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ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/370

LAG Köln: Bei Zah­lungs­ver­zug wer­den 40,00 EUR fäl­lig

Ar­beit­neh­mer kön­nen bei ver­spä­te­ter Lohn­zah­lung die Ver­zugs­scha­den-Pau­scha­le ge­mäß § 288 Abs.5 BGB ver­lan­gen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Ur­teil vom 22.11.2016, 12 Sa 524/16
Münzen, Münzhaufen

05.12.2016. Ge­rät der Ar­beit­ge­ber in Ver­zug mit der Lohn- bzw. Ge­halts­zah­lung, muss er Ver­zugs­zin­sen zah­len. Die­se be­tra­gen fünf Pro­zent­punk­te über dem Ba­sis­zins­satz pro Jahr, was bei eher ge­rin­gen Lohn­for­de­run­gen und/oder kur­zer zeit­li­cher Ver­zö­ge­rung zu eher sym­bo­li­schen Zins­an­sprü­chen führt.

At­trak­ti­ver ist da oft die Ver­zugs­kau­scha­le von 40,00 EUR, die der Schuld­ner ei­ner Geld­for­de­rung ge­mäß § 288 Abs.5 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) an den Gläu­bi­ger be­rap­pen muss, so­bald Ver­zug ein­ge­tre­ten ist.

In ei­nem vor zwei Wo­chen er­gan­ge­nen Ur­teil hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln ent­schie­den, dass die­se Vor­schrift auch zu­guns­ten von Ar­beit­neh­mern gilt: LAG Köln, Ur­teil vom 22.11.2016, 12 Sa 524/16 (Pres­se­mel­dung des Ge­richts).

Gilt die Ver­zugs­kos­ten­pau­scha­le von 40,00 EUR gemäß § 288 Abs.5 BGB auch für Ar­beits­verträge?

Durch das Ge­setz zur Bekämp­fung von Zah­lungs­ver­zug im Geschäfts­ver­kehr vom 22.07.2014 wur­de ei­ne neue Vor­schrift in das BGB ein­gefügt, die dem In­ha­ber ei­ner Geld­for­de­rung ("Gläubi­ger") ge­genüber dem Zah­lungs­pflich­ti­gen ("Schuld­ner") ei­nen pau­scha­len An­spruch auf 40,00 EUR einräumt, falls der Schuld­ner in Ver­zug ist. Der zah­lungs­pflich­ti­ge Schuld­ner muss ein Un­ter­neh­mer sein, d.h. in Zah­lungsrück­stand ge­ra­te­ne Ver­brau­cher müssen die Ver­zugs­kos­ten­pau­scha­le nicht be­zah­len (können sie aber ver­lan­gen).

Die Ver­zugs­kos­ten­pau­scha­le von 40,00 EUR ist auf die Kos­ten der Rechts­ver­fol­gung an­zu­rech­nen, al­so z.B. auf An­walts- und In­kas­so­kos­ten, die dem Gläubi­ger auf­grund des Ver­zugs ent­ste­hen. § 288 Abs.5 BGB gilt gemäß § 34 des Art.229 Einführungs­ge­setz­buch zum BGB (EGBGB) für Verträge, die ab dem 29.07.2014 ab­ge­schlos­sen sind und ab dem 01.07.2016 auch für da­vor ab­ge­schlos­se­ne Verträge ("Alt­verträge"). § 288 Abs.5 BGB lau­tet:

"Der Gläubi­ger ei­ner Ent­gelt­for­de­rung hat bei Ver­zug des Schuld­ners, wenn die­ser kein Ver­brau­cher ist, außer­dem ei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner Pau­scha­le in Höhe von 40 Eu­ro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Ent­gelt­for­de­rung um ei­ne Ab­schlags­zah­lung oder sons­ti­ge Ra­ten­zah­lung han­delt. Die Pau­scha­le nach Satz 1 ist auf ei­nen ge­schul­de­ten Scha­dens­er­satz an­zu­rech­nen, so­weit der Scha­den in Kos­ten der Rechts­ver­fol­gung be­gründet ist."

