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BAG, Ur­teil vom 15.04.2008, 9 AZR 111/07

   
Schlagworte: Altersteilzeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 111/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.04.2008
   
Leitsätze: Der öffentliche Arbeitgeber ist nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) nur "auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes" verpflichtet, Altersteilzeitarbeitsverhältnisse zu begründen. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG muss für Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit die freie Entscheidung des Arbeitgebers sichergestellt sein, ob er mit über 5 % der Arbeitnehmer seines Betriebs Altersteilzeitarbeitsverträge schließt. Trifft der Arbeitgeber freiwillig mit über 5 % seiner Belegschaft Altersteilzeitvereinbarungen, ist er an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Ludwigshafen Landesarbeitsgericht Mainz
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


9 AZR 111/07
11 Sa 624/05
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Rhein­land-Pfalz

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

15. April 2008

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 15. April 2008 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Düwell, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krasshöfer, die
 


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Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gall­ner so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Star­ke und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Neu­mann für Recht er­kannt:


Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Rhein­land-Pfalz vom 22. Ju­ni 2006 - 11 Sa 624/05 - auf­ge­ho­ben.

Die Sa­che wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens - an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.


Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über den Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags.


Die im No­vem­ber 1949 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist seit 1979 als Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te für die Be­klag­te tätig. Sie ar­bei­tet während der Hälf­te der ta­rif­li­chen Vol­l­ar­beits­zeit. Die Be­klag­te beschäftigt durch­schnitt­lich 990 Ar­beit­neh­mer.


Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fin­den der BAT und die ihn ergänzen­den Ta­rif­verträge in der für den Be­reich der Ver­ei­ni­gung der kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände (VKA) je­weils gel­ten­den Fas­sung An­wen­dung. Da­zu gehört der Ta­rif­ver­trag zur Re­ge­lung der Al­ters­teil­zeit­ar­beit (TV ATZ) vom 5. Mai 1998 idF des Ände­rungs­ta­rif­ver­trags Nr. 2 vom 30. Ju­ni 2000. Dort ist ge­re­gelt:


§ 2
Vor­aus­set­zun­gen der Al­ters­teil­zeit­ar­beit


(1) Der Ar­beit­ge­ber kann mit Ar­beit­neh­mern, die

a) das 55. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben,

b) ei­ne Beschäfti­gungs­zeit (z. B. § 19 BAT/BAT-O) von fünf Jah­ren voll­endet ha­ben

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und


c) in­ner­halb der letz­ten fünf Jah­re vor Be­ginn der Al­ters­teil­zeit­ar­beit min­des­tens 1.080 Ka­len­der­ta­ge in ei­ner ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gung nach dem Drit­ten Buch So­zi­al­ge­setz­buch ge­stan­den ha­ben, die Ände­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses in ein Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis auf der Grund­la­ge des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes ver­ein­ba­ren; das Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis muss ein ver­si­che­rungs­pflich­ti­ges Beschäfti­gungs­verhält­nis im Sin­ne des Drit­ten Bu­ches So­zi­al­ge­setz­buch sein.


(2) Ar­beit­neh­mer, die das 60. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben und die übri­gen Vor­aus­set­zun­gen des Ab­sat­zes 1 erfüllen, ha­ben An­spruch auf Ver­ein­ba­rung ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses. Der Ar­beit­neh­mer hat den Ar­beit­ge­ber drei Mo­na­te vor dem ge­plan­ten Be­ginn des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses über die Gel­tend­ma­chung des An­spruchs zu in­for­mie­ren; von dem Fris­ter­for­der­nis kann ein­ver­nehm­lich ab­ge­wi­chen wer­den.

(3) Der Ar­beit­ge­ber kann die Ver­ein­ba­rung ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses ab­leh­nen, so­weit drin­gen­de dienst­li­che bzw. be­trieb­li­che Gründe ent­ge­gen­ste­hen.

(4) Das Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis soll min­des­tens für die Dau­er von zwei Jah­ren ver­ein­bart wer­den. Es muss vor dem 1. Ja­nu­ar 2010 be­gin­nen.“

Für das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en gilt ein zwi­schen dem Kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­ver­band Rhein­land-Pfalz und der Ge­werk­schaft ver.di ge­schlos­se­ner Ta­rif­ver­trag zur so­zia­len Si­che­rung der Beschäftig­ten und zur Wei­ter­ent­wick­lung des Stand­or­tes Klin­genmüns­ter beim Pfalz­kli­ni­kum für Psych­ia­trie und Neu­ro­lo­gie - An­stalt des öffent­li­chen Rechts - vom 29. Mai 2001 (TV Soz). Dort war bis 31. De­zem­ber 2004 be­stimmt:

§ 12
Al­ters­teil­zeit

So­fern Beschäftig­te die Ver­ein­ba­rung ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses auf der Grund­la­ge des Ta­rif­ver­tra­ges zur Re­ge­lung der Al­ters­teil­zeit­ar­beit (TV ATZ) vom 5. Mai 1998 be­an­tra­gen, erklärt sich das Pfalz­kli­ni­kum be­reit,

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die­sen Anträgen bei al­len Beschäftig­ten, die die persönli­chen Vor­aus­set­zun­gen nach dem Al­ters­teil­zeit­ge­setz und dem TV ATZ erfüllen, zu ent­spre­chen, so­weit drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe nicht ent­ge­gen­ste­hen.“

§ 12 TV Soz wur­de mit Wir­kung vom 1. Ja­nu­ar 2005 durch § 1 Nr. 2 ei­nes Ände­rungs­ta­rif­ver­trags vom 22. De­zem­ber 2004 auf­ge­ho­ben. In §§ 4 und 5 TV Soz sind Ar­beits­platz­si­che­rungs­maßnah­men und er­wei­ter­te Kündi­gungs­schutz­rech­te ge­re­gelt.

