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LAG Schles­wig-Hol­stein, Be­schluss vom 01.04.2009, 3 TaBV­Ga 2/09

   
Schlagworte: Betriebsrat, Meinungsfreiheit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 3 TaBVGa 2/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 01.04.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Lübeck, 11. Dezember 2008, Az: See 3 BVGa 137 c/08, Beschluss
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 3 TaBV­Ga 2/09
See 3 BV Ga 137 c/08 ArbG Lübeck
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 01.04.2009

gez. ...
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Be­schluss

Im Na­men des Vol­kes

Im Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten pp.

hat die 3. Kam­mer des auf die Anhörung der Be­tei­lig­ten am 01.04.2009 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt ... als Vor­sit­zen­de, den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ...

b e s c h l o s s e n:

Auf die Be­schwer­de des An­trags­geg­ners wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Lübeck vom 11.12.2008 – See 3 BV­Ga 137 c/08 – ab­geändert:

Die Anträge wer­den zurück­ge­wie­sen.

Die Rechts­be­schwer­de wird nicht zu­ge­las­sen.

Recht­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­sen Be­schluss ist ein Recht­mit­tel nicht ge­ge­ben. Im Übri­gen wird auf § 91 a ArbGG hin­ge­wie­sen.

Gründe

 

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I.

Die Be­tei­lig­ten strei­ten aus An­lass ei­nes Be­triebs­rats-In­fos um das Be­ste­hen ei­nes Be­sei­ti­gungs- und Un­ter­las­sungs­an­spru­ches der Ar­beit­ge­be­rin.

Die An­trag­stel­le­rin ist ei­ne Ree­de­rei. Sie un­terhält an Bord ih­rer Fähr­schif­fe - der MS N. und der MS R. – Crew-Kan­ti­nen, in de­nen die Be­sat­zungs­mit­glie­der un­ter an­de­rem Ta­bak­wa­ren, al­ko­ho­li­sche Ge­tränke und Süßwa­ren zoll­frei zum ei­ge­nen Ver­zehr kau­fen können.

An­trags­geg­ner ist der bei ihr ge­bil­de­te Be­triebs­rat.

En­de Sep­tem­ber/An­fang Ok­to­ber 2008 stell­te die Zoll­fahn­dung beim langjähri­gen Be­sat­zungs- und Be­triebs­rats­mit­glied M. bei der Durch­su­chung sei­nes PKW und an­sch­ließen­der Haus­durch­su­chung 60 Stan­gen zoll­freie Zi­ga­ret­ten und di­ver­se Fla­schen hoch­pro­zen­ti­gen Al­ko­hol si­cher. Dar­auf­hin hat die An­trag­stel­le­rin durch ih­re Per­so­nal­lei­te­rin, Frau S., oh­ne Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats die Ab­ga­be von zoll­frei­en Zi­ga­ret­ten re­du­ziert und den Ver­kauf von Stark­al­ko­hol ab­ge­schafft. Hier­auf re­agier­te der Be­triebs­rat mit dem An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung vom 28.10.2008 zur Re­ge­lung und Si­che­rung sei­ner dies­bezügli­chen Mit­be­stim­mungs­rech­te. Die Be­triebs­par­tei­en ha­ben sich in­so­weit im Rah­men ei­nes Ver­glei­ches vom 06.11.2008 un­ter an­de­rem dar­auf verständigt, als­bald in Ver­hand­lun­gen zur Re­ge­lung des Kan­ti­nen­ver­kaufs an Be­sat­zungs­mit­glie­der ein­zu­tre­ten.

Mit Da­tum vom 17.11.2008 hat die An­trag­stel­le­rin beim An­trags­geg­ner die Zu­stim­mung zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung des Be­triebs­rats­mit­glie­des M. er­be­ten. Die Zu­stim­mung wur­de am 20.11.2008 ver­wei­gert. Am 22.11.2008 hat die An­trag­stel­le­rin das Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet. Es ist un­ter dem Ak­ten­zei­chen 3 BV 116 c/08 beim Ar­beits­ge­richt Lübeck anhängig.

