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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 12.02.2009, 2 Sa 2070/08

   
Schlagworte: Diskriminierung: Beweiserleichterung, Diskriminierung: Geschlecht, Diskriminierung: Entschädigung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 2 Sa 2070/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.02.2009
   
Leitsätze:

1. Statistische Daten können im Grundsatz ein Indiz für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung im Rahmen des § 22 AGG sein, wenn sie im Bezugspunkt der konkreten Maßnahme (Einstellung, Beförderung) aussagekräftig sind.

2. Ein solches Datum kann beispielsweise das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Bewerbungen einerseits und der Geschlechterverteilung bei den schließlich getroffenen Auswahlentscheidungen andererseits sein.

3. Demgegenüber hat die Geschlechterverteilung in der Gesamtbelegschaft im Verhältnis zu der Geschlechterverteilung in den Führungspositionen keinen entsprechenden Aussagewert, denn diese sagt nichts über die Frage der Qualifikation für und die Anzahl von Bewerbungen auf Führungspositionen aus.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 28.04.2006, 28 Ca 5196/06
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 12. Fe­bru­ar 2009

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

2 Sa 2070/08

28 Ca 5196/06
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

G.-K. als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 2. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12. Fe­bru­ar 2009
durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Lan­des­ar­beits­ge­richts Dr. B. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr J. und Frau Ja.

für Recht er­kannt:

I. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin
vom 28. April 2006 – 28 Ca 5196/06 – geändert:

1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten des Rechts­streits ein­sch­ließlich der Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens wer­den der Kläge­rin auf­er­legt.

II. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

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T a t b e s t a n d


Die Kläge­rin be­gehrt von der Be­klag­ten Scha­dens­er­satz un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner ge­schlechts­spe­zi­fi­schen Dis­kri­mi­nie­rung bei ei­ner Beförde­rungs­ent­schei­dung.

Sie war seit dem 01. April 2002 bei der Be­klag­ten, ei­nem Un­ter­neh­men der Mu­sik­bran­che, bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin zu­letzt als „Mar­ke­ting Di­rek­tor In­ter­na­tio­nal Di­vi­si­on“ ge­gen ei­ne Brut­to­mo­nats­vergütung von rund 8.700,00 EUR tätig. Sie war als „Di­rek­to­ring Pop“ ei­ne von drei Ab­tei­lungs­lei­te­rin­nen bzw. Ab­tei­lungs­lei­ter im Be­reich „In­ter­na­tio­nal Mar­ke­ting“, dem der Vi­ze­präsi­dent Herr E. vor­stand. Nach­dem im Sep­tem­ber 2005 die­ser zum Se­ni­or Vice Pre­si­dent Mu­sic Di­vi­si­on befördert und sei­ne Stel­le va­kant ge­wor­den war, fiel die Aus­wah­l­ent­schei­dung für die Be­set­zung der Stel­le in der Nach­fol­ge des Herrn E. auf ei­nen der bei­den männ­li­chen Ab­tei­lungs­lei­ter, nicht aber auf die Kläge­rin, die zum Zeit­punkt der Ent­schei­dung schwan­ger war. Die Ent­schei­dung, dass sie nicht berück­sich­tigt wor­den war, wur­de ihr am 13. Ok­to­ber 2005 durch Herrn E. mit­ge­teilt; die nähe­ren Umstände die­ser Mit­tei­lun­gen sind zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

Mit der vor­lie­gen­den, bei Ge­richt am 13. März 2006 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge macht die Kläge­rin gel­tend, sie sei im Hin­blick auf ihr Ge­schlecht bei der Beförde­rungs­ent­schei­dung be­nach­tei­ligt wor­den; sie be­gehrt dies­bezüglich Scha­dens­er­satz auf der Grund­la­ge von § 611 a BGB a.F.. Sie hat da­zu die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die ihr ge­genüber ne­ga­ti­ve Aus­wah­l­ent­schei­dung be­ru­he auf ih­rer Schwan­ger­schaft und ih­rer Mut­ter­schaft. Denn sie sei als Ab­we­sen­heits­ver­tre­te­rin von Herrn E. stets da­von aus­ge­gan­gen, dass sie des­sen Nach­fol­ge an­tre­ten wer­de. Ent­spre­chen­des ha­be Herr E. ihr auch mit­ge­teilt. Bei der Be­kannt­ga­be der Nicht­berück­sich­ti­gung ha­be Herr E. im Übri­gen auch auf ih­re fa­mi­liäre Si­tua­ti­on hin­ge­wie­sen und erklärt, sie ha­be sich ja „für die Fa­mi­lie“ ent­schie­den. Da­mit sei ein Be­zug ih­rer fa­mi­liären Si­tua­ti­on zur Stel­len­be­set­zung deut­lich.

