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ArbG Ver­den, Be­schluss vom 06.05.2014, 1 Ca 35/13

   
Schlagworte: Massenentlassungsanzeige, Geschäftsführer: Massenentlassungsanzeige
   
Gericht: Arbeitsgericht Verden
Aktenzeichen: 1 Ca 35/13
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 06.05.2014
   
Leitsätze:

I. Der Rechtsstreit wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Artikel 267 AEUV folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist das einschlägige Unionsrecht, insbesondere Art. 1 Abs. 1 a) der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen, dahin auszulegen, dass es nationalen gesetzlichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, die bei der in dieser Vorschrift vorgesehenen Berechnung der Beschäftigtenzahl ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft unberücksichtigt lassen, auch wenn es seine Tätigkeit nach Weisung und Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt, als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält und selbst keine Anteile an der Gesellschaft besitzt?

2. Ist das einschlägige Unionsrecht, insbesondere Art. 1 Abs. 1 a) der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen, dahin auszulegen, dass es zwingend vorgibt, dass bei der in dieser Vorschrift vorgesehenen Berechnung der Beschäftigtenzahl als Arbeitnehmer auch diejenigen Personen mitzuzählen sind, die ohne Vergütung durch den Arbeitgeber, jedoch finanziell gefördert und anerkannt durch die für Arbeitsförderung zuständigen öffentlichen Stellen, praktisch mitarbeiten, um Kenntnisse zu erwerben oder zu vertiefen oder eine Berufsausbildung zu absolvieren („Praktikant“), oder bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, hierüber nationale gesetzliche Bestimmungen oder Gepflogenheiten aufzustellen?

Vorinstanzen:
   

AR­BEITS­GERICHT VER­DEN

BESCHLUSS

1 Ca 35/13


In dem Rechts­streit

En­der Bal­ka­ya …

Kläger,

Proz.-Bev.: …

ge­gen

K …

Be­klag­te,

Proz.-Bev.: …

I. Der Rechts­streit wird aus­ge­setzt.

II. Dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on wer­den gemäß Ar­ti­kel 267 AEUV fol­gen­de Fra­gen vor­ge­legt:

1. Ist das ein­schlägi­ge Uni­ons­recht, ins­be­son­de­re Art. 1 Abs. 1 a) der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen, da­hin aus­zu­le­gen, dass es na­tio­na­len ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, die bei der in die­ser Vor­schrift vor­ge­se­he­nen Be­rech­nung der Beschäftig­ten­zahl ein Mit­glied der Un­ter­neh­mens­lei­tung ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft un­berück­sich­tigt las­sen, auch wenn es sei­ne Tätig­keit nach Wei­sung und Auf­sicht ei­nes an­de­ren Or­gans die­ser Ge­sell­schaft ausübt, als Ge­gen­leis­tung für die Tätig­keit ein Ent­gelt erhält und selbst kei­ne An­tei­le an der Ge­sell­schaft be­sitzt?

2. Ist das ein­schlägi­ge Uni­ons­recht, ins­be­son­de­re Art. 1 Abs. 1 a) der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen, da­hin aus­zu­le­gen, dass es zwin­gend vor­gibt, dass bei der in die­ser Vor­schrift vor­ge­se­he­nen Be­rech­nung der Beschäftig­ten­zahl als Ar­beit­neh­mer auch die­je­ni­gen Per­so­nen mit­zuzählen sind, die oh­ne Vergütung durch den Ar­beit­ge­ber, je­doch fi­nan­zi­ell gefördert und an­er­kannt durch die für Ar­beitsförde­rung zuständi­gen öffent­li­chen Stel­len, prak­tisch mit­ar­bei­ten, um Kennt­nis­se zu er­wer­ben oder zu ver­tie­fen oder ei­ne Be­rufs­aus­bil­dung zu ab­sol­vie­ren („Prak­ti­kant“), oder bleibt es den Mit­glied­staa­ten über­las­sen, hierüber na­tio­na­le ge­setz­li­che Be­stim­mun­gen oder Ge­pflo­gen­hei­ten auf­zu­stel­len?

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Gründe:

1. Sach­ver­halt des Aus­gangs­ver­fah­rens

Die Par­tei­en strei­ten um die Rechtmäßig­keit ei­ner auf­grund ei­ner Be­triebs­stil­le­gung aus­ge­spro­che­nen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung und in die­sem Zu­sam­men­hang vor al­lem um die Fra­ge, ob die Be­klag­te vor Aus­spruch der Kündi­gung ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit hätte er­stat­ten müssen.

Der Kläger war seit dem 1.4.2011 bei der Be­klag­ten als Ser­vice­tech­ni­ker im In­nen- und Außen­dienst beschäftigt.

Am 14.12.2012 und so­dann noch­mals am 3.1.2013 tra­fen die Ge­sell­schaf­te­rin der Be­klag­ten und de­ren Geschäftsführer K. die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung, den Geschäfts­be­trieb der Be­klag­ten zum 15.2.2013 vollständig still­zu­le­gen. Die­ser Ent­schei­dung lag zu­grun­de, dass die Be­klag­te nach­hal­tig Ver­lus­te er­zielt hat­te.

In Um­set­zung ih­rer un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung be­en­de­te die Be­klag­te sämt­li­che Ar­beits­verhält­nis­se und stell­te ih­ren Geschäfts­be­trieb in A. zum 15.2.2013 ein.

Das mit dem Kläger be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis hat die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 7.1.2013 (Bl. 13 d.A.) zum 15.2.2013 gekündigt. Ge­gen die­se Kündi­gung wehrt sich der Kläger.

Ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit hat die Be­klag­te vor Aus­spruch der Kündi­gung nicht er­stat­tet.

Bei der Be­klag­ten wa­ren zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der Kündi­gung un­strei­tig je­den­falls 18 Ar­beit­neh­mer - un­ter Ein­schluss des Klägers - beschäftigt.

Darüber hin­aus beschäftig­te die Be­klag­te als Kon­struk­teur den Mit­ar­bei­ter C.S., der nach Ei­genkündi­gung mit Wir­kung zum 7.12.2012 aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schied.

Des Wei­te­ren beschäftig­te die Be­klag­te zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der streit­ge­genständ­li­chen Kündi­gung Herrn L. als Geschäftsführer. Herr L. hielt kei­ne Geschäfts­an­tei­le an der Be­klag­ten und war zur Ver­tre­tung der Be­klag­ten nur ge­mein­schaft­lich mit ei­nem an­de­ren Geschäftsführer be­rech­tigt.

Sch­ließlich war bei der Be­klag­ten zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der Kündi­gung Frau P.S. tätig. Frau S. durch­lief bei der Be­klag­ten ei­ne Um­schu­lungs­maßnah­me zur Büro­kauf­frau, die vom Job­cen­ter im Land­kreis Die­p­holz gefördert wur­de. Der Höhe nach be­lief sich die Förde­rung auf die ge­sam­te an Frau S. zu leis­ten­de Aus­bil­dungs­vergütung. Die­se kam un­mit­tel­bar durch die Bun­des­agen­tur für Ar­beit an Frau S. zur Aus­zah­lung. Die Be­klag­te selbst er­brach­te kei­ne Zah­lun­gen an Frau S. Die ge­plan­te Maßnah­me­dau­er er­streck­te sich vom 1.8.2012 bis zum 31.7.2014, das Um­schu­lungs­verhält­nis en­de­te durch Ei­genkündi­gung von Frau S. vor dem 31.7.2014.

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Der Kläger ist der Auf­fas­sung, die Be­klag­te ha­be ei­nen Be­trieb mit in der Re­gel mehr als 20 Ar­beit­neh­mern. Den 18 un­strei­tig beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern sei­en Herr C.S., Herr L. und Frau P.S. hin­zu­zu­rech­nen, so dass sich ei­ne Zahl von 21 Beschäftig­ten er­ge­be. Da­mit sei die Be­klag­te ver­pflich­tet ge­we­sen, vor Aus­spruch der Kündi­gung gemäß § 17 KSchG ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit zu er­stat­ten. Das Un­ter­las­sen die­ser Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge führe zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung.

Der Kläger hat be­an­tragt,

  1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die Kündi­gung vom 7.1.2013 zum 15.2.2013 be­en­det wor­den ist,
  2. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en über den 15.2.2013 hin­aus un­verändert und un­be­fris­tet fort­dau­ert,
  3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, den Kläger über den 15.2.2013 hin­aus als Ser­vice­tech­ni­ker im In­nen- und Außen­dienst zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie ist der Auf­fas­sung, der Mit­ar­bei­ter C.S. sei auf­grund sei­nes Aus­schei­dens zum 7.12.2012 bei der Be­stim­mung der Be­triebs­größe nicht mit­zu­rech­nen. Herr L. als Geschäftsführer sei gemäß § 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG nicht mit­zu­rech­nen. Bei Frau P.S. han­de­le es sich nicht um ei­ne Ar­beit­neh­me­rin im Sin­ne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG. Das von der Bun­des­agen­tur für Ar­beit geförder­te Um­schu­lungs­verhält­nis sei kein Ar­beits­verhält­nis im Sin­ne die­ser Vor­schrift.

Da die Zahl ih­rer Beschäftig­ten den Schwel­len­wert des § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG von 20 Ar­beit­neh­mern so­mit nicht über­schrei­te, ha­be sie vor Aus­spruch der Kündi­gung kei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge er­stat­ten müssen.

