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LAG Bran­den­burg, Ur­teil vom 05.05.2006, 22 Sa 7/06, 22 Sa 44/06

   
Schlagworte: Abfindung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Aktenzeichen: 22 Sa 7/06,
22 Sa 44/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.05.2006
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 23.11.2005, 8 Ca 1857/05
   

22 Sa 7/06 und 22 Sa 44/06
8 Ca 1857/05
ArbG Pots­dam
Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!

verkündet
am 05.05.2006

.........................
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Bran­den­burg

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

 

pp 



hat die 5. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Bran­den­burg
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 05.05.2006
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am LAG K. als Vor­sit­zen­de
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter H. und R.

für Recht er­kannt:

I. Un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung der Kläge­rin wird auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 23.11.2005 – 8 Ca 1857/05 – teil­wei­se ab­geändert:

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.


II. Die Kläge­rin hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.


III. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 


Tat­be­stand:

 

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen An­spruch der Kläge­rin auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung.

Die Kläge­rin war seit dem 01.04.1999 zunächst bei der dvs-D. Sp. mbH in Ber­lin (im Fol­gen­den: DVS) beschäftigt. Zum 01.10.2000 ging ihr Ar­beits­verhält­nis auf die OSGV-dvs Ber­lin-S. Be­triebs­ge­sell­schaft mbH (BG) über, die dann un­ter Sbg Be­triebs­ge­sell­schaft für Sp. GmbH – die zwi­schen­zeit­lich ein wei­te­res mal um­fir­mier­te Be­klag­te – fir­miert und ih­ren Sitz in Pots­dam hat.

Ab dem 21.08.2003 be­fand sich die Kläge­rin im Mut­ter­schutz und an­sch­ließend bis zum 30.11.2004 in El­tern­zeit, während der sie ei­ner Teil­zeit­beschäfti­gung bei der Be­klag­ten im Um­fang von 10 St­un­den wöchent­lich nach­ging.

Un­ter Hin­weis dar­auf, dass ihr ursprüng­li­cher Ar­beits­platz be­setzt sei, stell­te die Be­klag­te die Kläge­rin un­ter Zah­lung der vol­len Vergütung ab dem 01.12.2004 frei zur Gewährung rest­li­cher Ur­laubs­ansprüche aus den Jah­ren 2003 und 2004 so­wie Frei­zeit­aus­gleich aus dem Gleit­zeit­kon­to.

Noch vor Ab­lauf die­ser Frei­stel­lung bis zum 08.03.2005 wand­te sich die Be­klag­te an die Kläge­rin mit dem An­ge­bot ei­nes Ab­wick­lungs­ver­tra­ges mit ei­ner Ab­fin­dung von 16.750,00 €, ver­bun­den mit ei­ner Kündi­gung, die sie im Ent­wurf vom 08.02.2005 an die Kläge­rin über­sand­te. Mit Schrei­ben vom 14.02.2005 lehn­te die nun­meh­ri­ge Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin ei­ne Ab­fin­dung in der ge­nann­ten Höhe ab, si­gna­li­sier­te je­doch Gesprächs­be­reit­schaft. Der jet­zi­ge Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten mel­de­te sich dar­auf­hin te­le­fo­nisch am 16.02.2005; ein te­le­fo­ni­scher Be­spre­chungs­ter­min wur­de hier­bei für den 21.02.2005 ver­ein­bart. In die­sem

