HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 22.01.2009, 8 AZR 906/07

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter, Diskriminierung: Rechte Betroffener
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 906/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.01.2009
   
Leitsätze:

1. Ein Anspruch des Arbeitnehmers nach § 15 Abs. 2 AGG gegen den Arbeitgeber auf Entschädigung wegen eines Nichtvermögensschadens aufgrund eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot setzt kein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers voraus.

2. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist nicht, dass der Arbeitnehmer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist. Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot ist grundsätzlich das Entstehen eines immateriellen Schadens beim Arbeitnehmer anzunehmen, welcher zu einem Entschädigungsanspruch führt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, 25. April 2007, Az: 86 Ca 23363/06, Urteil Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 15. Kammer, 19. September 2007, Az: 15 Sa 1144/07, Urteil
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


8 AZR 906/07
15 Sa 1144/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet

am 22. Ja­nu­ar 2009

UR­TEIL

Di­ede­rich, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

be­klag­tes, be­ru­fungs­be­klag­tes, re­vi­si­ons­kla­gen­des und an­schluss­re­vi­si­ons­be­klag­tes Land,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin, Re­vi­si­ons­be­klag­te und An­schluss­re­vi­si­onskläge­rin,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 22. Ja­nu­ar 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck und Brein­lin­ger
 


- 2 -

so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Morsch und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter von Schuck­mann für Recht er­kannt:
Die Re­vi­si­on des be­klag­ten Lan­des und die An­schluss­re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 19. Sep­tem­ber 2007 - 15 Sa 1144/07 - wer­den zurück­ge­wie­sen.


Das be­klag­te Land hat zu 16 % und die Kläge­rin zu 84 % die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten in der Re­vi­si­ons­in­stanz noch darüber, ob die Zu­ord­nung der Kläge­rin zum Per­so­nalüber­hang wirk­sam war so­wie ob das be­klag­te Land die Kläge­rin we­gen ih­res Al­ters be­nach­tei­ligt und die­se des­we­gen ei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung hat.


Die am 31. Ja­nu­ar 1956 ge­bo­re­ne Kläge­rin war in der ehe­ma­li­gen DDR in ei­ner Kin­der­ta­gesstätte in Ber­lin/H tätig. In dem Ar­beits­ver­trag vom 21. März 2000 ver­ein­bar­ten die Kläge­rin und das be­klag­te Land ei­ne Über­nah­me der Kläge­rin vom Be­zirks­amt H von Ber­lin in den Be­reich des Be­zirks­am­tes T von Ber­lin mit Wir­kung vom 6. Fe­bru­ar 2000 für ei­ne Beschäfti­gung als Er­zie­he­rin. Das be­klag­te Land geht von ei­ner Beschäfti­gungs­zeit seit dem 14. Mai 1988 aus. In § 5 des Ar­beits­ver­tra­ges ist an­ge­ge­ben, dass die Kläge­rin in der VergGr. Vc der An­la­ge 1a zum BAT ein­grup­piert ist.

Das be­klag­te Land er­rich­te­te meh­re­re Ei­gen­be­trie­be, de­nen Kin­der­ta­gesstätten zu­ge­ord­net wur­den, ua. den Ei­gen­be­trieb „Kin­dergärten Ci­ty - Ei­gen­be­trieb von Ber­lin -“, der für die Kin­der­ta­gesstätten der Be­zir­ke M und F zuständig ist. Zu die­sen Kin­der­ta­gesstätten gehört die Kin­der­ta­gesstätte (Ki­ta) R Straße, in der die Kläge­rin als Er­zie­he­rin ar­bei­te­te.

- 3 -

Der Kin­dergärten Ci­ty - Ei­gen­be­trieb von Ber­lin - beschäftig­te zum Stich­tag 1. Ok­to­ber 2006 in sei­nen Ein­rich­tun­gen 829 Er­zie­he­rin­nen und Er­zie­her, die in VergGr. VIb/Vc BAT ein­grup­piert wa­ren. Von die­sen wa­ren 263 bis 39 Jah­re alt und 566 40 Jah­re und älter. Das Durch­schnitts­al­ter be­trug 45 Jah­re. In der Ki­ta R Straße wa­ren am Stich­tag 1. Ok­to­ber 2006 13 Er­zie­he­rin­nen un­ter und 15 über 40 Jah­re alt.


Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des am 1. Ja­nu­ar 2004 in Kraft ge­tre­te­nen Stel­len­pool­ge­set­zes (St­PG) des be­klag­ten Lan­des vom 9. De­zem­ber 2003 ist das Zen­tra­le Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) ei­ne der Se­nats­ver­wal­tung für Fi­nan­zen nach­ge­ord­ne­te Behörde. Die­ser wer­den die­je­ni­gen Dienst­kräfte un­ter­stellt, de­ren Beschäfti­gung durch den Weg­fall von Auf­ga­ben oder die Ver­la­ge­rung von Auf­ga­ben auf an­de­re Dienst­kräfte in ih­rer Dienst­behörde nicht mehr möglich ist. Das Zen­tra­le Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) ist Dienst­behörde und Per­so­nal­stel­le für die Per­so­nalüber­hang­kräfte der Ber­li­ner Ver­wal­tung, § 1 Abs. 1 Satz 2 St­PG. Dienst­kräfte, die von den Dienst­behörden oder Per­so­nal­stel­len dem Per­so­nalüber­hang zu­ge­ord­net wor­den sind, sind Per­so­nalüber­hang­kräfte, § 1 Abs. 2 Satz 1 St­PG. Die­se wer­den zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) ver­setzt, § 1 Abs. 2 Satz 3 St­PG. Auf der Grund­la­ge des § 5 der Lan­des­haus­halts­ord­nung in der Fas­sung vom 10. Fe­bru­ar 2003 (GVBl. S. 62) er­ließ der Fi­nanz­se­na­tor am 28. Ju­ni 2005 die „Ver­wal­tungs­vor­schrift über die Zu­ord­nung von Beschäftig­ten zum Per­so­nalüber­hang“ (im Fol­gen­den VV Aus­wahl).

In § 5 VV Aus­wahl ist ua. Fol­gen­des fest­ge­legt: 


„(2) Ei­ne Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang nach den in § 6 auf­geführ­ten Aus­wahl­kri­te­ri­en fin­det nicht statt, wenn die Wei­ter­beschäfti­gung der Beschäftig­ten ins­be­son­de­re we­gen ih­rer Kennt­nis­se, Fähig­kei­ten und Leis­tun­gen oder zur Si­che­rung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur (ein­sch­ließlich der Zie­le des § 3 Abs. 3 Lan­des­gleich­stel­lungs­ge­setz) im be­rech­tig­ten be­trieb­li­chen In­ter­es­se liegt.“


Gemäß § 6 VV Aus­wahl er­folgt die Aus­wahl der Beschäftig­ten stich­tags­be­zo­gen nach den Kri­te­ri­en Le­bens­al­ter, Beschäfti­gungs­zei­ten, Un­ter­halts-


- 4 -

pflich­ten und Schwer­be­hin­de­rung, wo­bei je­dem die­ser Kri­te­ri­en be­stimm­te Punk­te zu­ge­ord­net wer­den.

Die VV Aus­wahl war Grund­la­ge für die Er­mitt­lung des Per­so­nalüber­hangs in den Kin­dergärten des Ei­gen­be­triebs Kin­dergärten Ci­ty. Die Geschäfts­lei­tung des Ei­gen­be­triebs Kin­dergärten Ci­ty fer­tig­te un­ter dem 26. Ok­to­ber 2006 ei­nen Ver­merk zur „Be­nen­nung von Er­zie­he­rin­nen und Mit­ar­bei­te­rin­nen in der Tätig­keit als Er­zie­he­rin­nen für den Per­so­nalüber­hang im Ei­gen­be­trieb Kin­dergärten Ci­ty zum 01.01.2007“. Dar­in leg­te die Geschäfts­lei­tung ua. Fol­gen­des fest:

„6.2 Für die Beschäftig­ten der Vgr. VIb/Vc BAT er­folgt die An­wen­dung des § 6 und die Be­punk­tung nach Ak­ten­la­ge und ergänzen­der Er­he­bun­gen bei den Beschäftig­ten.

7. Die Zu­ord­nung von Beschäftig­ten zum Per­so­nalüber­hang er­folgt in­ner­halb der ein­zel­nen Kin­dergärten. Sie bil­den den je­wei­li­gen Aus­wahl­be­reich. Es wer­den die Kin­dergärten zu ei­nem Aus­wahl­be­reich be­stimmt, die mit Stich­tag 01.10.2006 die größten Dif­fe­ren­zen zwi­schen Per­so­nal-Soll und Per­so­nal-Ist auf­wie­sen, ab­stei­gend bis zu der er­for­der­li­chen Zahl der ab­zu­bau­en­den Stel­len. Die Fest­le­gung der ein­zel­nen Kin­der­gar­ten-Stand­or­te als Aus­wahl­be­rei­che er­folgt in der Erwägung, dass die Kin­dergärten, die über ei­ne adäqua­te Per­so­nal­zu­wei­sung verfügen oder gar per­so­nell un­ter­aus­ge­stat­tet sind, von ei­nem überflüssi­gen Wech­sel ih­rer Mit­ar­bei­te­rin­nen ver­schont blei­ben. Dies ent­spricht auch dem Grund­satz die An­zahl der Be­zugs­per­so­nen­wech­sel möglichst ge­ring zu hal­ten.


8. De­fi­ni­ti­on der Aus­wahl­grup­pe

8.2 Al­le Er­zie­he­rin­nen ab dem voll­ende­ten 40. Le­bens­jahr, die in die Vergütungs­grup­pe VIb/Vc ein­ge­reiht sind und die zwi­schen 100 v.H. und min­des­tens 76 v.H. der vol­len re­gel-mäßigen Ar­beits­zeit er­brin­gen. Für die­sen Per­so­nen­kreis wer­den die Kri­te­ri­en gem. § 6 VV Aus­wahl an­ge­wen­det. ...


8.3 Zur Si­cher­stel­lung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur wird die Aus­wahl­grup­pe gem. § 5 (2) VV-Aus­wahl auf den Per­so­nen­kreis der Er­zie­he­rin­nen ab dem voll­ende­ten 40. Le­bens-

- 5 -

jahr be­grenzt.“


Mit Schrei­ben vom 17. No­vem­ber 2006 in­for­mier­te das be­klag­te Land die Kläge­rin, dass sie ab dem 1. Ja­nu­ar 2007 dem Per­so­nalüber­hang zu-ge­ord­net wer­de. In ei­nem Schrei­ben des Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ments vom 27. De­zem­ber 2006 wur­de der Kläge­rin die Ver­set­zung als Per­so­nalüber­hang­kraft in das Zen­tra­le Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2007 mit­ge­teilt. Seit die­sem Zeit­punkt wur­de sie zunächst kurz­fris­tig als Er­zie­he­rin in ver­schie­de­nen Kin­der­ta­gesstätten, teil­wei­se auch in pri­va­ten Kin­dergärten, ein­ge­setzt.


Die Kläge­rin mach­te am 18. Ja­nu­ar 2007 ge­genüber dem be­klag­ten Land schrift­lich ei­nen Scha­dens­er­satz- und Schmer­zens­geld­an­spruch un­ter Be­ru­fung auf § 15 AGG gel­tend mit der Be­gründung, sie sei aus Gründen des Al­ters be­nach­tei­ligt wor­den. Das Schrei­ben ging dem be­klag­ten Land spätes­tens am 5. Fe­bru­ar 2007 zu.

Mit ih­rer am 21. De­zem­ber 2006 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat die Kläge­rin zunächst die ge­richt­li­che Fest­stel­lung be­gehrt, sie sei nicht dem Per­so­nalüber­hang zu­ge­ord­net und dann am 4. Ja­nu­ar 2007 ih­re Kla­ge auf die ge­richt­li­che Fest­stel­lung er­wei­tert, dass die Ver­set­zung vom 27. De­zem­ber 2006 zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment un­wirk­sam sei. Mit Kla­ge­er­wei­te­rung vom 22. März 2007, beim Ar­beits­ge­richt am 23. März 2007 ein­ge­gan­gen und dem be­klag­ten Land am 3. April 2007 zu­ge­stellt, hat die Kläge­rin die Zah­lung ei­nes in das Er­mes­sen des Ge­rich­tes ge­stell­ten Schmer­zens­gel­des, wel­ches den Be­trag von 4.000,00 Eu­ro nicht un­ter­schrei­ten soll­te, ver­langt.


