ex­tern zum Zwe­cke ei­ner Leis­tungs- und Ver­hal­tens­kon­trol­le aus­ge­wer­tet wer­den.

(2)
Ar­beits­recht­li­che Maßnah­men, die auf ei­ne ggf. an un­zulässi­ge Da­ten­aus­wer­tung gemäß Abs. 1 zurück­zuführen sind, sind un­wirk­sam.“

We­gen des wei­te­ren In­halts wird auf die An­la­ge K6 zur Kla­ge­schrift ver­wie­sen.

Die Be­triebsräte hat­ten den Ge­samt­be­triebs­rat nicht mit dem Ab­schluss die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung be­auf­tragt.

Im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Funk­ti­ons­kon­trol­le des Roll­to­res er­fuhr ein Su­per­vi­sor (Wach­lei­ter) von Herrn C, dass es Vi­deo­auf­zeich­nun­gen der Ka­me­ras gab. Der Su­per­vi­sor B sah sich dar­auf­hin am 26. Au­gust 2009 ei­nen klei­nen Teil der Vi­deo­auf­zeich­nun­gen an. Da­bei fiel ihm ei­ne Auf­zeich­nung auf, die nicht im Ein­klang mit der vor­ge­schrie­be­nen Ein­satz­pla­nung im Nacht­dienst stand. Das teil­te er der Nie­der­las­sungs­lei­te­rin Frau D am 01. Sep­tem­ber 2009 mit. Am 03. Sep­tem­ber 2009 setz­te sich die Nie­der­las­sungs­lei­te­rin mit dem stell­ver­tre­ten­den Be­triebs­rats-vor­sit­zen­den, dem Zeu­gen E, in Ver­bin­dung und bat ihn, zu­sam­men mit Herrn B die Vi­deo­auf­nah­men an­zu­se­hen und den Sach­ver­halt auf­zuklären. Die Zeu­gen B und E sa­hen sich dar­auf­hin die Vi­deo­auf­nah­men des Zeit­raums vom 25. Ju­li 2009 bis zum 03. Sep­tem­ber 2009 an. Der Zeu­ge E no­tier­te an­hand der Vi­deo­auf­zeich­nun­gen Zei­ten des Be­tre­tens und Ver­las­sens der Towerkan­zel durch die Flug­lot­sen während der Nacht­schicht. Die­se hand­schrift­li­chen Auf­zeich­nun­gen (Ko­pie in der An­la­ge zum Schrift­satz der Be­klag­ten vom 12. No­vem­ber 2009) ließ sich der Zeu­ge B vom Zeu­gen E aushändi­gen. Die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen wur­den mit­tels ei­ner Di­gi­tal­ka­me­ra ab­ge­filmt.

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Am 04. Sep­tem­ber 2009 ver­glich der Zeu­ge B die­se Da­ten mit den von den Lot­sen aus­gefüll­ten hand­schrift­li­chen Ar­beits­platz­nach­wei­sen. In die­sen hat­ten fast al­le Mit­ar­bei­ter zwar ei­ne Pau­sen­zeit von zwei St­un­den an­ge­ge­ben, nach den an­hand der Vi­deo­auf­zeich­nun­gen ge­mach­ten Fest­stel­lun­gen hat­ten aber fast al­le die­se Pau­sen­zeit um ca. ei­ne St­un­de über­zo­gen. Die Aus­wer­tung er­gab, dass in der Zeit von 26. Ju­li 2009 bis 03. Sep­tem­ber 2009 im Nacht­dienst an 40 Ar­beits­ta­gen ins­ge­samt ca. 80 Mal ge­gen die vor­ge­ge­be­ne Pau­sen­zeit ver­s­toßen wur­de. Nach die­ser Auf­lis­tung wur­de die vor­ge­ge­be­ne Pau­sen­zeit im Nacht­dienst von ca. 157 St­un­den um et­wa 33 St­un­den über­schrit­ten.

Aus den Ein­tra­gun­gen des Klägers in den Ar­beits­platz­nach­wei­sen er­gab sich für den 27. Ju­li 2009, 02. Au­gust 2009, 08. Au­gust 2009, 14. Au­gust 2009, 20. Au­gust 2009, 26. Au­gust 2009 und 01. Sep­tem­ber 2009 je­weils ei­ne Pau­sen­zeit von 03:00 Uhr bis 05:00 Uhr (lo­ka­le Zeit). Die Auf­zeich­nun­gen über die Aus­wer­tung der Vi­de­os wie­sen für die­se Ta­ge aus, dass der Kläger je­weils et­wa 50 Mi­nu­ten später als nach den Ar­beits­platz­nach­wei­sen an den Ar­beits­platz zurück­ge­kehrt war.

Mit Schrei­ben vom 04. Sep­tem­ber 2009 an die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter teil­te die Nie­der­las­sungs­lei­te­rin die­sen mit, dass Un­re­gelmäßig­kei­ten bei der kor­rek­ten Ab­wick­lung des Dienst­be­trie­bes auf­ge­fal­len sei­en, die Aus­wer­tung der Da­ten und der Ab­gleich mit den Ar­beits­platz­nach­wei­sen noch nicht ab­ge­schlos­sen sei und die be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter Ge­le­gen­heit er­hal­ten würden, die Da­ten in Au­gen­schein zu neh­men und sich da­zu zu äußern. Dem Kläger wur­de in der Fol­ge ein Gespräch mit der Nie­der­las­sungs­lei­te­rin an­ge­bo­ten so­wie der Ein­blick in die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen.
Zu dem Gespräch kam es nicht.

Mit Schrei­ben vom 10. Sep­tem­ber 2009 hörte die Be­klag­te den Be­triebs­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen Kündi­gung, hilfs­wei­se mit ei­ner der or­dent­li­chen Kündi­gung ent­spre­chen­den Aus­lauf­frist des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers an (Bl. 371 ff. d.A.).

Die­sem Schrei­ben wa­ren als An­la­gen bei­gefügt die hand­schrift­li­chen No­ti­zen zu den Vi­deo­auf­zeich­nun­gen vom 03. Sep­tem­ber 2009, Ar­beits­platz­nach­wei­se vom 26. Ju­li 2009 bis 03. Sep­tem­ber 2009, ei­ne Ge­genüber­stel­lung der Vi­deo­auf­zeich­nungs­da­ten und Ar­beits­platz­nach­wei­se vom 04. Sep­tem­ber 2009, ei­ne in­di­vi­du­el­le Über­sicht über

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die Pau­sen­ab­wick­lung des Klägers in den Nacht­diens­ten vom 26. Ju­li 2009 bis 03. Sep­tem­ber 2009, die An­wei­sung der Nie­der­las­sungs­lei­te­rin Nr. 12/2008 vom 01. Au­gust 2008 so­wie ein Gedächt­nis­pro­to­koll des Führungs­kräfte­tref­fens vom 13. Au­gust 2009. Die Be­klag­te nennt als Kündi­gungs­grund Pau­senüber­schrei­tun­gen und vor­schrifts­wid­ri­ge Ein­tra­gun­gen in den Ar­beits­zeit­nach­wei­sen. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf das zwölf­sei­ti­ge Anhörungs­schrei­ben ver­wie­sen.

Mit Schrei­ben vom 11. Sep­tem­ber 2009 (Bl. 22 ff. d.A.) wi­der­sprach der Be­triebs­rat der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung.

Ne­ben dem Kläger wur­de sei­nem Kol­le­gen Sin­ger gekündigt. Die an­de­ren Lot­sen, die Pau­sen­zei­ten nach den Vi­deo­auf­zeich­nun­gen über­schrit­ten hat­ten, er­hiel­ten Ab­mah­nun­gen.

