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BAG, Be­schluss vom 10.06.2009, 4 ABR 21/08

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Tarifvertrag, Haustarifvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 4 ABR 21/08
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 10.06.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Dessau, 27. April 2007, Az: 11 BV 1/07, Beschluss Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt 7. Kammer, 31. Januar 2008, Az: 7 TaBV 21/07, Beschluss
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


4 ABR 21/08
7 TaBV 21/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Sach­sen-An­halt

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

10. Ju­ni 2009

Be­schluss

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler und Rechts­be­schwer­deführer,

2.

Be­schwer­deführe­rin,

hat der Vier­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 10. Ju­ni 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Be­p­ler, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Creutz­feldt und die Rich­te­rin am Bun­des-

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ar­beits­ge­richt Dr. Win­ter so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Görgens und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Kral­le-En­geln für Recht er­kannt:


Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­rats ge­gen den Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt vom 31. Ja­nu­ar 2008 - 7 TaBV 21/07 - wird zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!


Gründe

Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die kol­lek­tiv-recht­li­che Bin­dung der Be­tei­lig­ten zu 2 (nach­fol­gend: Ar­beit­ge­be­rin) an ei­nen von ih­rer Rechts­vorgänge­rin ab­ge­schlos­se­nen Fir­men­ta­rif­ver­trag.


Die Ar­beit­ge­be­rin, die 2005 von der Ne­cker­mann Ver­sand AG ge­gründet wor­den war, be­treibt am Stand­ort G in Sach­sen-An­halt ein Call-Cen­ter mit re­gelmäßig mehr als 200 Mit­ar­bei­tern.

Am 15. Au­gust 2000 schlos­sen die Ne­cker­mann Ver­sand AG und die Ge­werk­schaf­ten Han­del, Ban­ken und Ver­si­che­run­gen (HBV) und Deut­sche An­ge­stell­ten-Ge­werk­schaft (DAG) ei­nen „Fir­men­ta­rif­ver­trag über den Ein­satz von Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern im Call­cen­ter des Lo­gis­tik­zen­trums Hei­de­loh der Ne­cker­mann Ver­sand AG in Sach­sen-An­halt“ (nach­fol­gend: FTV). In die­sem Ta­rif­ver­trag sind ua. Vergütun­gen der Ar­beit­neh­mer nach Maßga­be ei­nes Ein­grup­pie­rungs­sys­tems ge­re­gelt.

Am 28. No­vem­ber 2005 schlos­sen die Ne­cker­mann Ver­sand AG und die Ar­beit­ge­be­rin ei­nen Kauf- und Über­tra­gungs­ver­trag mit wirt­schaft­li­cher Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2006. Ge­gen­stand des Kauf­ver­tra­ges wa­ren sämt­li­che Vermögens­ge­genstände der bis da­hin von der Ne­cker­mann Ver­sand AG be­trie­be­nen Cust­o­m­er Ca­re Be­triebsstätte Hei­de­loh nebst Rech­ten und Pflich­ten aus Verträgen, die im Kauf- und Über­tra­gungs­ver­trag im Ein­zel­nen auf­geführt wur­den.

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Im Vor­griff auf die­sen Kauf- und Über­tra­gungs­ver­trag und an­de­re, zeit-gleich von der Ne­cker­mann AG vor­ge­nom­me­ne Aus­glie­de­run­gen von Be­triebsstätten hat­ten be­reits am 28. Ok­to­ber 2005 die Ne­cker­mann Ver­sand AG und der bei ihr be­ste­hen­de Ge­samt­be­triebs­rat so­wie die ört­li­chen Be­triebsräte in F und Hei­de­loh, wo­bei letz­te­rer zu­gleich der An­trag­stel­ler ist (nach­fol­gend: Be­triebs­rat) un­ter der Über­schrift „Über­lei­tungs­ver­ein­ba­rung“ ei­nen Nach­teils­aus­gleich ver­ein­bart, der aus­zugs­wei­se wie folgt lau­tet:


„Präam­bel


Der Ge­samt­be­triebs­rat nimmt zur Kennt­nis, dass Ne­cker­mann Ver­sand AG be­ab­sich­tigt, mit Wir­kung ab dem 1. Ja­nu­ar 2006 nach­ste­hend auf­geführ­te Be­triebs­tei­le bzw. Funk­ti­ons­ab­tei­lun­gen durch Rechts­geschäft auf die nach­ste­hend ge­nann­ten Fir­men un­ter An­wen­dung der Re­ge­lun­gen gemäß § 613a BGB zu über­tra­gen. ...