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2. Na­tio­na­le ge­setz­li­che Vor­schrif­ten

§ 17 KSchG als für die An­zei­ge­pflicht bei Mas­sen­ent­las­sun­gen maßgeb­li­che Vor­schrift lau­tet:

„§ 17 An­zei­ge­pflicht

(1) Der Ar­beit­ge­ber ist ver­pflich­tet, der Agen­tur für Ar­beit An­zei­ge zu er­stat­ten, be­vor er

  1. in Be­trie­ben mit in der Re­gel mehr als 20 und we­ni­ger als 60 Ar­beit­neh­mern mehr als 5 Ar­beit­neh­mer,
  2. in Be­trie­ben mit in der Re­gel min­des­tens 60 und we­ni­ger als 500 Ar­beit­neh­mern 10 vom Hun­dert der im Be­trieb re­gelmäßig beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer oder aber mehr als 25 Ar­beit­neh­mer,
  3. in Be­trie­ben mit in der Re­gel min­des­tens 500 Ar­beit­neh­mern min­des­tens 30 Ar­beit­neh­mer

in­ner­halb von 30 Ka­len­der­ta­gen entläßt. Den Ent­las­sun­gen ste­hen an­de­re Be­en­di­gun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses gleich, die vom Ar­beit­ge­ber ver­an­laßt wer­den.

(2) Be­ab­sich­tigt der Ar­beit­ge­ber, nach Ab­satz 1 an­zei­ge­pflich­ti­ge Ent­las­sun­gen vor­zu­neh­men, hat er dem Be­triebs­rat recht­zei­tig die zweck­dien­li­chen Auskünf­te zu er­tei­len und ihn schrift­lich ins­be­son­de­re zu un­ter­rich­ten über

  1. die Gründe für die ge­plan­ten Ent­las­sun­gen,
  2. die Zahl und die Be­rufs­grup­pen der zu ent­las­sen­den Ar­beit­neh­mer,
  3. die Zahl und die Be­rufs­grup­pen der in der Re­gel beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer,
  4. den Zeit­raum, in dem die Ent­las­sun­gen vor­ge­nom­men wer­den sol­len,
  5. die vor­ge­se­he­nen Kri­te­ri­en für die Aus­wahl der zu ent­las­sen­den Ar­beit­neh­mer,
  6. die für die Be­rech­nung et­wai­ger Ab­fin­dun­gen vor­ge­se­he­nen Kri­te­ri­en.

Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat ha­ben ins­be­son­de­re die Möglich­kei­ten zu be­ra­ten, Ent­las­sun­gen zu ver­mei­den oder ein­zu­schränken und ih­re Fol­gen zu mil­dern.

(3) Der Ar­beit­ge­ber hat gleich­zei­tig der Agen­tur für Ar­beit ei­ne Ab­schrift der Mit­tei­lung an den Be­triebs­rat zu­zu­lei­ten; sie muß zu­min­dest die in Ab­satz 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 vor­ge­schrie­be­nen An­ga­ben ent­hal­ten. Die An­zei­ge nach Ab­satz 1 ist schrift­lich un­ter Beifügung der Stel­lung­nah­me des Be­triebs­ra­tes zu den Ent­las­sun­gen zu er­stat­ten. Liegt ei­ne Stel­lung­nah­me des Be­triebs­ra­tes nicht vor, so ist die An­zei­ge wirk­sam, wenn der Ar­beit­ge­ber glaub­haft macht, daß er den Be­triebs­rat min­des­tens zwei Wo­chen vor Er­stat­tung der An­zei­ge nach Ab­satz 2 Satz 1 un­ter­rich­tet hat, und er den Stand der Be­ra­tun­gen dar­legt. Die An­zei­ge muß An­ga­ben über den Na­men des Ar­beit­ge­bers, den Sitz und die Art des Be­trie­bes ent­hal­ten, fer­ner die Gründe für die ge­plan­ten Ent­las­sun­gen, die Zahl und die Be­rufs­grup­pen der zu ent­las­sen­den und der in der Re­gel beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer, den Zeit­raum, in dem die Ent­las­sun­gen vor­ge­nom­men wer­den sol­len und die vor­ge­se­he­nen Kri­te­ri­en für die Aus­wahl der zu ent­las­sen­den Ar­beit­neh­mer. In der An­zei­ge sol­len fer­ner im

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Ein­ver­neh­men mit dem Be­triebs­rat für die Ar­beits­ver­mitt­lung An­ga­ben über Ge­schlecht, Al­ter, Be­ruf und Staats­an­gehörig­keit der zu ent­las­sen­den Ar­beit­neh­mer ge­macht wer­den. Der Ar­beit­ge­ber hat dem Be­triebs­rat ei­ne Ab­schrift der An­zei­ge zu­zu­lei­ten. Der Be­triebs­rat kann ge­genüber der Agen­tur für Ar­beit wei­te­re Stel­lung­nah­men ab­ge­ben. Er hat dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Ab­schrift der Stel­lung­nah­me zu­zu­lei­ten.

(3a) Die Aus­kunfts-, Be­ra­tungs- und An­zei­ge­pflich­ten nach den Absätzen 1 bis 3 gel­ten auch dann, wenn die Ent­schei­dung über die Ent­las­sun­gen von ei­nem den Ar­beit­ge­ber be­herr­schen­den Un­ter­neh­men ge­trof­fen wur­de. Der Ar­beit­ge­ber kann sich nicht dar­auf be­ru­fen, daß das für die Ent­las­sun­gen ver­ant­wort­li­che Un­ter­neh­men die not­wen­di­gen Auskünf­te nicht über­mit­telt hat.

(4) Das Recht zur frist­lo­sen Ent­las­sung bleibt un­berührt. Frist­lo­se Ent­las­sun­gen wer­den bei Be­rech­nung der Min­dest­zahl der Ent­las­sun­gen nach Ab­satz 1 nicht mit­ge­rech­net.

(5) Als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne die­ser Vor­schrift gel­ten nicht

1. in Be­trie­ben ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son die Mit­glie­der des Or­gans, das zur ge­setz­li­chen Ver­tre­tung der ju­ris­ti­schen Per­son be­ru­fen ist,

2. in Be­trie­ben ei­ner Per­so­nen­ge­samt­heit die durch Ge­setz, Sat­zung oder Ge­sell­schafts­ver­trag zur Ver­tre­tung der Per­so­nen­ge­samt­heit be­ru­fe­nen Per­so­nen,

3. Geschäftsführer, Be­triebs­lei­ter und ähn­li­che lei­ten­de Per­so­nen, so­weit die­se zur selbständi­gen Ein­stel­lung oder Ent­las­sung von Ar­beit­neh­mern be­rech­tigt sind.“

Die für die Stel­lung des Geschäftsführers und die für den zwin­gen­den Auf­ga­ben­kreis der Ge­sell­schaf­ter maßgeb­li­chen Vor­schrif­ten des Ge­set­zes be­tref­fend die Ge­sell­schaf­ten mit be­schränk­ter Haf­tung (GmbH-Ge­setz) lau­ten:

„§ 6 Geschäftsführer

(1) Die Ge­sell­schaft muß ei­nen oder meh­re­re Geschäftsführer ha­ben.

(2) Geschäftsführer kann nur ei­ne natürli­che, un­be­schränkt geschäftsfähi­ge Per­son sein. Geschäftsführer kann nicht sein, wer

(3) Zu Geschäftsführern können Ge­sell­schaf­ter oder an­de­re Per­so­nen be­stellt wer­den. Die Be­stel­lung er­folgt ent­we­der im Ge­sell­schafts­ver­trag oder nach Maßga­be der Be­stim­mun­gen des drit­ten Ab­schnitts.

(4) …

(5) Ge­sell­schaf­ter, die vorsätz­lich oder grob fahrlässig ei­ner Per­son, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Geschäfte über­las­sen, haf­ten der Ge­sell­schaft so­li­da­risch für den Scha­den, der da­durch ent­steht, dass die­se Per­son die ihr ge­genüber der Ge­sell­schaft be­ste­hen­den Ob­lie­gen­hei­ten ver­letzt.

§ 35 Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft

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(1) Die Ge­sell­schaft wird durch die Geschäftsführer ge­richt­lich und außer­ge­richt­lich ver­tre­ten. Hat ei­ne Ge­sell­schaft kei­nen Geschäftsführer (Führungs­lo­sig­keit), wird die Ge­sell­schaft für den Fall, dass ihr ge­genüber Wil­lens­erklärun­gen ab­ge­ge­ben oder Schriftstücke zu­ge­stellt wer­den, durch die Ge­sell­schaf­ter ver­tre­ten.

(2) Sind meh­re­re Geschäftsführer be­stellt, sind sie al­le nur ge­mein­schaft­lich zur Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft be­fugt, es sei denn, dass der Ge­sell­schafts­ver­trag et­was an­de­res be­stimmt. …

(3) …

§ 37 Be­schränkun­gen der Ver­tre­tungs­be­fug­nis

(1) Die Geschäftsführer sind der Ge­sell­schaft ge­genüber ver­pflich­tet, die Be­schränkun­gen ein­zu­hal­ten, wel­che für den Um­fang ih­rer Be­fug­nis, die Ge­sell­schaft zu ver­tre­ten, durch den Ge­sell­schafts­ver­trag oder, so­weit die­ser nicht ein an­de­res be­stimmt, durch die Be­schlüsse der Ge­sell­schaf­ter fest­ge­setzt sind.

(2) Ge­gen drit­te Per­so­nen hat ei­ne Be­schränkung der Be­fug­nis der Geschäftsführer, die Ge­sell­schaft zu ver­tre­ten, kei­ne recht­li­che Wir­kung. Dies gilt ins­be­son­de­re für den Fall, daß die Ver­tre­tung sich nur auf ge­wis­se Geschäfte oder Ar­ten von Geschäften er­stre­cken oder nur un­ter ge­wis­sen Umständen oder für ei­ne ge­wis­se Zeit oder an ein­zel­nen Or­ten statt­fin­den soll, oder dass die Zu­stim­mung der Ge­sell­schaf­ter oder ei­nes Or­gans der Ge­sell­schaft für ein­zel­ne Geschäfte er­for­dert ist.