Am 16. Sep­tem­ber 2009 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger mit Schrei­ben vom glei­chen Ta­ge außer­or­dent­lich frist­los.
Mit Schrei­ben vom 18. Sep­tem­ber 2009 kündig­te die Be­klag­te an die­sem Tag das Ar­beits­verhält­nis wei­ter­hin hilfs­wei­se außer­or­dent­lich mit so­zia­ler Aus­lauf­frist.

Mit sei­ner frist­ge­recht er­ho­be­nen Kla­ge hat sich der Kläger ge­gen die Kündi­gun­gen ge­wen­det.

Der Kläger hält die Kündi­gun­gen für un­wirk­sam. Die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen un­terlägen ei­nem Be­weis­ver­wer­tungs­ver­bot im Hin­blick auf die Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 01. Ok­to­ber 2008. Mit den heim­li­chen Vi­deoüber­wa­chun­gen und de­ren Aus­wer­tung sei das Persönlich­keits­recht des Klägers schwer ver­letzt wor­den. Die Ar­beits­platz­nach­wei­se dien­ten nur da­zu die je­wei­li­ge Ver­ant­wort­lich­keit für die ein­zel­nen Ar­beitsplätze zu do­ku­men­tie­ren. Sie dien­ten nicht der Ar­beits­zeit­er­fas­sung. Die vom Kläger ein­ge­tra­ge­nen Zei­ten der Ver­ant­wor­tung entsprächen den Vor­ga­ben der Dienst­an­wei­sung. Er be­strei­tet, dass er tatsächlich zu den in den hand­schrift­li­chen No­ti­zen und der Aus­wer­tung der Be­klag­ten an­ge­ge­be­nen Zei­ten die Towerkan­zel nach der Pau­se wie­der auf­ge­sucht ha­be.

Die Auf­zeich­nun­gen des Zeu­gen E könn­ten die an­ge­ge­be­nen Zei­ten nicht be­le­gen, da oft nicht si­cher ge­we­sen sei, wer die Per­so­nen wa­ren, die beim Ver­las­sen und wie­der Auf­su­chen der Towerkan­zel ge­filmt wur­den. Er könne die Towerkan­zel auch kurz­zei­tig zu ei­nem kur­zen Toi­let­ten­gang ver­las­sen ha­ben, was nicht pflicht­wid­rig ge­we­sen sei.

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Der Kläger hat be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 16. Sep­tem­ber 2009 nicht auf­gelöst wor­den ist;
2. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist vom 18. Sep­tem­ber 2009 – zu­ge­gan­gen am 18. Sep­tem­ber 2009 – nicht zum 30. April 2010 auf­gelöst wer­den wird;
3. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände en­det, son­dern zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen über den 16. Sep­tem­ber 2009 und den 30. April 2010 hin­aus fort­be­steht;
4. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen als Flug­lot­se über den 16. Sep­tem­ber 2009 und den 30. April 2010 hin­aus wei­ter zu beschäfti­gen;
5. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ein wohl­wol­len­des be­rufsfördern­des Zwi­schen­zeug­nis zu er­tei­len, das sich auf Ver­hal­ten und Leis­tung er­streckt;
6. hilfs­wei­se, für den Fall, dass die Fest­stel­lungs­anträge zu Zif­fer 1 bis 4 ab­ge­wie­sen wer­den, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ein wohl­wol­len­des und be­rufsfördern­des Zeug­nis zu er­tei­len, das sich auf Ver­hal­ten und Leis­tung er­streckt.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

1. die Kla­ge ab­zu­wei­sen;
2. hilfs­wei­se das Ar­beits­verhält­nis gemäß den §§ 9, 10 KSchG ge­gen Zah­lung ei­ner an­ge­mes­se­nen Ab­fin­dung auf­zulösen, wo­bei die Ab­fin­dungshöhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird.

Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, die außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei wirk­sam.

Sie hat vor­ge­tra­gen, der Kläger ha­be die Pau­sen über­zo­gen, wie sich aus den Aus­wer­tun­gen der Vi­deo­auf­zeich­nun­gen er­ge­be. Das sei ein Ar­beits­zeit­be­trug. Ei­nen Ar­beits­platz vor­schrifts­wid­rig nicht zu be­set­zen, sei die gra­vie­rends­te Pflicht­ver­let­zung

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ei­nes Lot­sen in die­sem Be­reich. Der Kläger und sein Kol­le­ge, dem eben­falls gekündigt wur­de, hätten sich hin­sicht­lich Häufig­keit und Dau­er ent­schei­dend von al­len an­de­ren Ar­beits­kol­le­gen un­ter­schie­den. Ins­be­son­de­re hätten ih­re Verstöße in glei­chen oder erhöhten Um­fang an­ge­dau­ert, nach­dem hin­sicht­lich der Vorfälle am Frank­fur­ter Flug­ha­fen ei­ne Un­ter­rich­tung er­folgt war. Der Su­per­vi­sor B ha­be den Kläger am 17. Au­gust 2009 dar­auf­hin­ge­wie­sen, dass die Ar­beits­platz­zei­ten strikt ein­zu­hal­ten sei­en und Ar­beits­zeit­be­trug ein Kündi­gungs­grund sei. Das Ver­trau­en in die Zu­verlässig­keit des Klägers sei ir­re­pa­ra­bel zerstört. Das Ver­hal­ten des Klägers und sein schriftsätz­li­cher Vor­trag ließen ei­ne den Be­triebs­zwe­cken dien­li­che Zu­sam­men­ar­beit in der Zu­kunft nicht mehr er­war­ten. Des­halb sei ei­ne Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses je­den­falls ge­recht­fer­tigt.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge mit Ur­teil vom 24. Fe­bru­ar 2010, auf das Be­zug ge­nom­men wird, im We­sent­li­chen statt­ge­ge­ben und nur den all­ge­mei­nen Fest­stel­lungs­an­trag ab­ge­wie­sen.

Ge­gen die­ses Ur­teil rich­tet sich die Be­ru­fung der Be­klag­ten.

Sie wie­der­holt und ver­tieft ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Das ho­heit­li­che Han­deln der Be­klag­ten und der bei ihr Beschäftig­ten wer­de durch öffent­lich-recht­li­che Be­stim­mun­gen kon­kre­ti­siert. Die be­darfs­ge­rech­te Be­set­zung der Lot­sen­ar­beitsplätze gehöre zu den Pflich­ten, die sich aus der Be­auf­tra­gung zur Durchführung der Flug­si­che­rungs­auf­ga­ben ergäben. Durch die ei­genmäch­ti­ge Verlänge­rung der vor­ge­ge­be­nen Pau­sen­zei­ten ha­be der Kläger vor­schrifts­wid­rig ei­ne Un­ter­be­set­zung her­bei­geführt. Durch das Fehl­ver­hal­ten des Klägers sei die für die Gewähr­leis­tung der Flug­si­cher­heit er­for­der­li­che Be­set­zung sei­nes Ar­beits­plat­zes nicht mehr ge­ge­ben ge­we­sen. Sie wen­det sich ins­be­son­de­re da­ge­gen, dass das Ar­beits­ge­richt ei­ne Ab­mah­nung vor Aus­spruch der Kündi­gung für er­for­der­lich ge­hal­ten hat, weil ge­genüber an­de­ren Mit­ar­bei­tern mit den glei­chen Pflicht­ver­let­zun­gen nur ei­ne Ab­mah­nung aus­ge­spro­chen wor­den sei. Die Be­klag­te ver­weist dar­auf, dass nach der In­for­ma­ti­on vom 17. Au­gust 2009 über den Vor­fall in Frank­furt nur der Kläger und sein eben­falls gekündig­ter Kol­le­ge die Pau­sen­zei­ten an drei Ar­beits­ta­gen je­weils um fast ei­ne St­un­de über­schrit­ten hätten, während da­nach bei drei an­de­ren Mit­ar­bei­tern die Über­schrei­tun­gen je­weils le­dig­lich zwi­schen 11 und 20 Mi­nu­ten ge­le­gen hätten: bei Herrn F in drei Fällen je­weils et­wa 20 Mi­nu­ten, bei Herrn G zwei­mal je 15 Mi­nu­ten, bei Herrn H ein­mal 9 und ein­mal 11 Mi­nu­ten. Bei wei­te­ren Ar­beit­neh­mern hätten die Ab­wei­chun­gen da­nach zwi­schen ei­ner und 5 Mi­nu­ten und zwei­mal 7 Mi­nu­ten be­tra­gen

