HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Ber­lin, Ur­teil vom 18.02.2010, 38 Ca 12879/09

   
Schlagworte: Datenschutz, Arbeitnehmer, Kündigung: Verhaltensbedingt
   
Gericht: Arbeitsgericht Berlin
Aktenzeichen: 38 Ca 12879/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.02.2010
   
Leitsätze:

1. Die Kündigung eines leitenden Mitarbeiters im Bereich "Compliance" und Korruptionsbekämpfung wegen von ihm veranlasster Überwachungsmaßnahmen oder Datenabgleichen ist nur zulässig, wenn der betreffende Arbeitnehmer objektiv rechtswidrig gehandelt hat und der Arbeitnehmer subjektiv um die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen gewusst hat. Das bedarf besonderer Darlegungen von Seiten des Arbeitgebers, wenn der zuständige Mitarbeiter keine juristische Ausbildung hat und andere Mitarbeiter einer "Compliance"-Arbeitsgruppe, in der der Mitarbeiter eingebunden war, über vertiefte juristische Kenntnisse verfügen und diese keine Bedenken gegen die Maßnahmen hatten.(Rn.16)

2. Bei begründetem Verdacht von Straftaten liegt es nahe, dass insbesondere zur Korruptionsbekämpfung Überwachungsmaßnahmen gegenüber verdächtigen Mitarbeitern oder außenstehenden Dritten veranlasst werden. Dazu können, je nach den Verdachtsmomenten, auch Überwachungen durch Detektive oder Überwachungen von ausgetauschten Daten, insbesondere auch in E-Mails im hauseigenen Intranet, gehören. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Korruption oder Wirtschaftsstraftaten im Unternehmen kann es in Einzelfällen auch erforderlich sein, personenbezogene Daten abzugleichen.(Rn.18)

3. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Diese Maßstäbe formuliert der neu gefasste § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Allerdings war die Rechtslage auch vor Inkrafttreten des neu gefassten § 32 BDSG keine andere. Durch die BDSG-Reform wurde nur im Gesetzeswortlaut wiedergegeben, was bereits immer schon geltendes Recht war.(Rn.23)

Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Ber­lin

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

38 Ca 12879/09

Verkündet

am 18.02.2010

als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le 

 

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

 

In Sa­chen

pp

hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin, 38. Kam­mer, auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 18.02.2010
durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt L. als Vor­sit­zen­der und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr Dr. W. und Frau K.

für Recht er­kannt:


I.
Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 30.06.2009 we­der frist­los be­en­det wur­de noch frist­gemäß zum 31.12.2009 auf­gelöst wird.


II.
Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Kläge­rin bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss die­ses Rechts­streits zu den bis­he­ri­gen Ver­trags­be­din­gun­gen wei­ter­zu­beschäfti­gen.


III.
Die Kos­ten des Rechts­streits hat die Be­klag­te bei ei­nem Ge­samt­streit­wert in Höhe von 35.000,00 EUR zu tra­gen

 

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T a t b e s t a n d :

Es geht um die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen, vor­sorg­lich or­dent­li­chen ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung.

Die Kläge­rin (ge­bo­ren am …..1961 in G., Le­bens­lauf Bl. 109 d. A.) ist an der H. Uni­ver­sität zu Ber­lin pro­mo­vier­te Di­plom-Öko­no­min. Sie war seit 01.07.2000 zunächst bei der DB AG und so­dann bei der Be­klag­ten, ei­ne Ge­sell­schaft im Kon­zern der D. B. AG, beschäftigt. Die Brut­to­mo­nats­vergütung be­trug zu­letzt durch­schnitt­lich 8.750,00 Eu­ro. Bezüglich des Wort­lauts des An­stel­lungs­ver­tra­ges vom 26.05.2000 wird auf Bl. 5 bis 12 d. A. ver­wie­sen.

