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HANDBUCH ARBEITSRECHT

Zu­rück­be­hal­tungs­recht

In­for­ma­tio­nen zum The­ma Zu­rück­be­hal­tungs­recht: Hen­sche Rechts­an­wäl­te, Kanz­lei für Ar­beits­recht
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Auf die­ser Sei­te fin­den Sie In­for­ma­tio­nen zu der Fra­ge, wel­che ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten das Zu­rück­be­hal­tungs­recht re­geln, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die Be­ru­fung auf ein Zu­rück­be­hal­tungs­recht für Ar­beit­neh­mer in Be­tracht kommt und was Ar­beit­neh­mer bei sei­ner Aus­übung be­ach­ten soll­ten.

Au­ßer­dem fin­den Sie Hin­wei­se da­zu, wie sich die Zu­rück­be­hal­tung der Ar­beits­leis­tung auf den Lohn­an­spruch aus­wirkt, wann ein Zu­rück­be­hal­tungs­recht für Ar­beit­ge­ber in Be­tracht kommt und ob das Zu­rück­be­hal­tungs­recht ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen wer­den kann.

von Rechts­an­walt Dr. Mar­tin Hen­sche, Fach­an­walt für Ar­beits­recht, Ber­lin

Was ver­steht man un­ter Zurück­be­hal­tungs­recht?

Ein Zurück­be­hal­tungs­recht ist ein Ge­gen­recht (Ein­re­de), von dem der Schuld­ner Ge­brauch ma­chen kann (aber nicht muss), um ei­nen ge­gen ihn ge­rich­te­ten An­spruch vorüber­ge­hend außer Kraft zu set­zen, in­dem er den Gläubi­ger da­zu auf­for­dert, sei­ner­seits ei­ne ihn tref­fen­de Ver­bind­lich­keit zu erfüllen.

Be­ruft sich der Schuld­ner nicht aus­drück­lich auf sein Zurück­be­hal­tungs­recht, hat es kei­ne recht­li­che Wir­kung, d.h. der Schuld­ner muss dem Gläubi­ger un­miss­verständ­lich erklären, dass und war­um er sei­ne Leis­tung vorüber­ge­hend zurück­behält.

Wel­che ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten re­geln das Zurück­be­hal­tungs­recht?

Nach § 273 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) kann der Schuld­ner, wenn er aus dem­sel­ben recht­li­chen Verhält­nis, auf dem sei­ne Ver­pflich­tung be­ruht, ei­nen fälli­gen An­spruch ge­gen den Gläubi­ger hat, die Leis­tung im All­ge­mei­nen ver­wei­gern, bis der Gläubi­ger sei­ner­seits ge­leis­tet hat.

Darüber hin­aus be­stimmt § 320 Abs.1 Satz 1 BGB, dass der Ver­trags­part­ner ei­nes ge­gen­sei­ti­gen Ver­trags die ihm ob­lie­gen­de Leis­tung bis zur Be­wir­kung der Ge­gen­leis­tung ver­wei­gern kann, es sei denn, dass er vor­zu­leis­ten ver­pflich­tet ist.

Der Un­ter­schied zwi­schen die­sen bei­den Zurück­be­hal­tungs­rech­ten be­steht dar­in, dass das aus § 273 Abs.1 BGB fol­gen­de Zurück­be­hal­tungs­recht et­was schwächer ist als das Recht aus § 320 Abs.1 Satz 1 BGB. Die Ausübung des aus § 273 Abs.1 BGB fol­gen­den Zurück­be­hal­tungs­rechts kann der Gläubi­ger nämlich durch Si­cher­heits­leis­tung ab­wen­den, d.h. er muss nicht un­be­dingt sei­ne Leis­tung selbst er­brin­gen, um dem Zurück­be­hal­tungs­recht aus § 273 Abs.1 BGB sein Wir­kung zu neh­men, son­dern kann statt des­sen zum Bei­spiel ei­nen Ge­gen­stand verpfänden oder Geld oder Wert­ge­genstände als Si­cher­heit hin­ter­le­gen. Dem­ge­genüber kann der Gläubi­ger das Zurück­be­hal­tungs­recht aus § 320 Abs.1 Satz 1 BGB nur durch die Er­brin­gung der ver­trag­li­chen Leis­tung selbst ab­wen­den.