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Te­le­fo­nat erläuter­te die Kläger­ver­tre­te­rin ih­re Vor­stel­lun­gen über ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von ca. 60.000 €, die der Be­klag­ten­ver­tre­ter un­ter Hin­weis auf das ursprüng­li­che Ab­fin­dungs­an­ge­bot te­le­fo­nisch am 23.02.2005 ab­lehn­te. Mit dem Schrei­ben vom 24.02.2005, auf das we­gen der Ein­zel­hei­ten Be­zug ge­nom­men wird (Bl. 21 f. d.A.), un­ter­brei­te­te die Kläger­ver­tre­te­rin das An­ge­bot ei­ner Ab­wick­lungs­ver­ein­ba­rung bei Rück­nah­me der be­reits am 17.02.2005 zum 31.03.2005 erklärten Kündi­gung, Aus­spruch ei­ner neu­en Kündi­gung zum 30.06.2005, ge­gen die dann Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben wer­de, in­ner­halb de­rer im Güte­ter­min ein ent­spre­chen­der Ver­gleich ab­ge­schlos­sen wer­den könne. In­halt­lich ent­hielt das An­ge­bot ei­ne Ab­fin­dung von 26.450,00 € so­wie ei­ne Fort­set­zungs­ver­ein­ba­rung bis 30.09.2005 bei Fort­zah­lung der Vergütung in Höhe von mo­nat­lich 3.300,00 € mit ei­ner ein­sei­ti­gen Lösungsmöglich­keit für die Kläge­rin un­ter ent­spre­chen­der Erhöhung der Ab­fin­dung. Hier­auf mel­de­te sich der Be­klag­ten­ver­tre­ter am 01.03.2005 wie­der­um te­le­fo­nisch und teil­te mit, dass die Kündi­gung vom 17.02.2005 zurück­ge­nom­men und ei­ne neue Kündi­gung zum 30.06.2005 zu­ge­stellt wer­de, je­doch ei­ne Ab­fin­dung von mehr als 20.000,00 € nicht ak­zep­tiert würde. Nach Zu­gang der – mit ei­nem Ab­fin­dungs­an­ge­bot nach § 1 a KSchG ver­se­he­nen – Kündi­gung vom 04.03.2005 (Bl. 37 f. d.A.) am 09.03.2005 wand­te sich die Kläger­ver­tre­te­rin mit dem Schrei­ben vom 22.03.2005 er­neut an die Be­klag­te und über­sand­te den Ent­wurf ei­ner Ab­wick­lungs­ver­ein­ba­rung mit ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 €. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten die­ses Ver­trags­ent­wur­fes, um des­sen un­ter­zeich­ne­te Rück­sen­dung die Kläger­ver­tre­te­rin bat und des­sen In­halt nach ih­rem Vor­schlag Ge­gen­stand ei­nes ge­richt­li­chen Ver­gleichs wer­den soll­te, wird auf das Schrei­ben vom 22.03.2005 nebst An­la­ge (Bl. 38 bis 42 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Mit der Kla­ge­schrift vom 01.03.2005 hat­te die Kläge­rin Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­gen die Kündi­gung vom 17.02.2005 vor dem Ar­beits­ge­richt Pots­dam er­ho­ben. Da­bei gab sie als Be­klag­te ih­re ursprüng­li­che Ar­beit­ge­be­rin, die DSV, an, leg­te in der Kla­ge­be­gründung dar, dass das Ar­beits­verhält­nis durch Be­triebsüber­gang von die­ser auf die BG über­ge­gan­gen sei und fügte so­wohl das Schrei­ben zum Be­triebsüber­gang

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vom 06.09.2000 so­wie das un­ter dem Brief­kopf der – hie­si­gen – Be­klag­ten ver­fass­te Kündi­gungs­schrei­ben bei. Nach „Rück­nah­me“ der ers­ten Kündi­gung mit Schrei­ben vom 01.03.2005 (Bl. 23 d.A.) und Zu­gang der wei­te­ren Kündi­gung er­wei­ter­te sie die Kla­ge mit dem Schrift­satz vom 22.03.2005 um den Fest­stel­lungs­an­trag, dass das Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch die Kündi­gung vom 04.03.2005 auf­gelöst wird, und fügte wie­der­um das Kündi­gungs­schrei­ben der Be­klag­ten bei. Nach Ver­wei­sung durch das Ar­beits­ge­richt Pots­dam an das Ar­beits­ge­richt Ber­lin mel­de­te sich die F. GmbH als Rechts­nach­fol­ge­rin der DVS schriftsätz­lich am 13.04.2005 und be­stritt un­ter Hin­weis auf den Be­triebsüber­gang ih­re Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on. Dar­auf­hin ver­such­te die Kläger­ver­tre­te­rin er­folg­los, den Be­klag­ten­ver­tre­ter te­le­fo­nisch zu er­rei­chen, der auch im Güte­ter­min am 21.04.2005 nicht er­schien. In die­sem Ter­min nahm die Kläger­ver­tre­te­rin ih­re Kla­ge zurück und er­hob am glei­chen Tag vor dem Ar­beits­ge­richt Pots­dam er­neut Kla­ge ge­gen die Kündi­gung vom 04.03.2005 und be­an­trag­te die nachträgli­che Kla­ge­zu­las­sung. Die­se Kla­ge nahm sie im Güte­ter­min (Az. 8 Ca 1145/05) am 23.05.2005 nach rich­ter­li­chem Hin­weis eben­falls zurück.