Die Kläge­rin war zunächst Lei­te­rin der Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­heit Be­son­de­re Auf­ga­ben im Zen­tral­be­reich In­ter­ne Re­vi­si­on. Später war sie im Vor­stands­res­sort Com­p­li­an­ce zuständig für die na­tio­na­len Er­mitt­lun­gen und im Len­kungs­kreis Com­p­li­an­ce. Der Len­kungs­kreis Com­p­li­an­ce be­stand seit Fe­bru­ar 2001. Seit Sep­tem­ber 2007 war sie Lei­te­rin Kor­rup­ti­ons­bekämp­fung Er­mitt­lun­gen.

Im Zu­ge der so­ge­nann­ten Da­ten­schutz­affäre bei der D. B. kam es auch zu Vorwürfen von der Be­klag­ten ge­genüber der Kläge­rin. Die Be­klag­te be­zog sich da­bei auf ei­nen Zwi­schen­be­richt zur „Über­prüfung der Ord­nungs­gemäßheit von Maßnah­men der Kor­rup­ti­ons­bekämp­fung in den Jah­ren 1998-2007“ vom 10.02.2009, nach dem Verstöße ge­gen straf- und da­ten­schutz­recht­li­che Be­stim­mun­gen nicht aus­ge­schlos­sen wer­den konn­ten (Bl. 164 bis Bl. 184 d. A.). An­sch­ließend wur­de ei­ne Son­der­un­ter­su­chung gemäß § 111 Abs. 2 AktG durch die K. vom Auf­sichts­rat be­auf­tragt. Im Zu­ge des­sen wur­de auch die Kläge­rin von der K. im März 2009 be­fragt. Die K. leg­te ih­ren Be­richt am 13.05.2009 vor (Ma­nage­ment Sum­ma­ry Bl. 194 bis Bl. 200 d. A.). Die Be­klag­te lei­tet dar­aus auch Vorwürfe ge­gen die Kläge­rin ab.

Die Kläge­rin wur­de mit Schrei­ben vom 04.06.2009 von der Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt (Bl. 13 d. A.). Mit Schrei­ben vom 30.06.2009 erklärte die Be­klag­te die außer­or­dent­li­che, vor­sorg­lich or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses (Bl. 17/18 d. A.).

 

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Mit der frist­gemäß er­ho­be­nen Kla­ge wen­det sich die Kläge­rin ge­gen die Wirk­sam­keit der Kündi­gung. We­gen der Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Kläge­rin wird ver­wie­sen auf die Kla­ge­schrift und die Schriftsätze vom 23.09.2009, vom 18.11.2009 und vom 07.12.2009.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 30.06.2009 we­der frist­los be­en­det wur­de noch frist­gemäß zum 31.12.2009 sein En­de fin­den wird;
2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin bis zum Ab­schluss des Rechts­streits vorläufig zu den bis­he­ri­gen Ver­trags­be­din­gun­gen wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hält die Kündi­gung für ge­recht­fer­tigt. Bezüglich der Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Be­klag­ten wird auf die Schriftsätze vom 06.10.2009 und vom 01.12.2009 ver­wie­sen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Kla­ge ist be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis wird durch die Kündi­gung vom 30.06.2009 we­der frist­los noch frist­gemäß auf­gelöst. Es liegt we­der ein wich­ti­ger Grund für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung gemäß § 626 Abs. 1 noch ein Grund für ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG vor.

I.

Ei­ne Kündi­gung aus Gründen im Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers ist ge­recht­fer­tigt, wenn der Ar­beit­neh­mer mit dem ihm vor­ge­wor­fe­nen Ver­hal­ten ei­ne Ver­trags­pflicht schuld­haft er­heb­lich ver­letzt, das Ar­beits­verhält­nis kon­kret be­ein­träch­tigt wird, ei­ne zu­mut­ba­re Möglich­keit ei­ner an­de­ren Beschäfti­gung nicht be­steht und die Lösung des Ar­beits­verhält­nis­ses in Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le bil­li­gens­wert und an­ge­mes­sen er­scheint. Für ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung gilt das Pro­gno­se­prin­zip. Der Zweck der Kündi­gung ist nicht ei­ne Sank­ti­on für ei­ne be­gan­ge­ne Ver­trags­pflicht­ver­let­zung, son­dern die Ver­mei­dung des Ri­si­kos wei­te­rer er­heb­li­cher Pflicht­ver­let­zun­gen. Die ver­gan­ge­ne Pflicht­ver­let­zung muss sich des­halb noch in der Zu­kunft be­las­tend aus­wir­ken (vgl. BAG 31.05.2007, 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922; BAG

 

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12.01.2006, 2 AZR 179/05, AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 54).