Am 25.11.20008 setz­te der Be­triebs­rat das streit­be­fan­ge­ne Be­triebs­rats­in­fo auf. Es hat fol­gen­den Wort­laut:

 

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„Die un­end­li­che Ge­schich­te

Die Ree­de­rei plant er­neut ei­nen An­griff auf die Vergüns­ti­gun­gen der Beschäftig­ten zum zoll­frei­en Ein­kauf in der Kan­ti­ne.

Da­zu soll­te man wis­sen, das bei der ...-Li­ne der Ver­kauf von Kan­ti­nen-wa­ren 1984 er­streikt wor­den ist. Seit die­sem Zeit­punkt wird von der Ree­de­rei in re­gelmäßigen Abständen im­mer wie­der ver­sucht die­ses Strei­k­ergeb­nis rückgängig zu ma­chen und die Kan­ti­ne zu schließen. Der er­neu­te Ver­such von Frau S. den Ver­kauf von Kan­ti­nen­wa­ren ein­zu­schränken ist vor­erst ab­ge­wehrt wor­den.

Die Be­triebs­par­tei­en ha­ben sich in ei­nem Ver­gleich vor dem Ar­beits­ge­richt ver­pflich­tet in Gesprächen nach ei­ner ein­ver­nehm­li­chen Re­ge­lung zu su­chen.

Soll­te die­ses nicht ge­lin­gen wird ein Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren durch­geführt.

Wenn es in die­ser Ei­ni­gungs­stel­le zu kei­nem ak­zep­ta­blen Er­geb­nis für die Beschäftig­ten kommt, wird sich der Be­triebs­rat an die Ta­rif­ver­trags­par­tei ver.di wen­den, mit dem Ziel, den Ver­kauf von Kan­ti­nen­wa­ren in ei­nem fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag er­neut zu re­geln.

Kündi­gung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds.

Frau S. will das langjähri­ge Be­triebs­rats­mit­glied St. M. frist­los kündi­gen. Die­ser hat als Be­triebs­rats­mit­glied ei­nen be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz, der es nicht zulässt, oh­ne Zu­stim­mung des Be­triebs­rats, ei­ne frist­lo­se Kündi­gung aus­zu­spre­chen.

Der Be­triebs­rat hat die­ser frist­lo­sen Kündi­gung nicht zu­ge­stimmt. Grund des Wi­der­spruchs des Be­triebs­rats ist nicht ein Zoll­ver­ge­hen zu beschöni­gen, son­dern, dass die­ses Zoll­ver­ge­hen nicht mit ei­ner Ver­let­zung von ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen im Zu­sam­men­hang steht. Nur bei ei­ner gro­ben Ver­let­zung von ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen ist ei­ne frist­lo­se Kündi­gung möglich.

Frau S. will jetzt den Wi­der­spruch des Be­triebs­rats mit ei­ner Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt er­set­zen las­sen.

Der Be­triebs­rat hat den Ein­druck, dass es hier nur dar­um geht ein langjähri­ges ak­ti­ves Be­triebs­rats­mit­glied los zu wer­den.“

(An­la­ge AST 3 – Bl. 19 d. A.)

Am 26.11.2008 fan­den ers­te Gespräche über die zukünf­ti­ge Aus­ge­stal­tung des Kan­ti­nen­ver­kaufs statt. Sie blie­ben er­geb­nis­los und die Be­triebs­par­tei­en ei­nig­ten sich auf An­ru­fung der Ei­ni­gungs­stel­le. Am glei­chen Ta­ge er­fuhr die An­trag-

 

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stel­le­rin, dass das oben ge­nann­te Be­triebs­rats­in­fo auf den Schif­fen MS R. und MS N. aus­gehängt bzw. aus­ge­legt wor­den war. Am 27.11.2008 stell­te die An­trag­stel­le­rin fest, dass die­sel­be In­for­ma­ti­on auch am Stand­ort „Zum H.“ auf dem Be­triebs­gelände aus­hing und da­mit ca. 100 wei­te­ren Ar­beit­neh­mern zugäng­lich ge­macht wor­den war. Nach­dem sie er­geb­nis­los den An­trags­geg­ner auf­ge­for­dert hat­te, das In­for­ma­ti­ons­schrei­ben ab­zu­neh­men, wur­de am 28.11.2008 das vor­lie­gen­de einst­wei­li­ge Verfügungs­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet.