...

3. Aus­wir­kun­gen auf die Ar­beits­verträge

Der Über­gang der Ar­beits­verhält­nis­se al­ler von den Be­triebsübergängen und Be­triebs­teilübergängen be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer er­folgt un­ter Gel­tung des § 613a BGB.

Da­nach tre­ten die ... Q.Con­tact.Hei­de­loh GmbH ... als je­wei­li­ger Ar­beit­ge­ber mit Wir­kung ab 01.01.2006 in al­le un­verändert fort­be­ste­hen­den Rech­te und Pflich­ten aus den Ar­beits­verhält­nis­sen ein.

Die be­ste­hen­den Ar­beits­verträge gel­ten wei­ter.

4. Gel­tung ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen


4.1 Rech­te und Pflich­ten aus an­wend­ba­ren ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen, die zum Zeit­punkt des Über­gangs der Ar­beits­verhält­nis­se be­trof­fe­ner Ar­beit­neh­mer ent­stan­den sind, blei­ben bei dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses nach Maßga­be des § 613a BGB un­verändert be­ste­hen.

...

8. Al­ters­ver­sor­gung

Die für die Ne­cker­mann Ver­sand AG ab­ge­schlos­se­ne Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung Al­ters­ver­sor­gung vom 18.12.2002 nebst den bis zum 31.12.2005 ab-ge­schlos­se­nen even­tu­el­len Ände­run­gen und Ergänzun­gen, An­la­gen und Pro­to­koll­no­ti­zen gel­ten kol­lek­tiv­recht­lich nach Maßga­be der Re­ge­lun­gen des § 613a BGB
 


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und der nach­fol­gen­den Re­ge­lun­gen fort.

9. In­for­ma­ti­on der Mit­ar­bei­ter

9.1 Die Ne­cker­mann Ver­sand AG wird die un­ter den persönli­chen Gel­tungs­be­reich gem. Ziff. 1 fal­len­den Mit­ar­bei­ter gem. § 613a Abs. 5 BGB über den Zeit­punkt des Über­gangs, den Grund für den Über­gang, über die recht­li­chen, wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Fol­gen des Über­gangs und über die, hin­sicht­lich der Ar­beit­neh­mer in Aus­sicht ge­nom­me­nen Maßnah­men in Text­form un­ter-rich­ten. ...“


Nach der Über­tra­gung des Be­triebs wur­den vor dem Ar­beits­ge­richt Des­sau zwi­schen den Be­tei­lig­ten meh­re­re Ver­fah­ren nach §§ 99 Abs. 2, 100, 101 Be­trVG durch­geführt. Da­bei ging es auch um die Fra­ge der kol­lek­tiv-recht­li­chen Gel­tung des FTV über den 1. Ja­nu­ar 2006 hin­aus.


Mit dem am 5. Ja­nu­ar 2007 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­reich­ten An­trag hat der Be­triebs­rat die Fest­stel­lung be­gehrt, dass der FTV über den 1. Ja­nu­ar 2006 hin­aus auch bei der Ar­beit­ge­be­rin kol­lek­tiv-recht­lich An­wen­dung fin­de. Die Fort­gel­tung des FTV er­ge­be sich aus de­ren Ver­pflich­tung, ge­ra­de nicht nur be­schränkt auf die Rechts­fol­gen des § 613a BGB ar­beits­recht­lich als Rechts­nach­fol­ge­rin der Ne­cker­mann Ver­sand AG ein­zu­tre­ten. Hier sei al­lein für ei­nen Be­trieb ein Ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen und die­ser Be­trieb durch Über­tra­gung auf ei­ne als „Vor­rats­ge­sell­schaft“ kon­sti­tu­ier­te GmbH aus­ge­gründet wor­den. Dies er­for­de­re ei­ne sinn­gemäße An­wen­dung der für Um­wand­lun­gen gel­ten­den Re­ge­lun­gen.