§ 38 Wi­der­ruf der Be­stel­lung

(1) Die Be­stel­lung der Geschäftsführer ist zu je­der Zeit wi­der­ruf­lich, un­be­scha­det der Entschädi­gungs­ansprüche aus be­ste­hen­den Verträgen.

(2) Im Ge­sell­schafts­ver­trag kann die Zulässig­keit des Wi­der­rufs auf den Fall be­schränkt wer­den, daß wich­ti­ge Gründe den­sel­ben not­wen­dig ma­chen.

Als sol­che Gründe sind ins­be­son­de­re gro­be Pflicht­ver­let­zung oder Unfähig­keit zur ord­nungsmäßigen Geschäftsführung an­zu­se­hen.

§ 43 Haf­tung der Geschäftsführer

(1) Die Geschäftsführer ha­ben in den An­ge­le­gen­hei­ten der Ge­sell­schaft die Sorg­falt ei­nes or­dent­li­chen Geschäfts­man­nes an­zu­wen­den.

(2) Geschäftsführer, wel­che ih­re Ob­lie­gen­hei­ten ver­let­zen, haf­ten der Ge­sell­schaft so­li­da­risch für den ent­stan­de­nen Scha­den.

(3) Ins­be­son­de­re sind sie zum Er­satz ver­pflich­tet, wenn den Be­stim­mun­gen des § 30 zu­wi­der Zah­lun­gen aus dem zur Er­hal­tung des Stamm­ka­pi­tals er­for­der­li­chen Vermögen der Ge­sell­schaft ge­macht oder den Be­stim­mun­gen des § 33 zu­wi­der ei­ge­ne Geschäfts­an­tei­le der Ge­sell­schaft er­wor­ben wor­den sind. Auf den Er­satz­an­spruch fin­den die Be­stim­mun­gen in § 9b Abs. 1 ent­spre­chen­de An­wen­dung. So­weit der Er­satz zur Be­frie­di­gung der Gläubi­ger der Ge­sell­schaft er­for­der­lich ist, wird die Ver­pflich­tung der Geschäftsführer

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da­durch nicht auf­ge­ho­ben, daß die­sel­ben in Be­fol­gung ei­nes Be­schlus­ses der Ge­sell­schaf­ter ge­han­delt ha­ben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vor­ste­hen­den Be­stim­mun­gen verjähren in fünf Jah­ren.

§ 46 Auf­ga­ben­kreis der Ge­sell­schaf­ter

Der Be­stim­mung der Ge­sell­schaf­ter un­ter­lie­gen:

1. die Fest­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses und die Ver­wen­dung des Er­geb­nis­ses;

1a. die Ent­schei­dung über die Of­fen­le­gung ei­nes Ein­zel­ab­schlus­ses nach in­ter­na­tio­na­len Rech­nungs­le­gungs­stan­dards (§ 325 Abs. 2a des Han­dels­ge­setz­buchs) und über die Bil­li­gung des von den Geschäftsführern auf­ge­stell­ten Ab­schlus­ses;

1b. die Bil­li­gung ei­nes von den Geschäftsführern auf­ge­stell­ten Kon­zern­ab­schlus­ses;

2. die Ein­for­de­rung der Ein­la­gen;

3. die Rück­zah­lung von Nachschüssen;

4. die Tei­lung, die Zu­sam­men­le­gung so­wie die Ein­zie­hung von Geschäfts­an­tei­len;

5. die Be­stel­lung und die Ab­be­ru­fung von Geschäftsführern so­wie die Ent­las­tung der­sel­ben;

6. die Maßre­geln zur Prüfung und Über­wa­chung der Geschäftsführung;

7. die Be­stel­lung von Pro­ku­ris­ten und von Hand­lungs­be­vollmäch­tig­ten zum ge­sam­ten Geschäfts­be­trieb;

8. die Gel­tend­ma­chung von Er­satz­ansprüchen, wel­che der Ge­sell­schaft aus der Gründung oder Geschäftsführung ge­gen Geschäftsführer oder Ge­sell­schaf­ter zu­ste­hen, so­wie die Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft in Pro­zes­sen, wel­che sie ge­gen die Geschäftsführer zu führen hat.“

Die für die Wei­ter­bil­dungsförde­rung nach dem So­zi­al­ge­setz­buch III maßgeb­li­che Vor­schrift lau­te­te in der zum Zeit­punkt des Be­ginns der hier ge­genständ­li­chen Wei­ter­bil­dungs­maßnah­me von Frau P.S., dem 1.8.2012, maßgeb­li­chen Fas­sung:

„§ 81 SGB III Grund­satz

(1) Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer können bei be­ruf­li­cher Wei­ter­bil­dung durch Über­nah­me der Wei­ter­bil­dungs­kos­ten gefördert wer­den, wenn

1. die Wei­ter­bil­dung not­wen­dig ist, um sie bei Ar­beits­lo­sig­keit be­ruf­lich ein­zu­glie­dern, ei­ne ih­nen dro­hen­de Ar­beits­lo­sig­keit ab­zu­wen­den oder weil bei ih­nen we­gen feh­len­den Be­rufs­ab­schlus­ses die Not­wen­dig­keit der Wei­ter­bil­dung an­er­kannt ist,

2. die Agen­tur für Ar­beit sie vor Be­ginn der Teil­nah­me be­ra­ten hat und

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3. die Maßnah­me und der Träger der Maßnah­me für die Förde­rung zu­ge­las­sen sind.

Als Wei­ter­bil­dung gilt die Zeit vom ers­ten Tag bis zum letz­ten Tag der Maßnah­me mit Un­ter­richts­ver­an­stal­tun­gen, es sei denn, die Maßnah­me ist vor­zei­tig be­en­det wor­den.

(2) An­er­kannt wird die Not­wen­dig­keit der Wei­ter­bil­dung bei Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mern we­gen feh­len­den Be­rufs­ab­schlus­ses, wenn sie

1. über ei­nen Be­rufs­ab­schluss verfügen, je­doch auf Grund ei­ner mehr als vier Jah­re aus­geübten Beschäfti­gung in an- oder un­ge­lern­ter Tätig­keit ei­ne dem Be­rufs­ab­schluss ent­spre­chen­de Beschäfti­gung vor­aus­sicht­lich nicht mehr ausüben können, oder

2. nicht über ei­nen Be­rufs­ab­schluss verfügen, für den nach bun­des- oder lan­des­recht­li­chen Vor­schrif­ten ei­ne Aus­bil­dungs­dau­er von min­des­tens zwei Jah­ren fest­ge­legt ist; Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer oh­ne ei­nen sol­chen Be­rufs­ab­schluss, die noch nicht drei Jah­re be­ruf­lich tätig ge­we­sen sind, können nur gefördert wer­den, wenn ei­ne Be­rufs­aus­bil­dung oder ei­ne be­rufs­vor­be­rei­ten­de Bil­dungs­maßnah­me aus in ih­rer Per­son lie­gen­den Gründen nicht möglich oder nicht zu­mut­bar ist.

Zei­ten der Ar­beits­lo­sig­keit, der Kin­der­er­zie­hung und der Pfle­ge ei­nes An­gehöri­gen der Pfle­ge­stu­fe I bis III ste­hen Zei­ten ei­ner Beschäfti­gung nach Satz 1 Num­mer 1 gleich.

(3) …

(4) …

(5) ...“

3. Vor­schrif­ten des Uni­ons­rechts

Die Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20.7.1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen lau­tet aus­zugs­wei­se:

„Ar­ti­kel 1

(1) Für die Durchführung die­ser Richt­li­nie gel­ten fol­gen­de Be­griffs­be­stim­mun­gen:

a) "Mas­sen­ent­las­sun­gen" sind Ent­las­sun­gen, die ein Ar­beit­ge­ber aus ei­nem oder meh­re­ren Gründen, die nicht in der Per­son der Ar­beit­neh­mer lie­gen, vor­nimmt und bei de­nen - nach Wahl der Mit­glied­staa­ten - die Zahl der Ent­las­sun­gen

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i) ent­we­der in­ner­halb ei­nes Zeit­raums von 30 Ta­gen
- min­des­tens 10 in Be­trie­ben mit in der Re­gel mehr als 20 und we­ni­ger als 100 Ar­beit­neh­mern,
- min­des­tens 10 v. H. der Ar­beit­neh­mer in Be­trie­ben mit in der Re­gel min­des­tens 100 und we­ni­ger als 300 Ar­beit­neh­mern,
- min­des­tens 30 in Be­trie­ben mit in der Re­gel min­des­tens 300 Ar­beit­neh­mern,

ii) oder in­ner­halb ei­nes Zeit­raums von 90 Ta­gen min­des­tens 20, und zwar un­abhängig da­von, wie vie­le Ar­beit­neh­mer in der Re­gel in dem be­tref­fen­den Be­trieb beschäftigt sind,

beträgt;

b) "Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter" sind die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter nach den Rechts­vor­schrif­ten oder der Pra­xis der Mit­glied­staa­ten.
Für die Be­rech­nung der Zahl der Ent­las­sun­gen gemäß Ab­satz 1 Buch­sta­be a) wer­den die­sen Ent­las­sun­gen Be­en­di­gun­gen des Ar­beits­ver­trags gleich­ge­stellt, die auf Ver­an­las­sung des Ar­beit­ge­bers und aus ei­nem oder meh­re­ren Gründen, die nicht in der Per­son der Ar­beit­neh­mer lie­gen, er­fol­gen, so­fern die Zahl der Ent­las­sun­gen min­des­tens fünf beträgt.