Die Kläge­rin führ­te am 15. De­zem­ber 2003 ein In­for­ma­ti­ons­gespräch mit der für Al­ters­teil­zeit­fra­gen zuständi­gen Sach­be­ar­bei­te­rin der Be­klag­ten M. Frau M. for­mu­lier­te noch am sel­ben Tag ei­nen An­trag, mit dem Al­ters­teil­zeit­ar­beit im Block­mo­dell ver­langt wer­den soll­te. Die Ar­beits­pha­se soll­te von De­zem­ber 2004 bis No­vem­ber 2008 dau­ern, die Frei­stel­lungs­pha­se von De­zem­ber 2008 bis No­vem­ber 2012. Frau M. wies in dem Be­ra­tungs­gespräch nicht auf die Fünf­pro­zent­gren­ze des § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG hin. Die Kläge­rin reich­te den Al­ters­teil­zeit­an­trag zunächst nicht bei der Be­klag­ten ein.


Die Be­klag­te ent­schied sich im Ju­ni 2004, die ab 1. Ju­li 2004 ein­ge­hen­den Al­ters­teil­zeit­anträge ab­zu­leh­nen. Sie schloss noch An­fang Ju­li 2004 meh­re­re Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträge. Die An­ge­bo­te der Ar­beit­neh­mer wa­ren der Be­klag­ten vor dem 1. Ju­li 2004 zu­ge­gan­gen.

Die Kläge­rin reich­te den von Frau M. im De­zem­ber 2003 vor­for­mu­lier­ten Al­ters­teil­zeit­an­trag am 2. Au­gust 2004 bei der Be­klag­ten ein. Die Be­klag­te lehn­te das An­ge­bot mit Schrei­ben vom 6. Au­gust 2004 mit der Be­gründung ab, dass sie schon mit mehr als 5 % ih­rer Ar­beit­neh­mer Al­ters­teil­zeit­ver­ein­ba­run­gen ge­trof­fen ha­be. Die Fünf­pro­zent­gren­ze war nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts bei Zu­gang des An­trags der Kläge­rin tatsächlich über­schrit­ten. Fünf Ar­beit­neh­mer, mit de­nen die Be­klag­te zu­vor Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträge ge­schlos­sen hat­te, wa­ren im sel­ben Jahr wie die Kläge­rin ge­bo­ren. Ei­ne wei­te­re Ar­beit­neh­me­rin gehörte ei­nem späte­ren Ge­burts­jahr­gang an.
 


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Die Kläge­rin meint, die sog. Über­for­de­rungs­klau­sel des § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG fin­de auf Al­ters­teil­zeit­ansprüche nach dem TV ATZ und dem TV Soz be­reits des­halb kei­ne An­wen­dung, weil die Ta­rif­verträge die Fünf­pro­zent­quo­te nicht erwähn­ten. Je­den­falls ha­be die Be­klag­te bei der Aus­wahl der An­trag­stel­ler so­zia­le Ge­sichts­punk­te nicht hin­rei­chend be­ach­tet und den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­letzt.


Die Kläge­rin hat be­haup­tet, Frau M. ha­be in dem Be­ra­tungs­gespräch im De­zem­ber 2003 zu ver­ste­hen ge­ge­ben, dass der Al­ters­teil­zeit­an­trag nicht eil­bedürf­tig sei. Es genüge, wenn er drei Mo­na­te vor Voll­endung des 55. Le­bens­jahrs ge­stellt wer­de. Der Geschäftsführer der Be­klag­ten ha­be ge­genüber der Kläge­rin im Som­mer 2004 erklärt, dass sie so­fort „nach­rut­sche“, so­bald ein Mit­ar­bei­ter aus der Al­ters­teil­zeit aus­schei­de. Das ha­be der Geschäftsführer in der Güte­ver­hand­lung am 16. De­zem­ber 2004 aus­drück­lich wie­der­holt, oh­ne die Über­for­de­rungs­klau­sel zu erwähnen. Die Ar­beit­neh­me­rin H. ha­be ih­ren Al­ters­teil­zeit­an­trag in­zwi­schen zurück­ge­nom­men.