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Die Dif­fe­ren­zie­rung sei dem Be­triebs­rat auch mit­ge­teilt wor­den. Die Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung sei un­wirk­sam.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

1. das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ab­zuändern und die Kla­ge ins­ge­samt ab­zu­wei­sen.
2. hilfs­wei­se das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ab­zuändern und das Ar­beits­verhält­nis gemäß den §§ 9, 10 KSchG ge­gen Zah­lung ei­ner an­ge­mes­se­nen Ab­fin­dung auf­zulösen, wo­bei die Ab­fin­dungshöhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Of­fen­bach kos­ten­pflich­tig zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil und wie­der­holt und ver­tieft sein erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Der Be­triebs­rat sei nicht ord­nungs­gemäß an­gehört wor­den. Ins­be­son­de­re sei­en ihm nicht die Dif­fe­ren­zie­rungs­gründe mit­ge­teilt wor­den. Der Kläger ha­be die von der Be­klag­ten be­haup­te­ten Pflicht­ver­let­zun­gen nicht sub­stan­ti­iert be­strei­ten können. Er ha­be über sei­ne Ak­ti­vitäten während der Nacht­diens­te nicht Buch geführt. Mehr als ein pau­scha­les Be­strei­ten der ihm vor­ge­wor­fe­nen Pflicht­ver­let­zun­gen sei ihm in­so­fern kaum möglich ge­we­sen.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze ver­wie­sen.

Der Kläger hat in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung auf ent­spre­chen­des Be­fra­gen des Ge­richts erklärt, dass er sich zu den von der Be­klag­ten be­haup­te­ten Zei­ten der Pau­senüber­zie­hun­gen nicht äußern wol­le.

Das Ge­richt hat Be­weis er­ho­ben, durch Ver­neh­mung der Zeu­gen E, I, D und B, die un­ver­ei­digt blie­ben. We­gen des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me wird auf das Pro­to­koll vom 27. Ok­to­ber 2010 ver­wie­sen.

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Ent­schei­dungs­gründe


Die zulässi­ge Be­ru­fung ist im We­sent­li­chen be­gründet.

A.
Die Kla­ge ist nur be­gründet so­weit der Kläger ein qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis ver­langt. Sie ist un­be­gründet so­weit der Kläger die Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 16. Sep­tem­ber 2009 an­greift und Wei­ter­beschäfti­gung ver­langt. Da das Ar­beits­verhält­nis be­reits durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 16. Sep­tem­ber 2009 auf­gelöst wur­de, ist die Kla­ge auch hin­sicht­lich der wei­te­ren hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung un­be­gründet.

Die außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten vom 16. Sep­tem­ber 2009 ist rechts­wirk­sam. Die Be­klag­te konn­te das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger gemäß § 626 Abs. 1 BGB aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist kündi­gen. Die Kündi­gung er­folg­te in­ner­halb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB. Sie ist nicht un­wirk­sam nach § 102 Abs. 1 Satz 3 Be­trVG. Sie ist auch nicht un­wirk­sam we­gen Ver­s­toßes ge­gen Be­stim­mun­gen der Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 01. Ok­to­ber 2008.

I.
Die Be­klag­te konn­te das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger gemäß § 626 BGB aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist kündi­gen, da Tat­sa­chen vor­la­gen auf­grund de­ren ihr un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den konn­te.

Es kann ei­nen wich­ti­gen Grund für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung dar­stel­len, wenn ein Ar­beit­neh­mer Pau­sen­zei­ten er­heb­lich über­zieht. Es kann wei­ter ei­nen wich­ti­gen Grund für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung dar­stel­len, wenn ein Ar­beit­neh­mer sei­en An­we­sen­heit am Ar­beits­platz falsch do­ku­men­tiert. Es ist schließlich als wich­ti­ger Grund für ei­ne frist­lo­se Kündi­gung ge­eig­net, wenn ein Flug­lot­se sei­nem Ar­beits­platz fern­bleibt, zu Zei­ten, zu de­nen ihm die Be­set­zung des Ar­beits­plat­zes vor­ge­schrie­ben ist.

1.
Die Kam­mer ist un­ter Berück­sich­ti­gung des ge­sam­ten In­halts der Ver­hand­lung und des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me zur Über­zeu­gung ge­langt, dass der Kläger mit

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sei­nen Ein­tra­gun­gen in den Ar­beits­platz­nach­wei­sen vom 27. Ju­li 2009, dem 02. Au­gust 2009, dem 08. Au­gust 2009, dem 14. Au­gust 2009, dem 20. Au­gust 2009, dem 26. Au­gust 2009 und dem 01. Sep­tem­ber 2009 je­weils ei­ne Pau­sen­ab­we­sen­heit von 03:00 Uhr bis 05:00 Uhr an­ge­ge­ben hat, tatsächlich sei­nen Ar­beits­platz aber je­weils über 50 Mi­nu­ten später wie­der be­setzt hat.

a) Das ist als un­strei­tig an­zu­se­hen. Der Kläger hat die von der Be­klag­ten an­ge­ge­be­nen Ab­we­sen­heits­zei­ten nicht sub­stan­ti­iert be­strit­ten. So­weit der Kläger erst­in­stanz­lich sinn­gemäß vor­ge­tra­gen hat, dass er die ge­nau­en Zei­ten nicht wis­se, ent­hebt ihn dies nicht zu ei­ner sub­stan­ti­ier­ten Erklärung zu den Vorwürfen der Be­klag­ten. Es geht nicht um die auf Mi­nu­ten ge­naue An­ga­be der Uhr­zeit des Ver­las­sens oder Be­tre­tens der Towerkan­zel. Es geht viel­mehr um ei­ne Erklärung da­zu, ob er an den ge­nann­ten Ta­gen sein Ar­beits­platz außer zu den aus den Ein­tra­gun­gen er­sicht­li­chen Pau­sen be­setzt hielt und er nicht je­weils fast ei­ne St­un­de länger Pau­se mach­te. Ei­ne ein­deu­ti­ge po­si­ti­ve Erklärung in die­sem Sin­ne hat der Kläger auch auf Be­fra­gen des Ge­richts nicht ab­ge­ge­ben. Ei­ne Buchführung wäre da­zu nicht nötig ge­we­sen.

b) Auch auf­grund der Aus­sa­gen der Zeu­gen E und B steht zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest, dass der Kläger ab­wei­chend von sei­nen Ein­tra­gun­gen ab­we­send war wie von der Be­klag­ten vor­ge­tra­gen. Der Zeu­ge E hat be­kun­det, dass er sich zu­sam­men mit Herrn B die Vi­de­os an­ge­se­hen ha­be und sich No­ti­zen mach­te, die er Herrn B gab. Es gibt kei­nen Grund an der Glaubwürdig­keit des Zeu­gen und der Glaub­haf­tig­keit sei­ner Aus­sa­ge zu zwei­feln. Der Zeu­ge B hat be­kun­det, dass er und der Zeu­ge E sich die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen an­sa­hen und der Zeu­ge E die Zeit und den Na­men auf­schrieb, wenn je­mand die Towerkan­zel be­trat bzw. ver­ließ. Er hat wei­ter be­kun­det, dass man bis auf we­ni­ge Aus­nah­men so­fort er­ken­nen konn­te, wer auf dem Bild zu se­hen war und nur bei zwei Da­men mit schwar­zen Haa­ren zunächst ein Zwei­fel be­stand. Der Zeu­ge E ha­be dann sei­ne Auf­zeich­nun­gen auf­grund des­sen was auf dem Bild zu se­hen war ge­macht und es sei im­mer wei­ter zum nächs­ten Stand­bild ge­gan­gen, da Auf­zeich­nun­gen nur vor­han­den wa­ren, wenn Be­we­gun­gen vor­han­den wa­ren. Auch an der Glaubwürdig­keit und Glaub­haf­tig­keit die­ser Aus­sa­ge zu zwei­feln be­steht kein Grund.