Die Kläge­rin hat die An­sicht ver­tre­ten, Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge könne auch die Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang sein. Sie meint des Wei­te­ren, ihr ste­he ein Schmer­zens­geld in Höhe von min­des­tens 4.000,00 Eu­ro zu, da sie von dem be­klag­ten Land we­gen ih­res Al­ters dis­kri­mi­niert wor­den sei. Die Bil­dung der Aus­wahl­grup­pe für Er­zie­he­rin­nen ab dem voll­ende­ten 40. Le­bens­jahr sei rechts­wid­rig ge­we­sen und stel­le ei­ne Be­nach­tei­li­gung gemäß § 1 AGG in Ver­bin­dung mit § 7 AGG dar. Das be­klag­te Land ha­be


- 6 -

we­der dar­ge­legt, dass ei­ne ord­nungs­gemäße Aus­wahl zu ei­ner Übe­r­al­te­rung geführt hätte noch wel­che Per­so­nal­struk­tur nun­mehr durch die tatsächli­che Aus­wahl her­bei­geführt wor­den sei und war­um die­se zum Be­trieb der Kin­dergärten un­be­dingt er­for­der­lich sei. Al­lein die Verjüngung der Be­leg­schaft sei kein le­gi­ti­mes Ziel iSd. § 10 AGG. Da­mit ge­he auch kei­ne Ver­bes­se­rung der Per­so­nal­struk­tur ein­her. Für die Ent­ste­hung des gel­tend ge­mach­ten An­spruchs nach § 15 Abs. 2 AGG sei die Schwe­re der Ver­let­zung un­er­heb­lich. Die Vor­schrift ver­lan­ge kei­nen be­son­ders fest­zu­stel­len­den Scha­den. Es han­de­le sich um ei­ne ver­schul­dens­un­abhängi­ge Haf­tung. Bei der Höhe der Entschädi­gung sei zu berück­sich­ti­gen, dass sie ei­ner er­heb­li­chen Be­las­tung aus­ge­setzt wor­den sei. Sie ha­be sich von den zu be­treu­en­den Kin­dern und El­tern ver­ab­schie­den müssen. Auch schaue sie auf ei­ne un­ge­wis­se Zu­kunft und sei den Be­las­tun­gen des ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­fah­rens aus­ge­setzt. Sie müsse sich von dem be­klag­ten Land vor­hal­ten las­sen, sie sei auf­grund ih­res Al­ters nicht mehr leis­tungsfähig und grundsätz­lich zu alt für ih­ren Be­ruf. Die Entschädi­gung müsse auch ge­eig­net sein, den Ar­beit­ge­ber ge­ne­rell von Dis­kri­mi­nie­run­gen die­ser Art ab­zu­hal­ten.

Die Kläge­rin hat in der Re­vi­si­ons­in­stanz be­an­tragt, 


1. fest­zu­stel­len, dass die Kläge­rin in ih­rer Funk­ti­on als Er­zie­he­rin des Ei­gen­be­triebs Kin­dergärten Ci­ty nicht dem sog. Per­so­nalüber­hang des Lan­des Ber­lin zu­ge­ord­net ist;

2. das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ein in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stell­tes Schmer­zens­geld, wel­ches je­doch ei­nen Be­trag von 4.000,00 Eu­ro nicht un­ter­schrei­ten soll­te, nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 4. April 2007 zu zah­len.

Das be­klag­te Land hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt.

Es be­haup­tet, im Ei­gen­be­trieb sei­en bis zu 80 Stel­len zu viel vor­han­den ge­we­sen. Da­her hätten 43 Er­zie­he­rin­nen mit der VergGr. VIb/Vc BAT ver­setzt wer­den müssen. Ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot lie­ge nicht vor. Die Aus­wahl der ver­setz­ten Beschäftig­ten sei nach § 10 AGG ge­recht­fer­tigt
 


- 7 -

ge­we­sen. Ein le­gi­ti­mes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG sei die Si­cher­stel­lung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur, wo­zu auch de­ren Wie­der­her­stel­lung gehöre. Da je­de Kin­der­ta­gesstätte ei­ne ge­schlos­se­ne Ein­heit dar­stel­le, ha­be die So­zi­al­aus­wahl auf die­se Ein­heit be­schränkt wer­den müssen. Hier­durch ha­be auch er­reicht wer­den sol­len, dass für Kin­der und El­tern möglichst we­nig Be­zugs­per­so­nen wech­seln muss­ten. Zur Si­cher­stel­lung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur sei die Aus­wahl­grup­pe gemäß § 5 Abs. 2 VV Aus­wahl auf den Per­so­nen­kreis der Er­zie­her/in­nen ab dem voll­ende­ten 40. Le­bens­jahr be­grenzt wor­den. Ein be­son­de­res be­trieb­li­ches In­ter­es­se ha­be vor­ge­le­gen, da im Ei­gen­be­trieb Kin­dergärten Ci­ty das Durch­schnitts­al­ter der Er­zie­her/in­nen der VergGr. VIb/Vc bei 45 Jah­re ge­le­gen ha­be. Für ein aus­ge­wo­ge­nes Er­zie­hungs­an­ge­bot sei ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur der Be­treu­ungs­per­so­nen wich­tig. Ei­ne ein­sei­ti­ge Al­ters­struk­tur be­inhal­te für den Ei­gen­be­trieb er­heb­li­che Ri­si­ken, ins­be­son­de­re das zeit­na­he Aus­schei­den vie­ler Mit­ar­bei­te­rin­nen in im­mer kürze­ren Zeiträum­en und die da­mit erhöhte Wahr­schein­lich­keit von Be­zugs­per­so­nen­wech­seln in er­heb­li­cher Größen­ord­nung. Mit ei­ner Al­ters­struk­tur der Er­zie­he­rin­nen von über 45 Jah­ren sei die Auf­recht­er­hal­tung ei­nes ge­si­cher­ten Ki­ta-Be­trie­bes nicht möglich. Selbst dann, wenn von ei­ner Ver­let­zung des Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­tes aus­ge­gan­gen würde, wäre ein Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht ge­ge­ben. Nicht je­de Be­nach­tei­li­gung zie­he ei­nen im­ma­te­ri­el­len Scha­den nach sich. Ein sol­cher tre­te nur ein, wenn ei­ne ge­wis­se „Er­heb­lich­keits­schwel­le“ über­schrit­ten wor­den sei, zB durch Her­abwürdi­gung des Beschäftig­ten. Ei­ne Be­wer­tung der Per­so­nen­grup­pe sei mit der Aus­wah­l­ent­schei­dung je­doch nicht ver­bun­den ge­we­sen. Ein Entschädi­gungs­an­spruch würde fer­ner Ver­schul­den vor­aus­set­zen.


Das Ar­beits­ge­richt hat fest­ge­stellt, dass die „Ver­set­zung der Kläge­rin vom 27.12.2006 zum 01.01.2007 zum Zen­tra­len Per­so­nal­ma­nage­ment (ZeP)“ un­wirk­sam ist und im Übri­gen die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das be­klag­te Land ver­ur­teilt, an die Kläge­rin ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 1.000,00 Eu­ro zu zah­len und die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt das be­klag­te Land die Wie­der-

- 8 -

her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils, so­weit die Kla­ge ab­ge­wie­sen wor­den ist. Mit der An­schluss­re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ih­re Fest­stel­lungs­kla­ge und die Kla­ge auf Schmer­zens­geld in Höhe von min­des­tens 4.000,00 Eu­ro wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

So­wohl die Re­vi­si­on des be­klag­ten Lan­des als auch die An­schluss­re­vi­si­on der Kläge­rin sind un­be­gründet. Die Ver­ur­tei­lung des be­klag­ten Lan­des zur Zah­lung ei­ner Entschädi­gung iHv. 1.000,00 Eu­ro nebst Zin­sen hält eben­so ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung stand wie die Ab­wei­sung der Fest­stel­lungs­kla­ge.


A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung im We­sent­li­chen wie folgt be­gründet: Der An­spruch auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung in Höhe von 1.000,00 Eu­ro er­ge­be sich aus § 15 Abs. 2 AGG. Das be­klag­te Land ha­be die über 40jähri­ge Kläge­rin un­mit­tel­bar be­nach­tei­ligt, in­dem es bei der Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang hin­sicht­lich der So­zi­al­aus­wahl nur Ar­beit­neh­mer/in­nen berück­sich­tigt ha­be, die das 40. Le­bens­jahr voll­endet hat­ten. Ei­ne Zulässig­keit der un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung er­ge­be sich we­der aus § 8 AGG noch aus § 10 Satz 1 AGG. Es feh­le be­reits an ei­nem rechtmäßigen Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG. Die Ver­wal­tung ha­be sich in der Ausübung ih­res Er­mes­sens selbst durch Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten ge­bun­den. Der Ei­gen­be­trieb ha­be über § 5 Abs. 2 VV Aus­wahl hin­aus­ge­hend nicht ei­ne Si­che­rung, son­dern ei­ne Verände­rung in der Per­so­nal­struk­tur vor­neh­men wol­len. Selbst wenn aber die Her­beiführung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur grundsätz­lich ein le­gi­ti­mes Ziel wäre, wäre der Ar­beit­ge­ber dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig, wie die an­ge­streb­te Per­so­nal­struk­tur im Ein­zel­fal­le ha­be aus­se­hen sol­len, war­um ei­ne sol­che Per­so­nal­struk­tur ein le­gi­ti­mes Ziel dar­stel­le und wes­we­gen die er­grif­fe­nen Mit­tel an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sei­en. Die­se Dar­le­gung sei dem be­klag­ten Land nicht ge­lun­gen. Da das be­klag­te Land die So­zi­al­aus­wahl nicht auf den ge­sam­ten Ei­gen­be­trieb, son­dern le­dig­lich auf die je­wei­li­ge Kin­der­ta­gesstätte er­streckt ha­be, müsse auch die Per­so­nal­struk­tur in der je­wei­li­gen Kin­der­ta­ges-



- 9 -

stätte dar­ge­legt wer­den. In der Kin­der­ta­gesstätte, in der die Kläge­rin tätig ge­we­sen sei, sei die Per­so­nal­struk­tur fast aus­ge­gli­chen ge­we­sen. Fer­ner sei die be­haup­te­te Ge­fahr ei­ner nicht mehr kon­ti­nu­ier­li­chen Be­treu­ung der Kin­der nicht nach­voll­zieh­bar. Es könne da­hin­ste­hen, ob ein Entschädi­gungs­an­spruch nur be­ste­he, wenn ei­ne er­heb­li­che Dis­kri­mi­nie­rung vor­lie­ge, weil die Er­heb­lich­keits­gren­ze vor­lie­gend über­schrit­ten sei. Es könne auch of­fen blei­ben, ob die Entschädi­gungs­pflicht für Nicht­vermögensschäden ver­schul­dens­un­abhängig sei, da das be­klag­te Land die Kläge­rin fahrlässig dis­kri­mi­niert ha­be. Die Kläge­rin ha­be ih­ren Entschädi­gungs­an­spruch auch in­ner­halb der Fris­ten der §§ 15 Abs. 4 AGG, 61b Abs. 1 ArbGG gel­tend ge­macht. Die ge­gen die Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang ge­rich­te­te Fest­stel­lungs­kla­ge sei un­zulässig.

Dem folgt der Se­nat im Er­geb­nis und zum Teil auch in der Be­gründung.

B. Die Re­vi­si­on des be­klag­ten Lan­des ist un­be­gründet. 


I. Der auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung ge­rich­te­te Kla­ge­an­trag ist zulässig, ins­be­son­de­re hin­rei­chend be­stimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).


Dem steht nicht ent­ge­gen, dass die Kläge­rin die Höhe der von ihr be­gehr­ten Entschädi­gung, die sie als Schmer­zens­geld be­zeich­net, in das Er-mes­sen des Ge­richts ge­stellt hat. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann ei­ne an-ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld ver­langt wer­den. Dem Ge­richt wird da­mit hin­sicht­lich der Höhe der Entschädi­gung ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ein­geräumt (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Steht dem Ge­richt ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum hin­sicht­lich der Entschädi­gungshöhe zu bzw. hängt die Be­stim­mung ei­nes Be­tra­ges vom bil­li­gen Er­mes­sen des Ge­rich­tes ab, ist ein un­be­zif­fer­ter Zah­lungs­an­trag zulässig. Die Kläge­rin muss al­ler­dings Tat­sa­chen, die das Ge­richt bei der Be­stim­mung des Be­tra­ges her­an­zie­hen soll, be­nen­nen und die Größen­ord­nung der gel­tend ge­mach­ten For­de­rung an­ge­ben (BAG 16. Sep­tem­ber 2008 - 9 AZR 791/07 - AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind erfüllt. Die Kläge­rin hat ei­nen Sach­ver­halt dar­ge­legt, der dem Ge­richt die Fest­set­zung der Höhe ei­ner Entschädi­gung ermöglicht und An­ga­ben zur Größen­ord­nung die­ser Entschädi­gung ge­macht.
 