Die Kläge­rin hat die Kla­ge in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung um Hilfs­anträge er­wei­tert. Sie hat zu­letzt - so­weit für die Re­vi­si­on von In­ter­es­se - be­an­tragt,


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem An­ge­bot der Kläge­rin vom 15. De­zem­ber 2003, Ein­gang 2. Au­gust 2004, auf Um­wand­lung des be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses in ein Al­ters­teil­zeit­verhält­nis nach dem Block­mo­dell gemäß ta­rif­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung ab 1. De­zem­ber 2004 zu­zu­stim­men;

hilfs­wei­se fest­zu­stel­len, dass zwi­schen den Par­tei­en im Hin­blick auf die Erklärung des Geschäftsführers im Güte­ter­min zum Zeit­punkt des Aus­schei­dens der Mit­ar­bei­te­rin H. aus ei­nem Al­ters­teil­zeit­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en ein Al­ters­teil­zeit­verhält­nis im Block­mo­dell gemäß ta­rif­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung zu­stan­de ge­kom­men ist;

äußerst hilfs­wei­se die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem An­ge­bot der Kläge­rin vom 15. De­zem­ber 2003, Ein­gang 2. Au­gust 2004, auf Um­wand­lung des be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses in ein Al­ters­teil­zeit­verhält­nis nach dem Block­mo­dell gemäß ta­rif­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung ab Rechts­kraft des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens zu­zu­stim­men.


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Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie ist der An­sicht, für die Ab­leh­nung des Al­ters­teil­zeit­an­trags der Kläge­rin ge­be es drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe, weil die Fünf­pro­zent­gren­ze des § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG bei An­trags­zu­gang im Au­gust 2004 über­schrit­ten ge­we­sen sei. Die Über­for­de­rungs­gren­ze ha­be nicht aus­drück­lich in die Ta­rif­verträge auf-ge­nom­men wer­den müssen. Der Ar­beit­ge­ber könne auch dann ei­ne Über­for­de­rung gel­tend ma­chen und ei­nen Stich­tag be­stim­men, wenn er be­reits mit mehr als 5 % sei­ner Ar­beit­neh­mer Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträge ge­schlos­sen ha­be. Frau M. ha­be der Kläge­rin in dem Be­ra­tungs­gespräch vom 15. De­zem­ber 2003 we­gen der Viel­zahl der be­reits ge­schlos­se­nen Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträge emp­foh­len, den Al­ters­teil­zeit­an­trag so­fort zu stel­len.


Das Ar­beits­ge­richt hat den bei Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung ers­ter In­stanz al­lein anhängi­gen Haupt­an­trag ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen und die im zwei­ten Rechts­zug kla­ge­er­wei­ternd ge­stell­ten Hilfs­anträge ab­ge­wie­sen. Mit ih­rer vom Se­nat zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin den Haupt­an­trag und die bei­den Hilfs­anträge wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der Be­gründung des Lan­des­ar­beits­ge­richts durf­te der Haupt­an­trag nicht ab­ge­wie­sen wer­den. Auf Grund der fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen kann der Se­nat nicht ab­sch­ließend darüber ent­schei­den, ob die Kläge­rin ab 1. De­zem­ber 2004 An­spruch auf Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags hat.


A. Der Se­nat hat nur über den Haupt­an­trag zu be­fin­den. Die Hilfs­anträge fal­len nicht zu sei­ner Ent­schei­dung an.
 


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I. Das Re­vi­si­ons­ge­richt hat das Verhält­nis von Haupt­an­trag und Hilfs­anträgen selbst zu klären. Die in den Anträgen ent­hal­te­nen pro­zes­sua­len Wil­lens­erklärun­gen sind aus­zu­le­gen (vgl. für die Fra­ge der Par­tei­be­zeich­nung zB Se­nat 17. Ju­li 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 14, EzA Tz­B­fG § 8 Nr. 17).


1. Mit dem Haupt­an­trag ver­langt die Kläge­rin die auf den 1. De­zem­ber 2004 zurück­wir­ken­de Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur An­nah­me des An­ge­bots der Kläge­rin auf Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags. Mit dem ers­ten Hilfs­an­trag soll fest­ge­stellt wer­den, dass durch ei­ne (am 16. De­zem­ber 2004) er­folg­te Erklärung des Geschäftsführers der Be­klag­ten im Güte­ter­min be­reits ein Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis zu­stan­de ge­kom­men ist. Der zwei­te Hilfs­an­trag hat die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Ab­ga­be der An­nah­me­erklärung mit Wir­kung der Rechts­kraft zum Ge­gen­stand.


2. Die Kläge­rin hat die bei­den ih­rer­seits ge­stuf­ten Hilfs­anträge un­ter die in­ner­pro­zes­sua­le Be­din­gung des Un­ter­lie­gens mit dem Haupt­an­trag ge­stellt. Ob die­se Be­din­gung ein­tritt, steht noch nicht fest. Der Be­din­gungs­ein­tritt hängt von den wei­te­ren Tat­sa­chen ab, die das Be­ru­fungs­ge­richt fest­stel­len muss, um über den Haupt­an­trag ent­schei­den zu können.