Dar­auf er­gibt sich, dass die Auf­zeich­nun­gen des Zeu­gen E, die die Be­klag­te vor­ge­legt und aus­ge­wer­tet hat, die durch die Vi­deo­ka­me­ra auf­ge­zeich­ne­ten Zei­ten wie­der­ge­ben, zu de­nen der Kläger die Towerkan­zel be­tre­ten bzw. ver­las­sen hat.
 

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2.
Der Ver­wen­dung und Ver­wer­tung der durch Aus­wer­tung der Vi­deo­auf­zeich­nun­gen ge­won­ne­nen Da­ten steht nichts ent­ge­gen. Ein Ver­wer­tungs­ver­bot kann sich nicht aus ei­nem Ver­s­toß ge­gen die Re­ge­lung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG oder ge­gen die Re­ge­lung ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung er­ge­ben, son­dern nur aus ei­nem Ver­s­toß ge­gen das Persönlich­keits­recht (BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 537/06 – DB 2008, 1633 m.w.N.).

a) Der Ver­wer­tung der Da­ten steht nicht ent­ge­gen, dass die Auf­zeich­nun­gen der Vi­deo­ka­me­ra und ih­re Aus­wer­tung nicht oh­ne Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats er­fol­gen durf­ten.

Da­bei ist un­er­heb­lich, dass die Be­klag­te die Auf­zeich­nun­gen nicht ver­an­lasst hat und Ver­tre­tungs­be­rech­tig­te oder wei­sungs­be­fug­te Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten da­von nichts wuss­ten. Je­den­falls un­ter­lag die Auf­zeich­nung und Aus­wer­tung der Da­ten dem Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG. Die­ses wur­de nicht da­durch aus­geübt, dass der den Be­triebs­rat zu die­ser Zeit ver­tre­ten­de stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de an der Aus­wer­tung be­tei­ligt wur­de. Dies er­folg­te un­strei­tig nicht auf­grund ei­nes Be­schlus­ses des Be­triebs­ra­tes.

Al­lein die Ver­let­zung ei­nes Mit­be­stim­mungs­tat­be­stan­des führt aber nicht da­zu, dass Tat­sa­chen im Pro­zess nicht ver­wert­bar sind (vgl. BAG v. 13.12.2007). Aus dem Um­stand, dass ei­ne In­for­ma­ti­on oder ein Be­weis­mit­tel un­zulässig er­langt wur­de, er­gibt sich noch nicht zwin­gend de­ren Nicht­ver­wert­bar­keit. Grundsätz­lich muss zwi­schen der Er­lan­gung ei­ner In­for­ma­ti­on oder ei­nes Be­weis­mit­tels und de­ren Ver­wer­tung ge­trennt wer­den (vgl. BAG v. 13.12.2007 m.w.N.). Ein pro­zes­sua­les Ver­wer­tungs­ver­bot kommt in Be­tracht, wenn im Ent­schei­dungs­fall der Schutz­zweck der ver­letz­ten Norm ei­ne sol­che pro­zes­sua­le Sank­ti­on zwin­gend ge­bie­tet. Zwar han­delt der Ar­beit­ge­ber, der das Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats oder ein durch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung eta­blier­tes Be­tei­li­gungs­ver­fah­ren miss­ach­tet, rechts­wid­rig. Für die­sen Falls se­hen aber so­wohl das Be­triebs­ver­fas­sungs­recht kol­lek­tiv recht­li­che Sank­tio­nen und den all­ge­mein be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Un­ter­las­sungs­an­spruch als auch das In­di­vi­du­al­recht (z.B. Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­rech­te) Re­ak­ti­onsmöglich­kei­ten vor. Ein mit­be­stim­mungs­wid­ri­ges Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers ist so­mit durch­aus sank­ti­ons­bewährt. Ei­ner darüber hin­aus ge­hen­den in­di­vi­dual­pro­zess­recht­li­chen Sank­ti­on be­darf es des­halb nicht. Dies gilt um­so mehr, als grundsätz­lich auch ma­te­ri­ell rechts­wid­rig er­lang­te Be­weis­mit­tel im Zi­vil­pro­zess ver­wer­tet wer­den können (vgl. BAG v. 13.12.2007).

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Ent­spre­chen­des gilt hin­sicht­lich ei­nes Ver­s­toßes der Aus­wer­tung der Vi­deo­auf­nah­men ge­gen § 3 Abs. 1 der Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 01. Ok­to­ber 2008.

b) Ein pro­zes­sua­les Ver­wer­tungs­ge­bot kann auch ge­ge­ben sein, wenn in ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­ten Grund­po­si­tio­nen ei­ner Pro­zess­par­tei ein­ge­grif­fen wird. Wenn durch die Ver­wer­tung ei­ner rechts­wid­rig er­lang­ten In­for­ma­ti­on oder ei­nes Be­weis­mit­tels ein er­neu­ter oder per­pe­tu­ie­ren­der Ein­griff in recht­lich er­heb­lich geschütz­te Po­si­tio­nen der an­de­ren Pro­zess­par­tei er­folgt, kann sich ih­re Ver­wen­dung ver­bie­ten(vgl. BAG v. 13.12.2007).
Ein Ver­wen­dungs- und Ver­wer­tungs­ver­bot kommt des­halb al­len­falls dann in Be­tracht, wenn durch die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen und ih­re Aus­wer­tung die Persönlich­keits­rech­te des Klägers er­heb­lich ver­letzt wor­den wären. Das ist im vor­lie­gen­den Fall aber nicht er­kenn­bar. Bei ei­ner Kol­li­si­on des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts mit den In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ist im Ein­zel­fall zu er­mit­teln, ob das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht den Vor­rang vor den In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ver­dient.

aa) Dass Bil­der des Klägers bei Be­tre­ten und Ver­las­sen der Towerkan­zel ge­spei­chert wur­den, greift in das Recht des Klägers am ei­ge­nen Bild ein. Dem Kläger war zwar be­kannt, dass es ei­ne Ka­me­ra gab, die Bil­der vom Ein­gangs­be­reich der Towerkan­zel mach­te und die­se auf Bild­schir­men sicht­bar wa­ren. In der Towerkan­zel selbst war ein Bild­schirm vor­han­den. Wenn der Kläger in die­ser Kennt­nis jah­re­lang ar­bei­te­te, ist dar­in ei­ne Ein­wil­li­gung zu se­hen, dass von ihm durch die Ka­me­ra Bil­der ge­macht wur­den. We­der er noch die Be­klag­te wuss­ten al­ler­dings, dass teil­wei­se – aus­gelöst durch Be­we­gun­gen – Bil­dern mit der je­wei­li­gen Uhr­zeit ver­bun­den auf­ge­zeich­net wur­den. Das lag zwar nicht fern. In­so­fern kann aber nicht von ei­ner Ein­wil­li­gung des Klägers aus­ge­gan­gen wer­den.

