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LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 19.05.2006, 2 Sa 1/06

   
Schlagworte: Arbeitsvertrag: Befristung, Befristung: Verlängerung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 2 Sa 1/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.05.2006
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 13.12.2005, 31 Ca 9684/05
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.01.2008, 7 AZR 603/06
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Verkündet

am 19.05.2006

Ak­ten­zei­chen (bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben)

2 Sa 1/06

31 Ca 9684/04 (ArbG Stutt­gart)

Ur­kunds­be­am­ter der
Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit

- Be­klag­te/Be­ru­fungskläge­rin -

Proz.-Bev.:

ge­gen

- Kläge­rin/Be­ru­fungs­be­klag­te -

Proz.-Bev.:


hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg
- 2. Kam­mer - durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter
am Lan­des­ar­beits­ge­richt Hen­sin­ger,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Esch­mann
und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Sturm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 19.05.2006

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart vom 13.12.2005 (Az.: 31 Ca 9684/05) wird auf de­ren Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit der Be­fris­tung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31.08.2006.

Die Kläge­rin ist seit dem 01.09.2004 bei der Be­klag­ten, ei­nem D.un­ter­neh­men, als Verkäufe­r­in/Kas­sie­re­rin beschäftigt. Im ers­ten schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag vom 24.08.2004 wur­de das Ar­beits­verhält­nis oh­ne Sach­grund vom 01.09.2004 bis zum 31.08.2005 be­fris­tet. In die­sem Ar­beits­ver­trag wur­de ei­ne Beschäfti­gung in der Ver­kaufs­stel­le S.-H.straße .. bei ei­ner Ar­beits­zeit von 20 Wo­chen­stun­den und ei­ner Vergütung von 1.029,20 € brut­to (Ta­rif­ge­halt nach Ge­halts­grup­pe II, 6. Tätig­keits-/Be­rufs­jahr) ver­ein­bart. In Ziff, 1 des An­stel­lungs­ver­tra­ges ist die Be­stim­mung ent­hal­ten, dass die Fir­ma be­rech­tigt ist, die Ar­beit­neh­me­rin in ei­ner an­de­ren Ver­kaufs­stel­le ein­zu­set­zen. Am 11.07.2005 schlos­sen die Par­tei­en ei­nen wei­te­ren sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag vom 01.09.2005 bis zum 31.08.2006. Laut die­sem Ver­trag wird die Kläge­rin in der Ver­kaufs­stel­le S.-A.-K.Platz mit ei­ner Ar­beits­zeit von 30 St­un­den wöchent­lich und ei­ner Vergütung von 1.588,80 € brut­to (Ta­rif­ge­halt nach Ge­halts­grup­pe II, 6. Tätig­keits-/Be­rufs­jahr) ein­ge­setzt. Wie im ers­ten Ar­beits­ver­trag wur­de auch im zwei­ten For­mu­lar­ar­beits­ver­trag in Zif­fer 2 ei­ne Pro­be­zeit von drei Mo­na­ten ver­ein­bart. Im Übri­gen sind die Ver­trags­tex­te der bei­den schrift­li­chen Ar­beits­verträge iden­tisch.

Die Kläge­rin hält die Be­fris­tung des letz­ten Ver­tra­ges für un­wirk­sam.

Die Kläge­rin hat in der ers­ten In­stanz be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht auf­grund der Be­fris­tungs­ab­re­de im An­stel­lungs­ver­trag vom 11.07.2005 mit Ab­lauf des 31.08.2006 en­den wird.

Die Be­klag­te hat in der ers­ten In­stanz be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, dass die ver­ein­bar­te Be­fris­tung gemäß § 14 Abs. 2 Tz­B­fG wirk­sam ist.

 

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Das Ar­beits­ge­richt hat im am 13.12.2005 verkünde­ten Ur­teil der Fest­stel­lungs­kla­ge ent­spro­chen. Zur Be­gründung führt das Ur­teil ins­be­son­de­re an, dass die Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung vom 11.07.2005 ge­gen das An­schluss­ver­bot in § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG ver­s­toße. Ei­ne Verlänge­rung im Sin­ne des § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG lie­ge nicht vor. Die Verlänge­rung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 20 auf 30 St­un­den stel­le ei­nen Neu­ab­schluss ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges dar. We­gen der wei­te­ren Be­gründung des Ar­beits­ge­richts wird auf die Ent-schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ver­wie­sen.

