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LSG Nord­rhein-West­fa­len, Ur­teil vom 21.03.2007, L 12 AL 113/06

   
Schlagworte: Arbeitslosengeld
   
Gericht: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen: L 12 AL 113/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.03.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 27.06.2006, S 31 AL 236/05
   

So­zi­al­ge­richts­bar­keit Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land

 

NRW • Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len 12. Se­nat

1. In­stanz So­zi­al­ge­richt Dort­mund S 31 AL 236/05 27.06.2006
2. In­stanz Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len L 12 AL 113/06 21.03.2007 rechts­kräftig
3. In­stanz Bun­des­so­zi­al­ge­richt B 11a AL 23/07 R 29.05.2008

Sach­ge­biet: Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung

 

Ent­schei­dung

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des So­zi­al­ge­richts Dort­mund vom 27.06.2006 wird zurück­ge­wie­sen. Außer­ge­richt­li­che Kos­ten sind auch im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nicht zu er­stat­ten. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Höhe des Ar­beits­lo­sen­gel­des.

Die Kläge­rin ist von Be­ruf Kauf­frau im Groß- und Außen­han­del. Sie war ab 01.10.1998 als sach­be­ar­bei­ten­de Dis­po­nen­tin im Kun­den­dienst beschäftigt. Vom 24.01.2002 bis 24.01.2005 ist sie nicht beschäftigt ge­we­sen we­gen ei­nes Beschäfti­gungs­ver­bo­tes nach dem Mut­ter­schutz­ge­setz und sich dar­an an­sch­ließen­den Er­zie­hungs­ur­laubs (Ge­burt des Kin­des 00.01.2002). Am 25.01.2005 wur­de sie aus be­triebs­be­ding­ten Gründen un­ter Frei­stel­lung von der Ar­beits­leis­tung zum 31.03.2005 gekündigt.

Die Kläge­rin mel­de­te sich am 27.01.2005 zum 01.04.2005 ar­beits­los.

Mit Be­scheid vom 19.04.2005 be­wil­lig­te die Be­klag­te Ar­beits­lo­sen­geld für 360 Ka­len­der­ta­ge in Höhe von 21,69 EUR täglich. Grund­la­ge der Be­rech­nung war ei­ne tägli­ches Ar­beits­ent­gelt in Höhe von 64,40 EUR, die Steu­er­klas­se V und der erhöhte Leis­tungs­satz von 67%. Die Be­mes­sung des Ar­beits­lo­sen­gel­des be­gründe­te die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 25.04.2005 da­mit, dass der Be­mes­sung gem. § 132 Abs. 1 Drit­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch - SGB III - ein fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt zu­grun­de ge­legt wor­den sei, weil in­ner­halb von 2 Jah­ren vor An­spruchs­be­ginn nicht min­des­tens 150 Ta­ge mit Ar­beits­ent­gelt fest­ge­stellt wer­den konn­ten. Das fik­ti­ve Ar­beits­ent­gelt sei auf­grund der Zu­ord­nung zu ei­ner Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe fest­zu­set­zen ge­we­sen, und zwar nach Qua­li­fi­ka­ti­ons­stu­fe 3 (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 SGB III), weil sich die Ver­mitt­lungs­bemühun­gen in ers­ter Li­nie auf ei­ne Beschäfti­gung er­stre­cken würden, für die ei­ne Aus­bil­dung er­for­der­lich sei.

Ge­gen die­sen Be­scheid leg­te die Kläge­rin Wi­der­spruch ein, mit dem sie gel­tend mach­te, der Be­rech­nung sei das von ihr in den letz­ten 12 Mo­na­ten ih­rer Be­rufstätig­keit er­ziel­te Ge­halt zu­grun­de zu le­gen.

Die Be­klag­te wies den Wi­der­spruch mit Wi­der­spruchs­be­scheid vom 19.05.2005 zurück.

Da­ge­gen er­hob die Kläge­rin am 13.06.2005 vor dem So­zi­al­ge­richt Dort­mund (SG) Kla­ge. Zur Be­gründung trug sie im We­sent­li­chen vor, bei Aus­klam­me­rung ih­rer Zei­ten für Mut­ter­schutz und Er­zie­hungs­ur­laub sei von ei­nem Be­mes­sungs­zeit­raum ab 01.04.2001 aus­zu­ge­hen. In die­sem Zeit­raum sei­en 150 Ta­ge Ar­beits­ent­gelt an­ge­fal­len. Sie ver­wies im Übri­gen auf ei­ne Ent­schei­dung des So­zi­al­ge­richts Ber­lin vom 29.05.2006 (S 77 AL 961/06).

