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BAG, Ur­teil vom 15.08.2006, 9 AZR 639/05

   
Schlagworte: Altersteilzeit, Krankengeld
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 639/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.08.2006
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg
Landesarbeitsgericht Hamburg
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


9 AZR 639/05
8 Sa 34/05
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ham­burg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

15. Au­gust 2006

UR­TEIL

Brüne,

Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 15. Au­gust 2006 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Düwell, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Rei­ne­cke, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bruse und Lang für Recht er­kannt:


Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 8. Sep­tem­ber 2005 - 8 Sa 34/05 - wird zurück­ge­wie­sen.
 


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Der Kläger hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.


Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen An­spruch des Klägers auf Auf­sto­ckung des Kran­ken­gel­des für die Zeit vom 16. April 2004 bis 30. April 2005.


Der Kläger ist seit 1986 bei der Be­klag­ten, ei­ner An­stalt des öffent­li­chen Rechts, an­ge­stellt. In dem An­stel­lungs­ver­trag ist die An­wen­dung des Man­tel­ta­rif­ver­trags für An­ge­stell­te (MTV Ang), ge­schlos­sen zwi­schen der Ar­beits­recht­li­chen Ver­ei­ni­gung Ham­burg e.V. und ver.di, in der je­wei­li­gen Fas­sung ver­ein­bart. Das mo­nat­li­che Brut­to­ge­halt des Klägers be­lief sich bis April 2002 auf 2.194,70 Eu­ro. Der Kläger war in Voll­zeit tätig.


Im April 2002 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en, ihr Ar­beits­verhält­nis auf der Grund­la­ge des Ge­set­zes zur Al­ters­teil­zeit und des Ta­rif­ver­trags zur Re­ge­lung der Al­ters­teil­zeit­ar­beit vom 5. Mai 1998 (TV ATZ) in der je­weils gel­ten­den Fas­sung ab dem 1. Mai 2002 als Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen. Die Ar­beits­pha­se soll­te vom 1. Mai 2002 bis zum 30. April 2006 und die sich an­sch­ließen­de Frei­stel­lungs­pha­se bis zum 30. April 2010 dau­ern. Der Ände­rungs­ver­trag lau­tet aus­zugs­wei­se:


㤠3
Ar­beits­ent­gelt, Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen


(1) Der Ar­beit­neh­mer erhält für die Dau­er des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses Ent­gelt ent­spre­chend der re­du­zier­ten Amts­zeit. Das Ar­beits­ent­gelt ist un­abhängig von der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit fort­lau­fend zu zah­len.


(2) Außer­dem erhält der Ar­beit­neh­mer Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen gemäß § 5 TV ATZ. Die­ser Auf­sto­ckungs­be­trag muss so hoch sein, daß der Ar­beit­neh­mer 83 % des Net­to­be­tra­ges des ihm bei re­gelmäßiger Ar­beits­zeit zu­ste­hen­den Voll­zeit­ar­beits­ent­gel­tes erhält (Min­dest­net­to­be­trag). ...

§ 4
Krank­heit, Ru­hen der Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen

(1) Nach § 8 Abs. 1 TV ATZ be­steht bei krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit des Ar­beit­neh­mers der An­spruch auf Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen gemäß § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ

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bis zum Ab­lauf der Fris­ten für die Zah­lung von Kran­ken­bezügen (Ent­gelt­fort­zah­lung und Kran­ken­geld­zu­schuß).

(2) Über die­sen Zeit­punkt hin­aus be­steht kein An­spruch auf Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen.

