HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/217

Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats bei Ethik­richt­li­nie im Kon­zern

Dem ört­li­chen Be­triebs­rat steht kein Un­ter­las­sungs­an­spruch bei Ver­let­zung der Mit­be­stim­mungs­rech­te des Kon­zern­be­triebs­rats zu: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 17.05.2011, 1 ABR 121/09
Sitzung des Betriebsrats, Betriebsratsversammlung Ethik­richt­li­ni­en sind auch The­ma für den Be­triebs­rat
06.11.2011. Das "Herz­stück" der Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­rats ist die Mit­be­stim­mung in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten ge­mäß § 87 Abs. 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG), die u.a. die Ord­nung im Be­trieb be­tref­fen. Hier kann der Ar­beit­ge­ber oh­ne den Be­triebs­rat kei­ne An­wei­sun­gen er­tei­len, d.h. er braucht das O.K. des Be­triebs­rats.

Manch­mal ist aber auch statt des ört­li­chen Be­triebs­rats der für al­le Be­trie­be ei­nes Un­ter­neh­mens ge­bil­de­te Ge­samt­be­triebs­rat (GBR) zu­stän­dig oder so­gar der Kon­zern­be­triebs­rat (KBR), wenn in meh­re­ren Un­ter­neh­men ei­nes Kon­zerns GBRs be­ste­hen und ei­ne Re­ge­lung ein­ge­führt wer­den soll, die für al­le Un­ter­neh­men des Kon­zerns gül­tig ist - wie z.B. ei­ne kon­zern­weit gül­ti­ge "Ethik-Richt­li­nie".

Wenn hier der KBR nichts un­ter­nimmt und die Mit­be­stim­mungs­rech­te da­her nicht an­ge­wandt wer­den - kann dann we­nigs­tens der ört­li­che Be­triebs­rat dem Ar­beit­ge­ber die (mit­be­stim­mungs­wid­ri­ge) An­wen­dung kon­zern­wei­ter Richt­li­ni­en vor Ort im je­wei­li­gen Be­trieb ver­bie­ten las­sen? Nein, so das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­nem ak­tu­el­len Be­schluss vom 17.05.2011 (1 ABR 121/09).

Was kann der Be­triebs­rat tun, wenn Ge­samt­be­triebs­rat (GBR) oder Kon­zern­be­triebs­rat (KBR) untätig blei­ben?

Für An­ge­le­gen­hei­ten, die das Ge­samt­un­ter­neh­men oder meh­re­re Be­trie­be be­tref­fen und nicht durch den ört­li­chen Be­triebs­rat ge­re­gelt wer­den können, ist der GBR zuständig (§ 47, § 50 Be­trVG). Sind meh­re­re Kon­zern­un­ter­neh­men oder der Kon­zern ins­ge­samt be­trof­fen, muss der KBR ak­tiv wer­den, wenn die Ge­samt­be­triebsräte die Fra­ge nicht un­ter­neh­mens­in­tern re­geln können (§ 54, § 58 Be­trVG).

Da­her steht dem KBR und nicht et­wa den Ge­samt­be­triebsräten oder gar den ört­li­chen Be­triebsräten das § 87 Abs.1 Nr.1 Be­trVG zu, wenn kon­zern­weit Ethik-Richt­li­ni­en ein­geführt wer­den sol­len. Doch was ist, wenn der KBR nichts macht? Die Einführung sol­cher Richt­li­ni­en oh­ne die Zu­stim­mung des KBR ist rechts­wid­rig, so dass en­ga­gier­te ört­li­che Be­triebsräte verständ­li­cher­wei­se die An­wen­dung sol­cher Richt­li­ni­en in "ih­ren" Be­trie­ben vor Ort blo­ckie­ren wol­len.

BAG: Ist der GBR oder KBR zuständig, kann der ört­li­che Be­triebs­rat mit­be­stim­mungs­wid­ri­ge Maßnah­men des Ar­beit­ge­bers nicht blo­ckie­ren

Ein ame­ri­ka­ni­scher Kon­zern führ­te in sei­nen Un­ter­neh­men „Grundsätze der Un­ter­neh­mens­ethik“, be­tei­lig­te aber den Kon­zern­be­triebs­rat nicht. Der Be­triebs­rat ei­ner deut­schen Kon­zern­toch­ter ging ge­gen die­sen be­triebs­ver­fas­sungs­wid­ri­gen Zu­stand vor ver­klag­te "sei­nen" Ar­beit­ge­ber vor Ort, die An­wen­dung der neu­en Ethik­richt­li­ni­en zu un­ter­las­sen, bis der KBR ord­nungs­gemäß be­tei­ligt wor­den wäre.

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin wies die Anträge zurück, wo­hing­gen das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg pro Be­triebs­rat ent­schied. Denn im­mer­hin hat der Be­triebs­rat gemäß § 80 Abs.1 Be­trVG die Auf­ga­be, über die An­wen­dung der zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer gel­ten­den Ge­set­ze zu wa­chen (Be­schluss vom 16.07.2009, 18 TaBV 446/09).

Falsch, so das BAG. Denn das Be­trVG sieht kei­ne „Auf­fang­zuständig­keit“ ei­nes nicht zuständi­gen ört­li­chen Be­triebs­rats vor. Denn die Über­wa­chungs­auf­ga­be gemäß § 80 Abs.1 Be­trVG gibt dem Be­triebs­rat kei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch zu­guns­ten des GBR oder KBR.

Fa­zit: Be­triebsräte vor Ort können bei Untätig­keit des GBR oder des KBR nur we­nig tun. Denn die Be­fug­nis­se die­ser ver­schie­de­nen Gre­mi­en sind durch das Be­trVG klar ge­trennt. Nur bei „gro­ben" Pflicht­verstößen von GBR oder KBR können Be­triebsräte aus § 23 Abs.3 Be­trVG ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch her­lei­ten. Im­mer­hin können en­ga­gier­te Be­triebsräte ih­re Kol­le­gen im Be­trieb darüber in­for­mie­ren, dass An­wei­sun­gen des Ar­beit­ge­bers oh­ne Ein­be­zie­hung des GBR und/oder KBR rechts­wid­rig sind und nicht be­folgt wer­den müssen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 29. Mai 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de