(2) Die­se Richt­li­nie fin­det kei­ne An­wen­dung auf

a) Mas­sen­ent­las­sun­gen im Rah­men von Ar­beits­verträgen, die für ei­ne be­stimm­te Zeit oder Tätig­keit ge­schlos­sen wer­den, es sei denn, daß die­se Ent­las­sun­gen vor Ab­lauf oder Erfüllung die­ser Verträge er­fol­gen;

b) …;

c) …

Ar­ti­kel 3

(1) Der Ar­beit­ge­ber hat der zuständi­gen Behörde al­le be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sun­gen schrift­lich an­zu­zei­gen.

Die Mit­glied­staa­ten können je­doch vor­se­hen, daß im Fall ei­ner ge­plan­ten Mas­sen­ent­las­sung, die auf­grund ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung über die Ein­stel­lung der Tätig­keit des Be­triebs er­folgt, der Ar­beit­ge­ber die­se der zuständi­gen Behörde nur auf de­ren Ver­lan­gen schrift­lich an­zu­zei­gen hat.

Die An­zei­ge muß al­le zweck­dien­li­chen An­ga­ben über die be­ab­sich­tig­te Mas­sen­ent­las­sung und die Kon­sul­ta­tio­nen der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter gemäß Ar­ti­kel 2 ent­hal­ten, ins­be­son­de­re die Gründe der Ent­las­sung, die Zahl der zu ent­las­sen­den Ar­beit­neh­mer, die Zahl der in der Re­gel beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer und den Zeit­raum, in dem die Ent­las­sun­gen vor­ge­nom­men wer­den sol­len.

(2) Der Ar­beit­ge­ber hat den Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern ei­ne Ab­schrift der in Ab­satz 1 ge­nann­ten An­zei­ge zu über­mit­teln.

Die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter können et­wai­ge Be­mer­kun­gen an die zuständi­ge Behörde rich­ten.

Ar­ti­kel 4

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(1) Die der zuständi­gen Behörde an­ge­zeig­ten be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sun­gen wer­den frühes­tens 30 Ta­ge nach Ein­gang der in Ar­ti­kel 3 Ab­satz 1 ge­nann­ten An­zei­ge wirk­sam; die im Fall der Ein­zelkündi­gung für die Kündi­gungs­frist gel­ten­den Be­stim­mun­gen blei­ben un­berührt.

Die Mit­glied­staa­ten können der zuständi­gen Behörde je­doch die Möglich­keit einräum­en, die Frist des Un­ter­ab­sat­zes 1 zu verkürzen.

(2) Die Frist des Ab­sat­zes 1 muß von der zuständi­gen Behörde da­zu be­nutzt wer­den, nach Lösun­gen für die durch die be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sun­gen auf­ge­wor­fe­nen Pro­ble­me zu su­chen.

(3) So­weit die ursprüng­li­che Frist des Ab­sat­zes 1 we­ni­ger als 60 Ta­ge beträgt, können die Mit­glied­staa­ten der zuständi­gen Behörde die Möglich­keit einräum­en, die ursprüng­li­che Frist auf 60 Ta­ge, vom Zu­gang der An­zei­ge an ge­rech­net, zu verlängern, wenn die Ge­fahr be­steht, daß die durch die be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sun­gen auf­ge­wor­fe­nen Pro­ble­me in­ner­halb der ursprüng­li­chen Frist nicht gelöst wer­den können.

Die Mit­glied­staa­ten können der zuständi­gen Behörde wei­ter­ge­hen­de Verlänge­rungsmöglich­kei­ten einräum­en.

Die Verlänge­rung ist dem Ar­beit­ge­ber vor Ab­lauf der ursprüng­li­chen Frist des Ab­sat­zes 1 mit­zu­tei­len und zu be­gründen.

(4) Die Mit­glied­staa­ten können da­von ab­se­hen, die­sen Ar­ti­kel im Fall von Mas­sen­ent­las­sun­gen in­fol­ge ei­ner Ein­stel­lung der Tätig­keit des Be­triebs an­zu­wen­den, wenn die­se Ein­stel­lung auf­grund ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung er­folgt.

Ar­ti­kel 5

Die­se Richt­li­nie läßt die Möglich­keit der Mit­glied­staa­ten un­berührt, für die Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- oder Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen oder für die Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re ta­rif­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen zu­zu­las­sen oder zu fördern.

Ar­ti­kel 6

Die Mit­glied­staa­ten sor­gen dafür, daß den Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern und/oder den Ar­beit­neh­mern ad­mi­nis­tra­ti­ve und/oder ge­richt­li­che Ver­fah­ren zur Durch­set­zung der Ver­pflich­tun­gen gemäß die­ser Richt­li­nie zur Verfügung ste­hen.“


4. Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Aus­le­gung des Uni­ons­rechts

Die bei­den Vor­la­ge­fra­gen sind für den Rechts­streit ent­schei­dungs­er­heb­lich, weil es nur noch von ih­rer Be­ant­wor­tung abhängt, ob der Kla­ge statt­zu­ge­ben ist.

Gründe, die un­abhängig von ei­nem et­wai­gen Ver­s­toß ge­gen § 17 KSchG zu ei­ner Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung führen könn­ten, sind nach dem bis­lang Vor­ge­tra­ge­nen nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Ge­richts nicht er­sicht­lich.

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Im Rah­men der An­wen­dung des § 17 KSchG ist nach ein­hel­li­ger Auf­fas­sung von der Zahl der im Be­trieb in der Re­gel beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer aus­zu­ge­hen. We­der ei­ne Stich­tags­be­trach­tung noch ei­ne Durch­schnitts­be­rech­nung ist vor­zu­neh­men. Ent­schei­dend ist die Beschäftig­ten­zahl bei re­gelmäßigem Gang des Be­trie­bes (Ge­mein­schafts­kom­men­tar zum Kündi­gungs­schutz­ge­setz und zu sons­ti­gen kündi­gungs­schutz­recht­li­chen Vor­schrif­ten (KR), Be­ar­bei­ter Wei­gand, 10. Auf­la­ge, § 17 KSchG Rd­nr. 28 m.w.N.). Grundsätz­lich ist maßge­ben­der Zeit­punkt für die Be­stim­mung der Beschäftig­ten­zahl der Zeit­punkt der Kündi­gung, da­bei be­darf es al­ler­dings grundsätz­lich ei­nes Rück­blicks auf die bis­he­ri­ge per­so­nel­le Stärke (KR a.a.O. Rd­nr. 28 a m.w.N.). Ent­schei­dend ist bei die­ser Be­trach­tung, wann der Ar­beit­ge­ber noch ei­ne re­gelmäßige Be­triebstätig­keit ent­wi­ckelt und wie vie­le Ar­beit­neh­mer er dafür benötigt hat.

Das vor­le­gen­de Ge­richt geht in An­wen­dung die­ser Grundsätze da­von aus, dass der zum 7.12.2012 aus­ge­schie­de­ne Ar­beit­neh­mer C.S. zu den re­gelmäßig Beschäftig­ten, die nach § 17 KSchG zu berück­sich­ti­gen sind, gehört. Rech­net man ihn den 18 un­strei­tig zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der Kündi­gung beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern hin­zu, er­gibt sich ei­ne Zahl von ins­ge­samt 19 Ar­beit­neh­mern.

Soll­ten so­wohl der Geschäftsführer Herr L. als auch die Umschüle­rin Frau P.S. als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne der Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie an­zu­se­hen sein, wären bei­de in uni­ons­rechts­kon­for­mer Aus­le­gung des § 17 KSchG auch zu den re­gelmäßig Beschäftig­ten gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zu zählen. Die Be­klag­te hätte dann ei­nen Be­trieb mit in der Re­gel mehr als 20 Ar­beit­neh­mern. Sie hat zu­sam­men mit dem Kläger (deut­lich) mehr als fünf Ar­beit­neh­mer ent­las­sen und wäre ver­pflich­tet ge­we­sen, vor Aus­spruch der Kündi­gung ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit zu er­stat­ten. Der Um­stand, dass sie dies un­ter­las­sen hat, würde zu ei­ner Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung führen mit der Fol­ge, dass der Kündi­gungs­schutz­kla­ge statt­zu­ge­ben wäre.

5. Ge­gen­stand der Vor­la­ge­fra­gen

a) Zur ers­ten Vor­la­ge­fra­ge

aa) In­halt und Be­gründung der Vor­la­ge­fra­ge

Ge­gen­stand der ers­ten Vor­la­ge­fra­ge ist, ob das ein­schlägi­ge Uni­ons­recht, ins­be­son­de­re Art. 1 Abs. 1 a) der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen, da­hin aus­zu­le­gen ist, dass es na­tio­na­len ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, die bei der in die­ser Vor­schrift vor­ge­se­he­nen Be­rech­nung der Beschäftig­ten­zahl ein Mit­glied der Un­ter­neh­mens­lei­tung ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft un­berück­sich­tigt las­sen, auch wenn es sei­ne Tätig­keit nach

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Wei­sung und Auf­sicht ei­nes an­de­ren Or­gans die­ser Ge­sell­schaft ausübt, als Ge­gen­leis­tung für die Tätig­keit ein Ent­gelt erhält und selbst kei­ne An­tei­le an der Ge­sell­schaft be­sitzt.