Mit der am 08.07.2005 beim Ar­beits­ge­richt Pots­dam ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat die Kläge­rin die Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von ins­ge­samt 20.000,00 € gel­tend ge­macht und zur Be­gründung vor­ge­tra­gen, ihr stünde ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 9.900,00 € nach § 1 a KSchG und ein wei­te­rer Be­trag von 10.100,00 € aus ei­ner Ver­ein­ba­rung zu, de­ren schrift­li­che Fi­xie­rung die Be­klag­te treu­wid­rig ver­wei­gert ha­be.

Das Ar­beits­ge­richt Pots­dam hat mit dem am 23.11.2005 verkünde­ten Ur­teil, auf des­sen Tat­be­stand zur wei­te­ren Dar­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Sach- und Streit­stan­des Be­zug ge­nom­men wird (Bl. 113 bis 115 d.A.), der Kla­ge – un­ter Ab­wei­sung im Übri­gen – in Höhe von 9.900,00 € nebst Zin­sen in Höhe von 8 % über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 30.06.2005 statt­ge­ge­ben. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt: Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Ab­fin­dungs­an­spruch nach § 1 a KSchG sei­en erfüllt, da die Kläge­rin die dreiwöchi­ge Kla­ge­frist ha­be ver­strei­chen las­sen. Die ge­gen die DVS er­ho­be­ne Kla­ge sei un­er­heb­lich, da sie sich nicht ge­gen den Ar­beit­ge­ber

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ge­rich­tet ha­be. Die nach­fol­gen­de Kla­ge ge­gen die Be­klag­te ha­be nicht zum Erlöschen des An­spruchs geführt, da die­se vor nachträgli­cher Zu­las­sung wie­der zurück­ge­nom­men wor­den sei. Ein wei­te­rer Ab­fin­dungs­an­spruch ste­he der Kläge­rin nicht zu, da ei­ne Ei­ni­gung zwi­schen den Par­tei­en nicht er­zielt wor­den sei. Das als neu­er An­trag zu wer­ten­de An­ge­bot der Kläge­rin vom 22.03.2005 sei von der Be­klag­ten nicht an­ge­nom­men wor­den, wo­bei die­se Ab­leh­nung an den Er­folgs­aus­sich­ten der Kla­ge ori­en­tiert und da­mit nicht treu­wid­rig ge­we­sen sei.

Ge­gen die­ses der Kläge­rin am 07.12.2005 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die­se mit dem am 04.01.2006 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 06.02.2006 be­gründet. Der Be­klag­ten wur­de das Ur­teil zunächst mit der Rechts­mit­tel­be­leh­rung zu­ge­stellt, dass für sie kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben sei. Nach Be­rich­ti­gung ei­nes Schreib­feh­lers im Te­nor wur­de der Be­klag­ten das Ur­teil er­neut am 19.12.2005 mit kor­ri­gier­ter Rechts­mit­tel­be­leh­rung zu­ge­stellt. Ih­re Be­ru­fung ist am 18.01.2006 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen, die Be­ru­fungs­be­gründung – nach Verlänge­rung der Frist bis zum 13.03.2006 – am 10.03.2006.

Die Kläge­rin ver­tritt die Auf­fas­sung, mit der Zu­stim­mung vom 04.03.2005 und dem Schrei­ben vom 22.03.2005 sei das An­ge­bot der Be­klag­ten vom 01.03.2005 auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 20.000 € recht­zei­tig an­ge­nom­men wor­den, so dass ihr ein ver­trag­li­cher An­spruch auf Zah­lung wei­te­rer 10.100,00 € zustünde.

Sie be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 23.11.2005 – 8 Ca 1857/05 – teil­wei­se ab­zuändern und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie wei­te­re 10.100,00 € zuzüglich Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.07.2005 zu zah­len.


Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 23.11.2005 – 8 Ca 1857/05 – teil­wei­se ab­zuändern und die Kla­ge ins­ge­samt ab­zu­wei­sen

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so­wie

die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.