Ge­gen die­ses der Be­klag­ten am 16.12.2005 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 11.01.2006 ein­ge­leg­te und aus­geführ­te Be­ru­fung der Be­klag­ten. Zur Be­gründung der Be­ru­fung trägt die Be­klag­te ins­be­son­de­re vor, dass die Erhöhung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit dem nach­weis­ba­ren Wunsch der Kläge­rin ent­spro­chen ha­be. Schon im Be­wer­bungs­fra­ge­bo­gen vom 17.08.2004 ha­be die Kläge­rin ei­ne Voll­zeit­beschäfti­gung gewünscht. Während ih­rer Beschäfti­gung im ers­ten Ver­trags­jahr ha­be die Kläge­rin ih­re Vor­ge­setz­te mehr­fach um ei­ne Erhöhung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit ge­be­ten, da sie drin­gend auf mehr Geld an­ge­wie­sen sei. Zu­letzt ha­be die Kläge­rin An­fang Ju­li 2005 in ei­nem Gespräch mit ih­rer Vor­ge­setz­ten um ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung in Voll­zeit ge­be­ten. Die Vor­ge­setz­te ha­be dann fest­ge­stellt, dass in ei­ner an­de­ren Ver­kaufs­stel­le ein Ar­beits­platz mit 30 Wo­chen­stun­den frei ge­wor­den sei. Die Initia­ti­ve zur Erhöhung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit sei des­halb von der Kläge­rin ge­kom­men. In ei­nem sol­chen Fall sei der Schutz­zweck des § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG nicht ver­letzt. We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Be­klag­ten im zwei­ten Rechts­zug wird auf den in der münd­li­chen Ver­hand­lung in Be­zug ge­nom­me­nen Schrift­satz vom 10.01.2006 ver­wie­sen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin ver­tei­digt des an­ge­foch­te­ne Ur­teil und trägt ins­be­son­de­re vor, dass die Erhöhung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit nicht auf ei­nem Ver­lan­gen der Kläge­rin be­ruht ha­be. Zwar ha­be die Kläge­rin we­ni­ge Wo­chen vor Aus­lau­fen des ers­ten be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges die Be­klag­te we­gen ei­nes An­schluss­ver­tra­ges und we­gen der bei Bewährung in Aus­sicht ge­stell­ten Voll­zeit­beschäfti­gung an­ge­fragt. Nach­dem die Be­klag­te kein ent­spre­chen­des An­ge­bot ge­macht ha­be, ha­be sie sich am Vor­mit­tag des 05.07.2005 bei der zuständi­gen Agen­tur für Ar­beit ar­beits­los

 

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ge­mel­det. Am Nach­mit­tag des 05.07.2005 ha­be ih­re Vor­ge­setz­te dann erklärt, dass der Ar­beits­ver­trag über den 31.08.2005 hin­aus nicht verlängert wer­de. Nach die­ser Ab­sa­ge ha­be sie dann ih­rer Vor­ge­setz­ten ei­ne Be­schei­ni­gung der Agen­tur für Ar­beit über­ge­ben. Völlig über­ra­schend ha­be dann die Vor­ge­setz­te am 07.07.2005 bei ihr an­ge­ru­fen und ge­fragt, ob sie in der Fi­lia­le am H. mit ei­nem St­un­den­vo­lu­men von 30 Wo­chen­stun­den ar­bei­ten wol­le. Dort ha­be ei­ne Kol­le­gin über­ra­schend gekündigt. We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Kläge­rin im zwei­ten Rechts­zug wird auf den in der münd­li­chen Ver­hand­lung in Be­zug ge­nom­me­nen Schrift­satz vom 18.01.2006 ver­wie­sen.

Im Be­ru­fungs­ter­min ist ei­ne Be­weis­auf­nah­me durch­geführt wor­den.

Ent­schei­dungs­gründe:

I.

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung der Be­klag­ten ist frist­ge­recht ein­ge­legt und aus­geführt wor­den. Im Übri­gen sind Be­den­ken an der Zulässig­keit der Be­ru­fung nicht ver­an­lasst.

II.

In der Sa­che hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht auf­grund der Be­fris­tungs­ab­re­de mit Ab­lauf des 31.08.2006 en­den wird. Die Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung der Par­tei­en ist we­der gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG noch aus sons­ti­gen Gründen wirk­sam.