3. Der Haupt­an­trag ist in­halt­lich vor­ran­gig ge­genüber dem ers­ten Hilfs­an­trag. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass mit dem ers­ten Hilfs­an­trag be­reits der Be­stand ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses fest­ge­stellt wer­den soll, während der Haupt­an­trag den Ver­trags­schluss erst mit­hil­fe der Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur Ab­ga­be der An­nah­me­erklärung be­wir­ken soll.

a) Nach § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt die Wil­lens­erklärung erst mit Rechts­kraft des Ur­teils als ab­ge­ge­ben. Zu wel­chem Zeit­punkt die fin­gier­te Ab­ga­beerklärung wirkt, be­ur­teilt sich da­ge­gen nach ma­te­ri­el­lem Recht (BAG 25. Ok­to­ber 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 26, NZA 2008, 357; 9. No­vem­ber 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 69, AP BGB § 311a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 1).

b) Der für die Wir­kung der fin­gier­ten Ab­ga­beerklärung maßgeb­li­che Zeit­punkt ist hier der Au­gen­blick, in dem die Kläge­rin - ggf. - be­rech­tigt war, den
 


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Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags zu ver­lan­gen. Die von ihr mit dem Haupt­an­trag er­streb­te Fik­ti­on führt zu ei­ner po­ten­zi­ell frühe­ren Be­gründung des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses als der ers­te Hilfs­an­trag. Die mit dem Haupt­an­trag ver­lang­te Ab­ga­be der An­nah­me­erklärung soll auf den 1. De­zem­ber 2004 zurück­wir­ken. Mit dem ers­ten Hilfs­an­trag soll dem­ge­genüber fest­ge­stellt wer­den, dass erst am 16. De­zem­ber 2004 ein Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis be­gründet wur­de.

II. Die Hilfs­anträge sind we­gen der vor­ran­gi­gen, von wei­te­ren Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts abhängi­gen Ent­schei­dung über den Haupt­an­trag nicht Ge­gen­stand der Ent­schei­dung des Se­nats. Er hat ins-be­son­de­re nicht darüber zu be­fin­den, ob die Tat­sa­chen, die den zulässi­ger-wei­se nach Ab­lauf der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist des § 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ArbGG ge­stell­ten Hilfs­anträgen zu­grun­de lie­gen, vom Lan­des­ar­beits­ge­richt nach § 529 Abs. 1 ZPO berück­sich­tigt wer­den durf­ten (vgl. da­zu Zöller/Gum­mer/Heßler ZPO 26. Aufl. § 520 Rn. 10 und § 531 Rn. 24).

B. Die Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts las­sen kei­ne ab­sch­ließen­de Ent­schei­dung darüber zu, ob der Haupt­an­trag Er­folg hat.


I. Der Haupt­an­trag ist zulässig, ins­be­son­de­re hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Kläge­rin er­strebt mit Rechts­kraft des ob­sie­gen­den Ur­teils die rück­wir­ken­de Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur An­nah­me des An­ge­bots auf Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags für die Zeit vom 1. De­zem­ber 2004 bis 30. No­vem­ber 2012. Das Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis soll mit­hil­fe der Fik­ti­on des § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Block­mo­dell mit ei­ner Ar­beits­pha­se von De­zem­ber 2004 bis No­vem­ber 2008 und ei­ner Frei­stel­lungs­pha­se von De­zem­ber 2008 bis No­vem­ber 2012 zu­stan­de kom­men. In­halt­lich soll sich das Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis nach den Be­stim­mun­gen des TV ATZ rich­ten.

II. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird wei­te­re Fest­stel­lun­gen tref­fen müssen, um darüber ent­schei­den zu können, ob der Haupt­an­trag be­gründet ist. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat im Er­geb­nis zu Recht an­ge­nom­men, dass der Kläge­rin kein ta­rif­li­cher An­spruch auf Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags mit

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Wir­kung vom 1. De­zem­ber 2004 zu­steht. Ein An­spruch kann sich je­doch aus dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz er­ge­ben.


1. Der auf An­nah­me des Ver­trags­an­ge­bots der Kläge­rin ge­rich­te­te Haupt­an­trag ist nicht schon des­halb un­be­gründet, weil die Kläge­rin die rück­wir­ken­de Ände­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses ab 1. De­zem­ber 2004 ver­langt. Seit In­kraft­tre­ten des § 311a BGB in der Fas­sung des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts vom 26. No­vem­ber 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Ver­ur­tei­lung zur Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­erklärung in Be­tracht, mit der ein Ver­trags­an­ge­bot rück­wir­kend an­ge­nom­men wer­den soll. Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der An­spruch auf die Leis­tung aus­ge­schlos­sen, so­weit die­se für den Schuld­ner oder je­der­mann unmöglich ist. Im Un­ter­schied zum al­ten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB klar­ge­stellt, dass ein Ver­trag selbst dann nicht nich­tig ist, wenn er hin­sicht­lich der Ver­gan­gen­heit tatsächlich nicht durch­geführt wer­den kann (für die st. Rspr. Se­nat 13. No­vem­ber 2007 - 9 AZR 36/07 - Rn. 18, NZA 2008, 314; BAG 25. Ok­to­ber 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 25 f., NZA 2008, 357; 9. No­vem­ber 2006 - 2 AZR 509/05 - Rn. 68 f., AP BGB § 311a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 311a Nr. 1; zu­stim­mend Pa­landt/Grüne­berg BGB 67. Aufl. § 311a Rn. 5).