Sol­che Tat­sa­chen, die die Kündi­gung recht­fer­ti­gen könn­ten, lie­gen hier nicht vor, sind je­den­falls von der Be­klag­ten nicht in nach­voll­zieh­ba­rer Wei­se dar­ge­legt wor­den. Der Kläge­rin wird von der Be­klag­ten im We­sent­li­chen vor­ge­hal­ten, sie ha­be un­ter Ver­let­zung von Da­ten­schutz­be­stim­mun­gen und an­de­ren recht­li­chen Vor­ga­ben Über­wa­chungs­maßnah­men von Mit­ar­bei­tern der D. B. ver­an­lasst.

Die­se Vorwürfe sind auch an­ge­sichts der Funk­ti­on, die die Kläge­rin in­ne­hat­te, nicht nach­voll­zieh­bar. Als lei­ten­de Mit­ar­bei­te­rin im Be­reich Com­p­li­an­ce und zu­letzt Lei­te­rin Kor­rup­ti­ons­bekämp­fung war es ge­ra­de Auf­ga­be der Kläge­rin durch die Aufklärung von Kor­rup­ti­ons­ver­dach­ten Scha­den von der D. B. AG und de­ren Toch­ter­un­ter­neh­men ab­zu­wen­den. Bei be­gründe­tem Ver­dacht liegt es na­he, dass die Kläge­rin Über­wa­chungs­maßnah­men ge­genüber verdäch­ti­gen Mit­ar­bei­tern oder außen­ste­hen­den Drit­ten ver­an­lasst hat. Da­zu können, je nach den Ver­dachts­mo­men­ten, auch Über­wa­chun­gen durch De­tek­ti­ve oder Über­wa­chun­gen von aus­ge­tausch­ten Da­ten, ins­be­son­de­re auch in e-mails im haus­ei­ge­nen In­tra­net, gehören. Ent­spre­chen­de Maßnah­men wa­ren von der Be­klag­ten zum da­ma­li­gen Zeit­punkt auch of­fen­bar gewünscht. Der Kläge­rin aus heu­ti­ger Sicht vor­zu­hal­ten, sie ha­be Über­wa­chun­gen von Ar­beit­neh­mern ver­an­lasst, die da­mals ge­wollt, heu­te aber – mögli­cher­wei­se – nicht mehr op­por­tun er­schei­nen, geht kündi­gungs­recht­lich fehl. Ein Kündi­gungs­sach­ver­halt könn­te in­so­weit nur vor­lie­gen, wenn die Kläge­rin zum da­ma­li­gen ob­jek­tiv rechts­wid­rig ge­han­delt ha­ben soll­te und sie zu­dem sub­jek­tiv um die Rechts­wid­rig­keit ge­wusst hat. Bei­des hat die Be­klag­ten nicht hin­rei­chend nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt. Hin­sicht­lich der sub­jek­ti­ven Vor­werf­bar­keit hätte die Be­klag­te ins­be­son­de­re dar­le­gen müssen, dass die Kläge­rin als Nicht­ju­ris­tin bes­ser als die an­de­ren Mit­glie­der des Len­kungs­krei­ses Com­p­li­an­ce, dar­un­ter zahl­rei­che Ju­ris­ten, hätte wis­sen müssen, dass be­stimm­te Über­wa­chungs­maßnah­men rechts­wid­rig ge­we­sen sein soll­ten, zu­mal durch die Be­klag­te of­fen­bar auch Rechts­gut­ach­ten ein­ge­holt wor­den wa­ren, die die Zulässig­keit von be­stimm­ten Über­wa­chungs­maßnah­men bestätigt ha­ben.