Dem An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung hat das Ar­beits­ge­richt statt­ge­ge­ben. Das ist im We­sent­li­chen da­mit be­gründet wor­den, der Aus­hang sei un­an­ge­mes­sen und ver­s­toße ge­gen das Persönlich­keits­recht der Per­so­nal­lei­te­rin so­wie ge­gen das Ge­bot der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit. Ge­ra­de weil es ge­gen die Per­so­nal­lei­te­rin ge­rich­tet sei, sei es un­an­ge­mes­sen und un­zulässig. Ihr Ruf als Vor­ge­setz­te wer­de in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen. Außer­dem ent­ste­he der Ein­druck, es ge­be kei­ne Kündi­gungs­gründe in Be­zug auf das Be­triebs­rats­mit­glied M. . Die Vor­ge­hens­wei­se des Be­triebs­ra­tes stel­le ei­nen Ver­s­toß ge­gen die ver­trau­ens­vol­le Zu­sam­men­ar­beit dar. Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Lübeck vom 11.12.2008 – See 3 BV­Ga 137 c/08 – ver­wie­sen.

Ge­gen die­se dem Be­tei­lig­ten zu 2 am 15.12.2008 zu­ge­stell­te Ent­schei­dung hat er am 16.01.2009 Be­schwer­de ein­ge­legt, die so­fort be­gründet wur­de. Der Be­triebs­rat ist der An­sicht, er ha­be mit dem aus­gehäng­ten Be­triebs­rats­in­fo sach­ge­recht, und so­weit Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen auf­ge­stellt wur­den, zu­tref­fend in­for­miert. So­weit in dem In­for­ma­ti­ons­blatt Ein­drücke des Be­triebs­ra­tes ge­schil­dert wor­den sind, sei die­ses vom Recht auf freie Mei­nungsäußerung ge­deckt. Et­wai­ge Kri­tik sei in an­ge­mes­se­ner und sach­gemäßer Form geäußert wor­den. Er ha­be kei­ner­lei un­zu­tref­fen­de Be­haup­tun­gen ver­brei­tet und im Übri­gen aus­drück­lich nur sei­nen sub­jek­ti­ven Ein­druck ge­schil­dert. Die na­ment­li­che Nen­nung von Frau S. verände­re die Be­wer­tung nicht. Der Be­triebs­rat ha­be in­so­weit kei­nen persönli­chen Klein­krieg geführt. Frau S. sei na­ment­lich be­nannt wor­den, da sie die han­deln­de Per­son ge­we­sen sei. Das In­fo ent­hal­te auch kei-

 

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ne ehr­ver­let­zen­den und/oder kränken­den Äußerun­gen. Im Übri­gen sei der aus­ge­ur­teil­te Un­ter­las­sungs­an­spruch viel zu un­spe­zi­fisch.

Der Be­triebs­rat be­an­tragt,

den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Lübeck, Az. See 3 BV­Ga 137 c/08, vom 11.12.2008 ab­zuändern und die Anträge der An­trag­stel­le­rin zurück­zu­wei­sen.