2. Der mit dem Haupt­an­trag ver­folg­te An­spruch steht der Kläge­rin auf der Grund­la­ge von § 2 Abs. 1 und 2 TV ATZ iVm. § 12 TV Soz, der mit Wir­kung vom 1. Ja­nu­ar 2005 auf­ge­ho­ben wur­de, nicht zu.


a) Die Kläge­rin erfüll­te im Zeit­punkt des ver­lang­ten Ver­trags­schlus­ses am 1. De­zem­ber 2004 die persönli­chen Vor­aus­set­zun­gen für den Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags (§ 2 Abs. 1 TV ATZ). Sie hat­te das 55. Le­bens­jahr und ei­ne Beschäfti­gungs­zeit von fünf Jah­ren voll­endet. In­ner­halb der letz­ten fünf Jah­re vor Be­ginn des er­streb­ten Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses hat­te sie 1.080 Ka­len­der­ta­ge in ei­ner ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gung nach dem SGB III ge­stan­den.


b) Ein ta­rif­ver­trag­li­cher An­spruch der am 1. De­zem­ber 2004 55 Jah­re al­ten Kläge­rin auf Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags wird nicht


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da­durch ge­hin­dert, dass der Ar­beit­ge­ber die Ände­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses in ein Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis mit Ar­beit­neh­mern in der Al­ters­grup­pe der 55- bis 59-Jähri­gen ver­ein­ba­ren „kann“ (§ 2 Abs. 1 TV ATZ).

aa) Der Ar­beit­neh­mer hat nach § 2 Abs. 1 TV ATZ nur ei­nen An­spruch dar­auf, dass der Ar­beit­ge­ber bei der Ent­schei­dung über sei­nen An­trag bil­li­ges Er­mes­sen ent­spre­chend § 315 Abs. 1 BGB wahrt (Se­nat 12. De­zem­ber 2000 - 9 AZR 706/99 - BA­GE 96, 363, zu B II 1 a der Gründe).


bb) Die Be­klag­te „erklärte sich“ nach § 12 TV Soz „be­reit“, den Anträgen bei al­len Beschäftig­ten, die die persönli­chen Vor­aus­set­zun­gen nach dem Al­ters­teil­zeit­ge­setz und dem TV ATZ erfüll­ten, zu ent­spre­chen, so­weit drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe nicht ent­ge­gen­stan­den.


(1) Die­se Re­ge­lung war im Zeit­punkt der be­gehr­ten Fik­ti­on der Ab­ga­beerklärung am 1. De­zem­ber 2004 noch voll­wirk­sam. Sie be­gründe­te ei­ne über § 2 Abs. 1 TV ATZ hin­aus­ge­hen­de Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, die sich nicht nur auf Ausübung bil­li­gen Er­mes­sens be­schränk­te. § 12 TV Soz er­wei­ter­te den Kreis der Be­rech­tig­ten mit (Voll-)An­spruch auf Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags in § 2 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ auf Ar­beit­neh­mer, die das 55., aber noch nicht das 60. Le­bens­jahr voll­endet hat­ten.


(2) Die Er­wei­te­rung des persönli­chen Gel­tungs­be­reichs des Voll­an­spruchs er­gibt sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Wort­laut des § 12 TV Soz. Nur ei­ne sol­che Aus­le­gung bringt je­doch den im Ge­samt­zu­sam­men­hang des TV Soz aus­ge­drück­ten Zweck der Ar­beits­platz­si­che­rung zur Gel­tung. Die­ser Zweck zeigt sich ins­be­son­de­re an den Ar­beits­platz­si­che­rungs­maßnah­men des § 4 TV Soz und dem er­wei­ter­ten Schutz vor be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen durch § 5 TV Soz. Der Re­ge­lungs­ge­halt des auf­ge­ho­be­nen § 12 TV Soz fügte sich in die­se In­stru­men­te zur Ar­beits­platz­si­che­rung ein. Ar­beit­neh­mern, die das 55. Le­bens­jahr voll­endet hat­ten, soll­te bis 31. De­zem­ber 2004 der nicht durch ei­ne Er­mes­sens­ausübung nach § 2 Abs. 1 TV ATZ ein­ge­schränk­te Über­gang in die Al­ters­teil­zeit­ar­beit ermöglicht wer­den, um Ar­beitsplätze jünge­rer Ar­beit­neh­mer zu er­hal­ten.
 


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c) Ein ta­rif­li­cher An­spruch der Kläge­rin schei­tert dar­an, dass § 2 Abs. 1 TV ATZ die Ände­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses in ein Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis nur „auf der Grund­la­ge des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes“ vor­sieht.

aa) An der Vor­aus­set­zung der „Grund­la­ge des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes“ zeigt sich, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des TV ATZ le­dig­lich Al­ters­teil­zeit­ansprüche be­gründen woll­ten, die der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber mit­hil­fe von Leis­tun­gen der Bun­des­agen­tur für Ar­beit teil­wei­se re­fi­nan­zie­ren kann. Der pri­vat­recht­li­che An­spruch auf Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags wird durch Ta­rif­ver­trag be­gründet. Die ta­rif­li­che An­spruchs­grund­la­ge be­zieht das öffent­lich-recht­li­che Sys­tem der an be­stimm­te Er­for­der­nis­se ge­bun­de­nen Re­fi­nan­zie­rung durch Er­stat­tungs­leis­tun­gen der öffent­li­chen Hand nach §§ 3 und 4 AltTZG in die pri­vat­recht­li­chen An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen mit ein.


bb) Die von § 2 Abs. 1 TV ATZ gewähl­te Re­ge­lungs­tech­nik ver­hin­dert, dass der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber durch ein nicht zu kal­ku­lie­ren­des fi­nan­zi­el­les Ri­si­ko in ei­ne Zwangs­la­ge gerät.