bb) Der Ein­griff in das Persönlich­keits­recht des Klägers durch die Spei­che­rung der Bil­der ist al­ler­dings nicht schwer­wie­gend. Über die ihm be­kann­te un­mit­tel­ba­re Be­ob­ach­tungsmöglich­keit über den Bild­schirm be­stand sie nur dar­in, dass die Bil­der mit der Uhr­zeit ver­se­hen auf­ge­zeich­net wur­den. Es wur­den kei­ne Auf­nah­men von ihm über ei­nen länge­ren Zeit­raum und nicht bei der Ar­beit oder sons­ti­gen Ak­ti­vitäten ge­spei­chert, son­dern al­lein das kur­ze Bild beim Ver­las­sen oder Be­tre­ten der Towerkan­zel. Die Be­klag­te hat den Kläger auch nicht ge­zielt heim­lich be­ob­ach­ten las­sen. Nach­dem ei­ner ih­rer Wach­lei­ter zufällig von den Auf­zeich­nun­gen er­fuhr und dann der Ver­dacht auf­kam, dass es in den Nacht­schich­ten zu Un­re­gelmäßig­kei­ten ge­kom­men war, hat sie die Aus­wer­tung un­ter Be­tei­li­gung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glie­des

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vor­neh­men las­sen und dem Kläger die Möglich­keit ge­ge­ben, selbst die Auf­zeich­nun­gen an­zu­se­hen.

cc) Un­ter den ge­ge­be­nen Umständen war den In­ter­es­sen der Be­klag­ten an der Ver­wer­tung der zufällig be­kannt ge­wor­de­nen In­for­ma­tio­nen der Vor­rang zu ge­ben vor dem Schutz des Persönlich­keits­rechts des Klägers. Die Be­klag­te ist mit der Si­che­rung des Flug­ver­kehrs im öffent­li­chen In­ter­es­se be­auf­tragt. Da­zu gehört auch, dass Lot­sen­plätze im er­for­der­li­chen Um­fang be­setzt sind. Die­ser er­gibt sich aus den Dienst­an­wei­sun­gen. Wenn sie nur für be­stimm­te Zei­ten er­lau­ben, dass Ar­beitsplätze zu­sam­men­ge­legt und von ei­nem Lot­sen wahr­ge­nom­men wer­den, so wer­den da­mit nicht wirt­schaft­li­che In­ter­es­sen ver­folgt. Die Be­set­zung von zwei Lot­sen­plätzen während der Zeit bis 01:00 Uhr und ab 05:00 Uhr dient al­lein der Si­cher­heit des Luft­ver­kehrs. Wenn die Be­klag­te durch Zu­fall aus Vi­deo­auf­zeich­nun­gen er­fuhr, dass die­se Vor­schrif­ten nicht ein­ge­hal­ten wur­den, kann ihr nicht ver­wehrt wer­den, die­se In­for­ma­tio­nen zu ver­wer­ten.

c)
Die In­for­ma­tio­nen wur­den auch nicht un­ter Ver­s­toß ge­gen das Bun­des­da­ten­schutz­ge­setz er­langt. § 6 b BDSG fin­det kei­ne An­wen­dung, da die Ka­me­ra an der Tür der Towerkan­zel kei­ne öffent­lich zugäng­li­chen Räume be­ob­ach­tet hat, wie gemäß § 6 b BDSG er­for­der­lich, son­dern ein Be­reich über­wacht wur­de, der nur für ei­nen be­stimm­ten Per­so­nen­kreis zugäng­lich ist.

3.
a) Ei­ne er­heb­li­che und wie­der­hol­te Über­zie­hung von Pau­sen­zei­ten ist grundsätz­lich ge­eig­net ei­nen wich­ti­gen Grund für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung dar­zu­stel­len. Da­mit wird die Haupt­leis­tungs­pflicht aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­letzt.
Der Kläger hat sei­ne Pau­sen zwi­schen dem 27. Ju­li und dem 1. Sep­tem­ber 2009 in sie­ben Nacht­schich­ten und um je­weils et­wa 50 Mi­nu­ten aus­ge­dehnt.

Es han­delt sich so­mit nicht um ge­ringfügi­ge oder spo­ra­di­sche Über­schrei­tun­gen der Pau­sen­zei­ten, son­dern um re­gelmäßige und er­heb­li­che Verstöße.

b) Grundsätz­lich kann es auch ei­nen wich­ti­gen Grund dar­stel­len, wenn ein Ar­beit­neh­mer sei­ne An­we­sen­heit am Ar­beits­platz falsch do­ku­men­tiert. Ist dem Ar­beit­neh­mer der Nach­weis sei­ner An­we­sen­heit am Ar­beits­platz selbst über­las­sen, so stellt es ei­nen schwe­ren Ver­trau­ens­miss­brauch dar, wenn er dies nutzt, um die

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Wahr­neh­mung sei­ner Pflich­ten vor­zutäuschen (BAG vom 13. Au­gust 1987 AZR 629/86). Das ist ge­eig­net, als wich­ti­ger Grund ei­ne frist­lo­se Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Der Kläger hat hier in den oben ge­nann­ten Fällen sei­ner An­we­sen­heit am Ar­beits­platz durch un­zu­tref­fen­de Ein­tra­gun­gen in den Ar­beits­platz­nach­wei­sen vor­getäuscht.

c) Ins­be­son­de­re ist es als wich­ti­ger Grund ge­eig­net, wenn ein Flug­lot­se sei­nem Ar­beits­platz zu Zei­ten fern­bleibt, zu de­nen die­ser Ar­beits­platz von ihm zu be­set­zen ist. Da­mit verstößt er nicht nur ganz all­ge­mein ge­gen sei­ne Ver­trags­pflicht zur Ar­beits­leis­tung, son­dern ver­letzt da­mit die Si­che­rungs­auf­ga­ben, die ihm über­tra­ge­nen sind und den Kern sei­ner Auf­ga­ben bil­den. Hier hat der Kläger an den oben ge­nann­ten Ta­gen sei­nen Ar­beits­platz als zwei­ter Flug­lot­se während Zei­ten nicht be­setzt, zu de­nen ihm dies vor­ge­schrie­ben war. Da­mit hat er es ge­sche­hen las­sen, dass der Tower mit nur ei­nem Flug­lot­sen be­setzt war, ob­wohl - wie ihm be­kannt - ei­ne Be­set­zung mit zwei Flug­lot­sen vor­ge­schrie­ben war.

4.
Die wich­ti­gen Gründe recht­fer­ti­gen die frist­lo­se Kündi­gung bei Be­ach­tung al­ler Umstände des vor­lie­gen­den Fal­les und nach Abwägung der wi­der­strei­ten­den In­ter­es­sen. Als Re­ak­ti­on auf das Fehl­ver­hal­ten des Klägers hätte ei­ne Ab­mah­nung nicht aus­ge­reicht und der Be­klag­ten war ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­mut­bar.

a)
Bei der Prüfung, ob dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers trotz Vor­lie­gens ei­ner er­heb­li­chen Pflicht­ver­let­zun­gen je­den­falls bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist, muss das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der so­for­ti­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­gen das In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers an des­sen Fort­be­stand ab­ge­wo­gen wer­den (BAG vom 10. Ju­ni 2010 - 2 AZR 541/09). Es hat ei­ne Be­wer­tung des Ein­zel­falls un­ter Be­ach­tung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes zu er­fol­gen. Zu berück­sich­ti­gen sind re­gelmäßig das Ge­wicht und die Aus­wir­kung ei­ner Ver­trags­pflicht­ver­let­zung - et­wa im Hin­blick auf das Maß ei­nes durch sie be­wirk­ten Ver­trau­ens­ver­lus­tes - der Grad des Ver­schul­dens des Ar­beit­neh­mers, ei­ne mögli­che Wie­der­ho­lungs­ge­fahr so­wie die Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses und des­sen störungs­frei­er Ver­lauf.