Das vor­le­gen­de Ge­richt sieht sich zu die­ser Fra­ge ver­an­lasst, weil § 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG re­gelt, dass in Be­trie­ben ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son die Mit­glie­der des Or­gans, das zur ge­setz­li­chen Ver­tre­tung der ju­ris­ti­schen Per­son be­ru­fen ist, nicht als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne der Vor­schrift gel­ten. Das hat zum ei­nen zur Kon­se­quenz, dass Or­gan­mit­glie­der, die sich ge­gen ih­re Ent­las­sung weh­ren, sich nicht dar­auf be­ru­fen können, dass die ih­nen ge­genüber aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung auf­grund der un­ter­blie­be­nen Er­stat­tung ei­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge un­wirk­sam sei. Es be­deu­tet aber auch, dass - wie hier - bei der Er­mitt­lung der re­gelmäßigen Beschäftig­ten­zahl, ab der ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge zu er­stat­ten ist, Or­gan­mit­glie­der nicht mit­zuzählen sind. In Grenzfällen - wie hier - kann da­von die Fra­ge, ob ei­ne Mas­sen­ent­las­sung vor­liegt oder nicht, abhängig sein.

bb) Ent­schei­dun­gen des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on

Mit Ur­teil vom 18.1.2007 - C-385/05 - CGT, Slg 2007, I-611-652, hat der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on aus­geführt, dass Ar­ti­kel 1 Abs. 1 Buch­sta­be a der Richt­li­nie 98/59/EG zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­steht, die ei­ne be­stimm­te Grup­pe von Ar­beit­neh­mern - und sei es zeit­wei­lig - bei der in die­ser Vor­schrift vor­ge­se­he­nen Be­rech­nung der Beschäftig­ten­zahl un­berück­sich­tigt lässt. Die­se Re­ge­lung, die ein Min­dest­maß an Schutz in Be­zug auf die In­for­ma­ti­on und die Kon­sul­ta­ti­on von Ar­beit­neh­mern im Fall von Mas­sen­ent­las­sun­gen schaf­fen sol­le, könne nämlich nicht da­hin aus­ge­legt wer­den, dass die Be­rech­nungs­mo­da­litäten für die Schwel­len­wer­te für die Beschäftig­ten­zahl und da­mit die­se Schwel­len­wer­te selbst zur Dis­po­si­ti­on der Mit­glieds­staa­ten ste­hen, da ei­ne der­ar­ti­ge Aus­le­gung es den Mit­glied­staa­ten er­laub­te, den An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie zu verändern und ihr so­mit ih­re vol­le Wirk­sam­keit zu neh­men.

Mit die­ser Ent­schei­dung hat der Ge­richts­hof nach dem Verständ­nis des vor­le­gen­den Ge­richts deut­lich ge­macht, dass die De­fi­ni­ti­on, wer als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne der Richt­li­nie an­zu­se­hen ist und wer nicht, nicht der Rechts­ord­nung des ein­zel­nen Mit­glieds­staa­tes über­las­sen wer­den kann. Die Fra­ge, ob Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft im Sin­ne des Uni­ons­rechts vor­liegt, ist viel­mehr - ge­mes­sen am Schutz­zweck und den Zie­len der ein­zel­nen Richt­li­nie - vom Ge­richts­hof selbst zu be­ant­wor­ten.

Mit Ur­teil vom 11.11.2010 - C-232/09 - Da­no­sa (im Fol­gen­den: „Da­no­sa“) hat der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on in Aus­le­gung der Richt­li­nie 92/85 über die Durchführung von Maßnah­men zur Ver­bes­se­rung der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes von schwan­ge­ren Ar­beit­neh­me­rin­nen, Wöch­ne­rin­nen und stil­len­den Ar­beit­neh­me­rin­nen am Ar­beits­platz ent­schie­den, dass die Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft ei­nes Mit­glieds der Un­ter­neh­mens­lei­tung ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft, das die­ser ge­genüber Leis­tun­gen er­bringt und in sie ein­ge­glie­dert ist, zu be­ja­hen ist, wenn es sei­ne Tätig­keit für ei­ne be­stimm­te Zeit nach der Wei­sung oder un­ter der Auf­sicht ei­nes an­de­ren Or­gans die­ser Ge­sell­schaft ausübt und als

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Ge­gen­leis­tung für die Tätig­keit ein Ent­gelt erhält. Es sei Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts, die Tat­sa­chen­prüfun­gen vor­zu­neh­men, de­ren es zur Be­ur­tei­lung der Fra­ge be­darf, ob dies in dem bei ihm anhängi­gen Rechts­streit der Fall ist.

Für die Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft im Sin­ne des Uni­ons­rechts sei es in­so­weit oh­ne Be­deu­tung, dass das Beschäfti­gungs­verhält­nis nach na­tio­na­lem Recht ein Rechts­verhält­nis sui ge­ne­ris sei. So­fern ei­ne Per­son während ei­ner be­stimm­ten Zeit für ei­ne an­de­re nach de­ren Wei­sung Leis­tun­gen er­brin­ge, für die sie als Ge­gen­leis­tung ei­ne Vergütung er­hal­te, sei die Art der Rechts­be­zie­hung zwi­schen ihr und der an­de­ren Par­tei des Ar­beits­verhält­nis­ses oh­ne Be­deu­tung für die An­wen­dung der Richt­li­nie 92/85. Die Ei­gen­schaft als Mit­glied der Un­ter­neh­mens­lei­tung ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft könne außer­dem nicht als sol­che aus­sch­ließen, dass sich die be­trof­fe­ne Per­son in ei­nem Un­ter­ord­nungs­verhält­nis ge­genüber der be­tref­fen­den Ge­sell­schaft be­fun­den ha­be. Zu prüfen sei­en nämlich die Be­din­gun­gen, un­ter de­nen das Mit­glied der Un­ter­neh­mens­lei­tung be­stellt wor­den sei, die Art der ihm über­tra­ge­nen Auf­ga­ben, der Rah­men, in dem die­se Auf­ga­ben aus­geführt würden, der Um­fang der Be­fug­nis­se des Be­trof­fe­nen und die Kon­trol­le, der er in­ner­halb der Ge­sell­schaft un­ter­lie­ge, so­wie die Umstände, un­ter de­nen er ab­be­ru­fen wer­den könne.

cc) Na­tio­na­le Rechts­la­ge

§ 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG nimmt in Be­trie­ben ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son die Mit­glie­der des Or­gans, das zur ge­setz­li­chen Ver­tre­tung der ju­ris­ti­schen Per­son be­ru­fen ist, vom An­wen­dungs­be­reich des § 17 KSchG vollständig aus. Sie sind nicht Ar­beit­neh­mer im Sin­ne die­ser Vor­schrift. Der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber setzt da­mit vor­aus, dass sie auch nicht als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne der Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie an­zu­se­hen sind.

Die zah­lenmäßig be­deut­sams­te Grup­pe der von § 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG er­fass­ten Per­so­nen sind die Geschäftsführer der Ge­sell­schaf­ten mit be­schränk­ter Haf­tung. Die Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung (GmbH) ist die in Deutsch­land bei mit­telständi­schen Un­ter­neh­men be­lieb­tes­te und am meis­ten ver­brei­te­te Form der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft. Ih­re Rechts­verhält­nis­se, ins­be­son­de­re ih­re Ver­tre­tung und Geschäftsführung so­wie ih­re Or­ga­ne, sind im Ge­setz be­tref­fend die Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung (Gmb­HG) ge­re­gelt. Mäch­tigs­tes Or­gan der Ge­sell­schaft ist die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung. Die Bil­dung ei­nes Auf­sichts­ra­tes kann gemäß § 52 Gmb­HG im Ge­sell­schafts­ver­trag vor­ge­se­hen wer­den. Das er­folgt in der Pra­xis bei mit­telständi­schen Gmb­Hs nur sel­ten. Die Pflicht zur Bil­dung ei­nes Auf­sichts­ra­tes be­steht nach den Mit­be­stim­mungs­re­ge­lun­gen des Drit­tel­be­tei­li­gungs­ge­set­zes nur in Un­ter­neh­men mit mehr als 500 Beschäftig­ten. Im vor­lie­gen­den Fall war ein Auf­sichts­rat nicht ge­bil­det.

Im Hin­blick auf das Verhält­nis des Geschäftsführers zur Ge­sell­schaft un­ter­schei­det das deut­sche Recht streng zwi­schen zwei von­ein­an­der zu tren­nen­den Rechts­verhält­nis­sen, der Or­gan­stel­lung als sol­cher und den Rech­ten und Pflich­ten des Geschäftsführers ge­genüber der Ge­sell­schaft. Der Er­werb der Or­gan­stel­lung ge­schieht mit­tels Be­stel­lung durch die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung (§ 46 Nr. 5 Gmb­HG). Die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung kann die Be­stel­lung zum Geschäftsführer

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zu je­der Zeit wi­der­ru­fen (§ 38 Abs. 1 Gmb­HG). Im Ge­sell­schafts­ver­trag kann die Zulässig­keit des Wi­der­rufs al­ler­dings auf den Fall be­schränkt wer­den, dass wich­ti­ge Gründe die­sen not­wen­dig ma­chen (§ 38 Abs. 2 Gmb­HG). Die Rech­te und Pflich­ten des Geschäftsführers ge­genüber der Ge­sell­schaft hin­ge­gen wer­den durch den Geschäftsführer-An­stel­lungs­ver­trag ge­re­gelt. Der Geschäftsführer-An­stel­lungs­ver­trag ist Dienst­ver­trag in Ge­stalt ei­nes Geschäfts­be­sor­gungs­ver­tra­ges (§§ 611 ff, 675 BGB; vgl. nur BGH, Ur­teil vom 10.5.2010 - II ZR 70/09, NJW 2010, 2343). Er ist nach ganz herr­schen­der Mei­nung nicht Ar­beits­ver­trag und der Geschäftsführer ist grundsätz­lich kein Ar­beit­neh­mer (BGH, Ur­teil vom 8.1.2007 - II ZR 267/05, DB 2007, 1072; Ur­teil vom 10.5.2010 - II ZR 70/09, NJW 2010, 2343; ständi­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs). Dem­ent­spre­chend schließt § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG die Mit­glie­der des Or­gans ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son - al­so ins­be­son­de­re GmbH-Geschäftsführer - von der An­wen­dung des ers­ten Ab­schnitts des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes, der wich­tigs­ten na­tio­na­len Schutz­be­stim­mun­gen für Ar­beit­neh­mer vor Kündi­gun­gen, aus.