Der Be­triebs­rat hat zu­letzt be­an­tragt, 


fest­zu­stel­len, dass im Be­trieb der Be­tei­lig­ten zu 2, der Ta­rif­ver­trag über den Ein­satz von Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern im Call-Cen­ter des Lo­gis­tik­zen­trums Hei­de­loh der Ne­cker­mann Ver­sand AG in Sach­sen-An­halt kol­lek­tiv-recht­lich über den 1. Ja­nu­ar 2006 hin­aus An­wen­dung fin­det,

hilfs­wei­se für den Fall der Un­zulässig­keit des Haupt­an­trags,

die Be­tei­lig­te zu 2 zu ver­pflich­ten, neu ein­zu­stel­len­de Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer in den Ta­rif­ver­trag über den Ein­satz von Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern im

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Call-Cen­ter des Lo­gis­tik­zen­trums Hei­de­loh der Ne­cker­mann Ver­sand AG in Sach­sen-An­halt ein­zu­grup­pie­ren und den Be­triebs­rat gem. § 99 Abs. 1 Be­trVG ent­spre­chend zu be­tei­li­gen.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat be­an­tragt, die Anträge zurück­zu­wei­sen. Der Haupt­an­trag sei be­reits un­zulässig, weil der Be­triebs­rat hier kei­ne ei­ge­nen Ansprüche oder Rechts­po­si­tio­nen ge­richt­lich fest­stel­len las­sen wol­le. Die Anträge sei­en über­dies je­den­falls un­be­gründet. Die kol­lek­tiv-recht­li­che Fort­gel­tung ei­nes Fir­men­ta­rif­ver­tra­ges sei kei­ne Rechts­fol­ge von § 613a BGB.

Das Ar­beits­ge­richt hat dem An­trag statt­ge­ge­ben. Auf die Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und den Haupt­an­trag zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de ver­folgt der Be­triebs­rat sein ursprüng­li­ches An­trags­ziel wei­ter. Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt, die Rechts­be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

I. Die Rechts­be­schwer­de des Be­triebs­ra­tes ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Be­schwer­de der Ar­beit­ge­be­rin zu Recht statt­ge­ge­ben.

A. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist der Haupt­an­trag un­zulässig. Der Hilfs­an­trag des Be­triebs­ra­tes ist da­ge­gen zulässig.

1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist von der Zulässig­keit des Haupt­an­trags 13 aus­ge­gan­gen. Es ge­he bei der Fest­stel­lung, ob der FTV kol­lek­tiv-recht­lich über den 1. Ja­nu­ar 2006 hin­aus fort­gel­te, auch um die Fra­ge, ob dem Be­triebs­rat ein Mit­be­ur­tei­lungs- und Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rungs­recht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Be­trVG bei Ein­grup­pie­run­gen zu­ste­he. Die­se Fra­ge könne durch das Fest­stel­lungs­be­geh­ren des Be­triebs­ra­tes aus dem Haupt­an­trag ab­sch­ließend be­ant­wor­tet wer­den.