Die Be­klag­te ver­tritt die Auf­fas­sung, dass der Ab­fin­dungs­an­spruch nach § 1 a KSchG be­reits durch die Er­he­bung der ers­ten Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­lo­schen sei. Der im Vor­feld erklärte Wil­le der Kläge­rin sei es ge­we­sen, ge­richt­lich ge­gen die Kündi­gung vor­zu­ge­hen. We­der die feh­ler­haf­te Be­zeich­nung des Ar­beit­ge­bers noch die späte­re Rück­nah­me könne zu ei­nem Wie­der­ent­ste­hen des er­lo­sche­nen An­spruchs führen. Spätes­tens mit ih­rem An­trag auf nachträgli­che Zu­las­sung ha­be die Kläge­rin ih­ren Wil­len zu ei­ner ge­richt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung deut­lich ge­macht, so dass je­den­falls mit die­sem An­trag ein even­tu­el­ler Ab­fin­dungs­an­spruch er­lo­schen sei.

Sie meint, ein ver­trag­li­cher An­spruch ste­he der Kläge­rin nicht zu, weil das – in­halt­lich in ei­ni­gen wich­ti­gen Punk­ten veränder­te – An­ge­bot vom 22.03.2005 nicht an­ge­nom­men wor­den sei. Zur Ab­ga­be ei­nes neu­en An­ge­bots auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 20.000,00 € mit den übri­gen Be­din­gun­gen des ursprüng­li­chen Ab­wick­lungs­ver­trags­ent­wurfs in der Güte­ver­hand­lung vom 23.05.2005 – von dem frühe­ren Güte­ter­min ha­be sie auf­grund der fal­schen Ru­bri­zie­rung kei­ne Kennt­nis ge­habt – sei sie auf­grund der geänder­ten Sach­la­ge im Hin­blick auf die Er­folgs­aus­sich­ten der Kla­ge nicht ver­pflich­tet ge­we­sen.


Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen,

und ver­tritt die Auf­fas­sung, we­der die Kla­ge­er­he­bung ge­gen ei­nen Drit­ten noch durch die Ankündi­gung ei­nes nachträgli­chen Zu­las­sungs­an­trags sei der ge­setz­li­che Ab­fin­dungs­an­spruch er­lo­schen; erst durch die Fik­ti­on der Kla­ge­frist­wah­rung bei tatsächlich gewähr­ter Wie­der­ein­set­zung bzw. nachträgli­chem Zu­las­sen könne die­se Rechts­fol­ge ein­tre­ten.

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We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

 

Ent­schei­dungs­gründe:


1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 statt­haf­te und nach dem Be­schwer­de­wert gemäß § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG zulässi­ge Be­ru­fung der Kläge­rin ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1, §§ 519, 520 ZPO. Glei­ches gilt für die Be­ru­fung der Be­klag­ten. Für sie be­gann die Be­ru­fungs­frist erst mit Zu­stel­lung des Ur­teils in der kor­ri­gier­ten Fas­sung zu lau­fen, da es zu­vor an ei­ner ord­nungs­gemäßen Rechts­mit­tel­be­leh­rung fehl­te, § 9 Abs. 5 Satz 3 und 4 ArbGG.


2. In der Sa­che hat nur die Be­ru­fung der Be­klag­ten Er­folg, da der Kläge­rin ein Ab­fin­dungs­an­spruch nicht zu­steht.

2.1 Ein ver­trag­li­cher An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 € be­steht nicht, da zwi­schen den Par­tei­en ein ent­spre­chen­der Ver­trag nicht zu­stan­de ge­kom­men ist. Es fehlt an der An­nah­me ei­nes Ver­trags­an­ge­bo­tes.

2.1.1 Bis zum 01.03.2005 wur­den zwi­schen den Par­tei­en Ver­hand­lun­gen geführt, oh­ne dass es zu ei­ner Ei­ni­gung über die Ab­fin­dungshöhe ge­kom­men ist. In dem Te­le­fo­nat am 01.03.2005 wur­den zwar Eck­punk­te be­spro­chen, zu de­nen ei­ne Ab­fin­dung von 20.000,00 € gehörte. Für den Ab­schluss ei­nes münd­li­chen Ver­tra­ges zu die­sem Zeit­punkt lie­gen je­doch An­halts­punk­te nicht vor. Viel­mehr soll­te zunächst die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung durch ei­ne

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neue er­setzt wer­den und ei­ne Ab­fin­dung dann in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich ver­ein­bart wer­den. Es fehl­te auch noch die Zu­stim­mung der Kläge­rin.