- 10 -

II. Die Kläge­rin hat nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung in der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­setz­ten Höhe von 1.000,00 Eu­ro.


1. Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) fin­det auf den Streit­fall An­wen­dung.

a) Mit dem Ge­setz zur Um­set­zung eu­ropäischer Richt­li­ni­en zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung (Um­set­zungs­ge­setz) vom 14. Au­gust 2006 (BGBl. I S. 1897) ist am 18. Au­gust 2006 das AGG in Kraft ge­tre­ten. Für Be­nach­tei­li­gun­gen we­gen des Al­ters, die zeit­lich nach dem In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes lie­gen, gel­ten die §§ 1 bis 18 AGG oh­ne Ein­schränkung (§ 33 AGG) (Suckow in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 3). So­wohl die Fer­ti­gung des Ver­merks der Geschäfts­lei­tung des Ei­gen­be­trie­bes Kin­dergärten Ci­ty vom 26. Ok­to­ber 2006 als auch die Ent­schei­dung, die Kläge­rin dem Per­so­nalüber­hang zu­zu­ord­nen und sie zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) zu ver­set­zen, er­folg­ten nach In­kraft­tre­ten des AGG.


b) Die Par­tei­en un­ter­fal­len dem persönli­chen An­wen­dungs­be­reich des AGG. Die Kläge­rin ist Beschäftig­te im Sin­ne des AGG, weil sie Ar­beit­neh­me­rin ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG), und das be­klag­te Land ist Ar­beit­ge­ber im Sin­ne des
AGG, weil es die Kläge­rin als sei­ne Ar­beit­neh­me­rin beschäftigt (§ 6 Abs. 2 Satz 1 AGG).

2. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG gibt der Kläge­rin we­gen des Scha­dens, der nicht Vermögens­scha­den ist, ei­nen An­spruch auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld.


a) Tat­be­stands­vor­aus­set­zung für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Dies stellt zwar § 15 Abs. 2 AGG nicht aus­drück­lich klar, es er­gibt sich aber aus dem Ge­samt­zu­sam­men­hang der Be­stim­mun­gen in § 15 AGG (vgl. Voigt in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl.

- 11 - 


§ 15 Rn. 29; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 31; ErfK/Schlach­ter 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 5; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 50; Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 15 Rn. 36).

b) Das be­klag­te Land hat ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG ver­s­toßen.

aa) Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen vor.


bb) Das be­klag­te Land, ver­tre­ten durch den Ei­gen­be­trieb Kin­dergärten Ci­ty, - Ei­gen­be­trieb von Ber­lin -, hat nach Durchführung ei­ner Aus­wahl zwi­schen meh­re­ren Er­zie­hern/Er­zie­he­rin­nen die Ent­schei­dung ge­trof­fen, die Kläge­rin dem Per­so­nalüber­hang zu­zu­ord­nen. Nach­fol­gend hat es die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 27. De­zem­ber 2006 ab 1. Ja­nu­ar 2007 zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) ver­setzt.

Die­se Ver­set­zung nach § 1 Abs. 2 Satz 3 St­PG stellt ei­ne Maßnah­me bei der Durchführung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG dar. Als „Maßnah­men“ sind sämt­li­che An­ord­nun­gen des Ar­beit­ge­bers, al­so bei­spiels­wei­se Wei­sun­gen, ein­sei­ti­ge Leis­tungs­be­stim­mun­gen, Ver­set­zun­gen und Um­set­zun­gen zu be­trach­ten (BT-Drucks. 16/1780 S. 31; vgl. auch Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 2 Rn. 30). Durch die „Ver­set­zung“ iSd. § 1 Abs. 2 Satz 3 St­PG wird die für den Ar­beit­neh­mer zuständi­ge Dienst­stel­le geändert. Dienst­kräfte, die zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) ver­setzt wer­den, müssen auf­grund der die­ser Behörde gemäß § 2 St­PG ob­lie­gen­den Auf­ga­ben da­mit rech­nen, dass sie nicht mehr auf ih­rem bis­he­ri­gen Ar­beits­platz tatsächlich ein­ge­setzt wer­den, sie zu Über­g­angseinsätzen her­an­ge­zo­gen oder auf ei­ne freie Stel­le bei ei­ner an­de­ren Dienst­stel­le ver­mit­telt wer­den. Die Ver­set­zung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 3 St­PG, die auf der Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang be­ruht, stellt dem­nach ei­ne An­ord­nung dar, die sich auf das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin aus­wirkt.
 


- 12 - 

Die Kläge­rin hat zu an­de­ren Er­zie­he­rin­nen in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on we­gen ih­res Al­ters ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung er­fah­ren. Ih­re Ver­set­zung er­folg­te auf­grund der von dem Ei­gen­be­trieb vor­ge­nom­me­nen Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang, wel­che wie­der­um auf der von dem Ei­gen-be­trieb durch­geführ­ten Aus­wah­l­ent­schei­dung be­ruh­te. Für die Aus­wahl der Kläge­rin war de­ren Le­bens­al­ter maßgeb­li­cher An­knüpfungs­punkt. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts wur­de die Kläge­rin, die das vier­zigs­te Le­bens­jahr voll­endet hat­te, mit 48 So­zi­al­punk­ten nach der VV Aus­wahl aus­gewählt, ob­wohl min­des­tens sie­ben Ar­beit­neh­me­rin­nen mit 31 bis 42 So­zi­al­punk­ten al­lein des­we­gen nicht berück­sich­tigt wur­den, weil sie jünger als vier­zig Jah­re wa­ren.


Ei­ne Ver­set­zung zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool), die - wie im Streit­fal­le - nicht mit Ein­verständ­nis des Ar­beit­neh­mers er­folgt, stellt ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung dar als ge­genüber ei­nem Ar­beit­neh­mer, der nicht ge­gen sei­nen Wil­len zu die­ser Behörde ver­setzt wird.

Die we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung er­fuhr die Kläge­rin ge­ra­de we­gen ih­res Al­ters.

Bei dem Al­ter han­delt es sich um ei­nen in § 1 AGG ge­nann­ten Grund, wo­bei un­ter Al­ter das Le­bens­al­ter und nicht das Dienst­al­ter zu ver­ste­hen ist. Dies folgt so­wohl aus dem Ge­set­zes­wort­laut als auch aus der Ge­set­zes­be­gründung (BT-Drucks. 16/1780 S. 31).

Da für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG die we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des er­folgt sein muss, ist ein Kau­sal­zu­sam­men­hang er­for­der­lich. Die­ser ist dann ge­ge­ben, wenn die Be­nach­tei­li­gung an ei­nen in § 1 AGG ge­nann­ten oder meh­re­re der in § 1 AGG ge­nann­ten Gründe an­knüpft oder da­durch mo­ti­viert ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Aus­rei­chend ist fer­ner, dass ein in § 1 AGG ge­nann­ter Grund Be­stand­teil ei­nes Mo­tivbündels ist, das die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat (Schleu­se­ner in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 11;
 


- 13 -

Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 3 Rn. 7; Däubler/Bertz­bach-Schra­der/Schu­bert 2. Aufl. § 3 Rn. 37).

cc) Die Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin entfällt nicht da­durch, dass die von dem be­klag­ten Land durch­geführ­te Maßnah­me, nämlich ih­re Ver­set­zung rechts­un­wirk­sam war. Dies er­gibt die ge­setz­li­che Sys­te­ma­tik von § 7 Abs. 2 und § 15 AGG.

dd) Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters war nicht nach § 10 AGG zulässig.

§ 10 Satz 1 AGG lässt un­ge­ach­tet des § 8 AGG ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen Al­ters zu, wenn sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sein. Die Recht-fer­ti­gungs­gründe wer­den in § 10 Satz 1 und 2 AGG zunächst in Form ei­ner Ge­ne­ral­klau­sel um­schrie­ben. § 10 Satz 3 AGG zählt dann sechs An­wen­dungsfälle auf. Da­bei macht das Wort „ins­be­son­de­re“ deut­lich, dass es sich nicht um ei­nen ab­sch­ließen­den Ka­ta­log, son­dern um Bei­spielfälle han­delt (Voigt in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 11; Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 10 Rn. 13; Ka­man­ab­rou RdA 2006, 321, 330).


Es kann im Streit­fal­le da­hin­ste­hen, ob dem Lan­des­ar­beits­ge­richt dar­in zu fol­gen ist, dass sich das be­klag­te Land im Hin­blick auf die Aus­nah­men von der So­zi­al­aus­wahl bei Ver­set­zun­gen selbst durch Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten ge­bun­den und die­se nicht ein­ge­hal­ten hat. Un­abhängig von der An­wen­dung der Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten lie­gen nämlich die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Recht­fer­ti­gung der un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung nach § 10 Satz 1 und 2 AGG nicht vor.

Ei­nes der in § 10 Satz 3 AGG ge­nann­ten Re­gel­bei­spie­le ist hier nicht ein­schlägig.

Auch die Vor­aus­set­zun­gen der Ge­ne­ral­klau­sel in § 10 Satz 1 und 2 AGG für ei­ne Recht­fer­ti­gung der un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung we­gen des Al­ters lie­gen nicht vor. § 10 Satz 1 AGG er­laubt ei­ne un­ter­schied­li­che Be-
 


- 14 -

hand­lung we­gen des Al­ters, wenn sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen so­wie durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist. Da­bei müssen die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sein, § 10 Satz 2 AGG.

(1) Zunächst geht das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend da­von aus, dass ei­ne Recht­fer­ti­gung ei­ner un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung dann nicht gemäß § 10 Satz 1 AGG in Be­tracht kommt, wenn das Ziel, wel­ches mit der un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung ver­folgt wird, rechts­wid­rig ist (Wen­de­ling-Schröder in Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 10 Rn. 6). Un­abhängig von der kon­kre­ten Be­deu­tung des Be­griffs „le­gi­ti­mes Ziel“ liegt ein sol­ches nie vor, wenn das ver­folg­te Ziel ge­gen ein ge­setz­li­ches Ver­bot verstößt oder der Ar­beit­ge­ber durch die Ver­fol­gung des Ziels die ihm un­abhängig von den Vor­schrif­ten des AGG ob­lie­gen­den Pflich­ten ver­letzt.


(2) An­sons­ten gibt es in der Li­te­ra­tur un­ter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen zur Aus­le­gung der in § 10 Satz 1 und 2 AGG ge­nann­ten Kri­te­ri­en.


Zum Teil wird ver­tre­ten, dass un­ter ei­nem „le­gi­ti­men Ziel“ nur Ge­mein-wohl­in­ter­es­sen zu ver­ste­hen sind (zB Wie­de­mann/Thüsing NZA 2002, 1234, 1237 be­zo­gen auf die Aus­le­gung von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG; v. Ro­et­te­ken AGG Stand Ja­nu­ar 2009 § 10 Rn. 16 ff. mwN). Zum Teil wird an-ge­nom­men, ei­ne Recht­fer­ti­gung der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung sei nur dann zu-lässig, wenn es sich um ein Ziel han­de­le, das der Ge­setz­ge­ber ei­ner Norm zu­grun­de ge­legt ha­be (Däubler/Bertz­bach-Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 21 mwN). Die Vor­schrift sei nicht da­hin aus­zu­le­gen, dass mit dem le­gi­ti­men Ziel al­le nicht ge­setz­lich ver­bo­te­nen Zie­le ge­meint sei­en. Grei­fe der Ge­setz­ge­ber ein sol­ches Ziel nor­ma­tiv auf, ge­be er aber zu er­ken­nen, dass es sich zu­min­dest auch um ein Ge­mein­wohl­in­ter­es­se han­de­le (Däubler/Bertz­bach-Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 21; Wal­ter­mann NZA 2005, 1265, 1267).
 