2. Dies ist nicht rechts­feh­ler­frei. Der Haupt­an­trag ist un­zulässig.
 


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a) Der An­trag be­darf der Aus­le­gung, um das Be­geh­ren des Be­triebs­ra­tes verständ­lich zu ma­chen. Die Fest­stel­lung, dass ein be­stimm­ter Ta­rif­ver­trag in ei­nem be­stimm­ten Be­trieb „kol­lek­tiv-recht­lich An­wen­dung fin­det“, ent­spricht kei­ner in ei­nem Ge­setz oder ei­ner sons­ti­gen Norm oder Ver­ein­ba­rung an­ge­ord­ne­ten Rechts­fol­ge. Der Be­triebs­rat zielt je­doch er­kenn­bar auf die Fest­stel­lung, dass die Ar­beit­ge­be­rin nor­ma­tiv an den FTV ge­bun­den ist, ab. Von die­ser Ta­rif­ge­bun­den­heit sind die vom Be­triebs­rat auch nach dem In­halt sei­ner An­trags­be­gründung an­ge­streb­ten Rechts­fol­gen um­fasst.

b) Aber auch die­ser so aus­ge­leg­te An­trag ist un­zulässig.

aa) Ein Fest­stel­lungs­an­trag nach § 256 Abs. 1 ZPO ist nur zulässig, wenn er auf die Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses ge­rich­tet ist und der An­trag­stel­ler ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an ei­ner als­bal­di­gen ge­richt­li­chen Fest­stel­lung hat. Rechts­verhält­nis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO können auch ein­zel­ne Ansprüche sein, nicht da­ge­gen nur bloße Ele­men­te oder Vor­fra­gen ei­nes An­spruchs (BAG 24. Ja­nu­ar 2001 - 7 ABR 2/00 - mwN, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 50 = EzA ZPO § 253 Nr. 20).


bb) Vor­lie­gend man­gelt es dem Be­triebs­rat an dem er­for­der­li­chen Rechts­schutz­in­ter­es­se. Da­bei kann of­fen­blei­ben, ob und un­ter wel­chen Be­din­gun­gen die Ta­rif­ge­bun­den­heit ei­nes Ar­beit­ge­bers Ge­gen­stand ei­nes Fest­stel­lungs­an­trags sein kann (vgl. da­zu BAG 24. April 2007 - 1 ABR 27/06 - BA­GE 122, 121, 125). Hin­sicht­lich ei­ner ei­ge­nen Rechts­po­si­ti­on des Be­triebs­ra­tes han­delt es sich le­dig­lich um ei­ne Vor­fra­ge, die das Be­ste­hen ei­ner sol­chen ei­ge­nen Rechts­po­si­ti­on oh­ne­hin nicht endgültig klären könn­te. Die Ge­bun­den­heit der Ar­beit­ge­be­rin an ei­nen Ta­rif­ver­trag ist für ei­nen Be­triebs­rat in vie­ler­lei Hin­sicht von Be­deu­tung, zB nach § 3, § 77 Abs. 3, § 80 Abs. 1 Nr. 1, § 86, § 87 Abs. 1, § 99 Abs. 1 und 2 Be­trVG. Aber nicht je­de ma­te­ri­ell-recht­lich be­gründe­te Bin­dung ei­ner Be­triebs­ver­fas­sungs­par­tei, die für be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Po­si­tio­nen des Be­triebs­ra­tes Fern­wir­kun­gen ent­fal­ten kann, ist als den Be­triebs­rat be­tref­fen­des Rechts­verhält­nis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an­zu­se­hen. Bei der Fra­ge der Ta­rif­ge­bun­den­heit der Ar­beit­ge­be­rin han­delt es sich um ei­ne Rechts­fra­ge, die sich in ei­ner Viel­zahl von Rechts­verhält­nis­sen, an de­nen die
 


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Ar­beit­ge­be­rin be­tei­ligt ist, in ganz un­ter­schied­li­cher Wei­se dar­stel­len kann. Ih­re abs­trak­te Be­ant­wor­tung lie­fe auf die Er­stel­lung ei­nes Rechts­gut­ach­tens hin­aus. Das ist grundsätz­lich nicht die Auf­ga­be der Ge­rich­te. Die­se ent­schei­den über das Be­ste­hen kon­kre­ter Rechts­verhält­nis­se, Ansprüche und Ver­pflich­tun­gen (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - NZA 2007, 285). Ein sol­ches den Be­triebs­rat selbst be­tref­fen­des Rechts­verhält­nis ist zwar denk­bar, im Haupt­an­trag des Be­triebs­ra­tes aber nicht ge­nannt. Al­lein der Um­stand, dass die mit dem An­trag an­ge­streb­te Ent­schei­dung Richt­schnur für das Ver­hal­ten der Be­tei­lig­ten in zahl­rei­chen ver­schie­de­nen künf­ti­gen Fällen und Fall­kon­stel­la­tio­nen sein kann, reicht für das Rechts­schutz­in­ter­es­se nicht aus (vgl. BAG 27. Ja­nu­ar 2004 - 1 ABR 5/03 - BA­GE 109, 227, 234).