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

den Be­scheid vom 19.04.2005 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 19.05.2005 teil­wei­se auf­zu­he­ben und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihr höhe­res Ar­beits­lo­sen­geld un­ter Berück­sich­ti­gung des Ar­beits­ent­gelts vor Ein­tritt von Mut­ter­schafts- und Er­zie­hungs­zei­ten zu gewähren.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das SG hat durch Ur­teil vom 27.06.2006 die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung aus­geführt, die Be­klag­te ha­be das Ar­beits­lo­sen­geld der Kläge­rin in zu­tref­fen­der Höhe ent­spre­chend den ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen be­rech­net. Nach § 132 SGB III sei das Be­mes­sungs­ent­gelt fik­tiv fest­zu­stel­len, wenn ein Be­mes­sungs­zeit­raum von min­des­tens 150 Ta­gen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt in­ner­halb des auf 2 Jah­re er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­mens nicht fest­ge­stellt wer­den könne. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lägen hier vor. Bei dem Aus­schei­den der Kläge­rin aus ih­rem Beschäfti­gungs­verhält­nis am 31.03.2005 hätten sich in den 2 Jah­ren da­vor kei­ne 150 Ta­ge mit Ar­beits­ent­gelt fest­stel­len las­sen. Ei­ne Er­wei­te­rung des

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Zwei­jah­res­zeit­raums auf mehr als 2 Jah­re sei in § 130 Abs. 3 SGB III nicht vor­ge­se­hen. Die Kam­mer hal­te - im Ge­gen­satz zu der von der Kläge­rin vor­ge­leg­ten Ent­schei­dung des So­zi­al­ge­richts Ber­lin - die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten we­gen ih­res ein­deu­ti­gen Wort­lauts nicht für da­hin­ge­hend aus­leg­bar, dass ei­ne Verlänge­rung über 2 Jah­re hin­aus vor­ge­nom­men wer­den könn­te. Die Kam­mer ha­be auch kei­ne ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken ge­gen die Vor­schrif­ten §§ 130, 132 SGB III. Die fik­ti­ve Ein­stu­fung nach § 132 SGB III ori­en­tie­re sich nach 4 Stu­fen der be­ruf­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on der Ver­si­cher­ten. Ei­ne sol­che Pau­scha­lie­rung sei im So­zi­al­ver­si­che­rungs­recht grundsätz­lich un­be­denk­lich. Die Kam­mer ha­be auch kei­nen An­halts­punkt dafür, dass die Pau­scha­len der­art gra­vie­rend un­ter dem tatsächlich er­ziel­ten Ein­kom­men lie­gen würden, dass sich dar­aus ver­fas­sungs­recht­li­che Be­den­ken er­ge­ben könn­ten.

Das Ur­teil ist der Kläge­rin am 13.07.2006 zu­ge­stellt wor­den. Am 02.08.2006 hat sie da­ge­gen Be­ru­fung ein­ge­legt, die sie eben­so wie zu­vor die Kla­ge auf das Ur­teil des SG Ber­lin vom 29.05.2006 stützt.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des So­zi­al­ge­richts Dort­mund vom 27.06.2006 zu ändern und nach dem erst­in­stanz­li­chen An­trag zu er­ken­nen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie hält die Ent­schei­dung des SG für zu­tref­fend.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird Be­zug ge­nom­men auf den In­halt der Ge­richts­ak­ten und der Ver­wal­tungs­ak­ten der Be­klag­ten. Die­se Ak­ten wa­ren Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die zulässi­ge Be­ru­fung ist un­be­gründet.

Das So­zi­al­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Die an­ge­foch­te­nen Be­schei­de sind rechtmäßig, denn der Kläge­rin steht kein höhe­res Ar­beits­lo­sen­geld zu.

An­wend­bar ist vor­lie­gend das seit dem 01.01.2005 gel­ten­de Be­mes­sungs­recht des SGB III, das auf dem Drit­ten Ge­setz für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23.12.2003 (BGBl I S. 2848) be­ruht (all­ge­mein da­zu Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel, SGB III, Vor §§ 129-134 Rn. 3 ff.). Nach § 129 SGB III beträgt das Ar­beits­lo­sen­geld für Ar­beits­lo­se, die min­des­tens ein Kind ha­ben, 67 Pro­zent des pau­scha­lier­ten Net­to­ent­gelts (Leis­tungs­ent­gelt), das sich aus dem Brut­to­ent­gelt er­gibt, das der Ar­beits­lo­se im Be­mes­sungs­zeit­raum er­zielt hat (Be­mes­sungs­ent­gelt). Der Be­mes­sungs­zeit­raum um­fasst gem. § 130 Abs. 1 SGB III die beim Aus­schei­den des Ar­beits­lo­sen aus dem je­wei­li­gen Beschäfti­gungs­verhält­nis ab­ge­rech­ne­ten Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträume der ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gun­gen im Be­mes­sungs­rah­men. Der Be­mes­sungs­rah­men um­fasst ein Jahr, er en­det mit dem letz­ten Tag des letz­ten Ver­si­che­rungs­pflicht­verhält­nis­ses (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Bei der Emitt­lung des Be­mes­sungs­zeit­raums blei­ben be­stimm­te Zei­ten außer Be­tracht (§ 130 Abs. 2 SGB III). Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III wird der Be­mes­sungs­rah­men auf zwei Jah­re er­wei­tert, wenn der Be­mes­sungs­zeit­raum we­ni­ger als 150 Ta­ge mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt enthält. Kann ein Be­mes­sungs­zeit­raum von min­des­tens 150 Ta­gen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt in­ner­halb des auf zwei Jah­re er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­mens nicht fest­ge­stellt wer­den, ist als Be­mes­sungs­ent­gelt ein fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt zu­grun­de zu le­gen (§ 132 Abs. 1 SGB III).