Liest man die­se Vor­schrift, würde man den­ken, dass Ar­beit­neh­mer (als Gläubi­ger ei­ner Lohn­for­de­rung) spätes­tens ab dem 01.07.2016 ei­ne Pau­scha­le von 40,00 EUR ver­lan­gen können, wenn ihr Ar­beit­ge­ber (als Schuld­ner der Lohn­for­de­rung) mit der Lohn­zah­lung in Ver­zug ge­ra­ten ist. Ei­ne Mah­nung ist als Vor­aus­set­zung für den Lohn­ver­zug prak­tisch nie er­for­der­lich, da die Fällig­keit der Lohn­for­de­rung durch Ta­rif- oder Ar­beits­ver­trag (letz­ter oder 15. des Ab­rech­nungs­mo­nats, 10. oder 15. des Fol­ge­mo­nats) oder durch das Ge­setz (1. des Fol­ge­mo­nats) ein­deu­tig fest­ge­legt ist, und in sol­chen Fällen ist ei­ne Mah­nung nicht nötig, um den Ver­zug her­bei­zuführen (§ 286 Abs.2 Nr.1 BGB).

So ein­deu­tig ist die An­wend­bar­keit der neu­en Re­ge­lung des § 288 Abs.5 BGB auf Ar­beits­verträge aber nicht. Denn die 40,00 EUR sind of­fen­bar als (Min­dest-)Pau­scha­le für die Kos­ten der Rechts­ver­fol­gung ge­dacht, die dem Gläubi­ger bei der Bei­trei­bung sei­ner For­de­rung ent­ste­hen; das kann man aus der An­rech­nungs­vor­schrift ent­neh­men (§ 288 Abs.5 Satz 3 BGB). Im Ar­beits­recht gilt hier aber ei­ne kos­ten­recht­li­che Son­der­re­ge­lung, nämlich § 12a Abs.1 Satz 1 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG), der zu­fol­ge je­de Par­tei ei­nes nor­ma­len Pro­zes­ses vor dem Ar­beits­ge­richt ("Ur­teils­ver­fah­ren") ih­re An­walts­kos­ten selbst trägt, auch wenn sie ge­winnt.

Die­se Vor­schrift soll Ar­beit­neh­mer vor Pro­zess­kos­ten­ri­si­ken schützen, wirkt sich aber ge­gen sie aus, wenn sie ei­nen Pro­zess wie z.B. ei­ne Lohn­kla­ge ge­win­nen. § 12a Abs.1 Satz 1 ArbGG lau­tet:

"In Ur­teils­ver­fah­ren des ers­ten Rechts­zugs be­steht kein An­spruch der ob­sie­gen­den Par­tei auf Entschädi­gung we­gen Zeit­versäum­nis und auf Er­stat­tung der Kos­ten für die Zu­zie­hung ei­nes Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten oder Bei­stands."

Die­se Re­ge­lung gilt zwar un­mit­tel­bar nur für den Fall ei­nes Ge­richts­ver­fah­rens, doch ist sie nach der Recht­spre­chung auch auf die Si­tua­ti­on vor ei­nem Kla­ge­ver­fah­ren an­zu­wen­den. For­dert al­so z.B. ein Ar­beit­ge­ber­an­walt ei­nen Ar­beit­neh­mer zur Ar­beit auf oder ein Ar­beit­neh­mer­an­walt den Ar­beit­ge­ber zur Lohn­zah­lung, muss der Empfänger ei­nes sol­chen an­walt­li­chen Mahn­schrei­bens die dafür an­ge­fal­le­nen An­walts­kos­ten der Ge­gen­par­tei nicht er­stat­ten.

Vor die­sem Hin­ter­grund fragt sich, wel­che Re­ge­lung im Ar­beits­ver­trags­recht vor­geht: § 12a Abs.1 Satz 1 ArbGG bzw. die dar­aus ge­zo­ge­ne Schluss­fol­ge­rung, dass die Kos­ten für außer­ge­richt­li­che an­walt­li­che Mahn­schrei­ben nicht er­stat­tungsfähig sind, oder die neue Re­ge­lung über die Ver­zugs­kos­ten­pau­scha­le, d.h. § 288 Abs.5 BGB.