3. Der mit der Rechts­be­schwer­de an­ge­fal­le­ne (Ger­mel­mann/ 19 Mat­thes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl. § 74 Rn. 43 mwN) Hilfs­an­trag ist zulässig. Das auch für ei­nen Leis­tungs­an­trag er­for­der­li­che all­ge­mei­ne Rechts­schutz­in­ter­es­se des Be­triebs­ra­tes ist ge­ge­ben.


Zwar sind Strei­tig­kei­ten über Ein­grup­pie­run­gen in der Re­gel in Be­schluss­ver­fah­ren über die Er­set­zung ei­ner Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten Ein­grup­pie­rung nach § 99 Abs. 4 Be­trVG, oder, wenn der Ar­beit­ge­ber ent­ge­gen sei­nen be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Pflich­ten über­haupt kei­ne Ein­grup­pie­rung vor­ge­nom­men hat, in Be­schluss­ver­fah­ren über ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zur Ein­ho­lung der Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes zu führen; da­bei geht es im Re­gel­fall um kon­kre­te Ein­grup­pie­rungs­ent­schei­dun­gen des Ar­beit­ge­bers hin­sicht­lich ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer (vgl. zB BAG 26. Ok­to­ber 2004 - 1 ABR 37/03 - BA­GE 112, 238).


Da je­doch vor­lie­gend die Ar­beit­ge­be­rin die Not­wen­dig­keit der Ein­ho­lung ei­ner Zu­stim­mung zur Ein­grup­pie­rung nicht be­strei­tet, wohl aber die Ver­pflich­tung, ei­ne sol­che ge­ra­de an­hand des Ein­grup­pie­rungs­sys­tems des FTV vor­zu­neh­men, und an­de­rer­seits dies be­reits in meh­re­ren, je­weils ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer be­tref­fen­den Be­schluss­ver­fah­ren von Be­deu­tung war, hat der Be­triebs­rat ein noch aus­rei­chen­des be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, dass über die Ver­pflich­tung zur Ein­grup­pie­rung der neu ein­zu­stel­len­den Ar­beit­neh­mer durch


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die Ar­beit­ge­be­rin nach Maßga­be der Vergütungs­ord­nung des FTV ent­schie­den wird. Dass ei­ne sol­che all­ge­mei­ne Ver­pflich­tung in der Re­gel im We­ge des Fest­stel­lungs­an­trags gel­tend ge­macht wird, hin­dert die Zulässig­keit ei­nes Leis­tungs­an­tra­ges nicht.

II. Der Hilfs­an­trag ist je­doch un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den An­trag des Be­triebs­ra­tes zu Recht zurück­ge­wie­sen.

1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sich für sei­ne Ent­schei­dung über den Haupt­an­trag dar­auf be­ru­fen, dass es sich bei der Über­tra­gung des Be­triebs von der Ne­cker­mann Ver­sand AG auf die Ar­beit­ge­be­rin nicht um ei­ne Ge­samt­rechts­nach­fol­ge, son­dern um ei­ne Ein­zel­rechts­nach­fol­ge han­de­le. Die für die Rechts­fol­gen ei­ner Ein­zel­rechts­nach­fol­ge vor­ge­se­he­nen Re­ge­lun­gen in § 613a BGB sähen ei­ne kol­lek­tiv-recht­li­che Fort­gel­tung von Ta­rif­verträgen nicht vor. Viel­mehr sei­en die Rech­te und Pflich­ten, die zum Zeit­punkt des Über­gangs auf­grund des FTV be­stan­den hätten, gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB in die Ar­beits­verhält­nis­se trans­for­miert wor­den. Dar­aus er­ge­be sich ei­ne kol­lek­tiv­recht­li­che Fort­gel­tung des FTV bei der Ar­beit­ge­be­rin ge­ra­de nicht.