Von an­de­ren wird ver­tre­ten, dass „le­gi­ti­me Zie­le“ auch die in­di­vi­du­el­len - pri­va­ten - In­ter­es­sen des Un­ter­neh­mens sein können (zB König ZESAR 2005, 218, 220; Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 10 Rn. 18; Ka­man­ab­rou RdA 2006, 321, 329; HWK/An­nuß/Rupp 3. Aufl. § 10 AGG Rn. 2; ErfK/Schlach­ter 9. Aufl. § 10 AGG Rn. 2; Wen­de­ling-Schröder in Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 10 Rn. 6


- 15 -

ff.) oder dass grundsätz­lich auch un­ter­neh­mens­be­zo­ge­ne In­ter­es­sen ein le­gi­ti­mes Ziel dar­stel­len können, wo­bei al­ler­dings zwin­gend not­wen­dig sei, dass ei­ne hin­rei­chen­de Be­zie­hung zum Merk­mal Al­ter be­ste­he und die Ziel­set­zung sich im Rah­men des na­tio­na­len Rechts be­we­ge (so Voigt in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 16). Ver­tre­ten wird auch, dass ein „le­gi­ti­mes Ziel“ je­des Ziel sei, das sich an der Förde­rung von Ar­beit­neh­mern in „kri­ti­schen Al­ters­si­tua­tio­nen“ ori­en­tie­re (so Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 21).


Die Be­deu­tung der in § 10 Satz 1 AGG ge­nann­ten Be­grif­fe „ob­jek­tiv“ und „an­ge­mes­sen“ und de­ren Verhält­nis zu dem „le­gi­ti­men Ziel“ wird in der Li­te­ra­tur un­ter­schied­lich dar­ge­stellt. So wer­den die Be­grif­fe „ob­jek­tiv“ und „an­ge­mes­sen“ auf die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung be­zo­gen und aus­geführt, es sei un­klar, was ge­nau un­ter ei­ner ob­jek­ti­ven und an­ge­mes­se­nen Dif­fe­ren­zie­rung zu ver­ste­hen sei, durch die Ein­gren­zung wer­de aber deut­lich, dass nicht ge­ne­rell je­de Dif­fe­ren­zie­rung, auch wenn hier­zu ein le­gi­ti­mes Ziel vor­lie­gen mag, ge­recht­fer­tigt sein könne, sub­jek­ti­ve, willkürli­che Dif­fe­ren­zie­run­gen würden zu­min­dest aus­ge­schlos­sen (so Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 10 Rn. 17). Als „ob­jek­tiv“ wird ein Ziel be­zeich­net, wenn es nicht nur auf sub­jek­ti­ven Vor­stel­lun­gen des Rechts­an­wen­ders be­ru­he, son­dern sich zu­min­dest an­hand von In­di­zi­en be­leg­bar auch in der Wirk­lich­keit fin­de, dem Be­griff „an­ge­mes­sen“ kom­me da­ne­ben kein ei­ge­ner aus­le­gungs­bedürf­ti­ger Wert zu (so Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 2. Aufl. § 10 AGG Rn. 21). Teil­wei­se wer­den die in § 10 Satz 1 AGG ver­wen­de­ten Be­grif­fe „ob­jek­tiv“ und „an-ge­mes­sen“ nicht ge­son­dert auf­ge­grif­fen, wo­bei al­ler­dings ver­tre­ten wird, dass die Vor­aus­set­zun­gen der Aus­nah­me gemäß § 10 AGG den­je­ni­gen, die zur Recht­fer­ti­gung ei­ner mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung gemäß § 3 Abs. 2 AGG ver­langt wer­den, ent­spre­chen (ErfK/Schlach­ter 9. Aufl. § 10 AGG Rn. 1). Fer­ner wird ver­tre­ten, die For­mu­lie­rung „ob­jek­tiv“ in § 10 Satz 1 AGG deu­te dar­auf hin, dass nur be­leg­ba­re, nach­voll­zieh­ba­re Erwägun­gen ei­ne Un­gleich­be­hand­lung recht­fer­ti­gen könn­ten, nicht aber bloße Ver­mu­tun­gen oder sub­jek­ti­ve Einschätzun­gen. Man müsse ver­lan­gen, dass sol­che In­di­vi­dual­in­ter­es­sen des Un­ter­neh­mens in der Wer­tig­keit den in der Richt­li­nie ge­nann­ten Bei­spie­len
 


- 16 -

Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung gleich­kom­men. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG ver­lan­ge ei­ne dop­pel­te An­ge­mes­sen­heits­prüfung, nämlich schon bei der Ziel­set­zung und so­dann bei der Um­set­zung. Selbst wenn das Ziel als sol­ches le­gi­tim sei, sei das Maß der Un­gleich­be­hand­lung, dh. der Dif­fe­ren­zie­rung mit dem ge­setz­li­chen Ziel des Dis­kri­mi­nie­rungs­schut­zes ab­zuwägen (Voigt in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 17 f.). Un­ter Be­zug­nah­me auf die Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 22. No­vem­ber 2005 (- C-144/04 - [Man­gold] Slg. 2005, I-9981) wird teil­wei­se an­ge­nom­men, die Be­grif­fe ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen bezögen sich di­rekt auf die Le­gi­ti­mität des Zie­les. Nicht al­le denk­ba­ren le­gi­ti­men Zie­le könn­ten „au­to­ma­tisch“ als ob­jek­ti­ve und an­ge­mes­se­ne Recht­fer­ti­gung an­er­kannt wer­den (Wen­de­ling-Schröder in Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 10 Rn. 9; Wen­de­ling-Schröder NZA 2007, 1399, 1401). In ähn­li­cher Wei­se wird ver­tre­ten, die auf dem un­ter­neh­me­ri­schen Kon­zept be­ru­hen­de Be­nach­tei­li­gung müsse nicht nur verhält­nismäßig, son­dern auch ob­jek­tiv ge­recht­fer­tigt sein, wo­bei es na­he­lie­gend sei, dass ein bloß auf sub­jek­ti­ven Vor­stel­lun­gen des Un­ter­neh­mers be­ru­hen­des Kon­zept nicht aus­rei­che; es dürfe zu­min­dest nicht willkürlich oder of­fen­sicht­lich miss­bräuch­lich sein (HWK/An­nuß/Rupp 3. Aufl. § 10 AGG Rn. 2). Un­ter der Prämis­se, dass nur ge­setz­lich nor­mier­te Gründe le­gi­ti­me Zie­le sein könn­ten, wird ver­tre­ten, es müsse ein sach­li­cher, dh. ob­jek­ti­vier­ba­rer Dif­fe­ren­zie­rungs­grund vor­lie­gen, der eben nicht nur im „Al­ter“ be­ste­he. Das Ziel sei an­ge­mes­sen, wenn es zu­min­dest eben­so ge­wich­tig wie der Dis­kri­mi­nie­rungs­schutz sei (Däubler/Bertz­bach-Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 30 ff.).

Der EuGH geht in den Ent­schei­dun­gen vom 22. No­vem­ber 2005 (- C-144/04 - [Man­gold] Slg. 2005, I-9981) und 16. Ok­to­ber 2007 (- C-411/05 - [Pa­la­ci­os de la Vil­la] Slg. 2007, I-8531) da­von aus, dass dann, wenn ein Ziel im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­ge (nämlich die Förde­rung der be­ruf­li­chen Ein­glie­de­rung ar­beits­lo­ser älte­rer Ar­beit­neh­mer), ein der­ar­ti­ges Ziel - wie in Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG vor­ge­se­hen - grundsätz­lich als ei­ne „ob­jek­ti­ve und an­ge­mes­se­ne“ Recht­fer­ti­gung ei­ner von den Mit­glied­staa­ten vor­ge­se­he­nen Un­gleich­be­hand­lung an­zu­se­hen sei.
 


- 17 -

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat im Zu­sam­men­hang mit der Durchführung ei­ner So­zi­al­aus­wahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG die Bil­dung von Al­ters­grup­pen für zulässig er­ach­tet und an­ge­nom­men, ei­ne im be­rech­tig­ten be­trieb­li­chen In­ter­es­se er­for­der­li­che Si­che­rung der Per­so­nal­struk­tur sei ein le­gi­ti­mes Ziel iSd. Richt­li­nie 2000/78/EG (BAG 6. Sep­tem­ber 2007 - 2 AZR 387/06 - AP KSchG 1969 § 1 be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 169 = EzA KSchG § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 78 für ei­ne Be­en­di­gungskündi­gung; vgl. auch 19. Ju­ni 2007 - 2 AZR 304/06 - BA­GE 123, 160 = AP KSchG 1969 § 1 Na­mens­lis­te Nr. 16 = EzA KSchG § 1 In­ter­es­sen­aus­gleich Nr. 13 für ei­ne Ände­rungskündi­gung).


In ei­ner Ent­schei­dung vom 6. No­vem­ber 2008 (- 2 AZR 701/07 -) hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ei­ne im Rah­men der So­zi­al­aus­wahl nach § 1 Abs. 3 KSchG vor­ge­nom­me­ne Al­ters­grup­pen­bil­dung gemäß § 10 Satz 1 AGG als ge­recht­fer­tigt an­ge­se­hen, wenn die Bil­dung von Al­ters­grup­pen der Übe­r­al­te­rung des Be­triebs ent­ge­gen­wirkt und da­mit zu­gleich die Be­vor­zu­gung älte­rer Ar­beit­neh­mer re­la­ti­viert.


In sei­ner Ent­schei­dung vom 11. April 2006 (- 9 AZR 528/05 - NZA 2006, 1217) führt das Bun­des­ar­beits­ge­richt aus, ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen Al­ters las­se die Richt­li­nie 2000/78/EG zu, wenn die Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren, die zu ei­ner ungüns­ti­ge­ren Be­hand­lung we­gen des Al­ters führen, durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sei­en. Da­bei er­kann­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt das un­ter­neh­me­ri­sche Ziel, be­stimm­te Ar­beit­neh­mer durch frei­wil­li­ge Leis­tun­gen an den Be­trieb zu bin­den und von ei­nem Ar­beit­ge­ber­wech­sel ab­zu­hal­ten, weil der Ar­beit­ge­ber auf ih­re wei­te­re Mit­ar­beit ent­we­der an­ge­wie­sen sei oder zu­min­dest Wert ge­legt ha­be, als sach­ge­rech­ten Zweck an.


(3) Der Se­nat geht da­von aus, dass als le­gi­ti­me Zie­le iSd. § 10 Satz 1 AGG nicht nur sol­che an­zu­se­hen sind, die im In­ter­es­se der All­ge­mein­heit lie­gen, son­dern auch be­triebs- und un­ter­neh­mens­be­zo­ge­ne In­ter­es­sen, wo­bei es sich nicht nur um ge­setz­lich an­er­kann­te In­ter­es­sen han­deln muss. Ei­ne sol­che Aus­le­gung ist vom Wort­laut des Ge­set­zes um­fasst. Die For­mu­lie­rung in § 10 Satz 1 AGG stellt nicht auf Zie­le ab, die im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­gen. Der

- 18 -

Be­griff „le­gi­tim“ hat so­wohl die Be­deu­tung „rechtmäßig“, „ge­setz­lich an­er­kannt“ als auch „ge­recht­fer­tigt“, „ver­tret­bar“ (so Wah­rig Deut­sches Wörter­buch 8. Aufl.) bzw. „im Rah­men be­ste­hen­der Vor­schrif­ten er­fol­gend“, „ge­setz­lich“, „recht-mäßig“, aber auch „verständ­lich“, „ver­tret­bar“ (so Du­den Das Be­deu­tungswörter­buch 3. Aufl. ) oder „ge­setz­lich an­er­kannt“, „rechtmäßig“, aber auch „be­rech­tigt“, „be­gründet“, „all­ge­mein an­er­kannt ver­tret­bar“ (so Du­den Fremdwörter­buch 9. Aufl.). Der Wort­laut lässt da­mit auch die Aus­le­gung zu, dass grundsätz­lich al­le an­er­ken­nens­wer­ten In­ter­es­sen für ei­ne Recht­fer­ti­gung der un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung we­gen des Al­ters her­an­ge­zo­gen wer­den können. Aus dem Ge­samt­zu­sam­men­hang des § 10 AGG er­gibt sich, dass mit le­gi­ti­men Zie­len nicht nur Zie­le im All­ge­mein­in­ter­es­se ge­meint sind. Dies folgt ua. dar­aus, dass es sich bei den in § 10 Satz 3 Nr. 1 bis 6 AGG ge­nann­ten Zie­len nicht aus­sch­ließlich um im All­ge­mein­in­ter­es­se lie­gen­de han­delt. Dies gilt zB für die Fest­le­gung von Min­dest­an­for­de­run­gen an das Al­ter, die Be­rufs­er­fah­rung und das Dienst­al­ter für be­stimm­te mit der Beschäfti­gung ver­bun­de­ne Vor­tei­le (Nr. 2) bzw. für die Fest­set­zung ei­nes Höchst­al­ters für die Ein­stel­lung auf Grund der spe­zi­fi­schen Aus­bil­dungs­an­for­de­run­gen ei­nes be­stimm­ten Ar­beits­plat­zes oder auf Grund der Not­wen­dig­keit ei­ner an­ge­mes­se­nen Beschäfti­gungs­zeit vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand (Nr. 3). Dass der Ge­setz­ge­ber im Zu­sam­men­hang mit der Be­stim­mung le­gi­ti­mer Zie­le nicht nur von der Ver­wirk­li­chung staat­lich de­fi­nier­ter Ge­mein­wohl­be­lan­ge aus­ging, son­dern so­gar vor­ran­gig die Si­tua­ti­on des ein­zel­nen Un­ter­neh­mens und der Bran­che im Blick hat­te, er­gibt sich auch aus der Be­gründung des AGG. Dort heißt es: „Die Le­gi­ti­mität ei­nes Zie­les ist un­ter Berück­sich­ti­gung der fach­lich-be­ruf­li­chen Zu­sam­menhänge aus Sicht des Ar­beit­ge­bers oder der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu be­ur­tei­len. Dies können auch Zie­le sein, die über die Si­tua­ti­on ei­nes ein­zel­nen Un­ter­neh­mens oder ei­ner Bran­che hin­aus­ge­hen und von all­ge­mei­nem In­ter­es­se sind, wie et­wa Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt oder be­ruf­li­che Bil­dung.“ (BT-Drucks. 16/1780 S. 36).