Im Fall der Kläge­rin kann ein Be­mes­sungs­zeit­raum von min­des­tens 150 Ta­gen in­ner­halb des Be­mes­sungs­rah­mens nicht fest­ge­stellt wer­den. Selbst wenn der Be­mes­sungs­rah­men auf zwei Jah­re verlängert würde, ver­lie­fe er nur vom 01.04.2003 bis 31.03.2005, dem En­de des let­zen Ver­si­che­rungs­pflicht­verhält­nis­ses der Kläge­rin vor der An­spruchs­ent­ste­hung. Die Kläge­rin hat auf­grund von Mut­ter­schutz- und Er­zie­hungs­zei­ten in dem Zeit­raum 24.01.2002 bis 24.01.2005 kein Ar­beits­ent­gelt er­zielt. Das im An­schluss dar­an bis 31.03.2005 ge­zahl­te Ent­gelt um­fasst kei­ne 150 Ta­ge.

Ei­ne Verlänge­rung, Ver­schie­bung oder Tei­lung des Be­mes­sungs­rah­mens we­gen der Mut­ter­schutz- bzw. Er­zie­hungs­zei­ten, wie sie die Kläge­rin - gestützt auf das Ur­teil des SG Ber­lin v. 29.05.2006 (S 77 AL 961/06) - in An­wen­dung des § 130 Abs. 2 SGB III vor­neh­men will, ist nicht möglich. Schon der Wort­laut des § 130 Abs. 1 und 2 SGB III steht der Kon­struk­ti­on des SG Ber­lin ent­ge­gen, wo­nach der Be­mes­sungs­rah­men Tat­be­stands­merk­mal des Be­mes­sungs­zeit­raums und da­her teil­bar und ver­schieb­bar sei. In § 130 Abs. 1 SGB III wer­den bei­de Be­grif­fe klar un­ter­schie­den (da­zu BSG v. 02.09.2004 - B 7 AL 68/03 R - SozR 4-4300 § 416a Nr. 1 Rn. 19; vgl auch LSG Ba­den-Würt­tem­berg 15.09.2006 - L 8 AL

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3082/06 - Rn. 19). § 130 Abs. 2 SGB III, der die außer Be­tracht zu blei­ben­den Zei­ten be­nennt, be­zieht sich aus­drück­lich nur auf den Be­mes­sungs­zeit­raum.

Ei­ne er­wei­tern­de Aus­le­gung wi­der­spricht da­ne­ben auch dem Sinn und Zweck des Be­mes­sungs­rechts, nämlich we­gen des Lohn­er­satz­cha­rak­ters des Ar­beits­lo­sen­gel­des ei­ne zeit­li­che Nähe zum ak­tu­ell er­ziel­ba­ren Ar­beits­ent­gelt si­cher­zu­stel­len (vgl. da­zu Ur­teil des Se­nats vom 10.3.2004 - L 12 AL 83/03 -; Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel, SGB III, § 130 Rn. 1 f.). Sch­ließlich führt die Auf­fas­sung der Kläge­rin so­wie des SG Ber­lin kei­nes­falls zu ei­ner Ver­ein­fa­chung der Be­mes­sung. Sie wi­der­spricht da­mit auch die­sem klar for­mu­lier­ten Ziel der Neu­re­ge­lung des Be­mes­sungs­rechts ab 01.01.2005 (vgl. da­zu Bun­des­tags­druck­sa­che 15/1515, S. 85).