(1) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG muss für Er­stat­tungs­leis­tun­gen der Ar­beits­ver­wal­tung die freie Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers si­cher­ge­stellt sein, ob er mit über 5 % der Ar­beit­neh­mer sei­nes Be­triebs Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträge schließt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Über­schrei­tung die­ser sog. Über­for­de­rungs­gren­ze im Zeit­punkt des von der Be­klag­ten be­stimm­ten Stich­tags am 1. Ju­li 2004 fest­ge­stellt. Die Re­vi­si­on hat da­ge­gen kei­ne Rügen er­ho­ben.

(2) In die nach der öffent­lich-recht­li­chen Be­stim­mung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG si­cher­zu­stel­len­de Ent­schei­dungs­frei­heit des Ar­beit­ge­bers darf auch durch Ta­rif­ver­trag nicht ein­ge­grif­fen wer­den. Be­steht we­der die­se Ent­schei­dungs­frei­heit noch ei­ne Aus­gleichs­kas­se, steht dem Ar­beit­ge­ber kein Er­stat­tungs­an­spruch ge­gen die Bun­des­agen­tur für Ar­beit nach §§ 3 und 4 AltTZG zu. Hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en den öffent­lich-recht­li­chen Blick­win­kel der Er­stat­tungs­leis­tun­gen der Ar­beits­ver­wal­tung durch die „Grund­la­ge des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes“ nicht in den pri­vat­recht­li­chen Be­gründungs­tat-
 


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be­stand des Al­ters­teil­zeit­an­spruchs ein­be­zo­gen, müss­te der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber ei­ne un­be­grenz­te An­zahl von Al­ters­teil­zeit­ver­ein­ba­run­gen ein­ge­hen, oh­ne die zu er­brin­gen­den Leis­tun­gen re­fi­nan­zie­ren zu können.

cc) Die Vor­aus­set­zung der „Grund­la­ge des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes“ gilt für die Kläge­rin, ob­wohl das Er­for­der­nis le­dig­lich in § 2 Abs. 1 TV ATZ und nicht auch in § 2 Abs. 2 TV ATZ ent­hal­ten ist (vgl. zu dem par­al­le­len Pro­blem der An­wend­bar­keit von § 2 Abs. 3 TV ATZ nur auf die Fälle des § 2 Abs. 2 TV ATZ im ori­ginären Gel­tungs­be­reich des TV ATZ Se­nat 3. De­zem­ber 2002 - 9 AZR 457/01 - BA­GE 104, 55, zu A II 2 a cc (2) der Gründe; 12. De­zem­ber 2000 - 9 AZR 706/99 - BA­GE 96, 363, zu B II 1 b der Gründe).


(1) Der für die Al­ters­grup­pe der 55- bis 59-jähri­gen Ar­beit­neh­mer von § 2 Abs. 1 TV ATZ vor­ge­se­he­ne An­spruch auf Ausübung bil­li­gen Er­mes­sens „er­stark­te“ durch die Er­wei­te­rung des persönli­chen Gel­tungs­be­reichs der Rechts­fol­ge des § 2 Abs. 2 TV ATZ in § 12 TV Soz im be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich der Be­klag­ten zum Voll­an­spruch. Den­noch ist die ein­schränken­de Vor­aus­set­zung der „Grund­la­ge des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes“ in § 2 Abs. 1 TV ATZ auf die im Zeit­punkt des gewünsch­ten Ver­trags­schlus­ses am 1. De­zem­ber 2004 55-jähri­ge Kläge­rin an­zu­wen­den. § 12 TV Soz, der den persönli­chen Gel­tungs­be­reich des Voll­an­spruchs aus § 2 Abs. 2 TV ATZ bis 31. De­zem­ber 2004 auf 55- bis 59-jähri­ge Ar­beit­neh­mer er­wei­ter­te, ver­wies so­wohl auf das AltTZG als auch auf den TV ATZ. Er be­zog die ein­schränken­de Vor­aus­set­zung des Ver­trags­schlus­ses „auf der Grund­la­ge des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes“ des­we­gen mit ein.


(2) § 2 Abs. 2 TV ATZ baut zu­dem sys­te­ma­tisch auf § 2 Abs. 1 TV ATZ auf. Für Ar­beit­neh­mer gel­ten nach § 2 Abs. 2 TV ATZ mit Aus­nah­me des höhe­ren Le­bens­al­ters die­sel­ben persönli­chen Vor­aus­set­zun­gen wie für jünge­re Ar­beit­neh­mer nach § 2 Abs. 1 TV ATZ. Die Re­ge­lun­gen un­ter­schei­den sich im Übri­gen nur in der Rechts­fol­ge. § 2 Abs. 2 TV ATZ räumt Ar­beit­neh­mern ab Voll­endung des 60. Le­bens­jahrs ei­nen Voll­an­spruch auf Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags ein.
 