1. Ei­ne Verlänge­rung im Sin­ne des § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halb­satz Tz­B­fG liegt nach der Recht-spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG, 26.07.2000 - 7 AZR 51/99 -, AP Nr. 4 zu § 1 BeschFG 1996; 25.10.2000 - 7 AZR 483/99 -, AP Nr. 6 zu § 1 BeschFG 1996; 19.02.2003 - 7 AZR 648/01 - nv), der sich die er­ken­nen­de Kam­mer an­sch­ließt, dann nicht vor, wenn die bis­he­ri­gen Ver­trags­be­din­gun­gen verändert wer­den.

Das folgt be­reits aus dem Wort­laut der Be­stim­mung. Der Be­griff der Verlänge­rung be­zieht sich auf die Lauf­zeit des Ver­trags. Ei­ne bloße Verlänge­rung lässt die übri­gen Ver­trags­be­stand­tei­le un­berührt. Wer­den die­se von den Par­tei­en aus An­lass der Be­en­di­gung des bis­he­ri­gen Ver­trags­verhält­nis­ses geändert, han­delt es sich um den Neu­ab­schluss ei­nes Ver­tra­ges und nicht nur um die Verlänge­rung der Lauf­zeit des bis­he­ri­gen Ver­tra­ges. Auch die Sys-

 

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te­ma­tik des Ge­set­zes spricht für die­se Aus­le­gung. Während § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG die drei­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags bis zu ei­ner Dau­er von 2 Jah­ren ge­stat­tet, ver­bie­tet § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG den un­mit­tel­ba­ren An­schluss zwei­er sach­grund­los be­fris­te­ter Ar­beits­verträge. Da­zu be­darf es ei­ner kon­kre­ten Ab­gren­zung zwi­schen ei­ner nach Satz 1 zulässi­gen Verlänge­rung und ei­ner ver­bo­te­nen An­schluss­be­fris­tung nach Satz 2. Das ver­langt aus Gründen der Rechts­si­cher­heit und der Rechts­klar­heit die Be­schränkung der Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten des § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG auf die Fälle ei­ner bloßen Verlänge­rung der Ver­trags­lauf­zeit un­ter Bei­be­hal­tung der sons­ti­gen Ver­trags­in­hal­te.

Die­ses Aus­le­gungs­er­geb­nis ent­spricht auch dem Ge­set­zes­zweck. Da­nach hat der Ge­setz­ge­ber des ar­beits­recht­li­chen Beschäfti­gungsförde­rungs­ge­set­zes und der Nach­fol­ge­re­ge­lung des Tz­B­fG an dem Dau­er­ar­beits­verhält­nis als Nor­mal­ar­beits­verhält­nis fest­ge­hal­ten. Zur Ver­bes­se­rung der Ein­stel­lungs­chan­cen von Ar­beit­neh­mern hat er gleich­wohl er­leich­ter­te Be­fris­tungsmöglich­kei­ten zu­ge­las­sen, da­mit die Ar­beit­ge­ber fle­xi­bel auf un­ge­si­cher­te oder vorüber­ge­hen­de Be­darfs­la­gen re­agie­ren können. Da­zu wur­de die Ge­samt­dau­er ei­nes oh­ne Sach­grund be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags ge­genüber dem frühe­ren Recht auf 24 Mo­na­te aus­ge­dehnt und bis zu die­ser Ge­samt­dau­er ei­ne Auf­tei­lung in ma­xi­mal vier be­lie­bi­ge Zeit­ab­schnit­te ge­stat­tet. Das soll­te die Ar­beit­ge­ber ver­an­las­sen, an­stel­le von Über­stun­den und Son­der­schich­ten be­fris­te­te An­stel­lun­gen vor­zu­neh­men oh­ne Ge­fahr zu lau­fen, bei Feh­len ei­nes Sach­grunds zur Recht­fer­ti­gung der Be­fris­tung ei­nen Ar­beit­neh­mer dau­er­haft beschäfti­gen zu müssen. Um die­ses Ziel zu er­rei­chen, be­durf­te es zwar ei­ner Be­schränkung des durch die ar­beits­ge­richt­li­che Be­fris­tungs­kon­trol­le gewähr­leis­te­ten Be­stands­schut­zes, nicht je­doch ei­ner zusätz­li­chen Be­schränkung des Ände­rungs­schut­zes, der auch für be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se gilt (zum Vor­ste­hen­den: BAG, 26.07.2000, a.a.O.; KR-Lip­ke, 7. Auf­la­ge, § 14 Tz­B­fG Rd­nr. 287 ff.; EK-Müller-Glöge, 6. Auf­la­ge, § 14 Tz­B­fG Rd­nr. 113 ff.; Gräfl/Ar­nold, Tz­B­fG, § 14 Rd­nr. 214, je­weils m. w. N.).