aa) Die Ver­trags­ver­let­zun­gen des Klägers wie­gen schwer. Der Kläger hat nicht nur

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Be­klag­ten da­durch nicht ent­stan­den - son­dern er hat länge­re Zeit den Platz ei­nes Flug­lot­sen un­be­setzt ge­las­sen, während die­ser be­setzt sein muss­te. Die Vor­schrif­ten über die Be­set­zung der Lot­sen­ar­beitsplätze die­nen nicht den wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers, son­dern un­mit­tel­bar der Si­cher­heit des Luft­ver­kehrs. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ein­hal­tung der Be­set­zungs­vor­schrif­ten wich­tig sind für die Si­cher­heit des Luft­ver­kehrs und Ge­fah­ren ent­ste­hen können, wenn sie nicht ein­ge­hal­ten wer­den. Der Kläger hat mehr­fach fast ei­ne St­un­de sei­nen Ar­beits­platz un­be­setzt ge­las­sen al­lein um sei­ne Pau­se zu verlängern. Gründe außer dem, der ei­ge­nen Be­quem­lich­keit zu frönen sind nicht er­sicht­lich. Der Kläger hat da­mit in höchs­tem Maße un­ver­ant­wort­lich ge­han­delt und zwar aus nich­ti­gen Gründen.
Um dies zu ver­schlei­ern hat der Kläger Ar­beits­zeit­nach­wei­se falsch aus­gefüllt. Er hat da­durch nicht nur das in ihn ge­setz­te Ver­trau­en zerstört, son­dern auch die Ver­trau­enswürdig­keit der Be­klag­ten gefähr­det.

bb) Für das Be­stands­in­ter­es­se des Klägers sind ins­be­son­de­re der lan­ge Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers und sei­ne Un­ter­halts­ver­pflich­tun­gen zu berück­sich­ti­gen. Es kann da­bei da­hin­ste­hen, ob - die Le­bens­er­fah­rung außer Acht las­send - dann, wenn ein Vor­fall zeigt, dass das dem Ar­beit­neh­mer ent­ge­gen­ge­brach­te Ver­trau­en nicht be­rech­tigt war für die Ver­gan­gen­heit im­mer da­von aus­zu­ge­hen ist, dass er sich früher nichts zu Schul­den hat kom­men las­sen. Der Kläger mag auch des­halb ein be­son­de­res Be­stands­in­ter­es­se ha­ben, weil für den Be­ruf ei­nes Flug­lot­sen es in Deutsch­land kaum ei­nen an­de­ren Ar­beit­ge­ber gibt. Auch un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser In­ter­es­sen des Klägers über­wiegt aber das Be­en­di­gungs­in­ter­es­se der Be­klag­ten an­ge­sichts der wie­der­hol­ten schwer­wie­gen­den Ver­trags­ver­let­zun­gen des Klägers, die gleich­zei­tig zum Ver­lust des Ver­trau­ens in sei­ne Zu­verlässig­keit führ­ten.

b)
Ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung kommt nur in Be­tracht, wenn es kei­nen an­ge­mes­se­nen Weg gibt, das Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen, weil dem Ar­beit­ge­ber sämt­li­che mil­de­ren Re­ak­ti­onsmöglich­kei­ten un­zu­mut­bar sind. Mil­de­re Re­ak­tio­nen sind Ab­mah­nung und or­dent­li­che Kündi­gung, wenn sie ge­eig­net sind, den mit der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ver­folg­ten Zweck zu er­rei­chen (BAG a.a.O. mit wei­te­ren Nach­wei­sen). Ei­ne Ab­mah­nung be­darf es in An­se­hung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes nur dann nicht, wenn ei­ne Ver­hal­tensände­rung in Zu­kunft selbst nach Ab­mah­nung nicht zu er­war­ten steht oder es sich um ei­ne so schwe­re Pflicht­ver­let­zung han­delt, dass of­fen­sicht­lich - auch für den Ar­beit­neh­mer

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er­kenn­bar - aus­ge­schlos­sen ist, dass der Ar­beit­ge­ber sie hin­nimmt (st. Rsp. sie­he nur BAG a.a.O).


Ei­ne Ab­mah­nung war hier ent­behr­lich. Es han­del­te sich um der­art schwe­re Pflicht­ver­let­zun­gen, dass für den Kläger of­fen­sicht­lich war, dass der Ar­beit­ge­ber sie nicht hin­neh­men würde.

aa) Die Be­set­zung bei­der Lot­sen­ar­beitsplätze während der Zeit bis 1:00 Uhr nachts und ab 5:00 Uhr war in der Dienst­an­wei­sung vor­ge­schrie­ben. Sie dien­te da­zu den Luft­ver­kehr zu si­chern - Kern und al­lei­ni­ge Auf­ga­be des Klägers. Die An­wei­sung, die zweistündi­ge Pau­se al­lein in der Zeit zwi­schen 1:00 Uhr und 5:00 Uhr nachts ab­zu­wi­ckeln ver­deut­lich­te, dass außer­halb die­ser Zeit zwei Lot­sen im Tower Dienst tun muss­ten. Es ist nichts dafür er­sicht­lich und nichts dafür vor­ge­tra­gen, dass es sich da­bei um ei­ne überflüssi­ge durch Si­cher­heits­er­for­der­nis­se nicht ge­bo­te­ne Re­ge­lung han­del­te. Wei­ter­hin war vor­ge­schrie­ben, dass die Lot­sen persönlich die Über­nah­me der Ar­beitsplätze do­ku­men­tier­ten. Ge­ra­de der Um­stand, dass die­se Ar­beits­platz­nach­wei­se nicht in ers­ter Li­nie der Er­fas­sung von Ar­beits­zeit, son­dern dem Nach­weis der Be­set­zung der Lot­sen­ar­beitsplätze dien­ten mach­te klar, dass die Be­set­zung der Ar­beitsplätze während der vor­ge­schrie­be­nen Zei­ten über­ra­gen­de Be­deu­tung hat­te. Auch für den Kläger war of­fen­sicht­lich, dass die Be­klag­te die Nicht­be­set­zung des Ar­beits­plat­zes nicht hin­neh­men würde und nicht hin­neh­men konn­te.

bb) In­dem der Kläger die­se Ar­beits­platz­nach­wei­se un­rich­tig ausfüll­te ver­stieß der Kläger ge­gen die ent­spre­chen­de An­ord­nung und täusch­te da­durch die Be­klag­te über die Be­set­zung sei­nes Ar­beits­plat­zes. Es war of­fen­sicht­lich - und für den Kläger er­kenn­bar - aus­ge­schlos­sen, dass die Be­klag­te dies hin­nimmt. Es han­delt sich um ei­nen schwer­wie­gen­den Ver­trau­ens­bruch, der nicht nur das In­ter­es­se der Be­klag­ten am ord­nungs­gemäßen Er­brin­gen der Ar­beits­leis­tung be­trifft, son­dern de­ren Exis­tenz­grund­la­ge und das Ver­trau­en in die ord­nungs­gemäße Ab­wick­lung ih­res Si­che­rungs­auf­tra­ges.