In dem Schrei­ben vom 22.03.2005 liegt kei­ne An­nah­me des An­ge­bots der Be­klag­ten. Da­bei kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die An­nah­me gemäß § 147 Abs. 2 oder § 148 BGB ver­spätet ge­we­sen ist, wo­von das Ar­beits­ge­richt aus­ge­gan­gen ist. Je­den­falls ist die­ses Schrei­ben gemäß § 150 Abs. 2 BGB als neu­er An­trag zu wer­ten, da der Ent­wurf ei­nes Ab­wick­lungs­ver­tra­ges wei­te­re Ände­run­gen ge­genüber dem­je­ni­gen der Be­klag­ten ent­hielt. So enthält be­reits § 2 un­ter­schied­li­che Re­ge­lun­gen zur Ab­fin­dung, ins­be­son­de­re zur An­rech­nung, Ver­steue­rung und Ver­erb­lich­keit. Ei­ne vor­zei­ti­ge Lösungsmöglich­keit durch die Kläge­rin mit ent­spre­chen­der Erhöhung der Ab­fin­dung war we­der im Ent­wurf der Be­klag­ten vor­ge­se­hen, noch ist ei­ne münd­li­che Abände­rung des An­ge­bots der Be­klag­ten kon­kret dar­ge­legt. Auch feh­len im Ent­wurf der Kläge­rin die in § 3 des ursprüng­li­chen An­ge­bo­tes ent­hal­te­nen Hin­wei­se und Erklärun­gen.

Die­ses neue An­ge­bot hat die Be­klag­te nicht an­ge­nom­men. Sie hat we­der den Ver­trags­ent­wurf un­ter­zeich­net an die Kläger­ver­tre­te­rin zurück­ge­sandt, noch ei­nen ent­spre­chen­den ge­richt­li­chen Ver­gleich ab­ge­schlos­sen. Ei­ne still­schwei­gen­de Ver­trags­an­nah­me nach § 151 BGB war vor­lie­gend aus­ge­schlos­sen, da die Kläger­ver­tre­te­rin selbst zur Ver­trags­un­ter­zeich­nung auf­ge­for­dert hat­te und darüber hin­aus noch ei­ne ge­richt­li­che Pro­to­kol­lie­rung vor­ge­se­hen war.

2.1.2 Die Kläge­rin be­ruft sich auch oh­ne Er­folg dar­auf, dass das Ver­hal­ten der Be­klag­ten treu­wid­rig ge­we­sen sei.

Ab­ge­se­hen da­von, dass ein Ver­s­toß ge­gen die Pflich­ten nach § 241 Abs. 2 BGB im Rah­men des nach § 311 Abs. 2 BGB be­gründe­ten Schuld­verhält­nis­ses al­len­falls ei­nen – vor­lie­gend nicht gel­tend ge­mach­ten – Scha­dens­er­satz­an­spruch be­gründen könn­te, fehlt es auch an der Treu­wid­rig­keit. Für die Be­klag­te stell­te sich die Rechts­la­ge, ins­be­son­de­re das

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Pro­zess­ri­si­ko, nach Rück­nah­me der Kündi­gungs­schutz­kla­ge grund­le­gend an­ders dar. Das Aus­nut­zen ei­ner feh­ler­haf­ten Vor­ge­hens­wei­se des Ver­trags- oder Ver­hand­lungs­part­ners stellt als sol­ches noch kein un­red­li­ches Ver­hal­ten dar.


2.2 Die Kläge­rin hat auch kei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung nach § 1 a KSchG.

2.2.1 Die Kündi­gung vom 04.03.2005 enthält zwar den Hin­weis dar­auf, dass sie auf drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe gestützt ist und die Kläge­rin die Ab­fin­dung be­an­spru­chen könne, wenn sie in­ner­halb der Kla­ge­frist kei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­hebt. Da­nach liegt die er­for­der­li­che rechts­geschäft­li­che Erklärung der Be­klag­ten vor.