Der Grund für die ju­ris­ti­sche „Schwäche“ des Zurück­be­hal­tungs­rechts gemäß § 273 Abs.1 BGB liegt dar­in, dass sich die bei­den Leis­tun­gen hier nicht im Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis ge­genüber ste­hen. Die­se Vor­schrift wen­den die Ar­beits­ge­rich­te da­her zum Bei­spiel an, um das Zurück­be­hal­tungs­recht des Ar­beit­neh­mers we­gen rückständi­ger Lohn­ansprüche für ver­gan­ge­ne Zeiträume zu be­gründen. Da der Ar­beit­neh­mer sei­ne Leis­tung nämlich zu­erst, d.h. vor ih­rer Be­zah­lung durch den Ar­beit­ge­ber er­brin­gen muss (§ 614 BGB), kann er sei­ne Ar­beit im Au­gust nicht un­ter Be­ru­fung auf § 320 Abs.1 Satz 1 BGB ver­wei­gern, weil er noch of­fe­ne Lohn­for­de­run­gen für Ju­ni und Ju­li hat: Sch­ließlich ar­bei­tet er im Au­gust, um den Lohn für die­sen Mo­nat, d.h. für Au­gust zu er­hal­ten, und nicht et­wa, um die schon ver­dien­ten Löhne für Ju­ni und Ju­li ein zwei­tes Mal zu ver­die­nen. Da­her ste­hen die Pflicht des Ar­beit­neh­mers zur Ar­beit im Au­gust und Pflicht des Ar­beit­ge­bers zur Zah­lung der rückständi­gen Löhne für Ju­ni und Ju­li nicht im Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis. Das Zurück­be­hal­tungs­recht des Ar­beit­neh­mers folgt da­her in sol­chen Fällen nicht aus § 320, son­dern aus § 273 BGB.

Der Un­ter­schied zwi­schen dem Zurück­be­hal­tungs­recht gemäß § 273 Abs.1 BGB und dem Zurück­be­hal­tungs­recht gemäß § 320 Abs.1 Satz 1 BGB ist aber ge­ring, so dass die Be­ru­fung auf die ei­ne oder an­de­re Ge­set­zes­vor­schrift im Er­geb­nis kei­nen Un­ter­schied macht.

Wann kommt ein Zurück­be­hal­tungs­recht für den Ar­beit­neh­mer in Be­tracht?

Dem Ar­beit­neh­mer steht ein Zurück­be­hal­tungs­recht an der Ar­beits­leis­tung gemäß § 273 Abs.1 BGB zu, wenn der Ar­beit­ge­ber die ihn tref­fen­de Pflicht zur Gewähr­leis­tung der Si­cher­heit am Ar­beits­platz (§ 618 Abs.1 BGB; § 4 Ar­beits­schutz­ge­setz - Ar­bSchG) nicht erfüllt. Ver­langt der Ar­beit­ge­ber da­her zum Bei­spiel die Ar­beit in as­best­be­las­te­ten Räum­en, kann der Ar­beit­neh­mer auf­grund der da­mit ver­bun­de­nen Ge­sund­heits­gefähr­dung die Ar­beits­leis­tung ver­wei­gern und Beschäfti­gung un­ter as­best­frei­en Ar­beits­be­din­gun­gen ver­lan­gen.