Ge­ra­de we­gen die­ser sach­lich be­gründ­ba­ren Zie­le be­ste­hen kei­ne durch­grei­fen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken ge­genüber dem Re­ge­lungs­kon­zept, selbst wenn - wie hier - Mut­ter­schafts- und Er­zie­hungs­zei­ten mit ursächlich dafür ge­wor­den sind, dass ei­ne fik­ti­ve Be­mes­sung zu er­fol­gen hat (so be­reits Ur­teil des Se­nats v. 10.3.2004 - L 12 AL 83/03 - Rn. 29 zu § 133 Abs. 4 SGB III in der bis 31.12.2004 gel­ten­den Fas­sung). Zwar hat nach Art. 6 Abs. 4 Grund­ge­setz (GG) je­de Mut­ter An­spruch auf den Schutz und die Fürsor­ge der Ge­mein­schaft. Dar­aus kann aber nicht ab­ge­lei­tet wer­den, dass der Ge­setz­ge­ber ge­hal­ten wäre, je­de mit der Mut­ter­schaft zu­sam­menhängen­de wirt­schaft­li­che Be­las­tung (ins­be­son­de­re auf dem Ge­biet der So­zi­al­ver­si­che­rung) aus­zu­glei­chen (BSG, Ur­teil vom 21.10.2003, BS­GE 91, 226 ff.).

Die Be­klag­te hat da­her vor­lie­gend zu Recht auf der Grund­la­ge des § 132 SGB III der Be­rech­nung des Ar­beits­lo­sen­gel­des ein fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt zu­grun­de ge­legt. Eben­falls nicht zu be­an­stan­den ist, dass sie die Kläge­rin der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe 3 (§ 132 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III) zu­ge­ord­net hat, denn die Be­klag­te er­streckt ih­re Ver­mitt­lungs­bemühun­gen auf ei­ne Beschäfti­gung die ei­ne ab­ge­schlos­se­ne Aus­bil­dung in ei­nem Aus­bil­dungs­be­ruf er­for­dert (Kauf­frau im Groß- und Außen­han­del). Dass für die Kläge­rin ei­ne qua­li­fi­zier­te­re Tätig­keit in Be­tracht kom­men könn­te, ist nicht er­sicht­lich. Aus § 132 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III folgt ein fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt und da­mit Be­mes­sungs­ent­gelt in Höhe von täglich 64,40 EUR, dass die Be­klag­te der Be­re­chung auch zu­grun­de ge­legt hat.

Der Se­nat konn­te sich nicht da­von über­zeu­gen, dass die in § 132 Abs. 2 SGB III kon­kret vor­ge­ge­be­nen Pau­schal­beträge ver­fas­sungs­wid­rig sind (an­ders auch in­so­weit SG Ber­lin, Ur­teil v. 29.05.2006 - S 77 AL 961/06 - Rn. 63 ff., 81). Zwar sind die vor­ge­brach­ten Be­den­ken im Hin­blick auf die Kri­te­ri­en der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen­bil­dung und Zu­ord­nung der fik­ti­ven Ent­gel­te durch­aus be­acht­lich. Je­doch hat der Ge­setz­ge­ber ei­nen Einschätzungs­spiel­raum, der letzt­lich nur da­hin­ge­hend zu über­prüfen ist, ob der Einschätzung aus­rei­chen­de Er­fah­rungs­wer­te zu­grun­de ge­legt wur­den (vgl. Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel, SGB III, § 132 Rn, 50). Wie die Recht­spre­chung des BSG zur Fest­le­gung der Höhe der Re­gel­leis­tung nach § 20 Abs. 2 So­zi­al­ge­setz­buch Zwei­tes Bu­ches - SGB II - (vgl. nur BSG v. 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - Rn. 46 ff.) zeigt, sind die An­for­de­run­gen ge­ring. Im Hin­blick auf die Erläute­rung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit und So­zia­les vom 14.12.2005 zur Neu­re­ge­lung des § 132 SGB III (do­ku­men­tiert als An­la­ge zu § 132 in Ei­cher/Schle­gel, SGB III) mit dem Hin­weis auf die Ge­halts- und Lohn­struk­tur­er­he­bung des Jah­res 1995, wird man die zu­grun­de ge­leg­ten Er­fah­rungs­wer­te als aus­rei­chend an­se­hen und da­von aus­ge­hen können, dass der Ge­setz­ge­ber sei­nen Spiel­raum nicht über­schrit­ten hat. Rich­tig ist zwar, dass es sich hier um ein Schrei­ben der Exe­ku­ti­ve han­delt (da­zu auch SG Ber­lin, Ur­teil v. 29.05.2006 - S 77 AL 961/06 - Rn. 86). Je­doch ist es - un­be­scha­det der ver­fas­sungs­recht­li­chen La­ge - mitt­ler­wei­le po­li­ti­sche Rea­lität, dass ge­ra­de in Spe­zi­al­be­rei­chen - so auch im So­zi­al­recht - die Ge­setz­ge­bung durch die Exe­ku­ti­ve ent­schei­dend ge­stal­tet wird. Die­se ist da­her auch in der La­ge, au­then­tisch zu den Mo­ti­ven des Ge­setz­ge­bers Stel­lung zu neh­men.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Die Re­vi­si­on wird we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

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