Im Hin­blick auf Wei­sun­gen un­ter­schei­det das deut­sche Recht zwi­schen rein ge­sell­schafts­recht­li­chen Vor­ga­ben und Be­schränkun­gen, wie sie ty­pi­scher­wei­se die Ge­sell­schaft, in der Re­gel ver­tre­ten durch die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung, dem Geschäftsführer macht, und ei­nem - wei­ter­ge­hen­den und an­ders aus­ge­prägten - ar­beits­recht­li­chen Wei­sungs­recht. Dem­ent­spre­chend geht die na­tio­na­le Recht­spre­chung da­von aus, dass sich die bei­den Rechts­verhält­nis­se nach dem Grad der persönli­chen Abhängig­keit bei der Er­brin­gung der Dienst­leis­tung un­ter­schei­den. Ar­beit­neh­mer ist, wer die ver­trag­lich ge­schul­de­te Leis­tung im Rah­men ei­ner von sei­nem Ver­trags­part­ner be­stimm­ten Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on er­bringt. Die Ein­glie­de­rung in ei­ne frem­de Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on zeigt sich ins­be­son­de­re dar­in, dass der Beschäftig­te ei­nem um­fas­sen­den Wei­sungs­recht sei­nes Ver­trags­part­ners un­ter­liegt. Die­ses kann In­halt, Durchführung, Zeit, Dau­er, Ort und sons­ti­ge Mo­da­litäten der Tätig­keit be­tref­fen (ständi­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, vgl. nur BAG, Ur­teil vom 26.5.1999 - 5 AZR 664/98 - NZA 1999, 987). Die Ge­sell­schaft be­schränkt sich da­ge­gen ge­genüber dem Geschäftsführer ty­pi­scher­wei­se auf all­ge­mei­ne un­ter­neh­me­ri­sche Vor­ga­ben.

Nach außen ist die Ver­tre­tungs­macht des Geschäftsführers grundsätz­lich nicht be­schränk­bar, wie sich aus § 37 Abs. 2 Gmb­HG er­gibt. Im In­nen­verhält­nis kann die Ver­tre­tungs­be­fug­nis des Geschäftsführers nach § 37 Abs. 1 Gmb­HG be­schränkt wer­den. Der­ar­ti­ge Be­schränkun­gen der Kom­pe­ten­zen des Geschäftsführers können durch die Sat­zung der Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung, im Geschäftsführer-An­stel­lungs­ver­trag und/oder durch Be­schlüsse der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung her­bei­geführt wer­den. Wie weit­ge­hend die hier­durch her­bei­geführ­ten Vor­ga­ben und Be­schränkun­gen der Tätig­keit des Geschäftsführers sein können, ist nicht klar ge­re­gelt. Als je­den­falls un­zulässig wer­den Re­ge­lun­gen an­ge­se­hen, die dem Geschäftsführer je­de ei­ge­ne Geschäftsführungs­ent­schei­dung neh­men, d.h., sei­ne Geschäftsführungs­be­fug­nis vollständig be­sei­ti­gen, da Geschäftsführer da­durch zu rei­nen Ver­tre­tungs­ma­rio­net­ten oh­ne je­de Au­to­rität ge­genüber dem Per­so­nal des Un­ter­neh­mens würden (Baum­bach/Hu­eck, Gmb­HG, 20. Auf­la­ge 2013, § 37 Rd­nr. 18 m.w.N.). Wer­den dem „Geschäftsführer“ der­art in­ten­si­ve Be­schränkun­gen ge­macht, dass er in ei­ne persönli­che Abhängig­keit zur Ge­sell­schaft gerät, wer­den ihm al­so ins­be­son­de­re de­tail­lier­te Vor­ga­ben im Hin­blick auf Ort, Zeit und Art sei­ner Leis­tungs­er­brin­gung ge­macht, so ist er nach Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts trotz sei­ner no­mi­nel­len Stel­lung als Geschäftsführer recht­lich als Ar­beit­neh­mer zu be­han­deln (vgl. BAG, Ur­teil vom 26.5.1999 - 5 AZR 664/98 - NZA 1999, 987 m.w.N.).

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dd) Of­fe­ne uni­ons­recht­li­che Fra­gen

(1) Nach den Ausführun­gen des Ge­richts­hofs erfüllt ein Mit­glied der Un­ter­neh­mens­lei­tung, das ge­gen Ent­gelt Leis­tun­gen ge­genüber der Ge­sell­schaft er­bringt, die es be­stellt hat und in die es ein­ge­glie­dert ist, das sei­ne Tätig­keit nach der Wei­sung oder un­ter der Auf­sicht ei­nes an­de­ren Or­gans die­ser Ge­sell­schaft ausübt und das je­der­zeit oh­ne Ein­schränkung von sei­nem Amt ab­be­ru­fen wer­den kann, dem ers­ten An­schein nach die Vor­aus­set­zun­gen, um als Ar­beit­neh­mer zu gel­ten (Da­no­sa Rand­nr. 51). Das vor­le­gen­de Ge­richt hält es für er­for­der­lich, dass der Ge­richts­hof nähe­re Ausführun­gen da­zu tätigt, wie er in die­sem Zu­sam­men­hang den Be­griff der Wei­sung kon­kret ver­steht. Wie be­reits aus­geführt, un­ter­schei­det das deut­sche Recht zwi­schen den rein ge­sell­schafts­recht­li­chen Vor­ga­ben und Be­schränkun­gen der Ge­sell­schaft ge­genüber dem Geschäftsführer und den ih­rer Na­tur nach an­ders­ar­ti­gen und weit­aus um­fang­rei­che­ren Wei­sungs­be­fug­nis­sen des Ar­beit­ge­bers, die ge­genüber ei­nem Ar­beit­neh­mer aus­geübt wer­den. Die­se Dif­fe­ren­zie­rung stellt nach der Über­zeu­gung des vor­le­gen­den Ge­richts auch nicht et­wa nur ei­ne Be­son­der­heit des Rech­tes ei­nes ein­zel­nen Mit­glieds­staa­tes dar, die bei der An­wen­dung von Uni­ons­recht ver­nachlässigt wer­den könn­te. Viel­mehr be­ste­hen zwi­schen bei­den Ar­ten von Vor­ga­ben grund­le­gen­de tatsächli­che Un­ter­schie­de. Dem Ar­beit­neh­mer kann der Ort, die Zeit und die Art und Wei­se sei­ner Leis­tungs­er­brin­gung vor­ge­ge­ben wer­den. Der Ar­beit­ge­ber macht hier­von auch ty­pi­scher­wei­se um­fas­send Ge­brauch, in­dem er dem Ar­beit­neh­mer die Ta­ge, an de­nen die­ser zu ar­bei­ten hat, Be­ginn und En­de der Ar­beits­zeit, häufig auch die La­ge der Pau­sen und den oder die Or­te der Ar­beits­er­brin­gung im Ein­zel­nen vor­schreibt. Vor al­lem aber kann der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer ganz kon­kret - Tag für Tag - vor­ge­ben, wel­che Ar­beits­leis­tun­gen von die­sem zu er­brin­gen sind und auch, wie die­se zu be­werk­stel­li­gen sind, z.B. mit wel­chem Werk­zeug und Ma­te­ri­al, mit wel­chen Be­ar­bei­tungs­ver­fah­ren usw. Dem­ge­genüber macht die Ge­sell­schaft dem Geschäftsführer le­dig­lich die Vor­ga­be all­ge­mei­ner Un­ter­neh­mens­zie­le. Ih­re ge­sell­schafts­recht­li­chen Be­fug­nis­se um­fas­sen kei­ne Vor­ga­ben zu Um­fang, Be­ginn und En­de der Ar­beits­zeit, die der Geschäftsführer in der Re­gel frei und ei­gen­ver­ant­wort­lich ge­stal­ten kann. Das Ge­sell­schafts­recht lässt dem Geschäftsführer auch die Wahl, den Ort sei­ner Leis­tungs­er­brin­gung selbst zu wählen und z.B. teil­wei­se von zu Hau­se aus zu ar­bei­ten. Vor al­lem aber sieht das Ge­sell­schafts­recht nicht vor, dass die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung dem Geschäftsführer ar­beits­be­glei­ten­de und ver­fah­rens­ori­en­tier­te An­wei­sun­gen er­teilt, ihm al­so vor­gibt, wel­che kon­kre­ten Tätig­kei­ten er ausführen soll und auf wel­che Wei­se oder in wel­cher Rei­hen­fol­ge dies zu ge­sche­hen hat.

Zu­sam­men­ge­fasst stellt sich die Fra­ge, ob es für die Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft im Sin­ne des Uni­ons­rechts aus­reicht, dass der Geschäftsführer ei­ner ir­gend ge­ar­te­ten

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Auf­sicht, Vor­ga­ben und Be­schränkun­gen ei­nes an­de­ren Or­gans der Ge­sell­schaft, un­abhängig von de­ren Aus­prägung und In­ten­sität, un­ter­wor­fen ist. Soll­te der Ge­richts­hof dies so be­ur­tei­len, er­schie­ne es be­deut­sam, in der zu fällen­den Ent­schei­dung ei­ne kla­re da­hin­ge­hen­de Aus­sa­ge zu tref­fen. Dar­aus ergäbe sich die Fol­ge, dass je­der Fremd- und wohl auch je­der Min­der­heits­ge­sell­schaf­ter-Geschäftsführer ei­ner deut­schen Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung im uni­ons­recht­li­chen Sin­ne als Ar­beit­neh­mer an­zu­se­hen wäre, da je­der Geschäftsführer ge­sell­schafts­recht­li­chen Vor­ga­ben und Be­schränkun­gen der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung (oder, falls ge­bil­det, ei­nes Auf­sichts­ra­tes) un­ter­wor­fen ist. Es bestünde da­mit fort­an zu­min­dest Rechts­klar­heit.