Ein Zurück­be­hal­tungs­recht kommt wei­ter­hin in Be­tracht, wenn das Ver­hal­ten von Ar­beits­kol­le­gen ei­ne Belästi­gung oder se­xu­el­le Belästi­gung im Sin­ne des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG) dar­stellt. In die­sem Fal­le können die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ih­re Tätig­keit oh­ne Ver­lust des Ar­beits­ent­gelts ein­stel­len, wenn dies zu ih­rem Schutz er­for­der­lich ist und wenn der Ar­beit­ge­ber kei­ne oder of­fen­sicht­lich un­ge­eig­ne­te Maßnah­men zur Un­ter­bin­dung der Belästi­gung bzw. se­xu­el­len Belästi­gung er­greift (§ 14 Satz 1 AGG). Belästi­gun­gen im Sin­ne des AGG sind Einschüchte­run­gen, An­fein­dun­gen, Er­nied­ri­gun­gen, Entwürdi­gun­gen oder Be­lei­di­gun­gen, falls die­se aus Gründen der Ras­se oder we­gen der eth­ni­schen Her­kunft, des Ge­schlechts, der Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Iden­tität verübt wer­den (§ 3 Abs.3 AGG in Verb. mit § 1 AGG).

Prak­tisch be­son­ders be­deut­sam ist schließlich das Zurück­be­hal­tungs­recht des Ar­beit­neh­mers an der Ar­beits­leis­tung, wenn der Ar­beit­ge­ber mit der Zah­lung des Lohns in Ver­zug ge­ra­ten ist. Die­ses Recht folgt aus § 273 Abs.1 BGB. Durch die Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts ist der Ar­beit­neh­mer da­vor geschützt, durch im­mer wei­te­re Vor­leis­tun­gen dau­er­haft oh­ne Vergütung zu ar­bei­ten.

Wel­che Schran­ken gel­ten für das Zurück­be­hal­tungs­recht we­gen rückständi­gen Ar­beits­lohns?

Nach all­ge­mei­ner Mei­nung dürfen Sie als Ar­beit­neh­mer Ih­re Ar­beit nach dem Prin­zip von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) nicht ver­wei­gern,

  • wenn die aus­ste­hen­de Vergütung "verhält­nismäßig ge­ringfügig" ist,
  • wenn nur ei­ne "kurz­fris­ti­ge Verzöge­rung" der Zah­lung zu er­war­ten ist,
  • wenn Ih­rem Ar­beit­ge­ber durch die Ar­beits­ver­wei­ge­rung ein "un­verhält­nismäßig ho­her Scha­den" ent­ste­hen würde oder
  • wenn Ih­re Vergütung auf an­de­re Wei­se ge­si­chert ist, wo­bei der mögli­che An­spruch auf In­sol­venz­geld vor Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens al­ler­dings kei­ne sol­che Si­che­rung dar­stellt.

Vor al­lem im öffent­li­chen Dienst soll­te man die­se Be­schränkun­gen ernst neh­men, da man hier ei­nen zah­lungs­kräfti­gen Ar­beit­ge­ber hat und man die­sem auch in höhe­rem Maß als in der pri­va­ten Wirt­schaft zur "Treue" ver­pflich­tet ist.

Es ist lei­der nicht ge­setz­lich de­fi­niert, wie vie­le Mo­nats­gehälter of­fen sein müssen, da­mit die Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts rechtmäßig ist. Auf der si­che­ren Sei­te dürf­te man aber sein, wenn der Ar­beit­ge­ber mit zwei vol­len Mo­natslöhnen im Rück­stand ist. Hier kann von ei­nem nur "ge­ringfügi­gen" Zah­lungsrück­stand nicht mehr die Re­de sein. Ist der Ar­beit­ge­ber da­her mit zwei oder mehr Gehältern im Rück­stand, ist ei­ne Ver­wei­ge­rung der Ar­beits­leis­tung zum bis zur Zah­lung zulässig.