cc) Durch die Un­ter­rich­tun­gen ih­rer Mit­ar­bei­ter, auch des Klägers, über den Vor­fall am Frank­fur­ter Flug­ha­fen hat­te die Be­klag­te auch deut­lich ge­macht, dass sie Verstöße ge­gen die Be­set­zungs­an­ord­nun­gen äußerst ernst nahm. Es kommt da­bei nicht dar­auf an, ob bei die­ser Ge­le­gen­heit auch dar­auf­hin­ge­wie­sen wur­de, dass ei­ne Kündi­gung als Fol­ge für Verstöße dro­he. Be­kannt war, dass be­trof­fe­ne Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten sus­pen­diert wa­ren. Je­den­falls hat die Be­klag­te, wie der Zeu­ge B glaub­haft be­kun­det

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hat, auch den Kläger noch­mals dar­an er­in­nert, die Ablösung und Do­ku­men­ta­tio­nen kor­rekt vor­zu­neh­men. Der Kläger konn­te nicht da­mit rech­nen, dass die Be­klag­te sich da­nach bei vor­schrifts­wid­ri­ger Ab­we­sen­heit vom Ar­beits­platz und fal­scher Do­ku­men­ta­ti­on wei­ter­hin mit ei­ner Er­in­ne­rung oder Ab­mah­nung be­gnügen würde.

dd) Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass die Be­klag­te hin­sicht­lich der Nürn­ber­ger Kol­le­gen des Klägers mit Ab­mah­nun­gen be­gnügt hat, ob­wohl die­se gleich­ar­ti­ge Pflicht­verstöße be­gan­gen ha­ben. Dar­aus er­gibt sich kei­nes­wegs, dass die Be­klag­te selbst die­se Art von Pflicht­verstößen für we­nig schwer wie­gend hiel­te.

Zu Recht hat die Be­klag­te dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie bei ei­ner Kündi­gung sämt­li­cher Be­trof­fe­nen die Flug­si­che­rung in Nürn­berg für un­be­stimm­te Zeit hätte ein­stel­len oder auf ein Mi­ni­mum re­du­zie­ren müssen. Wenn die Be­klag­te des­halb dar­auf ver­zich­te­te, in je­dem Fall ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung aus­zu­spre­chen er­gibt sich dar­aus kei­nes­wegs, dass sie selbst ei­ne Ab­mah­nung als genügen­de Re­ak­ti­on ansähe.

Ent­schei­dend ist aber, dass der Kläger und sein Kol­le­ge, den eben­falls außer­or­dent­lich gekündigt wur­de, im Ge­gen­satz zu ih­ren Kol­le­gen ih­re Pflicht­verstöße in glei­chem oder erhöhten Um­fang fort­ge­setzt ha­ben, nach­dem im Zu­sam­men­hang mit den Frank­fur­ter Vorfällen an die Ein­hal­tung der Vor­schrif­ten er­in­nert wur­de. So­weit sich an­de­re Kol­le­gen da­nach noch un­kor­rekt ver­hiel­ten ge­schah dies nur noch im ge­ringfügi­gen Um­fang und in kei­nem Fall wur­de die Pau­se so­lan­ge über­zo­gen, wie dies der Kläger da­nach noch re­gelmäßig tat.
Die Be­klag­te hat nach sach­li­chen Ge­sichts­punk­ten dif­fe­ren­ziert.

ee) Auf das Vor­ge­hen der Be­klag­ten hin­sicht­lich des Frank­fur­ter Vor­falls wo es nicht zu Kündi­gun­gen kam - kann sich der Kläger nicht be­ru­fen. Es han­del­te es sich um ein ein­ma­li­ges Vor­komm­nis, das so­weit er­sicht­lich nicht ver­gleich­bar ist. Je­den­falls hat die Be­klag­te dort nicht le­dig­lich mit ei­ner Ab­mah­nung re­agiert, son­dern es kam zu zu­min­dest zeit­wei­sen Ent­fer­nun­gen aus dem Lot­sen­dienst.

d)Der Be­klag­ten war es un­zu­mut­bar, den Kläger auch nur bis zum Ab­lauf ei­ner Aus­lauf­frist wei­ter zu beschäfti­gen. Für die Beschäfti­gung ei­nes Flug­lot­sen ist das Ver­trau­en in sei­ne Zu­verlässig­keit un­ab­ding­bar. Die Be­klag­te muss dar­auf ver­trau­en können, dass ein Flug­lot­se sei­nen Ar­beits­platz ent­spre­chend den Vor­schrif­ten wahr­nimmt und dies zu­tref­fend do­ku­men­tiert. Dies gilt ins­be­son­de­re während der
 


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Nacht­schich­ten, in de­nen ei­ne Kon­trol­le der bei­den Dienst­tu­en­den fak­tisch entfällt. Die­ses Ver­trau­en ist nach den fort­ge­setz­ten Täuschun­gen des Klägers über sei­ne An­we­sen­heit am Ar­beits­platz ver­lo­ren ge­gan­gen.

5.
Die Be­klag­te hat auch die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ein­ge­hal­ten. Als frühes­ter Zeit­punkt ei­ner Kennt­nis der Be­klag­ten kommt über­haupt der 3. Sep­tem­ber 2009 in Be­tracht, als der Zeu­ge Mey­er zu­sam­men mit dem Zeu­gen Günter die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen aus­wer­te­te. Al­ler­dings durf­te die Be­klag­te da­nach die Aus­wer­tung am 4. Sep­tem­ber 2009 so­wie ei­ne Stel­lung­nah­me der Be­trof­fe­nen ab­war­ten. Die Kündi­gun­gen am 16. Sep­tem­ber 2009 er­folg­te dem­gemäß frist­ge­recht.

II.
Die Kündi­gung ist nicht un­wirk­sam we­gen Ver­s­toßes ge­gen die Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung "Ver­ar­bei­tung und Aus­wer­tung von Da­ten durch tech­ni­sche Sys­te­me" vom 1. Ok­to­ber 2008. Al­ler­dings sind nach de­ren § 3 Abs. 2 ar­beits­recht­li­che Maßnah­men un­wirk­sam, die auf ei­ne un­zulässi­ge Da­ten­aus­wer­tung zurück­zuführen sind. Die Kündi­gung ist auf ei­ne Da­ten­aus­wer­tung zurück­zuführen. Ob die­se al­ler­dings in dem Sin­ne un­zulässig war, dass die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen über­haupt den Gel­tungs­be­reich die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung un­ter­fie­len kann da­hin­ste­hen.
Je­den­falls ist die­se Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung un­wirk­sam. Die Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung wur­de vom Ge­samt­be­triebs­rat ab­ge­schlos­sen oh­ne dass die­ser vom zuständi­gen Be­triebs­rat da­mit be­auf­tragt wor­den wäre. Ei­ne ori­ginäre Zuständig­keit kam ihm aber nicht zu für sämt­li­che von der Be­klag­ten ge­nutz­ten tech­ni­schen Sys­te­me. Ins­be­son­de­re war kei­ne Zuständig­keit für das am Flug­ha­fen Nürn­berg in­stal­lier­te Vi­deo­auf­zeich­nungs­sys­tem ge­ge­ben. Die­ses Sys­tem wur­de nur in Nürn­berg, den Zuständig­keits­be­reich des dor­ti­gen Be­triebs­rats ge­nutzt. Es han­del­te sich da­mit schon um kei­ne An­ge­le­gen­heit, die das Ge­samt­un­ter­neh­men oder meh­re­re Be­trie­be be­trof­fen hätte wie § 50 Abs. 1 Be­trVG für die Zuständig­keit des Ge­samt­be­triebs­rats for­dert (ver­glei­che nur BAG vom 14. No­vem­ber 2006 - 1 ABR 4/06 - NZA 2007,399).