(3) Ist der Ar­beit­neh­mer, der die Al­ters­teil­zeit im Block­mo­dell ab­leis­tet, während der Ar­beits­pha­se über den Zeit­raum der Ent­gelt­fort­zah­lung hin­aus ar­beits­unfähig er­krankt, verlängert sich die Ar­beits­pha­se um die Hälf­te des den Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­raums über­stei­gen­den Zeit­raums der Ar­beits­unfähig­keit, in dem glei­chen Um­fang verkürzt sich die Frei­stel­lungs­pha­se.“

In § 8 TV ATZ in der Fas­sung des Ände­rungs­ta­rif­ver­trags Nr. 2 vom 30. Ju­ni 4 2000 heißt es aus­zugs­wei­se:

㤠8
Nicht­be­ste­hen bzw. Ru­hen der Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen

(1) In den Fällen krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit be­steht der An­spruch auf die Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen (§ 5) längs­tens für die Dau­er der Ent­gelt­fort­zah­lung (z.B. § 37 Abs. 2 BAT/BAT-O), der An­spruch auf Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen nach § 5 Abs. 1 und 2 darüber hin­aus längs­tens bis zum Ab­lauf der Fris­ten für die Zah­lung von Kran­ken­bezügen (Ent­gelt­fort­zah­lung und Kran­ken­geld­zu­schuss). Für die Zeit nach Ab­lauf der Ent­gelt­fort­zah­lung wird der Auf­sto­ckungs­be­trag in Höhe des ka­len­dertägli­chen Durch­schnitts des nach § 5 Abs. 1 und 2 in den letz­ten drei ab­ge­rech­ne­ten Ka­len­der­mo­na­ten maßge­ben­den Auf­sto­ckungs­be­trags ge­zahlt. Ein­mal­zah­lun­gen blei­ben un­berück­sich­tigt.“

§ 8 Abs. 2 TV ATZ ent­spricht § 4 Abs. 3 des Ände­rungs­ver­trags. 


Nach § 37 Abs. 2 MTV Ang „Kran­ken­bezüge“ erhält der An­ge­stell­te bis zur Dau­er von sechs Wo­chen Kran­ken­bezüge in Höhe der Ur­laubs­vergütung, die ihm zu-ste­hen würde, wenn er Er­ho­lungs­ur­laub hätte. Nach Ab­lauf die­ses Zeit­rau­mes erhält er für den Zeit­raum, für den ihm Kran­ken­geld oder die ent­spre­chen­den Leis­tun­gen aus der ge­setz­li­chen Ren­ten- oder Un­fall­ver­si­che­rung oder nach dem Bun­des­ver­sor­gungs­ge­setz ge­zahlt wer­den, als Kran­ken­bezüge ei­nen Kran­ken­geld­zu­schuss, längs­tens bis zum En­de der 26. Wo­che seit dem Be­ginn der Ar­beits­unfähig­keit (§ 37 Abs. 3 und Abs. 4 MTV Ang). An­stel­le des § 37 MTV Ang greift für An­ge­stell­te, die am 30. Ju­ni 1994 in ei­nem Ar­beits­verhält­nis ge­stan­den ha­ben, das am 1. Ju­li 1994 zu dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber fort­be­stan­den hat, die Über­g­angs­re­ge­lung des § 71 MTV Ang. Nach ei­ner
 


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Dienst­zeit von min­des­tens zehn Jah­ren er­hal­ten sie als Kran­ken­bezüge die Ur­laubs­vergütung bis längs­tens 26 Wo­chen seit dem Be­ginn der Ar­beits­unfähig­keit (§ 71 Abs. 2 MTV Ang).


Während der Ar­beits­pha­se er­krank­te der Kläger an Kehl­kopf­krebs. Die Be­klag­te zahl­te an ihn für die Dau­er von 26 Wo­chen die ta­rif­lich be­stimm­ten Leis­tun­gen, be­ste­hend aus Teil­zei­tent­gelt und Auf­sto­ckung, zu­letzt mo­nat­lich 2.241,19 Eu­ro net­to. Wei­te­re Zah­lun­gen lehn­te sie ab. Seit dem 29. März 2004 be­zog der Kläger Kran­ken­geld auf der Grund­la­ge des bis­he­ri­gen Teil­zei­tent­gelts von mo­nat­lich 1.395,60 Eu­ro. Im No­vem­ber 2004 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­ne Vor­ver­le­gung der Be­en­di­gung des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses. Das Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis en­det da­nach nun­mehr mit dem 30. April 2008. Die Ar­beits­pha­se bei sich an­sch­ließen­der Frei­stel­lung wur­de auf den 30. April 2005 be­fris­tet.