2. Dies ist in der Be­gründung wie im Er­geb­nis rechts­feh­ler­frei und be­gründet die Zurück­wei­sung des Hilfs­an­tra­ges.

a) Nach § 3 Abs. 1 TVG sind die Mit­glie­der der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en und der Ar­beit­ge­ber, der selbst Par­tei des Ta­rif­ver­tra­ges ist, ta­rif­ge­bun­den. Da es sich vor­lie­gend um ei­nen Fir­men­ta­rif­ver­trag han­delt, dh. von ei­nem ein­zel­nen Ar­beit­ge­ber ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trag, ist hier­an auf Ar­beit­ge­ber­sei­te nur der­je­ni­ge Ar­beit­ge­ber ge­bun­den, der selbst Par­tei des Ta­rif­ver­tra­ges ist. Die Ar­beit­ge­be­rin selbst ist nicht Par­tei des FTV. Die­ser wur­de durch die Ne­cker­mann Ver­sand AG ab­ge­schlos­sen.

b) Die Ar­beit­ge­be­rin ist auch nicht in sons­ti­ger Wei­se Par­tei des FTV ge­wor­den.

aa) Die Ta­rif­ge­bun­den­heit ei­nes Ar­beit­ge­bers be­gründet sich al­lein in sei­ner Stel­lung als Ta­rif­ver­trags­par­tei, nicht in der­je­ni­gen als Par­tei des


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Ar­beits­ver­tra­ges, dh. als Ar­beit­ge­ber (Se­nat 20. Ju­ni 2001 - 4 AZR 295/00 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 18 = EzA BGB § 613a Nr. 203; vgl. auch 29. Au­gust 2001 - 4 AZR 332/00 - BA­GE 99, 10, 17). Dar­aus folgt, dass der Ein­tritt ei­nes über­neh­men­den Un­ter­neh­mens in die Ta­rif­ver­trags­par­tei­stel­lung ei­nes über­tra­gen­den Un­ter­neh­mens oh­ne ei­ge­ne kon­sti­tu­ti­ve Wil­lens­erklärung nur dann be­gründet wer­den kann, wenn die Über­tra­gung ei­ne Ge­samt­rechts­nach­fol­ge nach dem Um­wand­lungs­ge­setz ist. Wird ein Be­trieb im We­ge der Ge­samt­rechts­nach­fol­ge auf ei­nen neu­en Un­ter­neh­mensträger ver­schmol­zen, über­nimmt der Rechts­nach­fol­ger sämt­li­che Ver­bind­lich­kei­ten, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Um­wG. Die Par­tei­stel­lung ei­ner Fir­men­ta­rif­ver­trags­par­tei ist in die­sem Sin­ne ei­ne Ver­bind­lich­keit und geht da­her auf den Rechts­nach­fol­ger über. Dies hat der Se­nat für die Ver­schmel­zung durch Neu­gründung nach § 2 Nr. 2 Um­wG am 24. Ju­ni 1998 (- 4 AZR 208/97 - BA­GE 89, 193) und für die Ver­schmel­zung durch Auf­nah­me nach § 2 Nr. 1 Um­wG am 4. Ju­li 2007 (- 4 AZR 491/06 - BA­GE 123, 213) ent­schie­den.