Im Schriftum (APS-Back­haus, 2. Auf­la­ge, § 14 Tz­B­fG 374 ff. m. w. N.) wird ge­gen die­se Recht­spre­chung teil­wei­se ein­ge­wen­det, der Be­griff der Verlänge­rung könne un­abhängig von der Ver­trags­lauf­zeit auch Verträge mit geänder­ten Ver­trags­in­halt um­fas­sen.

Die in der Li­te­ra­tur vor­ge­brach­ten Be­den­ken ge­gen die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts über­zeu­gen nicht. Un­ter Be­ach­tung von Sinn und Zweck der ge­setz­li­chen Re­ge­lung des § 14 Abs. 2 Tz­B­fG ist am Er­for­der­nis des un­veränder­ten Ver­trags­in­halts fest­zu­hal­ten, wo­bei im We­ge te­leo­lo­gi­scher Re­duk­ti­on al­ler­dings Aus­nah­men von dem an­sons­ten ein­schlägi­gen An­schluss­ver­bot für den Fall zu ma­chen sind, dass die Ände­rung der Ver-

 

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trags­be­din­gun­gen - wie et­wa ei­ne Loh­nerhöhung - un­zwei­fel­haft für den Ar­beit­neh­mer güns­ti­ger sind. Der Schutz­zweck, die ma­te­ri­el­len Ar­beits­be­din­gun­gen bei­zu­be­hal­ten ist dann nicht berührt. Der Ar­beit­neh­mer steht in die­sem Fall nicht in der Ge­fahr, ei­ne Verlänge­rung der sach­grund­lo­sen Be­fris­tung auf Kos­ten ei­ner Ver­schlech­te­rung von Ar­beits­be­din­gun­gen hin­neh­men zu müssen (KR-Lip­ke, a.a.O. Rd­nr. 290). In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch das Ver­lan­gen des Ar­beit­neh­mers nach ei­ner Ände­rung der ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit (§§ 8, 9 Tz­B­fG) zu be­wer­ten. Der nach­weis­ba­re Wunsch des Ar­beit­neh­mers, die bis­he­ri­ge Ar­beits­zeit zu ver­rin­gern oder zu erhöhen er­zeugt kei­nen „Wer­tungs­wi­der­spruch“ zu dem Grund­satz, dass bei Verlänge­rung der Ver­trags­zeit ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges nach Ab­satz 2 re­gelmäßig die Ver­trags­be­din­gun­gen un­verändert fort­gel­ten müssen. Ei­ne vom Ar­beit­neh­mer herrühren­de Initia­ti­ve, sei­ne Ar­beits­zeit zu verändern, kann in­so­weit den Schutz­zweck der Norm aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG nicht ver­let­zen (KR-Lip­ke, a.a.O., Rd­nr. 291, m. w. N.).

2. Bei An­wen­dung die­ser vor­ge­nann­ten Rechts­grundsätze han­delt es sich bei dem zwei­ten be­fris­te­ten Ver­trag vom 11.07.2005 nicht um ei­nen Verlänge­rungs­ver­trag im Sin­ne des § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG, da die wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 20 auf 30 Wo­chen­stun­den erhöht wor­den ist und die Be­klag­te nicht be­wie­sen hat, dass die­se Erhöhung der Ar­beits­zeit auf­grund des Ver­lan­gens der Kläge­rin er­folgt ist. Viel­mehr han­delt es sich um den Neu­ab­schluss ei­nes sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges der ge­gen das An­schluss­ver­bot des § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG verstößt.

Wie das Ar­beits­ge­richt zu Recht ausführt, han­delt es sich bei der Verlänge­rung der Ar­beits­zeit um kei­ne für den Ar­beit­neh­mer ein­deu­tig güns­ti­ge­re Ände­rung. Ei­ne Verlänge­rung der Ar­beits­zeit kann je nach Ein­zel­fall für den Ar­beit­neh­mer güns­ti­ger oder auch ungüns­ti­ger sein (vgl. zu die­ser Pro­ble­ma­tik: Gräfl/Ar­nold, a.a.O., Rd­nr. 214).