2.2.2 Ein Ab­fin­dungs­an­spruch ist vor­lie­gend je­doch be­reits des­halb nicht ent­stan­den, weil die Kläge­rin die Kündi­gung ge­richt­lich an­ge­grif­fen hat.

Zwar hat sie nach der Be­zeich­nung im Kla­ge­ru­brum die Kla­ge und die Kla­ge­er­wei­te­rung ge­gen ih­re ursprüng­li­che Ar­beit­ge­be­rin, die DVS, ge­rich­tet. Dass die­se An­ga­be feh­ler­haft war, er­gab sich be­reits aus dem Hin­weis in der Kla­ge­schrift auf ei­nen Be­triebsüber­gang und aus dem hier­zu bei­gefügten Schrei­ben. Die – vor der wei­te­ren Um­fir­mie­rung – rich­ti­ge Be­zeich­nung der Ar­beit­ge­be­rin konn­te oh­ne wei­te­res den eben­falls bei­gefügten Kündi­gungs­schrei­ben ent­nom­men wer­den.

Die pro­zes­sua­le Wil­lens­erklärung, ge­gen wel­che – natürli­che oder ju­ris­ti­sche – Per­son sich die Kla­ge rich­ten soll, be­darf der Aus­le­gung, wenn die An­ga­ben un­vollständig oder of­fen­bar un­rich­tig sind. Dies gilt auch dann, wenn statt der rich­ti­gen Be­zeich­nung irrtümlich die Be­zeich­nung ei­ner tatsächlich exis­tie­ren­den (ju­ris­ti­schen oder natürli­chen) Per­son gewählt wird, so­lan­ge nur aus dem In­halt der Kla­ge­schrift und et­wai­gen An­la­gen un­zwei­fel­haft deut­lich wird, wel­che Per­son tatsächlich ge­meint ist (vgl. BAG, Urt. v. 12.02.2004 – 2 AZR 136/03). Dies war bei der Kündi­gungs­schutz­kla­ge

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vom 01.03.2005 eben­so der Fall wie bei der Kla­ge­er­wei­te­rung vom 22.03.2005. Es hätte des­halb im dor­ti­gen Rechts­streit le­dig­lich ei­ner Klar­stel­lung des Pas­sivru­brums be­durft; ein Fall des Par­tei­wech­sels hätte nicht vor­ge­le­gen.

Ein Ver­strei­chen­las­sen der Kla­ge­frist liegt auch des­halb nicht vor, weil die Kla­ge bzw. Kla­ge­er­wei­te­rung nicht in­ner­halb der Drei­wo­chen­frist der Be­klag­ten zu­ge­stellt wor­den ist. Es reich­te vor­lie­gend aus, dass die Zu­stel­lung un­ter der Fir­ma der ursprüng­li­chen Ar­beit­ge­be­rin der Kläge­rin un­ter An­ga­be ei­nes Geschäftsführers, der gleich­zei­tig auch Geschäftsführer der Be­klag­ten ist, am Sitz des Ost­deut­schen Sp.- und G. zu­ge­stellt wor­den ist, wo auch der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten sitzt, und von wo aus die Schriftsätze an die späte­re Rechts­nach­fol­ge­rin der DVS, die F. GmbH wei­ter­ge­lei­tet wor­den sind. Dem Zweck des § 4 KSchG ist auch dann Genüge ge­tan, wenn die Zu­stel­lung an ei­ne Per­son in an­de­rer Ei­gen­schaft er­folgt (vgl. BAG, Urt. v. 12.02.2004 – 2 AZR 136/03 – Rd­nr. 20, m.w.N.).

Da sich die Kündi­gungs­schutz­kla­ge hier­nach von An­fang an ge­gen die Be­klag­te ge­rich­tet hat, be­darf es kei­ner wei­te­ren Ausführun­gen zu der Fra­ge, ob ei­ne Kla­ge­er­he­bung ge­gen ei­nen Drit­ten oh­ne die Möglich­keit ei­ner Ru­brums­klar­stel­lung zur Fol­ge ge­habt hätte, dass ein Ab­fin­dungs­an­spruch nach § 1 a KSchG i.V.m. dem Ab­fin­dungs­an­ge­bot der Be­klag­ten nicht ent­stan­den wäre.

2.2.3 Durch die Rück­nah­me der Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist der Ab­fin­dungs­an­spruch nicht ent­stan­den.