Bei der Ein­zel­rechts­nach­fol­ge im Sin­ne von § 613a Abs. 1 BGB kann die Fort­gel­tung ei­nes Fir­men­ta­rif­ver­tra­ges nicht durch den bloßen Be­triebsüber­gang be­gründet wer­den (Se­nat 15. März 2006 - 4 AZR 132/05 - Rn. 20, AP TVG § 2 Fir­men­ta­rif­ver­trag Nr. 9). Die Neu­be­gründung der Po­si­ti­on ei­ner Fir­men­ta­rif­ver­trags­par­tei durch den Er­wer­ber kann nur durch des­sen ei­ge­ne kon­sti­tu­ti­ve Wil­lens­erklärung er­reicht wer­den, et­wa durch den Ab­schluss ei­nes gleich­lau­ten­den Ta­rif­ver­tra­ges mit der­sel­ben Ge­werk­schaft oder ei­nen drei­sei­ti­gen Über­nah­me­ver­trag un­ter Be­tei­li­gung von Veräußerer und Ge­werk­schaft.


bb) Bei der Über­tra­gung des Be­triebs auf die Ar­beit­ge­be­rin han­delt es sich um ei­ne Ein­zel­rechts­nach­fol­ge im Sin­ne von § 613a Abs. 1 BGB. Der Be­trieb ist durch Rechts­geschäft von der Ne­cker­mann Ver­sand AG auf die Ar­beit­ge­be­rin über­ge­gan­gen. Das Rechts­geschäft be­steht in dem Kauf- und Über­tra­gungs­ver­trag vom 28. No­vem­ber 2005. Dass es sich hier­bei um ei­nen Be­triebsüber­gang nach § 613a Abs. 1 BGB han­delt, ist nicht zwei­fel­haft. Hier­von ge­hen auch die Be­tei­lig­ten an der Ver­ein­ba­rung über den Nach­teils­aus­gleich vom



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28. Ok­to­ber 2005, die Ne­cker­mann Ver­sand AG, de­ren Ge­samt­be­triebs­rat und die Be­triebsräte der Be­triebsstätten F und Hei­de­loh, al­so auch der An­trag­stel­ler, übe­rein­stim­mend aus, wie sich aus dem Wort­laut der Über­lei­tungs­ver­ein­ba­rung er­gibt. Ein Neu­ab­schluss des FTV durch die Ar­beit­ge­be­rin selbst liegt nicht vor.


cc) Die Rechts­fol­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs für die Gel­tung ta­rif­ver­trag­lich be­gründe­ter Rech­te und Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis ist in § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB ge­re­gelt. Da­nach wer­den die­se In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses und mit ei­ner - grundsätz­lich - einjähri­gen Verände­rungs­sper­re ver­se­hen, wenn der Er­wer­ber nicht nor­ma­tiv an den­sel­ben Ta­rif­ver­trag oder kon­gru­ent mit dem je­wei­li­gen Ar­beit­neh­mer an ei­nen an­de­ren ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­trag ge­bun­den ist.


Die­se Aus­nah­me­tat­bestände lie­gen hier nicht vor. Die Ar­beit­ge­be­rin ist nicht Par­tei des FTV und es be­steht auch kei­ne kon­gru­en­te Ge­bun­den­heit an ei­nen an­de­ren Ta­rif­ver­trag. Da­mit kommt es zur Trans­for­ma­ti­on der kol­lek­tiv-recht­lich be­gründe­ten Rech­te und Pflich­ten in die nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB über­ge­gan­ge­nen Ar­beits­verhält­nis­se. Ei­ne kol­lek­tiv-recht­li­che Fort­gel­tung als sol­che ord­net § 613a Abs. 1 BGB nicht an.


c) Dar­an ändert ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Rechts­be­schwer­de auch die Tat­sa­che nichts, dass die Ne­cker­mann Ver­sand AG al­lei­ni­ge Ge­sell­schaf­te­rin der Ar­beit­ge­be­rin ist und die­se zum Zweck der Über­nah­me des­je­ni­gen Be­trie­bes ge­gründet hat, für den sie zu­vor ei­nen Fir­men­ta­rif­ver­trag ab­ge­schlos­sen hat.