Wich­tig: Nachträgli­che Teil­zah­lun­gen des Ar­beit­ge­bers können da­zu führen, dass das ursprüng­lich zu­recht aus­geübte Zurück­be­hal­tungs­recht wie­der entfällt. Hat der Ar­beit­neh­mer da­her un­ter Ver­weis auf zwei in vol­lem Um­fang rückständi­ge Lohn­ansprüche von sei­nem Zurück­be­hal­tungs­recht in zulässi­ger Wei­se Ge­brauch ge­macht, muss er nicht nur bei vollständi­gen Zah­lun­gen, son­dern auch bei Teil­zah­lun­gen des Ar­beit­ge­bers wie­der bei der Ar­beit er­schei­nen, d.h. sein Zurück­be­hal­tungs­recht fällt wie­der weg, wenn der Ar­beit­ge­ber zum Bei­spiel ei­nen der bei­den of­fe­nen Mo­natslöhne be­zahlt.

Wann ist ein Zurück­be­hal­tungs­recht des Ar­beit­neh­mers ge­ne­rell aus­ge­schlos­sen?

Nach der Recht­spre­chung ist ein Zurück­be­hal­tungs­recht des Ar­beit­neh­mers an den Sa­chen des Ar­beit­ge­bers ge­ne­rell aus­ge­schlos­sen, da der Ar­beit­neh­mer nur sog. Be­sitz­die­ner des Ar­beit­ge­bers im Sin­ne von § 855 BGB ist. Übt nämlich der Ar­beit­neh­mer die tatsächli­che Ge­walt über ei­ne Sa­che für den Ar­beit­ge­ber in des­sen Er­werbs­geschäft aus und muss da­bei den auf die Sa­che be­zo­ge­nen Wei­sun­gen des Ar­beit­ge­bers Fol­ge leis­ten, ist gemäß § 855 BGB al­lein der Ar­beit­ge­ber Be­sit­zer.

Da­her würde sich der Ar­beit­neh­mer ins Un­recht set­zen, wenn er die in sei­ner Verfügungs­ge­walt ste­hen­den Sa­chen des Ar­beit­ge­bers „zurück­be­hal­ten“ würde, d.h. er würde den Be­sitz des Ar­beit­ge­bers an die­sen Sa­chen in rechts­wid­ri­ger Wei­se stören und da­her „ver­bo­te­ne Ei­gen­macht“ üben (§ 858 BGB).

Der Ar­beit­neh­mer kann da­her nur in Aus­nah­mefällen ein Zurück­be­hal­tungs­recht an dem Ar­beit­ge­ber gehören­den Sa­chen ausüben, falls er nämlich aus­nahms­wei­se doch ein­mal Be­sitz an die­sen Sa­chen hat. Das kommt ins­be­son­de­re bei der Über­las­sung ei­nes Fir­men­wa­gens in Be­tracht, falls die­ser vom Ar­beit­neh­mer auch pri­vat ge­nutzt wer­den kann.

Wie wirkt sich die Zurück­be­hal­tung der Ar­beits­leis­tung auf den Lohn­an­spruch aus?

Die be­rech­tig­te Zurück­be­hal­tung der Ar­beits­leis­tung durch den Ar­beit­neh­mer führt zum Ar­beits­aus­fall. Da­mit stellt sich die Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber den Ar­beits­aus­fall vergüten muß.

Dies ist nach der Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te der Fall, da sich der Ar­beit­ge­ber während der be­rech­tig­ten Zurück­be­hal­tung der Ar­beits­leis­tung im An­nah­me­ver­zug be­fin­det (§ 615 Satz 1 BGB).

Lohnrückstände brin­gen den Ar­beit­ge­ber da­her ab dem Zeit­punkt ei­ner be­rech­tig­ten Ar­beits­ver­wei­ge­rung durch den Ar­beit­neh­mer in ei­ne recht­lich und wirt­schaft­lich ungüns­ti­ge La­ge. Ei­ner­seits hat er Pro­ble­me, die be­trieb­li­chen Abläufe auf­recht zu er­hal­ten, an­de­rer­seits muss er trotz der Leis­tungs­ver­wei­ge­rung den Lohn wei­ter­zah­len.