Der Kläger hat gel­tend ge­macht, die Be­klag­te sei ver­pflich­tet, über den Zeit­raum der Ent­gelt­fort­zah­lung hin­aus das Kran­ken­geld ent­spre­chend ih­rer bis­he­ri­gen Ab­rech­nung um mo­nat­lich 845,59 Eu­ro auf­zu­sto­cken. Das er­ge­be sich aus § 8 Abs. 1 Satz 2 TV ATZ.

Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 10.569,87 Eu­ro zu zah­len nebst Zin­sen iHv. 5 Pro­zent­punk­ten von 2.959,56 Eu­ro seit dem 19. Au­gust 2004 und von 3.382,36 Eu­ro seit dem 2. De­zem­ber 2004.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. 


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Da­ge­gen wen­det sich der Kläger mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner mo­nat­li­chen Auf­sto­ckungs­leis­tung für den streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum. Das ha­ben die Vor­in­stan­zen zu­tref­fend ent­schie­den.



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1. Der An­spruch er­gibt sich nicht aus dem Ände­rungs­ver­trag der Par­tei­en zur Be­gründung des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses. In § 4 Abs. 1 des Ände­rungs­ver­trags ist un­ter Hin­weis auf § 8 Abs. 1 TV ATZ ge­re­gelt, dass bei krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit der An­spruch auf Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen gem. § 5 Abs. 1 und 2 TV ATZ bis zum Ab­lauf der Fris­ten für die Zah­lung von Kran­ken­bezügen (Ent­gelt­fort­zah­lung und Kran­ken­geld­zu­schuss) be­steht. Die Be­zugs­dau­er ist mit­hin auf die­sen Zeit­punkt be­grenzt. Das stellt § 4 Abs. 2 des Ände­rungs­ver­trags aus­drück­lich klar.


Nach der für den Kläger auf Grund sei­ner Beschäfti­gungs­dau­er gel­ten­den Über­g­angs­vor­schrift des § 71 MTV Ang hat­te er für 26 Wo­chen An­spruch auf Kran­ken­bezüge in Form der Ent­gelt­fort­zah­lung. Die­ser Zeit­raum war spätes­tens am 15. April 2004 ab­ge­lau­fen. Fol­ge­rich­tig geht des­halb auch der Kläger nicht da­von aus, die Be­klag­te ha­be ein­zel­ver­trag­lich das Kran­ken­geld für die streit­be­fan­ge­nen Mo­na­te auf­zu­sto­cken.


2. Der An­spruch lässt sich nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 2 TV ATZ her­lei­ten. 


a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat nicht fest­ge­stellt, ob der MTV Ang auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en kraft bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­bin­dung un­mit­tel­bar und zwin­gend an­zu­wen­den ist (§ 4 Abs. 1 TVG). Von da­her kann der Se­nat nicht be­ur­tei­len, ob § 4 Abs. 2 des Ände­rungs­ver­trags mögli­cher­wei­se schon des­halb nicht zur An­wen­dung ge­langt, weil die ver­trag­li­che Re­ge­lung zu Un­guns­ten des Klägers von § 8 Abs. 1 TV ATZ ab­weicht (§ 4 Abs. 3 TVG). Die feh­len­de Fest­stel­lung ist unschädlich. Die ver­trag­li­che Be­gren­zung des An­spruchs auf die Dau­er der Ent­gelt­fort­zah­lung ent­spricht der ta­rif­li­chen Vor­schrift.