aa) Die Rechts­po­si­ti­on ei­ner Ta­rif­ver­trags­par­tei kommt al­lein ei­ner ju­ris­ti­schen oder natürli­chen Per­son zu und nicht ei­nem Be­trieb. Die im Ta­rif­ver­trags­ge­setz ge­re­gel­te Ta­rif­ge­bun­den­heit auf Ar­beit­ge­ber­sei­te be­zieht sich nach § 3 Abs. 1 TVG auf die Mit­glie­der der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en und den Ar­beit­ge­ber, mit­hin im­mer nur auf Un­ter­neh­men und Un­ter­neh­mer, nicht je­doch auf Be­trie­be. Sie kann auch nicht als Ei­gen­schaft der Ar­beit­ge­ber­stel­lung an­ge­se­hen wer­den, die mit die­ser nach § 613a Abs. 1 BGB auch bei ei­ner Ein­zel-
 


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rechts­nach­fol­ge auf den Er­wer­ber über­geht (vgl. Se­nat 20. Ju­ni 2001 - 4 AZR 295/00 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 18 = EzA BGB § 613a Nr. 203; 29. Au­gust 2001 - 4 AZR 332/00 - BA­GE 99, 10, 17; 15. März 2006 - 4 AZR 132/05 - Rn. 20, AP TVG § 2 Fir­men­ta­rif­ver­trag Nr. 9; Löwisch/Rieb­le TVG 2. Aufl. § 2 Rn. 158; HWK/Hens­s­ler 3. Aufl. TVG § 3 Rn. 47; Stau-din­ger/An­nuß (2005) BGB § 613a Rn. 253; Münch­Komm/BGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 613a Rn. 130; So­er­gel/Raab BGB 12. Aufl. § 613a Rn. 106; ErfK/Preis 9. Aufl. BGB § 613a Rn. 113; Ka­nia DB 1994, 529, 534; RGRK/Ascheid BGB § 613a Rn. 185; Ho­hen­statt in Wil­lem­sen/Ho­hen­statt/Sch­wei­bert/Seibt Um­struk­tu­rie­rung und Über­tra­gung von Un­ter­neh­men 3. Aufl. Teil E Rn. 96; Hromad­ka/Masch­mann/Wall­ner Der Ta­rif­wech­sel Rn. 337; Win­zer Be­ein­flus­sung der Ta­rif­gel­tung durch den Ar­beit­ge­ber S. 192).


bb) So­weit ver­ein­zelt für den Fall der Be­schränkung des Gel­tungs­be­reichs des Fir­men­ta­rif­ver­tra­ges auf den über­tra­ge­nen Be­trieb auch ei­ne ta­rif­recht­li­che Bin­dung des Er­wer­bers in Be­tracht ge­zo­gen wird (Wie­de­mann/Oet­ker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 199; Däubler/Lo­renz TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 176; Kem­pen/Za­chert TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 108 f.; Schie­fer FS Ar­beits­ge­richts­bar­keit Rhein­land-Pfalz S. 413, 423), gibt es hierfür kei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge. Die Fest­le­gung des Gel­tungs­be­reichs für den Be­trieb ei­nes Un­ter­neh­mens durch die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en macht die kol­lek­tiv-recht­li­che Bin­dung der Träger des Be­trie­bes nicht zu ei­ner „Ei­gen­schaft“ des Be­trie­bes selbst, die un­abhängig von der Ver­bin­dung mit der Recht­sträger­schaft ei­ner ju­ris­ti­schen oder natürli­chen Per­son oh­ne wei­te­res dem Über­gang des Be­trie­bes selbst folgt. Hierüber muss mit der zuständi­gen Ge­werk­schaft ei­ne ge­son­der­te Ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen wer­den. Im Übri­gen wi­derspräche die­se Auf­fas­sung auch der Zu­stim­mungs­bedürf­tig­keit ei­nes Schuld­ner­wech­sels gem. § 415 Abs. 1 BGB ana­log.


Be­p­ler 

Win­ter 

Creutz­feldt

Görgens 

Kral­le-En­geln

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