Die An­trag­stel­le­rin/Be­schwer­de­geg­ne­rin be­an­tragt,

die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

Sie hält den an­ge­foch­te­nen Be­schluss so­wohl in tatsäch­li­cher als auch in recht­li­cher Hin­sicht für zu­tref­fend. Mit dem Be­triebs­rats­in­fo wer­de der Ein­druck er­weckt, die Ar­beit­ge­be­rin lei­te Kündi­gun­gen ein, die dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz wi­der­spre­chen. Zu­dem sei das Be­triebs­rats­in­fo zu ei­nem äußerst ungüns­ti­gen Zeit­punkt ver­brei­tet wor­den, da die Ar­beit­ge­be­rin ge­genwärtig mit di­ver­sen Ar­beit­neh­mern Gespräche über ei­nen mögli­chen veränder­ten Ein­satz (veränder­tes Auf­ga­ben­ge­biet oder ei­ne Re­du­zie­rung der Ar­beits­zeit) führe. Ge­ra­de die Führung sol­cher Gespräche set­ze aber ein un­ein­ge­schränk­tes Ver­trau­en der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer in die Per­so­nal­po­li­tik des Ar­beit­ge­bers vor­aus. Das wer­de durch die Vor­ge­hens­wei­se des Be­triebs­rats un­ter­gra­ben. Das Ver­hal­ten des Be­triebs­rats sei ge­setz­wid­rig. Im Übri­gen ver­let­ze er das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht der Per­so­nal­lei­te­rin Frau S.. Auch ver­s­toße er ge­gen sei­ne Ge­heim­hal­tungs­ver­pflich­tung gemäß § 102 Abs. 2 S. 5 i. V. m. § 99 Abs. 1 S. 3 Be­trVG. Letzt­end­lich grei­fe der Be­triebs­rat auch in das Persönlich­keits- und Da­ten­schutz­recht des Be­triebs­rats­mit­glie­des M. ein und stel­le ihn öffent­lich an den Pran­ger.

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens wird auf den Ak­ten­in­halt ver­wie­sen.

II.

 

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Die Be­schwer­de ist zulässig. Sie ist an sich statt­haft, so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt wor­den.

Die Be­schwer­de ist auch be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat der An­trag­stel­le­rin zu Un­recht aus An­lass des aus­gehäng­ten Be­triebs­rats­in­fos vom 25.11.2008 ei­nen Be­sei­ti­gungs- und Un­ter­las­sungs­an­spruch zu­ge­spro­chen. Die Vor­ge­hens­wei­se des Be­triebs­ra­tes ist nicht zu be­an­stan­den. Sie verstößt we­der ge­gen das Ge­bot der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit noch ge­gen an­de­re Rechts­vor­schrif­ten.

1. Der un­ter Ziff. b) des Te­nors des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses aus­ge­ur­teil­te Un­ter­las­sungs­an­spruch ist be­reits un­zulässig. Er ist we­der hin­rei­chend be­stimmt noch voll­stre­ckungsfähig. Ihm ist auch nicht an­satz­wei­se in­halt­lich zu ent­neh­men, wel­che kon­kre­ten Be­haup­tun­gen der Be­triebs­rat nicht auf­stel­len und ver­brei­ten darf. Es bleibt of­fen, was an dem In­halt des In­for­ma­ti­ons­schrei­bens recht­lich zu be­an­stan­den ist.

2. Das auf die Ver­let­zung des Persönlich­keits­recht der Per­so­nal­lei­te­rin S. gestütz­te Un­ter­las­sungs­be­geh­ren der an­trag­stel­len­den Ar­beit­ge­be­rin ist zu­dem auch be­reits des­halb un­be­gründet, weil sich der Ar­beit­ge­ber im Rah­men ei­nes de­lik­ti­schen Un­ter­las­sungs­an­spru­ches nicht auf Persönlich­keits­rech­te der Ar­beit­neh­mer be­ru­fen kann (BAG vom 20. Ja­nu­ar 2009 – 1 AZR 515/08 – PM Nr. 8/09). Im Be­schluss­ver­fah­ren können vom Ar­beit­ge­ber nicht stell­ver­tre­tend In­di­vi­du­al­rech­te Drit­ter gel­tend ge­macht wer­den.