Die­ser Aus­le­gung steht die Richt­li­nie 2000/78/EG nicht ent­ge­gen. Aus ihr las­sen sich kei­ne Be­schränkun­gen auf Zie­le im All­ge­mein­in­ter­es­se ent­neh­men. Aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2 c der Richt­li­nie er­gibt sich eben­falls die

- 19 -

Zulässig­keit der Berück­sich­ti­gung von un­ter­neh­mens­be­zo­ge­nen In­ter­es­sen. Bei Zie­len, die der Ge­setz­ge­ber selbst durch ei­ne ent­spre­chen­de Norm an­er­kannt hat, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die­se le­gi­tim iSd. § 10 Satz 1 AGG sind.

Den Be­grif­fen „ob­jek­tiv“ und „an­ge­mes­sen“ kommt fol­gen­de Be­deu­tung zu: Es ist zu prüfen, ob das ver­folg­te In­ter­es­se auf tatsächli­chen und nach-voll­zieh­ba­ren Erwägun­gen be­ruht und ob die Un­gleich­be­hand­lung nicht nur auf­grund von bloßen Ver­mu­tun­gen oder sub­jek­ti­ven Einschätzun­gen vor-ge­nom­men wird (Be­griff „ob­jek­tiv“). Fer­ner ist ei­ne Verhält­nismäßig­keitsprüfung vor­zu­neh­men. Da­nach muss das ver­folg­te Ziel in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zu der Un­gleich­be­hand­lung ste­hen (Be­griff „an­ge­mes­sen“). Dafür ist ei­ne Abwägung zwi­schen dem Schutz vor Un­gleich­be­hand­lung und dem ver­folg­ten Ziel vor­zu­neh­men. Die Un­gleich­be­hand­lung muss letzt­lich durch das ver­folg­te Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt sein (vgl. auch BAG 11. April 2006 - 9 AZR 528/05 - zu Art. 6 RL 2000/78/EG, NZA 2006, 1217). Da­ne­ben ist gemäß § 10 Satz 2 AGG zu prüfen, ob auch die ein­ge­setz­ten Mit­tel zur Er­rei­chung des Ziels verhält­nismäßig sind (vgl. EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 - [Man­gold] Slg. 2005, I-9981 und 16. Ok­to­ber 2007 - C-411/05 - [Pa­la­ci­os de la Vil­la] Slg. 2007, I-8531; BAG 11. April 2006 - 9 AZR 528/05 - aaO).


(4) Das be­klag­te Land hat kein le­gi­ti­mes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG für die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Kläge­rin schlüssig dar­ge­legt. Der Ar­beit­ge­ber, der ei­nen Beschäftig­ten im An­wen­dungs­be­reich des AGG we­gen sei­nes Al­ters we­ni­ger güns­tig be­han­delt hat als ei­nen an­de­ren in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on, muss im Pro­zess zunächst die le­gi­ti­men Zie­le für die Un­gleich­be­hand­lung dar­le­gen und ggf. be­wei­sen. Die­se Ver­tei­lung der Dar­le­gungs- und Be­weis­last folgt aus all­ge­mei­nen pro­zes­sua­len Grundsätzen, weil es sich bei § 10 AGG um ei­nen Recht­fer­ti­gungs­grund und da­mit um ei­ne für den Ar­beit­ge­ber güns­ti­ge Re­ge­lung han­delt. Die ent­spre­chen­den Tat­sa­chen muss der Ar­beit­ge­ber kon­kret und nach­voll­zieh­bar im Pro­zess vor­tra­gen. Es genügt da­bei nicht, dass er sich schlag­wort­ar­tig auf ei­ne „aus­ge­wo­ge­ne Per­so­nal­struk­tur“ be­ruft bzw. gel­tend macht, er benöti­ge ei­ne an­de­re Al­ters­struk­tur.
 


- 20 -

Zwar hat der Ge­setz­ge­ber beim Aus­spruch von be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Si­che­rung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur des Be­trie­bes grundsätz­lich als le­gi­ti­mes Ziel an­er­kannt, wenn be­stimm­te Ar­beit­neh­mer nicht in die so­zia­le Aus­wahl ein­be­zo­gen wor­den sind. Das be­klag­te Land hat aber aus­ge­hend von sei­nem ei­ge­nen Tat­sa­chen­vor­trag nicht das Ziel der Si­che­rung der Per­so­nal­struk­tur ver­folgt. Mit der Be­gren­zung der Aus­wahl­grup­pe auf den Per­so­nen­kreis der Er­zie­he­rin­nen mit der Vergütungs­grup­pe VIb/Vc ab dem voll­ende­ten vier­zigs­ten Le­bens­jahr wur­de ge­ra­de nicht die be­ste­hen­de Per­so­nal­struk­tur er­hal­ten. Viel­mehr war be­ab­sich­tigt, ei­ne Ände­rung in der Per­so­nal­struk­tur her­bei­zuführen, und zwar soll­te sich der An­teil der jünge­ren Ar­beit­neh­mer erhöhen. Der Be­griff „Si­che­rung der Per­so­nal­struk­tur“ iSd. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG er­fasst nicht ei­ne Verände­rung der Per­so­nal­struk­tur, son­dern nur de­ren Er­hal­tung.

Al­ler­dings ist nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 In­sO im Rah­men ei­nes In­sol­venz­ver­fah­rens un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen bei ei­ner be­triebs-be­ding­ten Kündi­gung die So­zi­al­aus­wahl nicht als grob feh­ler­haft an­zu­se­hen, wenn ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Per­so­nal­struk­tur er­hal­ten oder ge­schaf­fen wird. In­so­weit hat der Ge­setz­ge­ber auch die Schaf­fung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur als ein le­gi­ti­mes Ziel an­er­kannt.


Auch wenn da­mit so­wohl die Schaf­fung als auch die Si­che­rung ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Per­so­nal­struk­tur als le­gi­ti­mes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG in Be­tracht kom­men können, muss der Ar­beit­ge­ber im Pro­zess zunächst dar-le­gen, wel­che kon­kre­te Per­so­nal­struk­tur er schaf­fen oder er­hal­ten will und aus wel­chen Gründen. An­dern­falls kann nicht über­prüft wer­den, ob die Un­gleich­be­hand­lung durch das ver­folg­te Ziel ge­recht­fer­tigt wer­den kann. An ei­nem sol­chen Tat­sa­chen­vor­trag des be­klag­ten Lan­des fehlt es hier. Die­ses hat nicht im Ein­zel­nen dar­ge­legt, wel­che kon­kre­te Al­ters­struk­tur in den ein­zel­nen Kin­dergärten her­ge­stellt wer­den soll­te. Eben­falls ist nicht er­kenn­bar, wel­che Al­ters­struk­tur zukünf­tig im ge­sam­ten Ei­gen­be­trieb vor­han­den sein soll. Dem Vor­trag des be­klag­ten Lan­des kann nur ent­nom­men wer­den, die So­zi­al­aus­wahl ha­be auf die Er­zie­he­rin­nen der Vergütungs­grup­pe VIb/Vc ab dem voll­ende­ten vier­zigs­ten Le­bens­jahr be­grenzt wer­den sol­len. Da­mit hat das be­klag­te Land nicht
 


- 21 -

die Ver­fol­gung ei­nes le­gi­ti­men Zie­les iSd. § 10 Satz 1 AGG vor­ge­tra­gen. Das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers, die Per­so­nal­struk­tur da­hin zu verändern, dass er zukünf­tig al­lein die An­zahl von Ar­beit­neh­mern, die das vier­zigs­te Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, re­du­ziert, un­abhängig da­von, wie sich die Re­du­zie­rung auf den Größen­an­teil der un­ter­schied­li­chen Al­ters­grup­pen aus­wirkt, stellt kein le­gi­ti­mes Ziel für ei­ne Un­gleich­be­hand­lung dar. Ge­nau­so we­nig han­delt es sich bei dem Be­stre­ben des Ar­beit­ge­bers, das Durch­schnitts­al­ter sei­ner Beschäftig­ten zu re­du­zie­ren, für sich al­lein be­trach­tet um ein le­gi­ti­mes Ziel. Es sind auch kei­ne An­halts­punk­te vor­ge­tra­gen, wes­halb das be­klag­te Land ein In­ter­es­se an der Ände­rung der Per­so­nal­struk­tur hat. So ist nicht aus­zu­sch­ließen, dass über­wie­gend knapp über vier­zigjähri­ge Ar­beit­neh­mer aus­gewählt wer­den und die Zahl der knapp un­ter vier­zigjähri­gen Beschäftig­ten gleich groß bleibt. Auf die­se Wei­se wird we­der ei­ner Übe­r­al­te­rung des Be­trie­bes vor­ge­beugt noch wird er­reicht, dass Er­zie­he­rin­nen ver­schie­de­ner Al­ters­stu­fen die Kin­der be­treu­en (Stich­wort „Mo­dell­viel­falt“). Im Übri­gen lässt sich dem Vor­trag des be­klag­ten Lan­des auch nicht ent­neh­men, dass es in sei­nen Kin­dergärten ein Kon­zept rea­li­siert hat, wo­nach die Kin­der je­weils von Er­zie­he­rin­nen in un­ter­schied­li­chen Al­ters­stu­fen be­treut wer­den. Nach sei­nem Vor­trag ist die So­zi­al­aus­wahl ge­ra­de auch mit der Be­gründung, die An­zahl der Be­zugs­per­so­nen­wech­sel sol­le ge­ring ge­hal­ten wer­den, nur auf die Kin­dergärten er­streckt wor­den, in de­nen zu viel Per­so­nal beschäftigt wur­de. Dass in den von der So­zi­al­aus­wahl aus­ge­nom­me­nen Kin­dergärten be­reits ei­ne im Hin­blick auf das Al­ter aus­ge­wo­ge­ne Per­so­nal­struk­tur be­stand, hat das be­klag­te Land nicht be­haup­tet.

Darüber hin­aus ist von dem be­klag­ten Land auch nicht vor­ge­tra­gen wor­den, dass al­lein die Tat­sa­che der Voll­endung des vier­zigs­ten Le­bens­jah­res ei­ne Be­deu­tung für die Leis­tungsfähig­keit, Qua­li­fi­ka­ti­on bzw. Be­reit­schaft zur Wei­ter­bil­dung ei­ner Er­zie­he­rin hat.


c) Der An­spruch auf Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt kei­nen schuld­haf­ten Ver­s­toß des Ar­beit­ge­bers ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot vor­aus.

- 22 -

aa) In der Li­te­ra­tur und in der Recht­spre­chung wird über­wie­gend an­ge­nom­men, dass ein Ver­schul­den kei­ne Vor­aus­set­zung für ei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG ist (LAG Hamm 7. Au­gust 2008 - 11 Sa 284/08 - LA­GE AGG § 15 Nr. 6 = EzA-SD 2008 Nr. 22, 10; ErfK/Schlach­ter 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 1 f. und 5; HWK/An­nuß/Rupp 3. Aufl. § 15 AGG Rn. 7; Voigt in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 39; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 32; Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 15 Rn. 33 f.; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 58 mwN; St­ein in Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 15 Rn. 30; kri­tisch da­zu Thüsing Ar­beits-recht­li­cher Dis­kri­mi­nie­rungs­schutz Rn. 516).