Ar­beit­neh­mer können sich für die Zeit der Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts ar­beits­los mel­den und Ar­beits­lo­sen­geld be­an­tra­gen. Eben­so wie die Ar­beits­ge­rich­te sieht die Ar­beits­agen­tur ei­nen Ge­haltsrück­stand von zwei Mo­natslöhnen als aus­rei­chend für die Leis­tungs­ver­wei­ge­rung und die an­sch­ließen­de Ar­beits­los­mel­dung an. Trotz des fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses kann der Ar­beit­neh­mer Ar­beits­lo­sen­geld I be­an­spru­chen, das im We­ge der sog. Gleich­wohl­gewährung gemäß § 157 Abs.3 Drit­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB III) (früher: § 143 Abs.3 SGB III) zu zah­len ist. Nähe­re In­for­ma­tio­nen hier­zu fin­den Sie un­ter den Stich­wor­ten "Zah­lungs­ver­zug des Ar­beit­ge­bers" und "Ar­beits­lo­sen­geld I".

Was müssen Ar­beit­neh­mer bei der Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts be­ach­ten?

Bei der Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts muss man mit­tei­len, dass und war­um man sei­ne Ar­beit zurückhält. Ar­beit­neh­mer, die vom Zurück­be­hal­tungs­recht Ge­brauch ma­chen wol­len, soll­ten dies da­her am bes­ten schrift­lich ma­chen. Da­bei soll­te man ge­nau sa­gen, wel­che Leis­tun­gen der Ar­beit­ge­ber er­brin­gen muss, da­mit der Ar­beit­neh­mer wie­der ar­bei­tet.

Wird das Zurück­be­hal­tungs­recht we­gen rückständi­gen Ar­beits­lohns aus­geübt, soll­te man die of­fe­nen Beträge ge­nau be­zeich­nen, d.h. erklären, für wel­chen Zeit­raum wie­viel Geld aus­steht.

Außer­dem müssen Ar­beit­neh­mer vor­sich­tig sein, wenn sie ge­mein­sam mit Kol­le­gen von Ih­rem Zurück­be­hal­tungs­recht Ge­brauch ma­chen, da die Recht­spre­chung ein sol­ches Vor­ge­hen in ei­ni­gen Fällen als Streik be­wer­tet hat und ein Streik nur dann rechtmäßig ist, wenn er von der Ge­werk­schaft or­ga­ni­siert wird. Es emp­fiehlt sich da­her dar­auf zu ach­ten, dass je­der Ar­beit­neh­mer sein Zurück­be­hal­tungs­recht mit ei­nem ei­ge­nen Schrei­ben ankündigt und mit sei­nen in­di­vi­du­el­len Lohn­for­de­run­gen be­gründet.

Wann kommt ein Zurück­be­hal­tungs­recht für den Ar­beit­ge­ber in Be­tracht?

Dem Ar­beit­ge­ber steht ein Zurück­be­hal­tungs­recht an der Vergütung gemäß § 273 Abs.1 BGB zu, wenn sich der Ar­beit­neh­mer zu Un­recht wei­gert, Sa­chen des Ar­beit­ge­bers an die­sen her­aus­zu­ge­ben.

Die Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts ist auch zulässig, wenn sich der Ar­beit­ge­ber - et­wa nach Aus­spruch ei­ner recht­lich un­wirk­sa­men Kündi­gung - im An­nah­me­ver­zug be­fin­det und da­her den Lohn gemäß § 615 Satz 1 BGB na­ch­en­trich­ten muss. Gibt der Ar­beit­neh­mer in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on trotz Nach­fra­ge kei­ne Aus­kunft darüber, ob bzw. in wel­cher Höhe er ei­nen Zwi­schen­ver­dienst bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber und/oder Ar­beits­lo­sen­geld be­zo­gen hat, kann der Ar­beit­ge­ber die an sich gemäß § 615 Satz 1 BGB ge­schul­de­te Vergütung vorüber­ge­hend ver­wei­gern, da er ei­nen Aus­kunfts­an­spruch ge­gen den Ar­beit­neh­mer hat. So­lan­ge der Ar­beit­neh­mer die­ser Aus­kunfts­an­spruch nicht erfüllt wird, d.h. dem Ar­beit­ge­ber nicht Aus­kunft über sei­nen ggf. be­zo­ge­nen Zwi­schen­ver­dienst er­teilt, kann der Ar­beit­ge­ber die Zah­lung des An­nah­me­ver­zugs­lohns gemäß § 273 Abs.1 BGB vorüber­ge­hend ver­wei­gern.