Das vor­le­gen­de Ge­richt meint al­ler­dings, die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs, wie sie ins­be­son­de­re in der Da­no­sa-Ent­schei­dung zum Aus­druck kommt, an­ders zu ver­ste­hen. So führt der Ge­richts­hof zu Rand­nr. 47 die­ser Ent­schei­dung aus, für die Fest­stel­lung, dass ein Un­ter­ord­nungs­verhält­nis zwi­schen Geschäftsführer und Ge­sell­schaft be­stand, sei­en zu prüfen die Be­din­gun­gen, un­ter de­nen das Mit­glied der Un­ter­neh­mens­lei­tung be­stellt wur­de, die Art der ihm über­tra­ge­nen Auf­ga­ben, der Rah­men, in dem die­se Auf­ga­ben aus­geführt wur­den, der Um­fang der Be­fug­nis­se des Be­trof­fe­nen und die Kon­trol­le, der er in­ner­halb der Ge­sell­schaft un­ter­liegt, so­wie die Umstände, un­ter de­nen er ab­be­ru­fen wer­den kann. Ins­be­son­de­re der Ver­weis auf den Rah­men, in dem die Auf­ga­ben vom Geschäftsführer aus­geführt wer­den, den Um­fang sei­ner Be­fug­nis­se so­wie die Kon­trol­le, der er un­ter­liegt, kann da­bei nach dem Verständ­nis des vor­le­gen­den Ge­richts nur so in­ter­pre­tiert wer­den, dass ein Un­ter­ord­nungs­verhält­nis und da­mit auch ein Ar­beits­verhält­nis im uni­ons­recht­li­chen Sin­ne nur dann zu be­ja­hen ist, wenn das Mit­glied der Un­ter­neh­mens­lei­tung bei der Ausübung sei­ner Tätig­keit ver­bind­li­chen Fest­set­zun­gen, Vor­ga­ben und Ein­schränkun­gen von ei­ni­gem Ge­wicht und von be­stimm­ter in­halt­li­cher Aus­prägung un­ter­liegt. An­sons­ten wäre es nämlich nicht an­ge­zeigt ge­we­sen, auf die Not­wen­dig­keit der Prüfung der zahl­rei­chen auf­geführ­ten Kri­te­ri­en zu ver­wei­sen, son­dern der Ge­richts­hof hätte sich dar­auf be­schränken können, fest­zu­stel­len, dass schon ei­ne ir­gend ge­ar­te­te Wei­sungs­macht, Auf­sicht oder Kon­trol­le ge­genüber dem Be­tref­fen­den zum Be­ste­hen ei­ner Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft führe.

(2) Ei­ne an den in der Da­no­sa-Ent­schei­dung ge­nann­ten Kri­te­ri­en ori­en­tier­te Prüfung des je­weils zuständi­gen na­tio­na­len Ge­richts hat den Vor­teil, dass sie ei­ne ho­he Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit nach sich zu zie­hen ver­mag. Das vor­le­gen­de Ge­richt fragt sich je­doch, ob die bis­lang prak­ti­zier­te Be­schränkung des Ge­richts­ho­fes auf die Vor­ga­be ei­nes Ka­ta­lo­ges re­le­van­ter Merk­ma­le zur Er­mitt­lung der Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft nicht auch ab­seh­ba­re Nach­tei­le mit sich bringt. Es steht aus Sicht des vor­le­gen­den Ge­richts zu befürch­ten, dass die na­tio­na­len Ge­rich­te den Grad an Wei­sungs­abhängig­keit und Kon­trol­le, dem ein Geschäftsführer aus­ge­setzt sein muss, um als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des Uni­ons­rechts zu gel­ten, sehr un­ter­schied­lich be­mes­sen wer­den. Dies wird da­zu führen, dass vollständig ver­gleich­ba­re Sach­ver­hal­te - al­so Fälle von Mit­glie­dern der Un­ter­neh­mens­lei­tung, die je­weils zu glei­chen oder je­den­falls zu im We­sent­li­chen ver­gleich­ba­ren Be­din­gun­gen beschäftigt wer­den - von den Ge­rich­ten je nach Mit­glieds­staat recht­lich ganz un­ter­schied­lich be­wer­tet wer­den. Auch in­ner­halb ei­nes Mit­glieds­staa­tes, in­ner­halb ei­ner Ge­richts­bar­keit und so­gar un­ter den Kam­mern ein und des­sel­ben Ge­richts können Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten und un­ter­schied­li­che Maßstäbe bei der prak­ti­schen An­wen­dung der vom Ge­richts­hof auf­gezähl­ten Prüfungs­fra­gen auf­tre­ten, die zu ei­ner vollständi­gen Zer­split­te­rung der Rechts­an­wen­dung und da­mit zu er­heb­li­cher

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Rechts­un­si­cher­heit führen würden. Dem­ent­spre­chend wäre es selbst rechts­kun­di­gen und um­fas­send be­ra­te­nen Ver­trags­par­tei­en kaum mehr möglich, die Rechts­be­zie­hun­gen zwi­schen Geschäftsführer und Ge­sell­schaft ver­trag­lich so aus­zu­ge­stal­ten, dass von An­fang an Klar­heit über die - feh­len­de oder vor­han­de­ne - uni­ons­recht­li­che Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft be­steht.

(3) Nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Ge­richts soll­te bei der Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob Mit­glie­der von Un­ter­neh­mens­lei­tun­gen im All­ge­mei­nen und Geschäftsführer ei­ner Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung im Be­son­de­ren als Ar­beit­neh­mer im uni­ons­recht­li­chen Sin­ne an­zu­se­hen sind, auch Berück­sich­ti­gung fin­den, dass die­se Per­so­nen­grup­pe - ins­be­son­de­re ge­genüber den übri­gen Beschäftig­ten - in der Re­gel ty­pi­sche Un­ter­neh­mer- und Ar­beit­ge­ber­funk­tio­nen ausübt. Die­se Wahr­neh­mung her­aus­ge­ho­be­ner Auf­ga­ben, die für den Er­folg und Be­stand des Un­ter­neh­mens von we­sent­li­cher Be­deu­tung sind, bringt auch ein nach­voll­zieh­ba­res, exis­ten­ti­el­les In­ter­es­se der Un­ter­neh­mens­eig­ner mit sich, sich oh­ne die durch ar­beits­recht­li­che Schutz­vor­schrif­ten er­zeug­ten Be­schränkun­gen von ei­nem Mit­glied der Un­ter­neh­mens­lei­tung zu tren­nen, wenn die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung das für ei­ne er­folg­rei­che Zu­sam­men­ar­beit not­wen­di­ge Ver­trau­ens­verhält­nis zu dem be­tref­fen­den Geschäftsführer als nicht mehr ge­ge­ben er­ach­tet. Das vor­le­gen­de Ge­richt fragt an, ob es ge­recht­fer­tigt er­schei­nen könn­te, die­sen In­ter­es­sen der Un­ter­neh­mens­eig­ner bei der Be­stim­mung des Gra­des an Wei­sungs­un­ter­wor­fen­heit Rech­nung zu tra­gen, der für die An­nah­me ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses als er­for­der­lich er­ach­tet wird.

(4) Das vor­le­gen­de Ge­richt gibt zu be­den­ken, dass die persönli­che Abhängig­keit, die sich aus den Wei­sun­gen des Un­ter­neh­mers ge­genüber dem Beschäftig­ten er­gibt, wel­che Ort, Zeit, aber vor al­lem die kon­kre­te Art und Wei­se der Leis­tungs­er­brin­gung be­tref­fen, ein sach­lich be­gründe­tes, trenn­schar­fes und in der Pra­xis hand­hab­ba­res Kri­te­ri­um für die De­fi­ni­ti­on der Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft auch im uni­ons­recht­li­chen Kon­text bil­den könn­te. Im na­tio­na­len Recht Deutsch­lands wird sie nicht nur im Zu­sam­men­hang mit der recht­li­chen Ein­ord­nung von Geschäftsführern, son­dern ins­be­son­de­re auch bei der Ab­gren­zung von Ar­beit­neh­mern und Selbstständi­gen ver­wen­det. Der Aus­spruch des Ge­richts­hofs, dass es für die Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft im Sin­ne des Uni­ons­rechts oh­ne Be­deu­tung ist, dass das Beschäfti­gungs­verhält­nis nach na­tio­na­lem Recht ein Rechts­verhält­nis sui ge­ne­ris ist (Da­no­sa Rand­nr. 40), würde da­mit nicht in Fra­ge ge­stellt, son­dern hätte viel­mehr un­ein­ge­schränkt Be­stand. Die na­tio­na­len Ge­rich­te wären auch im Fall von Mit­glie­dern der Un­ter­neh­mens­lei­tung ver­pflich­tet, je­weils zu prüfen, ob ein an­de­res Or­gan ih­nen dies­bezügli­che Wei­sun­gen er­teilt. Ist dies in nen­nens­wer­tem Um­fang der Fall, folg­te hier­aus die Be­ja­hung der Ei­gen­schaft als Ar­beit­neh­mer im uni­ons­recht­li­chen Sin­ne. Es spre­chen so­mit aus Sicht des vor­le­gen­den Ge­richts gu­te Ar­gu­men­te dafür, dass der Ge­richts­hof sei­ne Recht­spre­chung in die­sem Sin­ne nu­an­ciert.

