HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 15/107

Min­dest­lohn ge­for­dert - Kün­di­gung er­hal­ten

Kün­di­gung als Re­ak­ti­on auf For­de­rung nach Min­dest­lohn ist un­wirk­sam: Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Ur­teil vom 17.04.2015, 28 Ca 2405/15
Hausverbot, Kündigung, Entlassung Was?! Min­dest­lohn?! Raus!

29.04.2015. Recht ha­ben und Recht be­kom­men sind be­kannt­lich zwei ver­schie­de­ne Din­ge. Die­se Er­fah­rung mach­te vor kur­zem ein Ber­li­ner Haus­meis­ter, der von sei­nem Ar­beit­ge­ber den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn von 8,50 EUR ver­lang­te.

Statt der be­gehr­ten Lohn­auf­bes­se­rung be­kam er die Kün­di­gung.

Die al­ler­dings war un­wirk­sam, wie das Ar­beits­ge­richt Ber­lin Mit­te April ent­schied: Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Ur­teil vom 17.04.2015, 28 Ca 2405/15.

Wel­che Re­ak­tio­nen des Ar­beit­ge­bers auf die Einführung des Min­dest­lohns von 8,50 EUR sind er­laubt und wel­che nicht?

Der seit An­fang 2015 gel­ten­de ge­setz­li­che Min­dest­lohn von 8,50 EUR bringt man­chen Ar­beit­ge­ber in fi­nan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten. Die Fra­ge ist dann, wel­che Re­ak­tio­nen recht­lich zulässig sind und wel­che nicht.

Am ein­fachs­ten ha­ben es Ar­beit­ge­ber, die bis­her schon 8,50 EUR brut­to pro St­un­de ge­zahlt ha­ben, nur eben in Form ei­nes no­mi­nel­len Grund­lohns von z.B. 7,90 EUR zuzüglich wei­te­rer, ständig gewähr­ter Zu­schläge, die zu­sam­men mit dem Grund­lohn 8,50 EUR oder mehr er­ge­ben. Sie müssen nichts ändern, denn sie zah­len ja be­reits den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn. Das gilt je­den­falls dann, wenn die Zu­schläge für je­de "nor­ma­le" Ar­beits­stun­de ge­zahlt wer­den, d.h. wenn sie kei­ne be­son­de­ren Er­schwer­nis­se aus­glei­chen sol­len (wie z.B. Nacht- oder Sonn­tags­zu­schläge).

An­ders ist es al­ler­dings dann, wenn das Jah­res­ge­halt ein­sch­ließlich von Ein­mal­zah­lun­gen (Gra­ti­fi­ka­tio­nen) wie z.B. Ur­laubs­geld oder Weih­nachts­geld im Durch­schnitt ei­nen rech­ne­ri­schen St­un­den­lohn von 8,50 EUR oder we­ni­ger er­gibt. Hier be­steht Hand­lungs­be­darf, d.h.der re­gulär ge­zahl­te St­un­den­lohn muss auf­ge­bes­sert wer­den, denn der­ar­ti­ge Ein­mal­zah­lun­gen gehören nicht zur Vergütung im Sin­ne des Min­dest­l­ohn­ge­set­zes (Mi­LoG), son­dern sind ein zusätz­li­ches "Sah­nehäub­chen".

Was gar nicht geht: Ar­beit­neh­mer, die ei­ne Loh­nerhöhung un­ter Ver­weis auf den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn von 8,50 EUR ver­lan­gen, zu kündi­gen, denn das wäre ei­ne ge­setz­lich ver­bo­te­ne Maßre­ge­lung.

Der Ber­li­ner Streit­fall: Haus­meis­ter ver­langt 8,50 EUR Min­dest­lohn und wird ge­feu­ert

Ge­klagt hat­te ein Ber­li­ner Haus­meis­ter, der mit ei­ner re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 14 St­un­den bei ei­ner Vergütung von mo­nat­lich 315,00 EUR brut­to beschäftigt wur­de, was ei­nem St­un­den­lohn von 5,19 EUR ent­spricht.

Der Haus­meis­ter for­der­te von sei­nem Ar­beit­ge­ber den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn von 8,50 EUR brut­to pro St­un­de, wor­auf der Ar­beit­ge­ber ei­ne Her­ab­set­zung der Ar­beits­zeit auf mo­nat­lich 32 St­un­den bei ei­ner Mo­nats­vergütung von 325,00 EUR brut­to (St­un­den­lohn 10,15 EUR) an­bot.

Nach­dem der Haus­meis­ter ei­ne sol­che Ände­rung sei­nes Ar­beits­ver­trags ab­ge­lehnt hat­te, kündig­te der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis. Der Haus­meis­ter er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge.

Ar­beits­ge­richt Ber­lin: Kündi­gung ist als ver­bo­te­ne Maßre­ge­lung un­wirk­sam

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin gab dem Haus­meis­ter Recht. Zur Be­gründung heißt es in der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des Ge­richts:

Die Kündi­gung war ei­ne nach § 612a Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) ver­bo­te­ne Maßre­ge­lung an­zu­se­hen. Denn der Ar­beit­ge­ber des Haus­meis­ter hat­te das Ar­beits­verhält­nis nur des­halb gekündigt, weil der Haus­meis­ter zu­vor den ge­setz­li­chen Min­dest­lohn ge­for­dert hat­te. Die­se For­de­rung war aber be­rech­tigt, so das Ar­beits­ge­richt. § 612a BGB lau­tet:

"Der Ar­beit­ge­ber darf ei­nen Ar­beit­neh­mer bei ei­ner Ver­ein­ba­rung oder ei­ner Maßnah­me nicht be­nach­tei­li­gen, weil der Ar­beit­neh­mer in zulässi­ger Wei­se sei­ne Rech­te ausübt."

Fa­zit: Ei­ne Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers als Re­ak­ti­on auf die For­de­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers nach Gewährung des ge­setz­li­chen Min­dest­lohns von 8,50 EUR pro St­un­de ist un­wirk­sam. Ar­beit­neh­mern ist zu ra­ten, sich auf ent­spre­chen­de (ge­set­zes­wid­ri­ge) Ver­ein­ba­run­gen nicht ein­zu­las­sen, son­dern zum An­walt zu ge­hen und sich über ih­re recht­li­chen Möglich­kei­ten be­ra­ten zu las­sen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 13. November 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de