Die in­so­weit be­weis­be­las­te­te Be­klag­te hat auch nicht be­wie­sen, dass die Verlänge­rung der Ar­beits­zeit auf­grund ei­nes Wun­sches der Kläge­rin er­folgt ist. Auch wenn ei­ne be­stimm­te Form des Verlänge­rungs­wun­sches nicht vor­ge­schrie­ben ist, er­for­dert ein Wunsch im Sin­ne des § 9 Tz­B­fG ei­ne deut­li­che Wil­lensäußerung im Hin­blick auf die Verlänge­rung der Ar­beits­zeit. Ei­ne gewünsch­te Ar­beits­zeit in ei­nem Be­wer­bungs-/Fra­ge­bo­gen im Vor­feld ei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses reicht dafür nicht aus, schon gar nicht, wenn die gewünsch­te Ar­beits­zeit (Voll­zeit) und die an­ge­bo­te­ne Ar­beits­zeit (30 St­un­den) nicht übe­rein­stim­men.

Zwar hat die Kläge­rin im Be­wer­bungs­fra­ge­bo­gen der Be­klag­ten als erwünsch­te Ar­beits­zeit ei­ne Voll­zeit­beschäfti­gung an­ge­ge­ben, so dass der Vor­trag der Be­klag­ten und die Aus­sa­ge

 

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der Zeu­gen S. plau­si­bel sind, die Kläge­rin ha­be die Be­klag­te während der Lauf­zeit des ers­ten be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges mehr­fach auf ei­ne Verlänge­rung der Ar­beits­zeit an­ge­spro­chen. Die Kläge­rin hat die­sen Vor­trag al­ler­dings be­strit­ten und be­haup­tet, sie ha­be ih­re Vor­ge­setz­te nur auf ei­ne Verlänge­rung des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges mit 20 Wo­chen­stun­den an­ge­spro­chen.

Nach der Ver­neh­mung der Zeu­gin S. im Be­ru­fungs­ter­min ist die er­ken­nen­de Kam­mer nicht von der Be­haup­tung der Be­klag­ten über­zeugt, dass die Zeu­gin S. in ih­rer Funk­ti­on als Be­zirks­lei­te­rin der Kläge­rin des­halb ei­ne Stel­le in ei­ner an­de­ren Fi­lia­le mit ei­ner erhöhten Ar­beits­zeit an­ge­bo­ten hat, weil die Kläge­rin zu­vor ei­nen ent­spre­chen­den Wunsch geäußert hat. Da­ge­gen steht der Vor­trag der Kläge­rin, dass sie - nach­dem sie sich gemäß § 37 b Satz 2 SGB III am Vor­mit­tag des 05.07.2005 bei der zuständi­gen Agen­tur für Ar­beit ar­beits­su­chend ge­mel­det hat­te - am Nach­mit­tag des 05.07.2005 von der Zeu­gin die Mit­tei­lung be­kom­men hat, das Ar­beits­verhält­nis wer­de über den 31.08.2005 hin­aus nicht verlängert. Auf den Vor­halt die­ses Vor­brin­gens der Kläge­rin hat die Zeu­gin erklärt, dass sie die­sen Vor­trag nicht bestäti­gen, sie sich dar­an aber auch nicht mehr er­in­nern könne. Die­se Aus­sa­ge der Zeu­gin reicht nicht aus, dass die er­ken­nen­de Kam­mer da­von über­zeugt ist, die Verlänge­rung der Ar­beits­zeit be­ru­he auf ei­nem Wunsch der Kläge­rin im Vor­feld des Ver­trags­ab­schlus­ses vom 11.07.2005. Ei­ne Be­haup­tung ist dann be­wie­sen, wenn das Ge­richt von ih­rer Wahr­heit über­zeugt ist, oh­ne da­bei un­erfüll­ba­re An­for­de­run­gen zu stel­len. Hierfür genügt, da ei­ne ab­so­lu­te Ge­wiss­heit nicht zu er­rei­chen und je­de Möglich­keit des Ge­gen­teils nicht aus­zu­sch­ließen ist, ein für das prak­ti­sche Le­ben brauch­ba­rer Grad von Ge­wiss­heit, ein für ei­nen vernünf­ti­gen, die Le­bens­verhält­nis­se klar über­schau­en­den Men­schen so ho­her Grad von Wahr­schein­lich­keit, dass er den Zwei­feln Schwei­gen ge­bie­tet, oh­ne sie völlig aus­zu-schließen (ständi­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­ho­fes, z. B. BGHZ 53, 245/256).