3. Un­ge­ach­tet des­sen be­ste­hen auch in­halt­lich we­der ein Be­sei­ti­gungs- noch ein Un­ter­las­sungs­an­spruch aus An­lass des Be­triebs­rats­in­fos vom 25.11.2008.

a) Der Aus­hang des Be­triebs­rats­in­fos vom 25.11.2008 stellt kei­nen gro­ben Ver­s­toß ge­gen §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 2 Be­trVG dar. Sei­ne Dar­stel­lung des Sach­ver­hal­tes in die­sem Be­triebs­rats­in­fo ist an­ge­mes­sen. Der Be­triebs­rat hat un­ter der Über­schrift „Die un­end­li­che Ge­schich­te“ sach­lich und im Tatsächli­chen un­strei-

 

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tig kor­rekt darüber in­for­miert, dass die An­trag­stel­le­rin, han­delnd durch Frau S., mit­be­stim­mungs­wid­rig die Re­ge­lun­gen zum Ver­kauf von zoll­frei­en Kan­ti­nen­wa­ren ein­ge­schränkt hat und dass die­ses mit­tels ei­nes ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­fah­rens ab­ge­wehrt wur­de. Die Dar­stel­lung des Sach­ver­hal­tes durch den Be­triebs­rat ist in je­der Hin­sicht sach­lich. Sie ist auch trotz der na­ment­li­chen Nen­nung von Frau S. nicht un­an­ge­mes­sen. Die Per­so­nal­lei­te­rin Frau S. war die­je­ni­ge, die in­so­weit für die An­trag­stel­le­rin ge­han­delt hat. Es ist nicht per se rechts­wid­rig, im Übri­gen auch durch­aus üblich, wenn im Be­trieb für den Be­trieb han­deln­de Per­so­nen na­ment­lich ge­nannt wer­den. In­so­weit sei nur auf übli­che In­hal­te, Zi­ta­te, Streit­gespräche und Be­richt­er­stat­tun­gen bei­spiels­wei­se auf Be­triebs­ver­samm­lun­gen etc. ver­wie­sen. Es ist viel­leicht ei­ne Fra­ge des Um­gangs­stils, je­doch nicht rechts­wid­rig, wenn ei­ne der Be­triebs­par­tei­en die an­de­re Sei­te nicht mit Funk­ti­ons­be­zeich­nung, viel­mehr na­ment­lich im Rah­men ei­ner Be­richt­er­stat­tung oder gar strei­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zung nennt.

Un­ge­ach­tet des­sen kann auch nicht un­berück­sich­tigt blei­ben, dass die An­trag­stel­le­rin nur die­se ei­ne Per­so­nal­lei­te­rin hat. Es ist be­triebs­be­kannt, dass die Per­so­nal­lei­te­rin Frau S. heißt und dass Frau S. die – ein­zi­ge - Per­so­nal­lei­te­rin der An­trag­stel­le­rin ist.

b) Ei­ne an­de­re recht­li­che Würdi­gung er­gibt sich auch nicht im Zu­sam­men­hang mit den Äußerun­gen im Be­triebs­rats­in­fo un­ter der Über­schrift „Kündi­gung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds“. Zwar wäre es ge­ra­de in die­sem Zu­sam­men­hang si­cher­lich sach­dien­li­cher ge­we­sen, nicht Frau S. im Zu­sam­men­hang mit der Be­trei­bung des Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­rens be­tref­fend das Be­triebs­rats­mit­glied M. per­so­ni­fi­ziert zu be­nen­nen. Das die­ses sei­tens des Be­triebs­rats gleich­wohl ge­sche­hen ist, stellt je­doch nicht zwangsläufig ei­ne un­sach­gemäße Vor­ge­hens­wei­se, ei­ne Ehr­ver­let­zung, ei­ne Kränkung und/oder gar ei­ne Be­lei­di­gung dar; eben­so we­nig ei­nen Ver­s­toß ge­gen die ver­trau­ens­vol­le Zu­sam­men­ar­beit. Frau S. hat nun ein­mal für die An­trag­stel­le­rin ge­han­delt. Das Vor­brin­gen des Be­triebs­rats in dem streit­be­fan­ge­nen In­fo ist al­len­falls zwei­deu­tig, aber kei­nes­wegs falsch. Die Äußerun­gen sind nicht be­lei­di­gend und ent­hal­ten auch kei­ne Kränkung. Die Äußerun­gen sind im Übri­gen auch nicht an­satz­wei­se ver­gleich-