Während zum Teil be­reits auf­grund ei­ner sys­te­ma­ti­schen Aus­le­gung ein Ver­schul­dens­er­for­der­nis für den An­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG ab­ge­lehnt wird (Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 58, der im Übri­gen aber auch auf ei­ne eu­ro­pa­rechts­kon­for­me Aus­le­gung ab­stellt), wird je­den­falls auf­grund ei­ner eu­ro­pa­rechts­kon­for­men Aus­le­gung an­ge­nom­men, der Entschädi­gungs­an­spruch hänge nicht von ei­nem Ver­schul­den ab (ErfK/Schlach­ter 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 1 f. und 5; HWK/An­nuß/Rupp 3. Aufl. § 15 AGG Rn. 7; Voigt in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 39; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 32; Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 15 Rn. 33 f.; Ka­man­ab­rou RdA 2006, 321, 336; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 58 mwN; so auch Pa­landt/Wei­den­kaff 68. Aufl. § 15 AGG Rn. 6).

Der EuGH ist be­reits in sei­ner Ent­schei­dung vom 8. No­vem­ber 1990 (- C-177/88 - [Dek­ker] Slg. 1990, I-3941) zu der Richt­li­nie 76/207/EWG da­von aus­ge­gan­gen, dass die­se die Haf­tung des Ur­he­bers ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung kei­nes­wegs vom Nach­weis ei­nes Ver­schul­dens oder vom Feh­len ei­nes Recht­fer­ti­gungs­grun­des abhängig macht. In der Ent­schei­dung vom 22. April 1997 (- C-180/95 - [Draehm­pa­ehl] Slg. 1997, I-2195) führt der EuGH aus, dass dann wenn sich ein Mit­glied­staat dafür ent­schei­det, den Ver­s­toß ge­gen das Ver­bot der Un­gleich­be­hand­lung mit der Sank­ti­on ei­ner Entschädi­gung zu be­le­gen, der Ver­s­toß ge­gen das Ver­bot der Un­gleich­be­hand­lung für sich ge­nom­men aus­rei­chen muss, um die vol­le Haf­tung sei­nes Ur­he­bers aus­zulösen, oh­ne dass die im na­tio­na­len Recht vor­ge­se­he­nen Recht­fer­ti­gungs­gründe berück­sich­tigt
 


- 23 -

wer­den können. Fer­ner set­ze die Richt­li­nie (Richt­li­nie 76/207/EWG) vor­aus, dass die­se Sank­ti­on zur Gewähr­leis­tung ei­nes tatsächli­chen und wirk­sa­men Rechts­schut­zes ge­eig­net sei, ei­ne wirk­lich ab­schre­cken­de Wir­kung ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber ha­be und auf je­den Fall in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zum er­lit­te­nen Scha­den ste­he.


Auch in der Ge­set­zes­be­gründung zu § 15 AGG heißt es, der An­spruch auf Entschädi­gung erfülle die For­de­run­gen der Richt­li­ni­en so­wie der Recht­spre­chung nach ei­ner wirk­sa­men und ver­schul­dens­un­abhängig aus­ge­stal­te­ten Sank­ti­on bei Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot durch den Ar­beit­ge­ber (BT-Drucks. 16/1780 S. 38).

bb) Ei­ne sach­ge­rech­te Aus­le­gung des § 15 Abs. 2 AGG führt da­zu, dass es sich bei dem Entschädi­gungs­an­spruch um ei­nen ver­schul­dens­un­abhängi­gen An­spruch han­delt. Un­ter Berück­sich­ti­gung der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs stünde ei­ne Re­ge­lung, die als Sank­ti­on für den Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot die Zah­lung ei­ner Entschädi­gung vor­sieht und den Entschädi­gungs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers von ei­nem Ver­schul­den des Ar­beit­ge­bers abhängig macht, nicht im Ein­klang mit den eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben. Da­her ist bei der Aus­le­gung das Ge­bot der ge­mein­schafts­rechts­kon­for­men Aus­le­gung zu be­ach­ten. Ei­ne sol­che Aus­le­gungs­ver­pflich­tung ist mit deut­schem Ver­fas­sungs­recht ver­ein­bar (BVerfG 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223; BAG 2. April 1996 - 1 ABR 47/95 - BA­GE 82, 349 = AP Be­trVG 1972 § 87 Ge­sund­heits­schutz Nr. 5 = EzA Be­trVG 1972 § 87 Bild­schirm­ar­beit Nr. 1; BGH 9. April 2002 - XI ZR 91/99 - BGHZ 150, 248). Das Ge­bot gilt al­ler­dings nur in­ner­halb der Gren­zen rich­ter­li­cher Ge­set­zes­aus­le­gung. Die­se wer­den be­stimmt durch die all­ge­mei­nen Aus­le­gungs­re­geln. Las­sen der Wort­laut, die Ent­ste­hungs­ge­schich­te, der Ge­samt­zu­sam­men­hang und der Sinn und Zweck des Ge­set­zes meh­re­re Deu­tun­gen zu, von de­nen je­den­falls ei­ne zu ei­nem ge­mein­schafts­rechts­kon­for­men Er­geb­nis führt, so ist ei­ne Aus­le­gung ge­bo­ten, die mit dem Ge­mein­schafts­recht in Ein­klang steht. Die ge­mein­schafts­rechts­kon­for­me Aus­le­gung darf je­doch zu dem Wort­sinn und dem klar er­kenn­ba­ren Wil­len des Ge­setz­ge­bers nicht in Wi­der-

- 24 -

spruch tre­ten. Die­se Aus­le­gungs­gren­ze steht in Übe­rein­stim­mung mit der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs. Die­ser hat mehr­fach aus-geführt, das in­ner­staat­li­che Ge­richt ha­be das na­tio­na­le Ge­setz un­ter vol­ler Ausschöpfung des Be­ur­tei­lungs­spiel­raums, den ihm das na­tio­na­le Recht einräume, und „so­weit wie möglich“ richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen (vgl. BAG 30. März 2004 - 1 AZR 7/03 - BA­GE 110, 122 mwN mit Ver­weis auf EuGH 10. April 1984 - Rs. 14/83 - [v. Col­son und Ka­mann] Slg. 1984, I-1891; 26. Sep­tem­ber 1996 - C-168/95 - [Ar­ca­ro] Slg. 1996, I-4705; 27. Ju­ni 2000 - C-240/98 bis C-244/98 - [Ocea­no Gru­po Edi­to­ri­al und Sal­vat Edi­to­res] Slg. 2000, I-4941).


cc) § 15 Abs. 2 AGG macht den Entschädi­gungs­an­spruch nicht aus­drück­lich von ei­nem Ver­schul­den des Ar­beit­ge­bers abhängig. Auch aus der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik er­gibt sich nicht zwin­gend, dass ein Entschädi­gungs­an­spruch nur bei Vor­lie­gen der in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 AGG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen ge­ge­ben ist. Nach der Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Ge­set­zes ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der deut­sche Ge­setz­ge­ber mit § 15 Abs. 2 AGG ei­ne ver­schul­dens­un­abhängi­ge Haf­tung be­gründen woll­te. Da der Wort­laut, die Ent­ste­hungs­ge­schich­te, der Ge­samt­zu­sam­men­hang und der Sinn und Zweck des § 15 Abs. 2 AGG meh­re­re Deu­tun­gen zu­las­sen, ist die Aus­le­gung ge­bo­ten, die mit dem Ge­mein­schafts­recht in Ein­klang steht. Die­se ge­mein­schafts­rechts-kon­for­me Aus­le­gung führt da­zu, dass ein Entschädi­gungs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers nach § 15 Abs. 2 AGG kein Ver­schul­den des Ar­beit­ge­bers vor­aus­setzt.


dd) Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob § 15 Abs. 3 AGG, wo­nach der Ar­beit­ge­ber bei der An­wen­dung kol­lek­tiv­recht­li­cher Ver­ein­ba­run­gen nur dann zur Entschädi­gung ver­pflich­tet ist, wenn er vorsätz­lich oder grob fahrlässig ge­han­delt hat, eu­ro­pa­rechts­wid­rig ist und ob die­se Vor­schrift an­ge­wandt wer­den darf (vgl. da­zu Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 15 Rn. 58 ff.; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 86 ff.). Denn die dort nor­mier­ten Vor­aus­set­zun­gen lie­gen hier nicht vor. Das be­klag­te Land hat nicht schlüssig vor­ge­tra­gen, dass es sich bei der VV Aus­wahl um ei­ne kol­lek­tiv­recht­li­che Ver­ein­ba­rung han­delt.
 


- 25 -

ee) Un­abhängig vom Ver­schul­den ist ei­ne Zu­rech­nung des Ver­hal­tens zu prüfen, wenn der Ar­beit­ge­ber kei­ne natürli­che Per­son ist oder nicht selbst den Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot be­gan­gen hat. Ei­ne Zu­rech­nung ist im vor­lie­gen­den Fall an­zu­neh­men. Der Ver­merk vom 26. Ok­to­ber 2006 ist vom Geschäfts­lei­ter des Ei­gen­be­trie­bes er­stellt wor­den. Auf der Grund­la­ge die­ses Ver­mer­kes er­folg­te die Ent­schei­dung, die Kläge­rin dem Per­so­nalüber­hang zu­zu­ord­nen und die dar­auf be­ru­hen­de Ver­set­zungs­an­ord­nung. Die Geschäfts­lei­tung des Ei­gen­be­trie­bes lei­tet den Ei­gen­be­trieb selbständig und in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung (§ 4 Abs. 1 EigG) und ver­tritt das be­klag­te Land in den An­ge­le­gen­hei­ten des Ei­gen­be­trie­bes (§ 5 Abs. 1 EigG). Da es sich bei dem Ei­gen­be­trieb nicht um ei­nen rechtsfähi­gen Be­trieb han­delt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EigG), han­delt der Ei­gen­be­trieb in­ner­halb sei­ner Zuständig­kei­ten für das be­klag­te Land.


d) § 15 Abs. 2 AGG sieht ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch we­gen ei­nes Scha­dens vor, der nicht Vermögens­scha­den ist. Dar­aus folgt we­der, dass ei­ne Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG ei­ne Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts in der Wei­se ei­ner „Her­abwürdi­gung“ des Beschäftig­ten vor­aus­setzt, so­weit nicht das ent­spre­chen­de Merk­mal in § 3 Abs. 3 oder 4 AGG zur An­wen­dung kom­men soll, noch be­darf es ne­ben der Fest­stel­lung ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot je­weils ei­ner ge­son­der­ten Fest­stel­lung ei­nes wei­te­ren im­ma­te­ri­el­len Scha­dens.

aa) Be­reits der Wort­laut des § 15 AGG steht der An­nah­me ent­ge­gen, zusätz­li­che An­spruchs­vor­aus­set­zung für den Entschädi­gungs­an­spruch sei, dass der Beschäftig­te „her­ab­gewürdigt“ oder ihm sach­wid­rig die Chan­cen ei­ner gleich­be­rech­tig­ten Teil­nah­me am Ar­beits­le­ben ein­zig auf­grund sei­nes „So­seins“ ge­nom­men wor­den sei (so aber Thüsing Ar­beits­recht­li­cher Dis­kri­mi­nie­rungs­schutz Rn. 519; aA zB Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 15 Rn. 37; Voigt in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 29; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 50). Ei­ne sol­che In­ter­pre­ta­ti­on kann nicht dem Be­griff „Scha­den, der nicht Vermögens­scha­den ist“, ent­nom­men wer­den. Der Ein­tritt ei­nes im­ma­te­ri­el­len Scha­dens setzt nicht zwin­gend ei­ne er­heb­li­che Ver­let­zung

- 26 -

des Persönlich­keits­rechts vor­aus (vgl. Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 15 Rn. 37 mwN), je­den­falls nicht in der Wei­se, dass es zu ei­ner Her­abwürdi­gung der Per­son ge­kom­men sein muss. Ei­ne sol­che In­ter­pre­ta­ti­on wi­derspräche fer­ner dem Sinn und Zweck des Ge­set­zes. Gemäß § 1 AGG ist Ziel des Ge­set­zes, die Be­nach­tei­li­gung aus den dort ge­nann­ten Gründen zu ver­hin­dern oder zu be-sei­ti­gen. In § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG wer­den die Be­grif­fe „un­mit­tel­ba­re“ und „mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung“ de­fi­niert. Die dor­ti­gen Be­griffs­be­stim­mun­gen zei­gen, dass ei­ne Be­nach­tei­li­gung nicht erst dann vor­liegt, wenn es zu ei­ner Her­abwürdi­gung des Beschäftig­ten oder zu ei­ner schwer­wie­gen­den Ver­let­zung des­sen Persönlich­keits­rechts kommt (vgl. Mei­nel/Heyn/Herms AGG § 15 Rn. 37; Voigt in Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 29; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 50).