b) § 8 Abs. 1 Satz 2 TV ATZ enthält, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt im Er­geb­nis zu­tref­fend an­ge­nom­men hat, le­dig­lich ei­ne Be­rech­nungs­re­ge­lung für den Fall, dass der Ar­beit­neh­mer Kran­ken­bezüge in Form ei­nes Zu­schus­ses zum Kran­ken­geld erhält. Für An­ge­stell­te, die wie der Kläger Ent­gelt­fort­zah­lung für die Dau­er von 26 Wo­chen be­an­spru­chen können, ist sie oh­ne Be­deu­tung.

aa) Das auf die Ein­gangs­for­mu­lie­rung des § 8 Abs. 1 Satz 2 TV ATZ ab­stel­len­de Verständ­nis des Klägers, „Für die Zeit nach Ab­lauf der Ent­gelt­fort­zah­lung ...“, mag auf den ers­ten Blick des­sen Aus­le­gung stützen. In­des­sen spricht schon der gram­ma­ti­ka­li­sche Zu­sam­men­hang mit Satz 1 da­ge­gen. Ge­zahlt wird „der“ Auf­sto­ckungs­be­trag; das
 


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be­zieht sich auf die vor­ab ge­nann­ten Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen. Fest­ge­legt wird le­dig­lich, wie die­ser Be­trag zu be­rech­nen ist.


bb) Ge­gen die Aus­le­gung des Klägers spre­chen Re­ge­lungs­in­halt und sys­te­ma­ti­scher Zu­sam­men­hang. § 8 TV ATZ knüpft an die ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen an, nach de­nen sich die während der Al­ters­teil­zeit zu zah­len­de Al­ters­teil­zeit­vergütung be­misst. Die­se setzt sich aus den Be­stand­tei­len „Teil­zei­tent­gelt“ und „Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen“ zu­sam­men.


(1) Teil­zei­tent­gelt ist das dem Ar­beit­neh­mer für die ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung zu­ste­hen­de steu­er- und so­zi­al­ab­ga­ben­pflich­ti­ge Ent­gelt, das sich nach dem Verhält­nis zu den Bezügen ei­nes Voll­beschäftig­ten be­misst (§ 4 TV ATZ). Es wird für die tatsächli­che Ar­beit ge­zahlt und für die Zei­ten der Nicht­beschäfti­gung, in de­nen der Ar­beit­neh­mer gleich­wohl An­spruch auf Vergütung hat. Dau­er und Höhe der bei krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit vom Ar­beit­ge­ber ge­schul­de­ten Leis­tun­gen rich­ten sich nach den ein­schlägi­gen man­tel­ta­rif­li­chen Vor­schrif­ten des MTV Ang, hier al­so we­gen der Dau­er des zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses nach § 71 MTV Ang und nicht nach § 37 MTV Ang.


(2) Die dem An­ge­stell­ten während des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses zu­ste­hen­den Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen er­ge­ben sich aus § 5 TV ATZ. Das ist zum ei­nen der ihm zu­fließen­de steu­er- und so­zi­al­ver­si­che­rungs­freie Auf­sto­ckungs­be­trag, des­sen Höhe sich nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ be­misst. Da­nach hat der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­nen Auf­schlag von 20 vH des Brut­to­teil­zei­tent­gelts, der min­des­tens so hoch sein muss, dass der Ar­beit­neh­mer 83 vH des Net­to­be­trags des bei bis­he­ri­ger Ar­beits­zeit zu­ste­hen­den Voll­zei­tent­gelts erhält (Min­dest­net­to­be­trag). Außer­dem hat der Ar­beit­ge­ber ne­ben den So­zi­al­ab­ga­ben für das Teil­zei­tent­gelt nach § 5 Abs. 4 TV ATZ zusätz­li­che Beiträge zur ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung zu ent­rich­ten.


(3) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 1. Halb­satz TV ATZ be­steht in den Fällen krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit der An­spruch auf die Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen längs­tens für die Dau­er der Ent­gelt­fort­zah­lung. Mit der Ver­wei­sung auf § 5 TV ATZ ist klar­ge­stellt, dass der Ar­beit­ge­ber während die­ses Zeit­rau­mes auch sämt­li­che dort ge­re­gel­ten Leis­tun­gen zu er­brin­gen hat. Es ist mit­hin nicht nur der Min­dest­net­to­be­trag zu zah­len, son­dern es sind auch die zusätz­li­chen Beiträge zur ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung zu ent­rich­ten.
 