Zwar greift bei ei­ner Kla­gerück­nah­me die Fik­ti­on des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO, wo­nach der Rechts­streit als nicht anhängig ge­wor­den an­zu­se­hen ist. Dies kann sich je­doch nicht auf die Tat­be­stands­vor­aus­set­zung des „Ver­strei­chen­las­sens“ in § 1 a KSchG be­zie­hen. Sinn und Zweck die­ser Re­ge­lung ist es ge­ra­de, ei­nen Rechts­streit zu ver­mei­den. Der Ar­beit­ge­ber will mit sei­ner Ab­fin­dungs­zu­sa­ge ein Pro­zess­ri­si­ko und ent­spre­chen­de Auf­wen­dun­gen ver­mei­den. Die­sem Zweck würde es zu­wi­der­lau­fen, wenn der

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Ar­beit­neh­mer zunächst Kla­ge er­he­ben könn­te, um even­tu­el­le Pro­zess­aus­sich­ten aus­zu­lo­ten und even­tu­ell ei­ne bes­se­re Ver­hand­lungs­po­si­ti­on für ei­ne höhe­re Ab­fin­dung zu er­lan­gen, und dann bei ei­nem Schei­tern wie­der auf das Ab­fin­dungs­ver­spre­chen in der Kündi­gung könn­te. Un­abhängig da­von, wie der in § 1 a KSchG ge­re­gel­te Ab­fin­dungs­an­spruch ein­ge­ord­net wird, ob als ge­setz­li­cher oder – wohl eher – recht­geschäft­li­cher An­spruch, und un­abhängig da­von, ob der „Hin­weis“ als Wil­lens­erklärung und das „Ver­strei­chen­las­sen“ der Kla­ge­frist als Re­alakt oder eben­falls als Wil­lens­erklärung ge­wer­tet wird, wird in Li­te­ra­tur und Recht­spre­chung da­von aus­ge­gan­gen, dass die Kla­ge­er­he­bung das Ent­ste­hen ei­nes Ab­fin­dungs­an­spruchs ver­hin­dert und die Kla­gerück­nah­me die­se Rechts­fol­ge nicht be­sei­tigt (vgl. nur ErfKo-Ascheid, § 1 a KSchG Rd­nr. 4; KR-Spil­ger, § 1 a KSchG Rd­nr. 79; Däubler, NZA 2004, 177 ff. [178]; Preis, DB 2004, 70 ff. [74]; Ba­der, NZA 2004, 65 ff. [71]; LAG Sach­sen-An­halt, Urt. v. 28.09.2005 – 3 Sa 850/04).

2.2.4 Da hier­nach ein Ab­fin­dungs­an­spruch nicht ent­stan­den ist, kommt es auf die wei­te­re Rechts­fra­ge, ob be­reits mit dem An­trag auf nachträgli­che Kla­ge­zu­las­sung der An­spruch auf Ab­fin­dung er­lischt bzw. ein Rück­tritts­recht des Ar­beit­ge­bers auslöst oder erst die Gewährung der nachträgli­chen Kla­ge­zu­las­sung durch das Ge­richt Rechts­fol­gen für den Ab­fin­dungs­an­spruch auslöst, nicht mehr an.

2.3 Nach al­le­dem war – un­ter Ab­wei­sung der Be­ru­fung der Kläge­rin – auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten das an­ge­foch­te­ne Ur­teil teil­wei­se ab­zuändern und die Kla­ge ins­ge­samt ab­zu­wei­sen.

3. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. Die Kam­mer hat die Re­vi­si­on we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung zu­ge­las­sen.

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung


Ge­gen die­ses Ur­teil kann die Kläge­rin in­ner­halb ei­nes Monats nach sei­ner Zu­stel­lung beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt
Hu­go-Preuß-Platz 1
99 084 Er­furt

Te­le­fax-Nr.: (0361)26 36 - 20 00

schrift­lich Re­vi­si­on ein­le­gen.

Die Re­vi­si­on ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung des Ur­teils schrift­lich zu be­gründen.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Für die Be­klag­te ist ge­gen die­ses Ur­teil ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

 


K.
(zu­gleich für die we­gen Ur­laubs an der Un­ter­schrifts­leis­tung ge­hin­der­ten eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Hil­ler und Rich­ter)  

 

 

 

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