Die Kläge­rin war ver­ant­wort­lich im Be­reich Com­p­li­an­ce tätig. Com­p­li­an­ce steht für die Ein­hal­tung von ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen und re­gu­la­to­ri­scher Stan-

 

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dards. Com­p­li­an­ce soll da­zu bei­tra­gen, die Beständig­keit des Geschäfts­mo­dells, das An­se­hen in der Öffent­lich­keit und die fi­nan­zi­el­le Si­tua­ti­on ei­nes Un­ter­neh­mens zu ver­bes­sern. Com­p­li­an­ce um­fasst die Ein­rich­tung ge­eig­ne­ter Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren, Pro­zes­se und Sys­te­me im Un­ter­neh­men. Der Be­griff Com­p­li­an­ce um­fasst mehr als die Bekämp­fung von Kor­rup­ti­on oder Wirt­schafts­straf­ta­ten im Un­ter­neh­men – aber ge­ra­de dar­um geht es auch und we­sent­lich. Die Dis­kus­si­on um Com­p­li­an­ce hat in den letz­ten fünf Jah­ren er­heb­lich an Dy­na­mik ge­won­nen. Seit dem Jah­re 2007 be­fasst sich auch der Deut­sche Cor­po­ra­te Go­ver­nan­ce Ko­dex mit dem Be­griff Com­p­li­an­ce. Hier­nach hat der Vor­stand ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft für die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen und der un­ter­neh­mens­in­ter­nen Richt­li­ni­en zu sor­gen und hat auf de­ren Be­ach­tung durch die Kon­zern­un­ter­neh­men hin­zu­wir­ken. Die­ser Fest­stel­lung fügt der Ko­dex qua­si de­fi­ni­to­risch den Zu­satz „Com­p­li­an­ce” an (4.1.3 DCGK). Die For­de­rung nach Com­p­li­an­ce in den Un­ter­neh­men hat spätes­tens seit dem Fall S. dras­tisch zu­ge­nom­men. Sie wird in ver­schie­dens­ten Aus­prägun­gen for­mu­liert durch die An­teils­eig­ner, den Ge­setz­ge­ber, durch die Straf­ver­fol­ger, die Steu­er­fahn­der und Be­triebs­prüfer und ge­ne­rell Fi­nanz­ver­wal­tun­gen, durch die Auf­sichtsräte, durch die Ana­lys­ten und Ra­ting-Agen­tu­ren, die Un­ter­neh­men im Hin­blick auf ih­re Zu­lie­fe­rer und ge­ne­rell bezüglich der Aus­wahl und Be­ur­tei­lung ih­rer Ver­trags­part­ner. Darüber hin­aus ge­winnt das The­ma Com­p­li­an­ce auch in der brei­te­ren Öffent­lich­keit, eben auf Grund gra­vie­ren­der Verstöße in der Ver­gan­gen­heit, mehr und mehr an Be­deu­tung.

Im Zu­sam­men­hang mit der Bekämp­fung von Kor­rup­ti­on oder Wirt­schafts­straf­ta­ten im Un­ter­neh­men kann es in Ein­z­elfällen auch er­for­der­lich sein, per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten ab­zu­glei­chen. So wer­den Schein­geschäfte häufig über na­he An­gehöri­ge ab­ge­wi­ckelt. Um die­se Mus­ter ab­zu­fra­gen, drängt es sich auf, Kon­to­num­mer und Wohn­an­schrift der ei­ge­nen Mit­ar­bei­ter mit de­nen der Lie­fe­ran­ten ab­zu­glei­chen. Tech­nisch ge­se­hen wer­den da­bei zwei Da­ten­ban­ken auf Übe­rein­stim­mun­gen in be­stimm­ten Da­ten­fel­dern ab­ge­fragt. Ei­ne Übe­rein­stim­mung kann be­deu­ten, dass ei­ne Ma­ni­pu­la­ti­on vor­liegt. Ei­ne sol­che Über­prüfung kann al­len­falls pro­ble­ma­tisch sein, wenn auch Da­ten aus­ge­wer­tet wer­den, die das Un­ter­neh­men nicht oder nicht zu die­sem Zweck ver­wen­den darf. Dies kann ins­be­son­de­re bei Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­da­ten der Fall sein, und zwar dann, wenn den Mit­ar­bei­tern die pri­va­te Nut­zung der Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ein­rich­tun­gen des Un­ter­neh­mens er­laubt ist. Las­sen sich die pri­va­ten Gespräche oder die pri­va­te Nut­zung von e-mails nicht ein­deu­tig von den geschäft-