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(4) Der 2. Halb­satz be­trifft da­ge­gen le­dig­lich die Auf­sto­ckung des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ. Die­se Leis­tun­gen sind längs­tens bis zum Ab­lauf der Fris­ten für die Zah­lung von Kran­ken­bezügen zu er­brin­gen. Was un­ter „Kran­ken­bezügen“ zu ver­ste­hen ist, wird im Klam­mer­zu­satz be­schrie­ben. Er­fasst wer­den so­wohl die Ent­gelt­fort­zah­lung als auch der Kran­ken­geld­zu­schuss, der gemäß § 37 MTV Ang nach Ab­lauf der Fris­ten der Ent­gelt­fort­zah­lung vom Ar­beit­ge­ber zu dem von der Kran­ken­kas­se ge­zahl­ten Kran­ken­geld zu zah­len ist. Ar­beit­neh­mer in Al­ters­teil­zeit er­hal­ten mit­hin auch dann noch die Auf­sto­ckung nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ, wenn der Ar­beit­ge­ber le­dig­lich ei­nen Zu­schuss zu dem von der Kran­ken­kas­se ge­zahl­ten Kran­ken­geld zahlt. Da die Auf­sto­ckung bei Zah­lung ei­nes bloßen Zu­schus­ses zum Kran­ken­geld nicht (mehr) auf der Grund­la­ge des Teil­zei­tent­gelts des Ar­beit­neh­mers be­mes­sen wer­den kann, be­durf­te es der be­son­de­ren Be­rech­nungs­re­gel.


cc) Die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des § 8 TV ATZ bestätigt die­se Aus­le­gung. Die Vor­schrift ent­hielt ursprüng­lich kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung zur Auf­sto­ckung im Fall der krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit. Das konn­te da­hin ver­stan­den wer­den, dass Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen nur für die Dau­er der Ent­gelt­fort­zah­lung, nicht aber im Fall der Gewährung des Kran­ken­geld­zu­schus­ses ge­schul­det wa­ren. Mit der Neu­fas­sung des § 8 durch den Ände­rungs­ta­rif­ver­trag vom 15. März 1999 mit Wir­kung zum 1. April 1999 ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en klar­ge­stellt, dass auch der Be­zug des Kran­ken­geld­zu­schus­ses ei­nen An­spruch auf die Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 TV ATZ be­gründet (vgl. LAG Ba­den-Würt­tem­berg 27. Ju­ni 2001 - 3 Sa 13/01 - Ez­BAT TV Al­ters­teil­zeit Nr. 8).


dd) Die vom Kläger dar­ge­leg­ten fi­nan­zi­el­len Fol­gen ei­ner über die Dau­er der Ent­gelt­fort­zah­lung hin­aus­ge­hen­den Er­kran­kung recht­fer­ti­gen kein an­de­res Er­geb­nis. Sie sind in der Tat er­heb­lich, da sich das Kran­ken­geld nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V aus­sch­ließlich nach dem der Bei­trags­pflicht un­ter­lie­gen­den Ar­beits­ent­gelt be­misst. Die so­zi­al­ver­si­che­rungs­frei­en Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen des Ar­beit­ge­bers während der Al­ters­teil­zeit blei­ben des­halb außer An­satz. Maßgeb­lich ist al­lein das Teil­zei­tent­gelt. Lang­an­hal­ten­de krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit während des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses führt da­her we­gen der Höhe des Kran­ken­gel­des zu er­heb­li­chen Vermögens­ein­bußen.