 

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bar mit den von der Be­schwer­de­geg­ne­rin zur Recht­fer­ti­gung des ein­ge­lei­te­ten Ver­fah­rens an­geführ­ten Äußerun­gen des Be­triebs­ra­tes, die der Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln vom 16.11.1990, 12 TaBV 57/90, zu­grun­de la­gen. Dort hat­te der Be­triebs­rat ein Schrei­ben mit ei­ner Viel­zahl von wer­ten­den und dis­kre­di­tie­ren­den Ad­jek­ti­ven ab­ge­setzt und ver­brei­tet. Das ist vor­lie­gend ge­ra­de nicht ge­sche­hen. Das Be­triebs­rats­in­fo enthält in­so­weit über­haupt kei­ne Ad­jek­ti­ve in Be­zug auf ein Ver­hal­ten der Per­so­nal­lei­te­rin Frau S..

Auch der der zi­tier­ten Ent­schei­dung des LAG Düssel­dorf vom 25.05.1976 – 15 TaBV 10/76 zu­grun­de lie­gen­de Sach­ver­halt ist hier nicht annähernd ein­schlägig.

c) So­weit der Be­triebs­rat in dem BR-In­fo vor­bringt, er ha­be dem Kündi­gungs­an­trag nicht zu­ge­stimmt, weil sei­nes Er­ach­tens hierfür die Vor­aus­set­zun­gen nicht vor­lie­gen, ist die­se In­for­ma­ti­on un­ter kei­nem er­denk­li­chen Ge­sichts­punkt rechts­wid­rig. Der Be­triebs­rat hat den Sach­ver­halt sach­lich ge­schil­dert, und sei­ne Mei­nung zum Vor­lie­gen ei­nes Kündi­gungs­grun­des geäußert. Sei­nes Er­ach­tens liegt kein Kündi­gungs­grund vor. Das zu be­rich­ten ist sein gu­tes Recht. An­de­ren­falls dürf­te ein Be­triebs­rat nie über ein ein­ge­lei­te­tes Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren in­for­mie­ren, denn ein sol­ches setzt na­tur­gemäß vor­aus, dass sich Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat nicht über das Vor­lie­gen ei­nes Kündi­gungs­grun­des ei­nig sind. An­sons­ten hätte der Be­triebs­rat dem Kündi­gungs­an­trag zu­ge­stimmt.

Dem Be­triebs­rats­in­fo ist nichts an­de­res zu ent­neh­men, als das sich Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat nicht über das Vor­lie­gen von Kündi­gungs­gründen ei­nig sind. Darüber in­for­mie­ren zu dürfen, sind tra­gen­de Grund­la­gen der Grund­rech­te auf Mei­nungs-, In­for­ma­ti­ons- und Pres­se­frei­heit. Der Be­triebs­rat ist zwar als Gre­mi­um nicht grund­rechtsfähig. Al­ler­dings wird ihm, so­weit er ei­ge­ne Rech­te und Pflich­ten wahr­nimmt, be­grenz­te Rechtsfähig­keit zu­ge­bil­ligt. Bei der Her­aus­ga­be ei­nes In­for­ma­ti­ons­blat­tes kann der Be­triebs­rat sich nach herr­schen­der Auf­fas­sung auf Art. 5 Abs. 1 GG be­ru­fen (vergl. nur GK Be­trVG, Ein­lei­tung D VI). Über Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten sach­lich zu be­rich­ten, stellt da­her grundsätz­lich

 

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kei­ne ehr­ver­let­zen­de Kränkung des Mei­nungs­geg­ners dar. An­ge­sichts des­sen hat sich der Be­triebs­rat in dem Be­triebs­rats­in­fo vom 25.11.2008 we­der un­an­ge­mes­sen noch un­zulässig geäußert.