In der Pra­xis wich­tig ist auch das Zurück­be­hal­tungs­recht, das dem Ar­beit­ge­ber zu­steht, wenn sich der Ar­beit­neh­mer krank­ge­mel­det hat und da­her Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall ver­langt, aber kei­ne ärzt­li­che Be­schei­ni­gung über die krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit („Krank­schrei­bung“) über­reicht hat. Dies muss er nämlich nach § 5 Abs.1 Satz 2 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz (EZFG) un­auf­ge­for­dert tun, wenn die Ar­beits­unfähig­keit länger als drei Ka­len­der­ta­ge dau­ert; darüber hin­aus ist der Ar­beit­ge­ber da­zu be­rech­tigt, die Vor­la­ge der ärzt­li­chen Be­schei­ni­gung schon früher zu ver­lan­gen. So­lan­ge dem Ar­beit­ge­ber die Krank­schrei­bung nicht vor­liegt, kann er sich auf den Stand­punkt stel­len, von der Ar­beits­unfähig­keit erst ein­mal „nichts zu wis­sen“, d.h. er hat ein Zurück­be­hal­tungs­recht, bis der Ar­beit­neh­mer den Nach­weis sei­ner krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit geführt hat. Die­ses Recht ist in § 7 EZFG ge­re­gelt.

Wann ist ein Zurück­be­hal­tungs­recht des Ar­beit­ge­bers ge­ne­rell aus­ge­schlos­sen?

All­ge­mein recht­lich aus­ge­schlos­sen ist ein Zurück­be­hal­tungs­recht des Ar­beit­ge­bers an den Ar­beits­pa­pie­ren, da dies zum Teil be­reits auf­grund spe­zi­el­ler ge­setz­li­cher Vor­schrif­ten un­zulässig ist und ei­ne sol­che Maßnah­me den Ar­beit­neh­mer zu­dem in un­verhält­nismäßiger Wei­se be­las­ten würde. Nicht zurück­be­hal­ten darf der Ar­beit­ge­ber da­her ge­ne­rell

Was müssen Ar­beit­ge­ber bei der Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts be­ach­ten?

Als Ar­beit­ge­ber wer­den Sie in der Re­gel zur Durch­set­zung von Ge­gen­ansprüchen die vorüber­ge­hen­de Zurück­be­hal­tung der Ar­beits­vergütung in Be­tracht zie­hen.

Hier­bei müssen Sie aber be­ach­ten, dass Sie zu ei­ner Kürzung der be­reits fälli­gen So­zi­al­ab­ga­ben nicht be­rech­tigt sind. Außer­dem müssen Sie dem Ar­beit­neh­mer den unpfänd­ba­ren Teil des Net­to­lohns be­las­sen, d.h. die­sen Net­to­lohn­an­teil an den Ar­beit­neh­mer aus­zah­len.

Kei­ne Kürzung be­reits fälli­ger So­zi­al­ab­ga­ben: Gemäß § 23 Abs.1 Satz 2 SGB IV die So­zi­al­beiträge, die nach dem Ar­beits­ent­gelt oder dem Ar­beits­ein­kom­men zu be­mes­sen sind, in vor­aus­sicht­li­cher Höhe der Bei­trags­schuld spätes­tens am dritt­letz­ten Bank­ar­beits­tag des Mo­nats fällig, in dem die Beschäfti­gung oder Tätig­keit, mit der das Ar­beits­ent­gelt oder Ar­beits­ein­kom­men er­zielt wird, aus­geübt wor­den ist oder als aus­geübt gilt.