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dd) Der Se­nat hat nicht darüber zu ent­schei­den, ob die tatsächli­che Über­schrei­tung der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. iVm. § 7 Abs. 2 und 3 AltTZG be­stimm­ten Über­for­de­rungs­gren­ze selbst als drin­gen­der be­trieb­li­cher Grund iSv. § 2 Abs. 3 TV ATZ und § 12 TV Soz zu ver­ste­hen ist, der den Ar­beit­ge­ber be­rech­tigt, den Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags ab­zu­leh­nen (of­fen-ge­las­sen von Se­nat 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 393/06 - Rn. 31 ff., AP ATG § 2 Nr. 8 = EzA TVG § 4 Al­ters­teil­zeit Nr. 24; 30. Sep­tem­ber 2003 - 9 AZR 590/02 - BA­GE 108, 36, zu B I 2 b dd der Gründe). Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben in § 2 Abs. 1 TV ATZ für Al­ters­teil­zeit­ansprüche das Er­for­der­nis „auf der Grund­la­ge des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes“ be­gründet. Das hin­dert be­reits die Ent­ste­hung ei­nes An­spruchs, wenn die Über­last­quo­te über­schrit­ten ist. Es kommt des­halb nicht dar­auf an, ob ge­genüber dem An­spruch im zwei­ten Prüfungs­schritt ein ent­ge­gen­ste­hen­der drin­gen­der be­trieb­li­cher Grund iSv. § 2 Abs. 3 TV ATZ ein­ge­wandt wird (zum Be­griff Se­nat 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 393/06 - Rn. 25, aaO; 18. März 2003 - 9 AZR 126/02 - BA­GE 105, 248, zu B I 2 a der Gründe).


d) Die Be­klag­te hat das Recht, sich auf die Über­for­de­rungs­quo­te zu be­ru­fen, nicht da­durch ver­wirkt (§ 242 BGB), dass sie im Zeit­punkt des von ihr be­stimm­ten Stich­tags am 1. Ju­li 2004 be­reits mit mehr als 5 % ih­rer Ar­beit­neh­mer Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträge ge­schlos­sen hat­te. Der Ar­beit­ge­ber bleibt nach § 2 Abs. 1 und 2 TV ATZ, § 12 TV Soz iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG in sei­ner Ent­schei­dung über die An­nah­me wei­te­rer Al­ters­teil­zeit­an­ge­bo­te frei, ob­wohl er schon die Quo­te von 5 % über­schrit­ten hat. Ei­ne Ver­wir­kung des Ab­leh­nungs­rechts kommt nur in Be­tracht, wenn be­son­de­re Umstände vor-lie­gen, die dar­auf schließen las­sen, der Ar­beit­ge­ber wer­de sich dau­er­haft nicht auf die Über­last­quo­te be­ru­fen. Sol­che be­son­de­ren Tat­sa­chen sind nicht fest­ge­stellt.


3. Sch­ließt der Ar­beit­ge­ber frei­wil­lig mit über 5 % sei­ner Be­leg­schaft Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträge und be­stimmt er ei­nen in der Zu­kunft lie­gen­den Stich­tag, von dem an er wei­te­re Anträge ab­leh­nen will, ist er an den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­bun­den.
 


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a) Der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­bie­tet dem Ar­beit­ge­ber, Ar­beit­neh­mer oder Grup­pen von Ar­beit­neh­mern, die sich in ver­gleich­ba­rer La­ge be­fin­den, bei An­wen­dung sei­ner selbst ge­ge­be­nen Re­ge­lung gleich­zu­be­han­deln. Der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz wird in­halt­lich durch den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG be­stimmt. Bei frei­wil­li­gen Leis­tun­gen muss der Ar­beit­ge­ber die Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen so ab­gren­zen, dass Ar­beit­neh­mer nicht aus sach­frem­den oder willkürli­chen Gründen aus­ge­schlos­sen wer­den. Verstößt der Ar­beit­ge­ber bei der Gewährung frei­wil­li­ger Leis­tun­gen ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, hat der be­nach­tei­lig­te Ar­beit­neh­mer An­spruch auf die vor­ent­hal­te­ne Leis­tung (st. Rspr., vgl. Se­nat 14. Au­gust 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 19, EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5; 11. April 2006 - 9 AZR 528/05 - Rn. 11, NZA 2006, 1217).


b) Auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts steht nicht fest, ob die Kläge­rin An­spruch auf Gleich­be­hand­lung mit Ar­beit­neh­mern hat, die noch nach der Stich­tags­ent­schei­dung der Be­klag­ten im Ju­ni 2004 ei­nen Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trag schlos­sen.


aa) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat im An­satz zu­tref­fend er­kannt, dass die Ab­leh­nung des Al­ters­teil­zeit­an­trags der Kläge­rin durch die Be­klag­te nicht schon des­we­gen gleich­be­hand­lungs­wid­rig ist, weil die Kläge­rin nach ih­rem Le­bens­al­ter vor­ran­gig vor an­de­ren Ar­beit­neh­mern be­rech­tigt ge­we­sen wäre. Die Re­vi­si­on stützt sich für ih­ren ge­gen­tei­li­gen Stand­punkt auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum Vor­ru­he­stand.