Ob es Kündi­gungs­gründe gibt, wird letzt­end­lich erst das Zu­stim­mungs­er­set­zungs- oder gar das Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren zei­gen.

d) Er verstößt auch nicht ge­gen § 74 Abs. 2 Be­trVG. Er in­for­miert le­dig­lich über ei­ne Mei­nungs­ver­schie­den­heit zwi­schen Ar­beit­ge­be­rin und Be­triebs­rat und be­tont die recht­li­che Auf­fas­sung des Be­triebs­rats. Ei­ne der­ar­ti­ge, noch da­zu in je­der Hin­sicht sach­lich for­mu­lier­te Vor­ge­hens­wei­se ist nicht ge­eig­net, den Ar­beits­ab­lauf oder den Be­triebs­frie­den zu be­ein­träch­ti­gen.

e) Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass der Be­triebs­rat am En­de des Be­triebs­rats­in­fos zum Aus­druck ge­bracht hat, er „ha­be den Ein­druck“, dass es hier nur dar­um ge­he, ein langjähri­ges ak­ti­ves Be­triebs­rats­mit­glied los­zu­wer­den. Der Be­triebs­rat hat in­so­weit sei­nen Ein­druck ge­schil­dert und die­ses aus­drück­lich her­vor­ge­ho­ben. Bei die­ser For­mu­lie­rung han­delt es sich nicht um ei­ne un­zu­tref­fen­de Tat­sa­chen­be­haup­tung, son­dern le­dig­lich um die Schil­de­rung von sub­jek­ti­ven Ein­drücken. Letz­te­res ist von der Mei­nungs­frei­heit ge­deckt.

Das Grund­recht der Mei­nungs­frei­heit aus Art. 5 Abs. 1 GG ist für ei­ne frei­heit­lich de­mo­kra­ti­sche Staats­ord­nung schlecht­hin kon­sti­tu­ie­rend. Es gewähr­leis­tet ei­ne der we­sent­li­chen Äußerungs­for­men der men­sch­li­chen Persönlich­keit. Auf­grund sei­ner großen Be­deu­tung ist sei­ne Berück­sich­ti­gung je­weils im Rah­men des Mögli­chen ge­bo­ten. Mit der über­ra­gen­den Be­deu­tung des Grund­rechts aus Art. 5 Abs. 1 GG wäre es un­ver­ein­bar, wenn das Grund­recht in der be­trieb­li­chen Ar­beits­welt, die für die Le­bens­grund­la­ge zahl­rei­cher Staatsbürger we­sent­lich be­stimmt ist, gar nicht oder nur ein­ge­schränkt an­wend­bar wäre. Da­bei be­steht der Grund­rechts­schutz un­abhängig da­von, ob ei­ne Äußerung ra­tio­nal oder emo­tio­nal, be­gründet oder grund­los ist, und ob sie von an­de­ren für nütz­lich oder schädlich, wert­voll oder wert­los ge­hal­ten wird (BAG vom 24.06.2004 – 2 AZR 63/03, mit ei­ner Viel­zahl von Recht­spre­chungs­nach­wei­sen, zi­tiert nach

 

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JURIS, Rz. 35). Al­ler­dings wird das Grund­recht auf Mei­nungs­frei­heit nicht schran­ken­los gewährt. Bei ei­ner Mei­nungsäußerung, die im Rah­men ei­ner öffent­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung er­folgt, spricht je­doch nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts grundsätz­lich ei­ne Ver­mu­tung zu­guns­ten der Frei­heit der Äußerung (BAG, a. a. O., Rz. 37 m. w. N.). Ei­ner Äußerung darf kein Sinn bei­ge­legt wer­den, den sie nicht be­sitzt; bei mehr­deu­ti­gen Äußerun­gen muss ei­ne eben­falls mögli­che Deu­tung mit über­zeu­gen­den Gründen aus­ge­schlos­sen wer­den (a. a. O.).