Dar­aus folgt, dass der Ar­beit­ge­ber auch dann zur Abführung des Ge­samt­so­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­trags ver­pflich­tet ist, wenn er den (Net­to-)Lohn an den Ar­beit­neh­mer gar nicht aus­zah­len will oder kann. Vor­aus­set­zung der Fällig­keit der So­zi­al­beiträge ist al­lein, dass der Ar­beit­neh­mer un­ter der Gel­tung ei­ner be­stimm­ten Vergütungs­re­ge­lung während ei­nes Mo­nats ge­ar­bei­tet hat. Auch ein dem Ar­beit­neh­mer - zu­recht oder zu Un­recht - vor­ent­hal­te­ner Lohn, d.h. ein sog Phan­tom­lohn löst die Pflicht zur Abführung der So­zi­al­ab­ga­ben aus.

Das heißt im Er­geb­nis, dass das Zurück­be­hal­tungs­recht nur am Net­to­lohn­an­spruch und an der Lohn­steu­er, nicht aber an dem - auf­grund der er­brach­ten Ar­beits­leis­tung un­be­dingt zu zah­len­den und be­reits fälli­gen – An­spruch der Kran­ken­kas­se auf die So­zi­al­ab­ga­ben aus­geübt wer­den kann. In be­zug auf den An­teil am So­zi­al­bei­trag, den der Ar­beit­neh­mer zu tra­gen hat, ist außer­dem zu be­ach­ten, dass ei­ne Zurück­be­hal­tung bzw. Nicht­abführung so­gar straf­bar wäre (§ 266a Abs.1 Straf­ge­setz­buch - StGB).

BEISPIEL: Der Ar­beit­neh­mer hat im Mo­nat Mai voll ge­ar­bei­tet und hat da­her ei­nen re­gulären Ge­halts­an­spruch von 5.000,00 EUR brut­to. Da­von will der Ar­beit­ge­ber 2.500,00 EUR brut­to zurück­be­hal­ten, um die Her­aus­ga­be von Fir­men­ei­gen­tum zu er­rei­chen. Dann muss er ei­ne Lohn­ab­rech­nung über 5.000,00 EUR und auf die­ser Grund­la­ge die mo­nat­li­che so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Bei­trags­mel­dung er­stel­len. Der auf der Grund­la­ge von 5.000,00 EUR brut­to be­rech­ne­te Ge­samt­so­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­trag ist so­dann an die Kran­ken­kas­se ab­zuführen. In ei­nem zwei­ten Schritt ist so­dann ei­ne wei­te­re Lo­ha­b­rech­nung über 2.500,00 EUR brut­to zu er­stel­len und der dar­aus sich er­ge­ben­de Net­to­be­trag an den Ar­beit­neh­mer aus­zu­zah­len. Auf­grund des im Lohn­steu­er­recht gel­ten­den Zu­fluss­prin­zips ist die Lohn­steu­er auf der Grund­la­ge der be­zahl­ten 2.500,00 EUR brut­to zu er­rech­nen und ab­zuführen, d.h. ein Steu­er­ab­zug be­rech­net auf 5.000,00 EUR brut­to wäre ver­fehlt, da dem Ar­beit­neh­mer statt 5.000,00 EUR brut­to nur die Hälf­te zu­ge­flos­sen sind.

Kein Zurück­be­hal­tungs­recht am unpfänd­ba­ren Teil des Net­to­lohns: Wei­ter­hin müssen Ar­beit­ge­ber bei der Ausübung des Zurück­be­hal­tungs­rechts am Lohn­an­spruch des Ar­beit­neh­mers dar­auf ach­ten, dass sie dem Ar­beit­neh­mer trotz des Zurück­be­hal­tungs­rechts zu­min­dest den unpfänd­ba­ren Teil sei­nes Net­to­lohns be­las­sen.