III.
Die Kündi­gung ist auch nicht un­wirk­sam gemäß § 102 Abs. 1 Be­trVG. Die Be­klag­te hat den Be­triebs­rat ord­nungs­gemäß an­gehört. Sie hat dem Be­triebs­rat mit ih­rem Anhörungs­schrei­ben vom 10. Sep­tem­ber 2009 die Kündi­gungs­gründe im Ein­zel­nen mit­ge­teilt. Ein Man­gel der Anhörung kann sich ent­ge­gen der An­sicht des Klägers auch

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nicht dar­aus ge­ge­ben, dass die Be­klag­te dem Be­triebs­rat nicht die Dif­fe­ren­zie­rungs­gründe mit­ge­teilt ha­be, aus de­nen ihm im Ge­gen­satz zu an­de­ren be­trof­fe­nen Flug­lot­sen gekündigt wur­de wie er be­haup­tet.


1.
Die Be­klag­te hat den Be­triebs­rat al­le Tat­sa­chen mit­ge­teilt, auf die sie ih­re Kündi­gung stützen will. Das genügt. Tat­sa­chen, die sie dem Be­triebs­rat nicht mit­teilt, kann sie auch nicht im Kündi­gungs­schutz­pro­zess ver­wen­den. Im Kündi­gungs­schutz­pro­zess hat die Be­klag­te nur die dem Be­triebs­rat mit­ge­teil­ten Tat­sa­chen ver­wen­det.


2.
Al­ler­dings kann es zu ei­ner ord­nungs­gemäßen Anhörung des Be­triebs­rats gehören, ihm auch ent­las­ten­de Umstände mit­zu­tei­len. Das könn­te hier das gleich­ar­ti­ge Ver­hal­ten von Kol­le­gen sein. Auch die­ses hat die Be­klag­te dem Be­triebs­rat mit­ge­teilt, in­dem sie die­sem die ge­sam­ten Aus­wer­tun­gen der Vi­deo­auf­zeich­nun­gen und Ar­beits­zeit­nach­wei­se zur Verfügung stell­te.


3.
Die Be­klag­te hat den Be­triebs­rat nicht wis­sent­lich falsch in­for­miert. Al­ler­dings enthält die Anhörung den Satz, dass al­le an­de­ren Mit­ar­bei­ter - bis auf den eben­falls gekündig­ten Kol­le­gen - "seit dem Brie­fing vom 17. Au­gust 2009 kei­ne Pau­senüber­schrei­tun­gen mehr vor­ge­nom­me­nen" hätten, ob­wohl auch da­nach noch Kol­le­gen in ge­rin­gem Um­fang ih­re Pau­sen falsch do­ku­men­tiert und über­schrit­ten hat­ten. Ge­meint war of­fen­sicht­lich, dass die an­de­ren Mit­ar­bei­ter kei­ne we­sent­li­chen Pau­senüber­schrei­tun­gen mehr vor­nah­men Aus den dem Be­triebs­rat über­las­se­nen Aus­wer­tun­gen ging her­vor, dass und in wel­chem Um­fang an­de­re Lot­sen die Pau­sen über­schrit­ten hat­ten. Die Be­klag­te hat­te den Be­triebs­rat mit­hin auch darüber in­for­miert.

4.
Wei­ter ist die Kam­mer der Über­zeu­gung, dass der Be­triebs­rat von der Be­klag­ten darüber in­for­miert wor­den war, dass die Be­klag­te dif­fe­ren­zier­te zwi­schen drei Grup­pen, und zwar ei­ner Grup­pe von Flug­lot­sen, die in ge­rin­ge­rem Um­fang im Mi­nu­ten­be­reich die an­ge­ge­be­ne Ar­beits­zeit nicht ein­ge­hal­ten hat­te, ei­ne an­de­re Grup­pe, die in er­heb­li­chem Um­fang die an­ge­ge­be­ne Ar­beits­zeit nicht ein­ge­hal­ten hat­te, dies Ver­hal­ten aber nach den Brie­fing vom 17. Au­gust 2009 verändert hat­te und eben je­nen, die ihr Ver­hal­ten nach den Brie­fing fort­ge­setzt hat­ten, nämlich dem Kläger und dem an­dern gekündig­ten Kol­le­gen.

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Die Zeu­gin D hat be­kun­det, dass sie in die­se Dif­fe­ren­zie­run­gen zunächst dem Zeu­gen E, dem stell­ver­tre­ten­den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und noch vor der Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats auch dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den I mit­teil­te. Die Aus­sa­ge der Zeu­gin ist glaub­haft und glaubwürdig. Es be­steht kein vernünf­ti­ger Grund, an ih­rer Rich­tig­keit zu zwei­feln.

Sol­che Zwei­fel er­ge­ben sich auch nicht dar­aus, dass die Zeu­gen E und I als ih­re Gesprächs­part­ner dies nicht bestätigt ha­ben. Der Zeu­ge E hat nur be­kun­det, dass die Zeu­gin D mit ihm nicht über die be­ab­sich­tig­te Kündi­gung von zwei Flug­lot­sen ge­spro­chen ha­be und er nicht mehr da ge­we­sen sei als die schrift­li­che Anhörung er­folg­te. Das steht nicht not­wen­dig im Wi­der­spruch zur Aus­sa­ge der Zeu­gin D. Bei die­sem Zeu­gen war im Übri­gen deut­lich er­kenn­bar, dass die­ser bei sei­ner Aus­sa­ge ver­mei­den woll­te, als an der Kündi­gung be­tei­ligt da­zu­ste­hen.

So­weit der Zeu­ge I be­strit­ten hat, dass ihm die von der Zeu­gin D be­kun­de­te Dif­fe­ren­zie­run­gen mit­ge­teilt wor­den sei und ihm nicht erläutert wor­den sei, wie so der Kläger und sein Kol­le­ge ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung und nicht nur ei­ne Ab­mah­nung er­hiel­ten er­scheint das nicht glaub­haft. Ein Gespräch hin­sicht­lich der Kündi­gun­gen fand nach bei­der Aus­sa­gen vor der Sit­zung und der Stel­lung­nah­me des Be­triebs­rats statt. Zu die­ser Zeit war auf­grund der geführ­ten Gespräche mit al­len be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­tern be­kannt, dass durch die Vi­deo­auf­zeich­nun­gen her­aus­ge­kom­men war, dass fast al­le Lot­sen ih­re Pau­sen über­schrit­ten hat­ten. Wenn nun nur zwei von ih­nen gekündigt wer­den soll­te er­scheint es höchst un­wahr­schein­lich, dass kein Wort darüber ge­fal­len sein soll­te, wie­so aus­ge­rech­net die­sen bei­den. Es war deut­lich er­kenn­bar, dass der Zeu­ge I be­strebt war, dem Kläger zu hel­fen. Er hat deut­lich ge­macht, dass er die Kündi­gung nicht nur für un­ge­recht­fer­tigt hielt: er hat zum Aus­druck ge­bracht, dass er persönlich des­sen Ver­hal­ten bil­lig­te und kein Verständ­nis für das Vor­ge­hen der Sta­ti­ons­lei­te­rin auf­brach­te. Un­ter die­sen Umständen kann sei­ner Aus­sa­ge die Glaubwürdig­keit der Aus­sa­ge der Zeu­gin D nicht erschüttern, die stets sach­li­che und präzi­se Tat­sa­chen be­kun­de­te.

B.
Der Kläger hat gem. § 630 BGB An­spruch auf ein qua­li­fi­zier­tes Zeug­nis.

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C.
Die Kos­ten hat der Kläger gem. § 91Abs.1 ZPO in Ver­bin­dung mit § 92 Abs.2 ZPO in vol­lem Um­fang zu tra­gen, da sein Ob­sie­gen mit der nicht um­strit­te­nen For­de­rung nach ei­nem qua­li­fi­zier­ten Zeug­nis nur verhält­nismäßig ge­ringfügig war.


D.
Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on war nicht ge­bo­ten.

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