Vor die­sem recht­li­chen Hin­ter­grund kann an­ge­sichts der vom Be­triebs­rat aus­drück­lich gewähl­ten For­mu­lie­rung, er „ha­be den Ein­druck“ nicht in das BR-In­fo hin­ein­in­ter­pre­tiert wer­den, es wer­de der An­trag­stel­le­rin zwei­fels­frei und mit dem Ziel und Er­geb­nis der Störung des Be­triebs­frie­dens so­wie bei gleich­zei­ti­ger Ver­let­zung der ver­trag­li­chen Rück­sicht­nah­me­pflicht un­ter­stellt, sie ge­he un­red­lich vor und kon­stru­ie­re Kündi­gungs­gründe.

f) Letzt­end­lich er­gibt sich auch kein Ver­s­toß ge­gen et­wai­ge Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten durch den Be­triebs­rat. Zum ei­nen hat er un­strei­tig mit Ein­verständ­nis des stell­ver­tre­ten­den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den, des be­trof­fe­nen Be­triebs­rats­mit­glie­des M. , das Be­triebs­rats­in­fo ab­ge­setzt und ver­brei­tet. An­ge­sichts des ein­ver­nehm­li­chen Vor­ge­hens kann da­her kein Ver­s­toß ge­gen ei­ne Ge­heim­hal­tungs­pflicht oder ge­gen das Da­ten­schutz­ge­setz ge­ge­ben sein.

Zu­dem ist das ein­ge­lei­te­te Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren öffent­lich.

g) Auch das Vor­brin­gen der An­trag­stel­le­rin in der Be­schwer­de­ver­hand­lung, erst der Aus­hang im Land­be­reich ha­be sie da­zu ver­an­lasst, das vor­lie­gen­de Ver­fah­ren ein­zu­lei­ten, da die dort täti­gen Ar­beit­neh­mer man­gels De­tail­kennt­nis­se den In­halt des Be­triebs­rats­in­fos nicht rich­tig ein­ord­nen könn­ten, ist nicht ge­eig­net, das vor­lie­gen­de Ent­fer­nungs- und Un­ter­las­sungs­be­geh­ren zu recht­fer­ti­gen. Auch die Ar­beit­neh­mer des Land­be­rei­ches ha­ben den Be­triebs­rat mit gewählt. Auch sie ha­ben ein Recht, von ih­rem Be­triebs­rats­gre­mi­um über ge­gen Be­triebs­rats­mit­glie­der ein­ge­lei­te­te Kündi­gungs­ver­fah­ren und von Ar­beit­ge­ber­sei­te

 

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ein­sei­tig ein­ge­lei­te­te Verände­run­gen der Ab­ga­be­richt­li­ni­en für zoll­freie Wa­ren in­for­miert zu wer­den.

h) Letzt­end­lich kann die An­trag­stel­le­rin auch nicht da­mit gehört wer­den, der Zeit­punkt des Be­triebs­rats­in­fos sei für sie äußerst ungüns­tig und be­ein­träch­ti­ge die von ihr be­ab­sich­tig­ten an­de­ren per­so­nel­len Maßnah­men. Der Be­triebs­rat ist grundsätz­lich be­rech­tigt, zeit­nah über be­trieb­li­che Er­eig­nis­se zu in­for­mie­ren. Das gilt un­abhängig da­von, wel­che an­der­wei­ti­gen Vor­ha­ben, die nicht in un­mit­tel­ba­rem Zu­sam­men­hang zu den Be­triebs­rats­in­for­ma­tio­nen steht, die Ar­beit­ge­be­rin par­al­lel für den Be­trieb vor­hat. Aus et­wai­gen ungüns­ti­gen Aus­wir­kun­gen von Be­triebs­rats­in­for­ma­tio­nen auf an­der­wei­ti­ge zeit­na­he Ar­beit­ge­ber­vor­ha­ben kann kein Ver­s­toß des Be­triebs­rats ge­gen das Ge­bot der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit und ggf. so­gar ge­gen den Be­triebs­frie­den ab­ge­lei­tet wer­den.

i) Aus den ge­nann­ten Gründen war der an­ge­foch­te­ne Be­schluss auf die Be­schwer­de des Be­triebs­rats ab­zuändern. Die Anträge der Ar­beit­ge­be­rin wa­ren zurück­zu­wei­sen.

Der Be­schluss er­geht ge­richts­gebühren­frei.

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