LAG Köln: Ar­beit­neh­mer können bei ver­späte­ter Lohn­zah­lung die Ver­zugs­scha­den-Pau­scha­le gemäß § 288 Abs.5 BGB ver­lan­gen

In dem vom LAG Köln ent­schie­de­nen Fall kam das LAG zu dem Er­geb­nis, dass der säum­i­ge Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer die Ver­zugs­kos­ten­pau­scha­le von 40,00 EUR zah­len muss. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung fin­den sich kei­ne Hin­wei­se zu dem ent­schie­de­nen Streit­fall, dafür aber zu den ju­ris­ti­schen Über­le­gun­gen des Ge­richts:

Nach An­sicht der Kölner Rich­ter gilt bei der An­wen­dung des § 288 Abs.5 BGB kei­ne "Be­reichs­aus­nah­me für das Ar­beits­recht". Viel­mehr wer­den mit der um­strit­te­nen Pau­scha­le die ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen zum Ver­zugs­zins er­wei­tert, so das LAG Köln, und der Ver­zugs­zins ist ja auch auf rückständi­ge Lohn­for­de­run­gen zu zah­len.

Außer­dem ver­folgt die Neu­re­ge­lung den Zweck, den Druck auf den Schuld­ner aus­zuüben und ihn zur pünkt­li­chen und vollständi­gen Zah­lung an­zu­hal­ten, und die­ser Zweck ist nach Mei­nung des LAG Köln auch im Ar­beits­recht sinn­voll. Denn es gibt ge­nug Ar­beit­neh­mer, die ih­ren Lohn unpünkt­lich oder un­vollständig er­hal­ten.

Da die An­wend­bar­keit von § 288 Abs.5 BGB auf Ar­beits­verträge grundsätz­li­che Be­deu­tung hat, hat das LAG die Re­vi­si­on zum BAG zu­ge­las­sen. Vor­aus­sicht­lich wird da­her das BAG die­se Streit­fra­ge in der nächs­ten Zeit ent­schei­den.

Fa­zit: Das LAG Köln ist nicht das ers­te LAG, das § 288 Abs.5 BGB bei Lohn­ver­zug zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers an­wen­det. In die­sem Sin­ne hat­te vor ei­ni­gen Wo­chen be­reits die drit­te Kam­mer des LAG Ba­den-Würt­tem­berg ent­schie­den (LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 13.10.2016, 3 Sa 34/16). Vor­aus­sicht­lich wird sich auch das BAG die­ser Li­nie an­sch­ließen, denn im Verhält­nis von § 12a Abs.1 Satz 1 ArbGG zu § 288 Abs.5 BGB ist § 288 Abs.5 BGB die spe­zi­el­le­re und neue­re Vor­schrift und geht da­her vor.

Ar­beit­neh­mern und ih­ren Anwälten ist da­her zu ra­ten, bei Lohn­kla­gen nicht nur Ver­zugs­zin­sen ein­zu­kla­gen, son­dern auch je­weils 40,00 EUR für je­de ein­zel­ne rückständi­ge For­de­rung.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Veröffent­li­chung die­ses Ar­ti­kels, hat das LAG Köln sei­ne Ent­schei­dungs­grün­de ver­öf­fent­licht. Das voll­stän­dig be­grün­de­te Ur­teil fin­den Sie hier:

Hin­weis: Im Sep­tem­ber 2018, d.h. nach Veröffent­li­chung die­ses Ar­ti­kels, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) die Streit­fra­ge in dem Sin­ne ent­schie­den, dass Ar­beit­neh­mer die 40-Eu­ro-Pau­scha­le nicht be­an­spru­chen können, wenn der Ar­beit­ge­ber im Zah­lungs­ver­zug ist. Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu dem BAG-Ur­teil fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 19. Mai 2019

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