 

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li­chen tren­nen (zum Bei­spiel in­dem ei­ne ge­trenn­te Vor­wahl für die Amts­lei­tung zu ver­wen­den ist oder die pri­va­te Nut­zung ver­bo­ten ist) und so­fern es kei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung gibt, die die Nut­zung sol­cher Da­ten re­gelt, kann ei­ne Über­prüfung sol­cher Da­ten, auch pe­ri­phe­rer Da­ten (wie et­wa Da­tum, Uhr­zeit, Ziel­num­mern, Kos­ten) rechts­wid­rig und ge­ge­be­nen­falls gemäß § 206 StGB straf­bar sein.

Es ist mit­hin nicht aus­zu­sch­ließen, dass es bei der Be­klag­ten, ge­ge­be­nen­falls auch ver­an­lasst durch die Kläge­rin, zu rechts­wid­ri­gen Überg­rif­fen auf Mit­ar­bei­ter­da­ten ge­kom­men ist. Die Be­klag­te hätte hier­zu aber im Ein­zel­nen mehr vor­tra­gen müssen, als sie vor­ge­tra­gen hat. Ins­be­son­de­re hätte erläutert wer­den müssen, dass et­wa im Len­kungs­kreis Com­p­li­an­ce be­reits zum da­ma­li­gen Zeit­punkt recht­li­che Zwei­fel an der Zulässig­keit von Über­wa­chungs­maßnah­men geäußert wor­den sind, sich die Kläge­rin über die­se aber wis­sent­lich und vorsätz­lich hin­weg­ge­setzt hat.

Es ist ins­be­son­de­re auch nicht im Ein­zel­nen nach­voll­zieh­bar, ob es bei der Be­klag­ten tatsächlich – und der Kläge­rin als ei­ge­ne Ver­trags­pflicht­ver­let­zung zu­re­chen­bar – zu Verstößen ge­gen das Da­ten­schutz­recht ge­kom­men ist. Zweck des Da­ten­schutz­ge­set­zes ist es, den Ein­zel­nen da­vor zu schützen, dass er durch den Um­gang mit sei­nen per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten in sei­nem Persönlich­keits­recht be­ein­träch­tigt wird. Per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten sind aber nur sol­che, die Ein­zel­an­ga­ben über persönli­che oder sach­li­che Verhält­nis­se ei­ner be­stimm­ten oder be­stimm­ba­ren natürli­chen Per­son ent­hal­ten. Es muss sich al­so um An­ga­ben über persönli­che oder sach­li­che Verhält­nis­se ei­ner Per­son han­deln. Da­zu gehören auch An­ga­ben, die aus­sch­ließlich der Iden­ti­fi­zie­rung der Per­son die­nen. Da­mit wird deut­lich, dass ei­ne Viel­zahl ana­ly­ti­scher Prüfungs­hand­lun­gen gar nicht der Über­prüfung durch das BDSG un­ter­lie­gen, da es sich bei vie­len Da­ten­ana­ly­sen nur um die Aus­wer­tung von Trans­ak­ti­ons­da­ten han­delt. Nur dann, wenn auch per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten ein­be­zo­gen wer­den, al­so bei­spiels­wei­se ein Ab­gleich von An­schrif­ten und/oder Kon­to­da­ten mit den Adres­sen und/oder Kon­to­da­ten von Lie­fe­ran­ten er­folgt, ist das BDSG über­haupt ein­schlägig. Al­ler­dings be­deu­tet das nicht, dass ent­spre­chen­de Da­ten­ab­glei­che stets rechts­wid­rig wären. Sie sind rechtmäßig, wenn ein Recht­fer­ti­gungs­grund vor­liegt.