§ 15 Abs. 2 AGG enthält ei­ne ei­genständi­ge An­spruchs­grund­la­ge für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch, so dass nicht die Grundsätze, die für den An­spruch auf Schmer­zens­geld bei Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts gel­ten, an­zu­wen­den sind. Nach die­sen lei­tet sich aus § 823 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG ein An­spruch auf Er­satz des ide­el­len Scha­dens nur aus ei­ner schwer­wie­gen­den Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts bzw. schwe­rem Ver­schul­den her (vgl. da­zu Pa­landt/Hein­richs 68. Aufl. § 253 BGB Rn. 10 mwN).


Die von der Re­vi­si­on zi­tier­te Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs vom 4. No­vem­ber 2004 (- III ZR 361/03 - BGHZ 161, 33) ist nicht ein­schlägig. Dort ging es um ei­nen An­spruch auf Entschädi­gung des im­ma­te­ri­el­len Scha­dens we­gen der Ver­let­zung der Men­schenwürde und des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts. Als An­spruchs­grund­la­ge ka­men nur die in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG nor­mier­ten Grund­rech­te in Be­tracht. Nach An­sicht des Bun­des­ge­richts­hofs for­dert ei­ne fest­ge­stell­te Men­schen­rechts­ver­let­zung nicht in je­dem Fall ei­ne zusätz­li­che Wie­der­gut­ma­chung durch Gel­dentschädi­gung. Es bestünden kei­ne durch­grei­fen­den Be­den­ken da­ge­gen, ei­nen An­spruch auf Gel­dentschädi­gung von dem wei­te­ren Er­for­der­nis abhängig zu ma­chen, dass die Be­ein­träch­ti­gung nicht in an­de­rer Wei­se be­frie­di­gend aus­ge­gli­chen wer­den kann. In die­sem Zu­sam­men­hang hat der Bun­des­ge­richts­hof aus­geführt, auch
 


- 27 -

im An­wen­dungs­be­reich der Kon­ven­ti­on zum Schut­ze der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten (EM­RK) sei an­er­kannt, dass ei­ne die Wie­der­gut­ma­chung durch Geld­er­satz nach Art. 41 EM­RK for­dern­de un­mensch­li­che oder er­nied­ri­gen­de Be­hand­lung im Sin­ne des Art. 3 EM­RK nur und erst vor­liegt, wenn sie ein Min­dest­maß an Schwe­re er­reicht. So­mit ist der Bun­des­ge­richts­hof zwar da­von aus­ge­gan­gen, dass sich we­der aus der Ver­fas­sung noch aus der Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ein An­spruch auf Gel­dentschädi­gung für Nicht­vermögensschäden bei je­der Ver­let­zung der Men­schenwürde er­gibt, der deut­sche Ge­setz­ge­ber hat je­doch in § 15 Abs. 2 AGG ei­ne ei­genständi­ge An­spruchs­grund­la­ge für ei­ne Entschädi­gung bei Verstößen ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ge­schaf­fen.


bb) Steht ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot fest, ist vom Vor­lie­gen ei­nes im­ma­te­ri­el­len Scha­dens aus­zu­ge­hen.

Der Ge­setz­ge­ber woll­te mit der Schaf­fung des § 15 Abs. 2 AGG die For­de­run­gen der Richt­li­ni­en so­wie der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs nach ei­ner wirk­sa­men und ver­schul­dens­un­abhängig aus-ge­stal­te­ten Sank­ti­on bei Ver­let­zung des Be­nach­tei­li­gungs­ver­bo­tes erfüllen. In der Ge­set­zes­be­gründung stellt der Ge­setz­ge­ber klar, dass die Entschädi­gung aus­sch­ließlich für im­ma­te­ri­el­le Schäden gewährt wird, die re­gelmäßig bei ei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Be­nach­tei­li­gung aus den in § 1 AGG ge­nann­ten Gründen vor­lie­gen, wo­bei § 15 Abs. 2 AGG ge­genüber § 253 BGB die spe­zi­el­le­re Norm ist (so BT-Drucks. 16/1780 S. 38).

Dem­nach be­darf es bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot kei­ner zusätz­li­chen Fest­stel­lung oder Dar­le­gung des Ein­tritts ei­nes im­ma­te­ri­el­len Scha­dens für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers nach § 15 Abs. 2 AGG.

cc) Ob in be­stimm­ten Aus­nah­mefällen ein im­ma­te­ri­el­ler Scha­den und da­mit ein Entschädi­gungs­an­spruch zu ver­nei­nen ist, weil die Be­nach­tei­li­gung so ge­rin­ge Aus­wir­kun­gen hat, dass die Zah­lung ei­ner Entschädi­gung nicht mehr in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zu der Be­nach­tei­li­gung steht, brauch­te im Streit­fal­le nicht ent­schie­den zu wer­den, weil ein Aus­schluss des Ent-
 


- 28 -

schädi­gungs­an­spru­ches nach § 15 Abs. 2 AGG - wenn über­haupt - nur in ganz eng um­ris­se­nen Aus­nah­mefällen in Be­tracht kom­men könn­te und ein sol­cher nicht vor­liegt. Die Kläge­rin hat we­gen ih­res Al­ters ei­ne für sie nach­tei­li­ge Be­hand­lung er­fah­ren. Sie wur­de dem Per­so­nalüber­hang zu­ge­ord­net und das be­klag­te Land hat sie zunächst so be­han­delt, als sei sie wirk­sam zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) ver­setzt wor­den. Be­reits da­durch ist kei­ne für die Kläge­rin nur un­be­deu­ten­de, sie kaum be­las­ten­de Si­tua­ti­on ge­schaf­fen wor­den, die es recht­fer­ti­gen könn­te, ei­nen im­ma­te­ri­el­len Scha­den zu ver­nei­nen.


dd) Der Ein­wand des be­klag­ten Lan­des, die Not­wen­dig­keit ei­ner Er­heb­lich­keits­schwel­le für ei­nen An­spruch aus § 15 Abs. 2 AGG sei je­den­falls dann zu be­ja­hen, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ne öffent­lich-recht­li­che Körper­schaft sei, ist nicht durch­schla­gend. Er ist we­der mit Art. 3 Abs. 1 GG noch mit den eu­ro­pa-recht­li­chen Vor­ga­ben ver­ein­bar. Es ist im Übri­gen auch nicht nach­voll­zieh­bar, wes­halb bei ei­ner öffent­lich-recht­li­chen Körper­schaft, die sich nicht ge­set­zes-treu ver­hal­ten und ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ver­s­toßen hat, das Er­for­der­nis ei­ner Sank­ti­on ge­rin­ger sein soll als bei ei­ner Per­son des Pri­vat-rechts.

e) Da das be­klag­te Land ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ver­s­toßen hat, ist es nach § 15 Abs. 2 AGG ver­pflich­tet, der Kläge­rin ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld zu zah­len.


aa) § 15 Abs. 2 AGG ent­spricht § 253 BGB. Dies be­deu­tet, dass dem Ge­richt ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum bzgl. der Höhe der Entschädi­gung ein­geräumt wird, um bei der Prüfung der An­ge­mes­sen­heit der Entschädi­gung die Be­son­der­hei­ten je­des ein­zel­nen Fal­les berück­sich­ti­gen zu können. Hängt die Höhe des Entschädi­gungs­an­spruchs von ei­nem Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ab, ist die Be­mes­sung des Entschädi­gungs­an­spruch grundsätz­lich Auf­ga­be des Tatrich­ters (Se­nat 25. Ok­to­ber 2007 - 8 AZR 593/06 - zu ei­nem Schmer­zens­geld­an­spruch nach § 253 Abs. 2 BGB, AP BGB § 611 Mob­bing Nr. 6 = EzA BGB 2002 Persönlich­keits­recht Nr. 7; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - BA­GE 122, 304 = AP BGB § 611 Mob­bing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611
 


- 29 -

Persönlich­keits­recht Nr. 6). Die Fest­set­zung der an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung ob­liegt dem­nach nur ei­ner ein­ge­schränk­ten Über­prüfung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt. Da­bei ist re­vi­si­ons­recht­lich zu über­prüfen, ob das Ur­teil das Bemühen um ei­ne an­ge­mes­se­ne Berück­sich­ti­gung al­ler maßgeb­li­chen Umstände er­ken­nen lässt und ob es ge­gen Rechtssätze, Denk­ge­set­ze und Er­fah­rungssätze ver­s­toßen hat (BGH 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97 - NJW 1998, 2741).

bb) Die Fest­set­zung der Entschädi­gung in Höhe von 1.000,00 Eu­ro durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt hält ei­ner sol­chen ein­ge­schränk­ten re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung stand.


Bei der Fest­set­zung der an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung durch das Tat­ge­richt sind al­le Umstände des Ein­zel­fal­les zu berück­sich­ti­gen. Zu die­sen zählen et­wa die Art und Schwe­re der Be­nach­tei­li­gung, ih­re Dau­er und Fol­gen, der An­lass und der Be­weg­grund des Han­delns, der Grad der Ver­ant­wort­lich­keit des Ar­beit­ge­bers, et­wa ge­leis­te­te Wie­der­gut­ma­chung oder er­hal­te­ne Ge­nug­tu­ung und das Vor­lie­gen ei­nes Wie­der­ho­lungs­fal­les (vgl. zB St­ein in Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 15 Rn. 39 ff.; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 66 ff. mwN; HWK/An­nuß/Rupp 3. Aufl. § 15 AGG Rn. 8; Mei­nel/Heyn/ Herms AGG § 15 Rn. 44; LAG Hamm 7. Au­gust 2008 - 11 Sa 284/08 - LA­GE AGG § 15 Nr. 6 = EzA-SD 2008 Nr. 22, 10; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 36, der al­ler­dings der Schwe­re der Ver­let­zungs­hand­lung kei­ne Be­deu­tung bei­misst, weil dies primär zu ei­nem Straf­cha­rak­ter der Norm führe). Fer­ner ist der Sank­ti­ons­zweck der Norm zu berück­sich­ti­gen, so dass die Höhe auch da­nach zu be­mes­sen ist, was zur Er­zie­lung ei­ner ab­schre­cken­den Wir­kung er­for­der­lich ist. Da­bei ist zu be­ach­ten, dass die Entschädi­gung ge­eig­net sein muss, ei­ne wirk­lich ab­schre­cken­de Wir­kung ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber zu ha­ben und in je­dem Fall in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zum er­lit­te­nen Scha­den ste­hen muss (so auch die Ge­set­zes­be­gründung BT-Drucks. 16/1760 S. 38; vgl. auch Se­nat 5. Fe­bru­ar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu § 611a BGB, BA­GE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 36; Voigt in Schleu­se­ner/Suckow/
 


- 30 -

Voigt AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 51; St­ein in Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 15 Rn. 39).

cc) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die we­sent­li­chen Umstände bei der Fest­set­zung der Entschädi­gung berück­sich­tigt. Ein Ver­s­toß ge­gen Rechtssätze, Denk­ge­set­ze und Er­fah­rungssätze liegt nicht vor.