Wenn man die­sen Maßstab an die Zeu­gen­aus­sa­ge der Zeu­gin S. an­legt, ver­blei­ben er­heb-li­che Zwei­fel an der Rich­tig­keit des Be­klag­ten­vor­brin­gens. Die Kläge­rin hat glaub­haft geäußert, dass sie - nach­dem sie wo­chen­lang die Vor­ge­setz­te nach ei­ner Verlänge­rung des am 31.08.2005 aus­lau­fen­den Ar­beits­ver­tra­ges ge­fragt hat­te - am Vor­mit­tag des 05.07.2005 zur Agen­tur für Ar­beit ge­gan­gen ist und sich ar­beits­su­chend ge­mel­det und am Nach­mit­tag dann die Nach­richt von der Nicht­verlänge­rung des Ar­beits­ver­tra­ges von der Vor­ge­setz­ten be­kom­men hat. Die­sen Vor­trag hat die Zeu­gin zwar nicht bestätigt. Sie hat ihm je­doch auch nicht wi­der­spro­chen, son­dern erklärt, sie könne sich dar­an nicht mehr er­in­nern. Auf­grund die­ser Zeu­gen­aus­sa­ge ist des­halb nicht aus­zu­sch­ließen, dass die Be­klag­te der Kläge­rin am 11.07.2005 die Erhöhung der Ar­beits­zeit nicht auf­grund ei­nes im Vor­feld die­ses zwei­ten be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses geäußer­ten Wun­sches der Kläge­rin an­ge­bo­ten hat, son­dern

 

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weil kurz­fris­tig ein Ar­beits­platz mit ei­ner Ar­beits­zeit von 30 Wo­chen­stun­den frei­ge­wor­den ist. Das Ge­richt ist des­halb nicht von der Verlänge­rung der Ar­beits­zeit auf­grund ei­nes Wun­sches der Kläge­rin über­zeugt.

3. Da der zwei­te be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag schon aus vor­ge­nann­ten Gründen ge­gen das An-schluss­ver­bot des § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG verstößt, kommt es nicht auf die wei­te­re Fra­ge an, ob die in Zif­fer 2 des Ver­tra­ges vom 11.07.2005 er­neut ver­ein­bar­te Pro­be­zeit von drei Mo­na­ten der An­nah­me ei­ner Verlänge­rung grundsätz­lich ent­ge­gen­steht (vgl. da­zu BAG, 24.01.2001 - 7 AZR 567/99 - nv). Die Ver­ein­ba­rung ei­ner er­neu­ten Pro­be­zeit mit verkürz­ten Kündi­gungs­fris­ten hätte zur Fol­ge, dass nach Ab­lauf des ers­ten be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges zunächst verkürz­te Kündi­gungs­fris­ten ge­gol­ten ha­ben. Beim vor­lie­gen­den Sach­ver­halt ist es auch nicht of­fen­sicht­lich, dass die Par­tei­en bei der er­neu­ten Ver­wen­dung des Ar­beits­ver­trags­for­mu­la­res die Strei­chung der Pas­sa­ge über die Pro­be­zeit ver­se­hent­lich ver­ges­sen ha­ben. Es kann auch Gründe für ei­ne er­neu­te Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit (z. B. Er­pro­bung der Kläge­rin in der neu­en Fi­lia­le) ge­ge­ben ha­ben.

4. Die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en vom 11.07.2005 ist auch nicht aus sons­ti­gen Gründen wirk­sam. Die Be­klag­te hat kei­nen die Be­fris­tung recht­fer­ti­gen­den Sach­grund vor­ge­tra­gen.

III.

Da so­mit die Be­ru­fung der Be­klag­ten kei­nen Er­folg ha­ben konn­te, hat sie die Kos­ten ih­res er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tra­gen.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

 

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­ses Ur­teil fin­det die Re­vi­si­on der Be­klag­ten an das Bun­des­ar­beits­ge­richt statt. Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung des Be­ru­fungs­ur­teils, die Re­vi­si-ons­be­gründung in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach die­sem Zeit­punkt bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,

99113 Er­furt

ein­ge­hen.

Die Re­vi­si­ons- und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

 

Hen­sin­ger

Esch­mann

Sturm

 

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