 

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Die Nut­zung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten als Mit­tel für die Erfüllung ei­ge­ner Geschäfts­zwe­cke ist zulässig, so­weit es zur Wah­rung be­rech­tig­ter In­ter­es­sen der ver­ant­wort­li­chen Stel­le er­for­der­lich ist und kein Grund zu der An­nah­me be­steht, dass das schutzwürdi­ge In­ter­es­se des Be­trof­fe­nen an dem Aus­schluss der Ver­ar­bei­tung oder Nut­zung schutzwürdi­ger ist. Er­for­der­lich ist ei­ne Abwägung. Das be­rech­tig­te In­ter­es­se des Un­ter­neh­mens an der Da­ten­ana­ly­se lässt sich aus der ho­hen Scha­dens­wahr­schein­lich­keit, den ho­hen un­mit­tel­ba­ren Schäden wie auch den wei­te­ren Be­gleitschäden ei­ner­seits und aus den recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen zur Bekämp­fung von Wirt­schafts­kri­mi­na­lität und Kor­rup­ti­on an­de­rer­seits ab­lei­ten. Im Ein­zel­fall können als wei­te­re Ge­sichts­punk­te ge­ge­be­nen­falls noch hin­zu­kom­men, wenn ei­ne Ri­si­ko­ana­ly­se ge­zeigt hat, dass das Un­ter­neh­men für das ab­ge­frag­te Kor­rup­ti­ons­mus­ter be­son­ders gefähr­det ist oder sich ein ent­spre­chen­des Ri­si­ko in der Ver­gan­gen­heit be­reits rea­li­siert hat. Ei­ne ver­ant­wort­li­che Un­ter­neh­mens­lei­tung wird in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on Maßnah­men er­grei­fen, um das Ri­si­ko für die Zu­kunft aus­zu­sch­ließen.

Nicht sel­ten wer­den ent­spre­chen­de Da­ten­ana­ly­sen durch­geführt, nach­dem ein Fall im Un­ter­neh­men be­kannt ge­wor­den ist. Um in ei­ner der­ar­ti­gen Si­tua­ti­on aus­sch­ließen zu können, dass es sich nicht um ei­nen Ein­zel­fall han­del­te, liegt es na­he, das er­kann­te Mus­ter zu ana­ly­sie­ren und an­sch­ließend die ei­ge­nen Da­ten­bestände dar­auf­hin zu un­ter­su­chen, ob sich der­ar­ti­ge Fälle auch an­ders­wo er­eig­net ha­ben könn­ten. Da­mit dürf­te das be­rech­tig­te In­ter­es­se des Un­ter­neh­mens an der Durchführung von Da­ten­ana­ly­sen häufig grundsätz­lich zu be­ja­hen sein. Dass bei der Be­klag­ten ei­ne sol­che Si­tua­ti­on nicht ge­ge­ben ge­we­sen sein soll­te und die Kläge­rin – als Nicht­ju­ris­tin - dies hätte er­ken­nen müssen, hätte von der Be­klag­ten im Ein­zel­nen auf­ge­zeigt wer­den müssen. Das hat sie nicht ge­tan.

Da­von ab­ge­se­hen dürfen zur Auf­de­ckung von Straf­ta­ten per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten ei­nes Beschäftig­ten er­ho­ben, ver­ar­bei­tet oder ge­nutzt wer­den, wenn tatsächli­che An­halts­punk­te den Ver­dacht be­gründen, dass der Be­trof­fe­ne im Beschäfti­gungs­verhält­nis ei­ne Straf­tat be­gan­gen hat, die Er­he­bung, Ver­ar­bei­tung oder Nut­zung zur Auf­de­ckung er­for­der­lich ist und das schutzwürdi­ge In­ter­es­se des Beschäftig­ten an dem Aus­schluss der Er­he­bung, Ver­ar­bei­tung oder Nut­zung nicht über­wiegt, ins­be­son­de­re Art und Aus­maß im Hin­blick auf den An­lass nicht un­verhält­nismäßig sind. Die­se Maßstäbe for­mu­liert der neu ge­fass­te § 32 BDSG. Al­ler­dings war die Rechts­la­ge zum Zeit­punkt der hier im

 