Zu Recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt auf die Aus­wir­kun­gen der von dem be­klag­ten Land aus­ge­spro­che­nen Ver­set­zung für die Kläge­rin ab­ge­stellt. Nicht zu be­an­stan­den ist, wenn das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Aus­wir­kun­gen der Ver­set­zung zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) als er­heb­lich für die Kläge­rin an­ge­se­hen hat. In die­sem Zu­sam­men­hang ist oh­ne Be­deu­tung, dass die Ver­set­zungs­an­ord­nung we­gen Ver­s­toßes ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot un­wirk­sam war, weil das be­klag­te Land die Kläge­rin über ei­nen nicht un­er­heb­li­chen Zeit­raum so be­han­delt hat, als sei sie wirk­sam zum Stel­len­pool ver­setzt wor­den. Die Un­wirk­sam­keit der Maßnah­me führt we­der zu ei­nem Ent­fal­len des Entschädi­gungs­an­spruchs noch zu ei­ner Min­de­rung. Zu­tref­fend hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt auch den Ver­schul­dens-grad in die Abwägung ein­be­zo­gen. Sei­ne An­nah­me, das be­klag­te Land ha­be fahrlässig ge­han­delt, hält eben­falls ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung stand. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den recht­li­chen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum, ob ein Ver­schul­den und wel­cher Grad des Ver­schul­dens vor­liegt, nicht über-schrit­ten (vgl. zum Über­prüfungs­maßstab hin­sicht­lich des Ver­schul­dens und der ein­zel­nen Ar­ten des Ver­schul­dens Se­nat 18. Ja­nu­ar 2007 - 8 AZR 250/06 - AP BGB § 254 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 611 Ar­beit­neh­mer­haf­tung Nr. 2). Das be­klag­te Land hätte oh­ne Wei­te­res er­ken­nen können und müssen, dass durch die Ent­schei­dung, pau­schal al­le Ar­beit­neh­mer mit der Vergütungs­grup­pe VIb/Vc, die das vier­zigs­te Le­bens­jahr noch nicht voll­endet hat­ten, aus dem Aus­wahl­kreis her­aus­zu­neh­men und bei den an­de­ren Ar­beit­neh­mern die Kri­te­ri­en nach § 6 VV Aus­wahl an­zu­wen­den, nicht ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Per­so­nal­struk­tur (we­der be­zo­gen auf die ein­zel­nen Kin­dergärten noch be­zo­gen auf den ge­sam­ten Ei­gen­be­trieb) er­reicht wer­den kann, son­dern dies le­dig­lich zu ei­ner Stärkung der Grup­pe der un­ter Vier­zigjähri­gen führt. Schwie­ri­ge Rechts-

- 31 -

fra­gen stell­ten sich dem be­klag­ten Land in­so­weit nicht. Im Rah­men des tatrich­ter­li­chen Be­ur­tei­lungs­spiel­raums liegt es auch, wenn das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Schwe­re und Be­ein­träch­ti­gung für die Kläge­rin hier als ge­rin­ger an­sieht als bei ei­ner Kündi­gung oder Nicht­ein­stel­lung. Der Vor­ge­hens­wei­se des be­klag­ten Lan­des kann zwar durch­aus aus ob­jek­ti­ver Sicht ent­nom­men wer­den, dass es die Ar­beit­neh­mer, die das vier­zigs­te Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, für we­ni­ger leis­tungsfähig an­sieht, je­den­falls we­ni­ger In­ter­es­se hat, die­se zu beschäfti­gen. Da es aber an kon­kre­ten Vor­hal­tun­gen ge­genüber der Kläge­rin fehlt, hält es sich im tatrich­ter­li­chen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum, wenn un­ter Berück­sich­ti­gung der übri­gen Umstände ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 1.000,00 Eu­ro fest­ge­setzt wur­de. Die Höhe des Brut­to­mo­nats­ent­gel­tes der Kläge­rin ist vor­lie­gend un­er­heb­lich. Das Brut­to­mo­nats­ent­gelt kann ein ge­eig­ne­ter Maßstab bei der Fest­le­gung der Entschädi­gungshöhe im Zu­sam­men­hang mit Nicht­ein­stel­lun­gen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG) oder Ent­las­sun­gen (vgl. § 10 KSchG) sein. Die vor­lie­gen­de Maßnah­me er­folg­te je­doch im be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis, so dass die Vergütungshöhe nicht zwin­gend Ein­fluss auf die Höhe der Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG ha­ben muss­te.


3. Die Kläge­rin hat die Frist zur Gel­tend­ma­chung des An­spruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ge­wahrt. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss der An­spruch in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den, wenn Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht et­was an­de­res ver­ein­bart ha­ben. Die Frist be­ginnt im Fal­le ei­ner Be­wer­bung oder ei­nes be­ruf­li­chen Auf­stiegs mit dem Zu­gang der Ab­leh­nung und in den sons­ti­gen Fällen ei­ner Be­nach­tei­li­gung zu dem Zeit­punkt, in dem der Beschäftig­te von der Be­nach­tei­li­gung Kennt­nis er­langt (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Die Kläge­rin hat mit Schrei­ben vom 18. Ja­nu­ar 2007 ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG gel­tend ge­macht, in­dem sie ein Schmer­zens­geld ver­langt hat. Die Gel­tend­ma­chung ei­ner be­stimm­ten Entschädi­gungshöhe ist da­bei nicht er­for­der­lich (vgl. BAG 12. Sep­tem­ber 2006 - 9 AZR 807/05 - zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF, BA­GE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14). Kennt­nis von der Be­nach­tei­li­gung be­deu­tet, Kennt­nis von den an­spruchs­be­gründen­den Tat­sa­chen (Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 51; Mei­nel/Heyn/Herms
 


- 32 -

AGG § 15 Rn. 67). Da die Kläge­rin erst mit Schrei­ben vom 27. De­zem­ber 2006 ab 1. Ja­nu­ar 2007 zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) ver­setzt wor­den war, be­gann die Frist erst mit der Be­kannt­ga­be die­ser Ver­set­zung.

Die drei­mo­na­ti­ge Kla­ge­frist des § 61b Abs. 1 ArbGG hat die Kläge­rin eben­falls ge­wahrt. Die auf die Entschädi­gung ge­rich­te­te Kla­ge­er­wei­te­rung ging am 23. März 2007 beim Ar­beits­ge­richt ein.


C. Die An­schluss­re­vi­si­on der Kläge­rin ist nicht be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Recht die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts teil­wei­se zurück­ge­wie­sen.


I. Da die Fest­set­zung der Entschädi­gungshöhe nach § 15 Abs. 2 AGG durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt in Höhe von 1.000,00 Eu­ro re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den ist, konn­te die in­so­weit ein­ge­leg­te An­schluss­re­vi­si­on kei­nen Er­folg ha­ben.

II. Der von der Kläge­rin in der Re­vi­si­ons­in­stanz wei­ter ver­folg­te Fest­stel­lungs­an­trag ist un­zulässig.

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Kla­ge auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses er­ho­ben wer­den, wenn die Kla­ge­par­tei ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an hat, dass das Rechts­verhält­nis durch rich­ter­li­che Ent­schei­dung als­bald fest­ge­stellt wer­de. Nach § 256 Abs. 1 ZPO können nur Rechts­verhält­nis­se Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge sein, nicht bloße Ele­men­te oder Vor­fra­gen ei­nes Rechts­verhält­nis­ses. Ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge muss sich al­ler­dings nicht not­wen­dig auf das Rechts­verhält­nis ins­ge­samt er­stre­cken. Sie kann sich auch auf ein­zel­ne Be­zie­hun­gen oder Fol­gen aus ei­nem Rechts­verhält­nis, auf be­stimm­te Ansprüche oder Ver­pflich­tun­gen oder auf den Um­fang ei­ner Leis­tungs­pflicht be­schränken (st. Rspr., vgl. BAG 27. Ok­to­ber 2005 - 6 AZR 123/05 - BA­GE 116, 160 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 90).
 


- 33 -

2. Mit dem An­trag fest­zu­stel­len, dass die Kläge­rin in ih­rer Funk­ti­on als Er­zie­he­rin des Ei­gen­be­trie­bes Kin­dergärten Ci­ty nicht dem so­ge­nann­ten Per­so­nalüber­hang zu­ge­ord­net sei, be­gehrt die Kläge­rin nicht die Fest­stel­lung ei­nes Rechts­verhält­nis­ses im oben dar­ge­stell­ten Sinn.


Bei der Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang han­delt es nicht um ein Rechts­verhält­nis, son­dern um ein bloßes Ele­ment ei­nes sol­chen. Die Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang ist ei­ne abs­trak­te Rechts­fra­ge, die we­der das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin als sol­ches noch hier­aus fol­gen­de Ansprüche oder Rech­te der Kläge­rin be­trifft. Es han­delt sich bei der Zu­ord­nung nicht um ei­ne Maßnah­me des Di­rek­ti­ons­rechts, da der Ar­beits­ort und die aus­zuüben­de Tätig­keit al­lein durch die Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang nicht sei­tens des be­klag­ten Lan­des geändert wer­den. Das St­PG knüpft an die Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang aus­sch­ließlich die Rechts­fol­ge, dass die Per­so­nalüber­hang­kräfte zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) ver­setzt wer­den. Da­mit stellt die Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang ei­ne vor­be­rei­ten­de Ver­fah­rens­hand­lung dar, die zwin­gend er­for­der­lich für die „Ver­set­zung“ gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 St­PG ist. In Be­zug auf das Ar­beits­verhält­nis ändert sich für den Ar­beit­neh­mer al­lein durch die Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang nichts. Es han­delt sich nur um ei­ne in­ner­behörd­li­che or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ent­schei­dung, die als sol­che kei­ne Rechts­wir­kun­gen für das Ar­beits­verhält­nis ent­fal­tet und das Ar­beits­verhält­nis un­berührt lässt (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 362/06 - NZA 2007, 1016; 27. Ok­to­ber 2005 - 6 AZR 123/05 - BA­GE 116, 160 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 90). Auch der Um­stand, dass seit dem 1. Ja­nu­ar 2004 gemäß § 99c Abs. 2 Satz 1 Per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­setz Ber­lin (Pers­VG-Ber­lin) die Zu­ord­nung der Dienst­kraft zum Per­so­nalüber­hang der Mit­wir­kung des Per­so­nal­rats un­ter­liegt, berührt nicht die Rechts­stel­lung des Ar­beit­neh­mers, der dem Per­so­nalüber­hang zu­ge­ord­net wird. § 99c Abs. 2 Satz 2 Pers­VG-Ber­lin re­gelt aus­sch­ließlich das Be­tei­li­gungs­recht der Per­so­nal­ver­tre­tung und räumt den Ar­beit­neh­mern selbst kei­ne sub­jek­ti­ven Rech­te ein. Die Ar­beit­neh­mer ha­ben le­dig­lich die Möglich­keit, kon­kre­te Maßnah­men des Ar­beit­ge­bers, die ihr Ar­beits­verhält­nis be­tref­fen, auf ih­re Wirk­sam­keit über­prüfen zu las­sen und da­bei die feh­len­de oder man­gel­haf­te Be­tei­li­gung des Per­so­nal­rats zu rügen.
 


- 34 -

Dies ent­spricht dem all­ge­mei­nen Grund­satz, dass der Ar­beit­neh­mer nicht ge­son­dert fest­stel­len las­sen kann, ob die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung bei ei­ner Maßnah­me ord­nungs­gemäß be­tei­ligt wor­den ist, son­dern nur die Wirk­sam­keit der­je­ni­gen Maßnah­me, die auf sei­ne Rechts­stel­lung ein­wirkt, ge­richt­lich über-prüfen las­sen kann. Da die Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang nach der Kon­zep­ti­on und Ziel­set­zung des St­PG ein Tei­l­ele­ment ei­nes ein­heit­li­chen Vor­gangs ist, ist die Wirk­sam­keit des Tei­l­ele­men­tes nur im Rah­men der Maßnah­me zu über­prüfen, die sich auf die Rechts­stel­lung des Ar­beit­neh­mers aus­wirkt, hier al­so der „Ver­set­zung“ zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (vgl. auch BAG 13. März 2007 - 9 AZR 362/06 - aaO). Ob ein Ar­beit­neh­mer wirk­sam zum Zen­tra­len Per­so­nalüber­hang­ma­nage­ment (Stel­len­pool) ver­setzt wor­den ist, hängt von sei­ner wirk­sa­men Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang ab. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch die Mit­wir­kung des Per­so­nal­ra­tes bei der Zu­ord­nung zu über­prüfen.


3. Der Fest­stel­lungs­an­trag ist auch nicht gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

Ge­gen­stand ei­ner Zwi­schen­fest­stel­lungs­kla­ge ist ein Rechts­verhält­nis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO, das für die Ent­schei­dung der Haupt­sa­che ganz oder teil­wei­se präju­di­zi­ell ist (BAG 27. Ok­to­ber 2005 - 6 AZR 123/05 - BA­GE 116, 160 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 90). Bei der Zu­ord­nung zum Per­so­nalüber­hang han­delt es sich je­doch nicht um ein Rechts­verhält­nis.

D. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

Hauck 

Böck 

Brein­lin­ger

Morsch 

Schuck­mann

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 8 AZR 906/07