(1) Der Vier­te Se­nat hat ei­ne Lücke des Ta­rif­ver­trags zur Er­leich­te­rung des Über­gangs vom Ar­beits­le­ben in den Ru­he­stand für die Tex­til­in­dus­trie ei­nes Teils des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len nach dem Ta­rif­zweck durch ei­ne Aus­wahl nach dem Ent­ste­hungs­zeit­punkt des An­spruchs auf Ein­tritt in den Vor­ru­he­stand ge­schlos­sen. Grundsätz­lich ist der Ar­beit­neh­mer zu be­vor­zu­gen, der zu­erst die ta­rif­li­chen Vor­aus­set­zun­gen erfüllt (BAG 21. Ja­nu­ar 1987 - 4 AZR 547/86 - BA­GE 54, 113, 131 f.).
 


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(2) Nach die­ser Recht­spre­chung wird der Grund­satz des Vor­rangs des älte­ren Rechts im Ein­zel­fall durch das Prin­zip des Ver­trau­ens­schut­zes be­grenzt. Der Ar­beit­neh­mer, der sei­nen An­spruch auf Ein­tritt in den Vor­ru­he­stand erst zu ei­nem Zeit­punkt er­hebt, in dem der Ar­beit­ge­ber be­reits mit ei­nem „nach­ran­gi­gen“ Be­wer­ber ei­ne Vor­ru­he­stands­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen hat, muss die­se Vor­ru­he­stands­re­ge­lung grundsätz­lich ge­gen sich gel­ten las­sen. Das Ver­trau­en der Ver­trags­par­tei­en auf die ge­schlos­se­ne Vor­ru­he­stands­ver­ein­ba­rung ist auch im Außen­verhält­nis ge­genüber dem an­de­ren Ar­beit­neh­mer schutzwürdig (vgl. BAG 21. Ja­nu­ar 1987 - 4 AZR 547/86 - BA­GE 54, 113, 133 f.).


bb) Die­se Recht­spre­chung kann im Aus­gangs­punkt auf den im Streit­fall gel­tend ge­mach­ten Al­ters­teil­zeit­an­spruch über­tra­gen wer­den.


(1) Die Kläge­rin hat­te grundsätz­lich Vor­rang vor Ar­beit­neh­mern, die erst später die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Al­ters­teil­zeit­an­spruch erfüll­ten. Den­noch blieb die Be­klag­te an Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verträge ge­bun­den, die sie mit an­de­ren Ar­beit­neh­mern schloss, be­vor ihr der Al­ters­teil­zeit­an­trag der Kläge­rin am 2. Au­gust 2004 zu­ging.

(2) Be­son­der­heit des Falls ist, dass die Be­klag­te im Ju­ni 2004 den in der Zu­kunft lie­gen­den Stich­tag des 1. Ju­li 2004 be­stimm­te. Ab die­sem Zeit­punkt woll­te sie kei­ne wei­te­ren Al­ters­teil­zeit­an­ge­bo­te an­neh­men.

(a) Ei­ne sol­che Stich­tags­re­ge­lung ist zulässig. Die mit ihr ver­bun­de­nen Härten sind grundsätz­lich hin­zu­neh­men (vgl. in dem an­de­ren Zu­sam­men­hang des be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes bei Stich­tags­re­ge­lun­gen in So­zi­alplänen BAG 19. Fe­bru­ar 2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 27, ZIP 2008, 1087). Das gilt für die hier ta­rif­lich in die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen ein­be­zo­ge­ne Über­for­de­rungs­quo­te des § 3 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AltTZG in be­son­de­rem Maß. Die­se Re­ge­lung schützt die Ent­schei­dungs­frei­heit des Ar­beit­ge­bers. Sie überlässt es ihm ua., ob er ei­nen Stich­tag be­stimmt.
 


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(b) Be­stimmt der Ar­beit­ge­ber für Al­ters­teil­zeit­anträge ei­nen Stich­tag in der Zu­kunft, ob­wohl er die Über­last­quo­te schon über­schrit­ten hat, muss er bei der Gewährung die­ser frei­wil­li­gen über­ta­rif­li­chen Leis­tung den all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz be­ach­ten. Um den be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern die Ent­schei­dung darüber zu ermögli­chen, ob sie Al­ters­teil­zeit­anträge stel­len wol­len, hat der Ar­beit­ge­ber dafür zu sor­gen, dass ih­nen der Stich­tag be­kannt wird. Sonst kann es zu ei­ner zufälli­gen fak­ti­schen „Über­ho­lung“ von Ar­beit­neh­mern mit älte­ren Rech­ten kom­men. Ei­ne sol­che zufälli­ge Aus­wahl wäre sach­lich nicht ge­recht­fer­tigt, son­dern willkürlich. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird da­her auf­zuklären ha­ben, ob der Kläge­rin der Stich­tag des 1. Ju­li 2004 noch im Ju­ni 2004 be­kannt wur­de. Soll­te das nicht zu­tref­fen, hätte die Kläge­rin An­spruch auf die vor­ent­hal­te­ne Leis­tung, den Ab­schluss des mit dem Haupt­an­trag er­streb­ten Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags (vgl. Se­nat 14. Au­gust 2007 - 9 AZR 943/06 - Rn. 48, EzA BGB 2002 § 611a Nr. 5).

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