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Streit ste­hen­den Hand­lun­gen kei­ne an­de­re. Durch die BDSG-Re­form wur­de nur po­si­ti­viert, was be­reits im­mer schon gel­ten­des Recht war. Dar­aus folgt aber, dass zur Auf­de­ckung von Straf­ta­ten per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten von Ar­beit­neh­mern durch­aus er­ho­ben, ver­ar­bei­tet und ge­nutzt wer­den dürfen. Dass bei der Be­klag­ten Kon­stel­la­tio­nen vor­la­gen, die – für die Kläge­rin er­kenn­bar – die Nut­zung von per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten nicht zu­ließen, hätte die Be­klag­te im Ein­zel­nen nach­voll­zieh­bar dar­le­gen müssen.

Mit der Ziel­set­zung, Ver­dachtsfällen nach­zu­ge­hen, ist es auch nicht zu be­an­stan­den, dass ex­ter­ne Fir­men (N., A.) be­auf­tragt wur­den oder die Ob­ser­va­ti­on ei­nes ex­ter­nen Bauüber­wa­chers (U. F.) ver­an­lasst wur­de. Es ist we­der er­sicht­lich, dass die­se Hand­lun­gen ob­jek­tiv rechts­wid­rig wa­ren, noch legt die Be­klag­te nach­voll­zieh­bar dar, dass die Kläge­rin zum da­ma­li­gen Zeit­punkt um die Rechts­wid­rig­keit hätte wis­sen müssen und sie gleich­wohl sub­jek­tiv vor­werf­bar sol­che rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen ver­an­lasst hat.

Ins­ge­samt liegt schon an sich kein Kündi­gungs­grund vor, und zwar we­der für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB noch für ein or­dent­li­che Kündi­gung im Sin­ne des § 1 Abs. 2 KSchG.

Ob die Be­klag­te aus ih­ren An­deu­tun­gen über die Neu­struk­tu­rie­rung des Be­reichs Com­p­li­an­ce ei­nen (be­triebs­be­ding­ten) Kündi­gungs­grund ab­lei­ten will, mit der Erwägung, der Ar­beits­platz der Kläge­rin sei nicht mehr vor­han­den, ist nicht ganz klar. Ein Kündi­gungs­grund wäre aber auch in­so­fern nicht ge­ge­ben. Durch ei­ne bloße Um­struk­tu­rie­rung fällt als sol­cher der Be­reich Com­p­li­an­ce und der ent­spre­chen­de Tätig­keits­be­reich nicht fort. Die­ser ist von ei­nem Un­ter­neh­men wie der D. B. not­wen­di­ger­wei­se durch­zuführen. Da­von ab­ge­se­hen ist zu ei­nem sol­chen Vor­brin­gen der Be­triebs­rat nicht an­gehört wor­den und auch nicht der Spre­cher­aus­schuss.

II.

Da die Kündi­gung un­wirk­sam ist, hat die Kläge­rin gemäß § 611 BGB ei­nen An­spruch auf ih­re ver­trags­gemäße Beschäfti­gung für die Dau­er des Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses.

 

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III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO. Die Ent­schei­dung über den Streit­wert er­geht gemäß § 46 Abs. 2, § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO, § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Be­klag­ten Be­ru­fung ein­ge­legt wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift muss von ei­nem Rechts­an­walt oder ei­nem Ver­tre­ter ei­ner Ge­werk­schaft bzw. ei­ner Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung oder ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses sol­cher Verbände ein­ge­reicht wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

bei dem

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg,
Mag­de­bur­ger Platz 1, 10785 Ber­lin,

ein­ge­gan­gen sein.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

in glei­cher Form schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Da­bei ist zu be­ach­ten, dass bei ei­ner Zu­stel­lung durch Nie­der­le­gung bei ei­ner Post­an­stalt die Frist be­reits mit der Nie­der­le­gung und Be­nach­rich­ti­gung in Lauf ge­setzt wird, al­so nicht erst mit der Ab­ho­lung der Sen­dung. Das Zu­stel­lungs­da­tum ist auf dem Um­schlag ver­merkt.

Für die Kläge­rin ist ge­gen das Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

 

L.

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