(5) Soll­te der Ge­richts­hof an­de­re als die ge­nann­ten Kri­te­ri­en für die Be­stim­mung der Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft im uni­ons­recht­li­chen Sin­ne für maßgeb­lich hal­ten, wäre es aus Sicht des vor­le­gen­den Ge­richts aus den be­reits auf­geführ­ten Gründen der Rechts­si­cher­heit und Be­stimm­bar­keit er­for­der­lich, dass der Ge­richts­hof zu ei­ner Präzi­sie­rung und Kon­kre­ti­sie­rung der die Ar­beit­neh­mer­ei­gen­schaft kon­sti­tu­ie­ren­den Merk­ma­le, des Maßes, in dem die­se je­weils vor­lie­gen müssen, und der Ge­wich­tung der Merk­ma­le un­ter­ein­an­der wei­ter­ge­hen­de Ausführun­gen als in den bis­lang gefäll­ten Ent­schei­dun­gen tätigt. Glei­ches gilt, wenn der Ge­richts­hof die Auf­fas­sung ver­tre­ten soll­te, dass für den Be­griff des Ar­beit­neh­mers i.S.v. Art. 1 Abs. 1 a) der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der

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Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen an­de­re Kri­te­ri­en maßgeb­lich sein soll­ten als für den Be­griff des Ar­beit­neh­mers im Sin­ne an­der­wei­ti­gen Uni­ons­rechts, bei­spiels­wei­se i.S. der Richt­li­nie 92/85. Für die­sen Fall wäre das vor­le­gen­de Ge­richt dank­bar, zu er­fah­ren, wel­ches ggf. die Be­son­der­hei­ten des Ar­beit­neh­mer­be­griffs i.S. der Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie sind, wor­aus sie re­sul­tie­ren und wel­che Fol­ge­run­gen sich für die prak­ti­sche Rechts­an­wen­dung des na­tio­na­len Ge­richts hier­aus er­ge­ben.

b) Zur zwei­ten Vor­la­ge­fra­ge

Ge­gen­stand der zwei­ten Vor­la­ge­fra­ge ist, ob das ein­schlägi­ge Uni­ons­recht, ins­be­son­de­re Art. 1 Abs. 1 a) der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen, da­hin aus­zu­le­gen ist, dass es zwin­gend vor­gibt, dass bei der in die­ser Vor­schrift vor­ge­se­he­nen Be­rech­nung der Beschäftig­ten­zahl als Ar­beit­neh­mer auch die­je­ni­gen Per­so­nen mit­zuzählen sind, die oh­ne Vergütung durch den Ar­beit­ge­ber, je­doch fi­nan­zi­ell gefördert und an­er­kannt durch die für Ar­beitsförde­rung zuständi­gen öffent­li­chen Stel­len, prak­tisch mit­ar­bei­ten, um Kennt­nis­se zu er­wer­ben oder zu ver­tie­fen oder ei­ne Be­rufs­aus­bil­dung zu ab­sol­vie­ren („Prak­ti­kant“), oder ob es den Mit­glieds­staa­ten über­las­sen bleibt, hierüber na­tio­na­le ge­setz­li­che Be­stim­mun­gen oder Ge­pflo­gen­hei­ten auf­zu­stel­len.

Frau P.S. ab­sol­vier­te bei der Be­klag­ten ei­ne nach § 81 SGB III von der Agen­tur für Ar­beit geförder­te be­ruf­li­che Wei­ter­bil­dungs­maßnah­me. Maßnah­me­ziel war die Aus­bil­dung zur Büro­kauf­frau. Die theo­re­ti­sche Un­ter­wei­sung er­folg­te durch die Be­rufs­schu­le, die prak­ti­sche Un­ter­wei­sung bei der Be­klag­ten. Die Be­klag­te selbst zahl­te kei­ne Aus­bil­dungs­vergütung oder ver­gleich­ba­re Vergütung an Frau S. Die Agen­tur für Ar­beit er­brach­te während der Maßnah­me­dau­er un­mit­tel­ba­re Zah­lun­gen an Frau S.

Gewöhn­lich er­folgt die Be­rufs­aus­bil­dung zu ei­nem an­er­kann­ten Aus­bil­dungs­be­ruf durch Ab­schluss ei­nes Be­rufs­aus­bil­dungs­ver­tra­ges zwi­schen Aus­bil­der und Aus­zu­bil­den­dem. Für sol­che Aus­bil­dungs­verhält­nis­se sind die Be­stim­mun­gen des Be­rufs­bil­dungs­ge­set­zes (BBiG) maßgeb­lich. Gemäß § 17 Abs. 1 BBiG ha­ben Aus­bil­den­de den Aus­zu­bil­den­den ei­ne an­ge­mes­se­ne Vergütung zu gewähren. Um ein sol­ches „re­guläres“ Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis han­del­te es sich vor­lie­gend nicht. Die Be­klag­te war of­fen­bar auf­grund des fort­ge­schrit­te­nen Al­ters von Frau S., de­ren man­geln­der Qua­li­fi­ka­tio­nen und/oder ei­nes nicht vor­han­de­nen be­trieb­li­chen Aus­bil­dungs­be­darfs nicht ge­willt, ein sol­ches ein­zu­ge­hen.

Im na­tio­na­len Recht ist ein­schlägi­ge Recht­spre­chung zu der Fra­ge, ob Per­so­nen, die von der Agen­tur für Ar­beit geförder­te be­ruf­li­che Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men durch­lau­fen, als Ar­beit­neh­mer i.S. des § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zu zählen sind, nicht nach­ge­wie­sen. Die ein­schlägi­gen Kom­men­ta­re zum KSchG ge­hen oh­ne nähe­re Be­gründung oder Dif­fe­ren­zie­rung da­von aus, dass Aus­zu­bil­den­de und Vo­lontäre,

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Prak­ti­kan­ten (so­weit das Prak­ti­kum nicht Be­stand­teil schu­li­scher Aus­bil­dung sei) und Umschüler als Ar­beit­neh­mer i.S.v. § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG mit­zuzählen sei­en (KR/Wei­gand aaO Rz. 29; vgl. auch Er­fur­ter Kom­men­tar/Kiel, 14. Aufl. 2014, § 17 KSchG Rn. 9).

Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs be­steht das we­sent­li­che Merk­mal des Ar­beits­verhält­nis­ses dar­in, dass ei­ne Per­son während ei­ner be­stimm­ten Zeit für ei­ne an­de­re nach de­ren Wei­sung Leis­tun­gen er­bringt, für die sie als Ge­gen­leis­tung ei­ne Vergütung erhält (Da­no­sa Rand­nr. 39 m.w.N.). Das vor­le­gen­de Ge­richt fragt an, ob der Er­halt ei­ner Vergütung un­mit­tel­bar vom Ar­beit­ge­ber ein nicht ver­zicht­ba­res Kri­te­ri­um des uni­ons­recht­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griffs ist. Für die­sen Fall wäre Frau P.S. fol­ge­rich­tig nicht als Ar­beit­neh­me­rin im uni­ons­recht­li­chen Sin­ne und ins­be­son­de­re nicht als Ar­beit­neh­me­rin i.S.d. Art. 1 Abs. 1 a) der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen an­zu­se­hen. Soll­te hin­ge­gen nach der Auf­fas­sung des Ge­richts­hofs der Er­halt ei­ner Vergütung un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Ei­gen­schaft als Ar­beit­neh­mer ent­behr­lich sein, wird der Ge­richts­hof ge­be­ten, da­zu Ausführun­gen zu täti­gen, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen dies der Fall ist, und ins­be­son­de­re dem vor­le­gen­den Ge­richt die nöti­gen Hin­wei­se zu ge­ben, da­mit es be­ur­tei­len kann, ob von der Agen­tur für Ar­beit geförder­te be­ruf­li­che Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men die Kri­te­ri­en für die An­nah­me ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses im uni­ons­recht­li­chen Sin­ne bzw. im Sin­ne der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen erfüllen.

Art. 5 der Richt­li­nie be­stimmt, dass sie die Möglich­keit der Mit­glied­staa­ten un­berührt lässt, für die Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- oder Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den. Das vor­le­gen­de Ge­richt geht da­von aus, dass die Mit­glied­staa­ten die Möglich­keit be­sit­zen, im Rah­men der Um­set­zung der Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie in na­tio­na­les Recht den Be­griff des Ar­beit­neh­mers, je­den­falls so­weit die­ser Be­griff für die Be­rech­nung der Beschäftig­ten­zahl von Be­deu­tung ist, wei­ter aus­zu­le­gen, als dies uni­ons­recht­lich ge­bo­ten ist, und dem­ent­spre­chend auch Per­so­nen als Ar­beit­neh­mer - hier: im Sin­ne der gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 KSchG mit­zuzählen­den Beschäftig­ten - an­zu­se­hen, die für ei­nen an­de­ren nach des­sen Wei­sun­gen Leis­tun­gen er­brin­gen, oh­ne hierfür ei­ne Ge­gen­leis­tung zu er­hal­ten. Die­se An­nah­me des vor­le­gen­den Ge­richts hat zu der kon­kre­ten For­mu­lie­rung der zwei­ten Vor­la­ge­fra­ge geführt. Soll­te der Ge­richts­hof der Auf­fas­sung sein, dass der uni­ons­recht­li­che Ar­beit­neh­mer­be­griff als sol­cher, bzw. so­weit er in der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen Ver­wen­dung fin­det, ei­ner sol­chen er­wei­tern­den Ver­wen­dung im na­tio­na­len Recht bei der Um­set­zung der Richt­li­nie nicht zugäng­lich sei, wird er ge­be­ten, hier­zu Ausführun­gen zu täti­gen.

Ver­den, den 06.05.2014

Der Vor­sit­zen­de der 1. Kam­mer

des Ar­beits­ge­richts


Dr. Rinck

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