Die­se Be­schränkung des Zurück­be­hal­tungs­rechts folgt aus § 394 Satz 1 BGB. Da­nach ist die Auf­rech­nung ge­genüber For­de­run­gen in­so­weit nicht zulässig, als sie der Pfändung nicht un­ter­wor­fen sind. Da ei­ne vorüber­ge­hen­de to­ta­le Nich­terfüllung ei­ner Lohn­for­de­rung, d.h. auch ih­res unpfänd­ba­ren Teils, den Ar­beit­neh­mer ähn­lich hart wie ei­ne Auf­rech­nung ge­gen sei­nen ge­sam­ten Lohn­an­spruch tref­fen würde, kann der Ar­beit­ge­ber auch sein Zurück­be­hal­tungs­recht am Net­to­lohn nur teil­wei­se, nämlich an den über der Pfändungs­gren­ze lie­gen­den Lohn­be­stand­tei­len ausüben.

Kann das Zurück­be­hal­tungs­recht ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen wer­den?

Da die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en über ihr Ver­trags­verhält­nis frei verfügen können, ist auch ein ver­trag­li­cher Ver­zicht des Ar­beit­neh­mers und/oder des Ar­beit­ge­bers auf das Zurück­be­hal­tungs­recht möglich.

Das gilt je­doch nur dann, wenn der Ver­zicht auf das Zurück­be­hal­tungs­recht im We­ge ei­ner in­di­vi­du­ell aus­ge­han­del­ten Ver­trags­be­stim­mung erklärt wird. Ein Ver­zicht des Ar­beit­neh­mers ist da­ge­gen un­wirk­sam, wenn er Teil der vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­ten all­ge­mei­nen Ver­trags­be­din­gun­gen ist. Dies folgt aus § 309 Nr.2 BGB, wo­nach ei­ne Be­stim­mung in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen un­wirk­sam ist, durch die das Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht, das dem Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders nach § 320 BGB zu­steht, aus­ge­schlos­sen oder ein­ge­schränkt wird oder ein dem Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders zu­ste­hen­des Zurück­be­hal­tungs­recht, so­weit es auf dem­sel­ben Ver­trags­verhält­nis be­ruht, aus­ge­schlos­sen oder ein­ge­schränkt wird.

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Letzte Überarbeitung: 18. Juni 2020

Was können wir für Sie tun?

Wenn Sie im Zwei­fel dar­über sind, ob Ih­nen auf­grund ei­nes Lohn­rück­stan­des, ei­ner nicht ver­trags­ge­mä­ßen Ar­beits­an­wei­sung oder auf­grund an­de­rer Ver­stö­ße des Ar­beit­ge­bers ein Zu­rück­be­hal­tungs­recht an Ih­rer Ar­beits­leis­tung zu­steht, be­ra­ten wir Sie je­der­zeit ger­ne. Selbst­ver­ständ­lich sind wir auch bei der Aus­übung des Zu­rück­be­hal­tungs­rechts und bei der Er­he­bung ei­ner Kla­ge auf Lohn bzw. auf Ge­halt be­hilf­lich.

Bit­te be­ach­ten Sie, dass Ih­nen mög­li­cher­wei­se nur kur­ze Zeit für die Gel­tend­ma­chung Ih­rer An­sprü­che zur Ver­fü­gung steht, falls Sie ar­beits­ver­trag­li­che oder ta­rif­li­che Aus­schluss­fris­ten zu be­ach­ten ha­ben.

Je nach La­ge des Fal­les bzw. ent­spre­chend Ih­ren Wün­schen tre­ten wir ent­we­der nach au­ßen nicht in Er­schei­nung oder aber wir ver­han­deln in Ih­rem Na­men mit Ih­rem Ar­beit­ge­ber.

Für ei­ne mög­lichst ra­sche und ef­fek­ti­ve Be­ra­tung be­nö­ti­gen wir fol­gen­de Un­ter­la­gen:

  • Ar­beits­ver­trag
  • Lohn­ab­rech­nun­gen bzw. Ge­halts­mit­tei­lun­gen
  • Un­ter­la­gen zu Lohn­rück­stän­den oder strei­ti­gen Wei­sun­gen (falls vor­han­den)

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
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