An­hal­te dafür, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en den Ar­beit­neh­mer von die­sem Ri­si­ko zu Las­ten des Ar­beit­ge­bers be­frei­en woll­ten, er­ge­ben sich in­des­sen nicht. Dass das Ri­si­ko ge­se­hen wur­de, zeigt § 8 Abs. 2 TV ATZ. Dort ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par-

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tei­en ei­ne dem Zeit­raum der Er­kran­kung an­ge­pass­te Verlänge­rung der Ar­beits­pha­se bei gleich­zei­ti­ger Verkürzung der Frei­stel­lungs­pha­se vor­ge­se­hen.


ee) Die Erwägun­gen des Klägers zur Gleich­be­hand­lung der Ar­beit­neh­mer führen an­ge­sichts des un­miss­verständ­li­chen Wort­lauts des § 8 Abs. 1 TV ATZ zu kei­nem hier­von ab­wei­chen­den Aus­le­gungs­er­geb­nis.


(1) Zwar ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Re­ge­lun­gen tref­fen wol­len, die dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) ge­recht wer­den. Es ist aber nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass sie un­glei­che Sach­ver­hal­te gleich be­han­deln. Es ist im Ge­gen­teil nach­voll­zieh­bar, wenn Ta­rif­ver­trags­par­tei­en den Um­fang der vom Ar­beit­ge­ber ge­schul­de­ten Leis­tun­gen da­nach be­stim­men, ob der Ar­beit­neh­mer tatsächlich ar­bei­tet oder ob er krank­heits­be­dingt an der Ar­beits­leis­tung ver­hin­dert ist. Die un­ter­schied­li­chen Sach­ver­hal­te recht­fer­ti­gen die dif­fe­ren­zier­te Be­hand­lung. Es ist der Einschätzungs­präro­ga­ti­ve und dem Be­ur­tei­lungs­spiel­raum der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über­las­sen, das Aus­maß der so­zia­len Ab­si­che­rung dau­er­haft er­krank­ter Ar­beit­neh­mer fest­zu­le­gen.

(2) Der Kläger stützt sein Aus­le­gungs­er­geb­nis außer­dem auf die fi­nan­zi­el­le Bes­ser­stel­lung der Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beit­ge­ber ei­ne von der Bun­des­agen­tur für Ar­beit geförder­te Er­satz­kraft ein­stellt, im Verhält­nis zu den Ar­beit­neh­mern, de­ren Ar­beit­ge­ber den in­fol­ge des Über­gangs in die Al­ters­teil­zeit frei wer­den­den Ar­beits­platz un­be­setzt lässt. Dar­an ist rich­tig, dass die Bun­des­agen­tur für Ar­beit nach § 10 Abs. 2 AltTZG bei geförder­ten Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­sen (Wie­der­be­set­zung des Ar­beits­plat­zes iSv. § 3 AltTZG) an­stel­le des Ar­beit­ge­bers die Auf­sto­ckungs­leis­tun­gen in Höhe der an den Ar­beit­ge­ber zu leis­ten­den Er­stat­tung er­bringt. Dar­aus er­gibt sich aber kei­ne Ver­pflich­tung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, bei un­ter­las­se­ner Wie­der­be­set­zung des Ar­beits­plat­zes an­stel­le der - wie hier - nicht er­stat­tungs­pflich­ti­gen Bun­des­agen­tur für Ar­beit die fi­nan­zi­el­le Ab­si­che­rung des Ar­beit­neh­mers wie­der­um auf den Ar­beit­ge­ber ab­zuwälzen.

(3) Die Auf­fas­sung des Klägers, der TV ATZ wei­se ei­ne ausfüllungs­bedürf­ti­ge Lücke aus, trifft nicht zu. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben in § 8 Abs. 1 Satz 3 TV ATZ aus­drück­lich be­stimmt, dass der Ar­beit­neh­mer die ihm nach § 10 Abs. 2 AltTZG ge­gen die Bun­des­agen­tur zu­ste­hen­den Ansprüche an den Ar­beit­ge­ber ab­tritt.



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2. Der Kläger hat die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Re­vi­si­on nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tra­gen.

 

Düwell 

Böck 

Rei­ne­cke

Bruse 

B. Lang

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