 

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Dem­ge­genüber hat die Be­klag­te die Ent­schei­dung für den männ­li­chen Mit­be­wer­ber mit des­sen erst­klas­si­gen Kun­den­kon­tak­ten und mit Pro­porz­ge­sichts­punk­ten zwi­schen den be­tei­lig­ten Un­ter­neh­mens­be­rei­chen, nämlich S. ei­ner­seits und B. an­de­rer­seits, be­gründet.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 28. April 2006 dem kläge­ri­schen Be­geh­ren ent­spro­chen und die Be­klag­te zur Zah­lung von 17.062,00 EUR als Entschädi­gung gemäß § 611 a Abs. 2 BGB a.F. we­gen ge­schlechts­spe­zi­fi­scher Dis­kri­mi­nie­rung bei der Beförde­rung ver­ur­teilt. Es ist da­von aus­ge­gan­gen, dass die Kläge­rin Tat­sa­chen bzw. In­di­zi­en glaub­haft ge­macht ha­be, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlech­tes ver­mu­ten ließen. Sie ha­be als Di­rek­to­rin ne­ben ih­ren bei­den männ­li­chen Mit­kon­kur­ren­ten zu den Anwärte­rin­nen auf die Stel­le gehört; wenn ein männ­li­cher Kol­le­ge vor­ge­zo­gen wor­den sei, lie­ge es na­he, dass das Ge­schlecht ei­ne Rol­le ge­spielt ha­be. Sie sei zum Zeit­punkt der Ent­schei­dung auch schwan­ger ge­we­sen, was bei der Ar­beit­ge­ber­sei­te re­flex­haf­te Vor­be­hal­te auslöse. Dies al­les rei­che aus, um ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts als wahr­schein­lich er­schei­nen zu las­sen. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe (Bl. 48 ff. d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses am 19. Mai 2006 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die Be­ru­fung der Be­klag­ten, die sie mit ei­nem beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 19. Ju­ni 2006 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz ein­ge­legt und mit ei­nem beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 19. Ju­li 2006 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet hat.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin ver­tritt die Auf­fas­sung, die Kläge­rin ha­be be­reits die ers­te Stu­fe des maßgeb­li­chen Prüfungs­sche­mas im Sin­ne von § 611 a BGB a.F. nicht erfüllt, da sie kei­ne hin­rei­chen­den In­di­ztat­sa­chen für ei­ne ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gung vor­ge­tra­gen ha­be. Für die Beförde­rung des männ­li­chen Be­wer­bers hätten sach­li­che Gründe ge­spro­chen; die Stel­le des Ab­tei­lungs­lei­ters „In­ter­na­tio­nal Mar­ke­ting“ sei frei ge­wor­den, die Ent­schei­dung der Stel­len­be­set­zung mit dem männ­li­chen Be­wer­ber sei nach zahl­rei­chen in­for­mel­len Gesprächen und auch sub­jek­ti­ven Wer­tun­gen zu­stan­de

 

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ge­kom­men. Da­bei hätten auch Pro­porz­ge­sichts­punk­te zwi­schen S. und B. ei­ne Rol­le ge­spielt.

Die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 28. April 2006 zu ändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.Die Kläge­rin und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tritt auch in der Be­ru­fungs­in­stanz die Auf­fas­sung, al­lei­ne die Tat­sa­che ih­rer Schwan­ger­schaft sei ge­eig­net, ei­ne über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit für ei­ne da­mit be­gründe­te Be­nach­tei­li­gung bei der Stel­len­be­set­zung zu er­brin­gen. Sie, die Kläge­rin, sei stets Ab­we­sen­heits­ver­tre­te­rin von Herrn E. ge­we­sen, die­ser ha­be sie mehr­fach dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie sei­ne Nach­fol­ge­rin wer­den sol­le. Von Pro­porz­ge­sichts­punk­ten bei der Stel­len­be­set­zung sei nie die Re­de ge­we­sen. Sol­che Ge­sichts­punk­te würden jetzt nur im Pro­zess ge­nannt, sie sei­en auch der Sa­che nach un­zu­tref­fend, was im Ein­zel­nen dar­ge­legt wird. Rich­tig sei viel­mehr, dass auch fa­mi­liäre Ge­sichts­punk­te ei­ne Rol­le ge­spielt hätten, was sich auch aus den Äußerun­gen er­ge­be, die Herr E. ihr ge­genüber in dem Gespräch ab­ge­ge­ben ha­be, als er ihr die Nicht­berück­sich­ti­gung mit­ge­teilt ha­be.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin hat mit Ur­teil vom 19. Ok­to­ber 2006 die ar­beits­ge­richt­li­che Ent­schei­dung ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, der Kläge­rin ste­he der von ihr gel­tend ge­mach­te Entschädi­gungs­an­spruch we­gen ge­schlechts­spe­zi­fi­scher Be­nach­tei­li­gung bei der Beförde­rung nicht zu, da es ihr nicht ge­lun­gen sei, Hilfs­tat­sa­chen dar­zu­le­gen und un­ter Be­weis zu stel­len, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ih­res Ge­schlech­tes hätten ver­mu­ten las­sen. Die Um­kehr der Be­weis­last zu Las­ten des Ar­beit­ge­bers sei da­mit nicht her­bei­geführt ge­we­sen. Der Um­stand ih­rer Schwan­ger­schaft rei­che al­lei­ne nicht aus, in­di­zi­ell die ge­schlechts­be­zo­ge­ne Be­nach­tei­li­gung an­zu­neh­men. Auch wei­te­re von ihr im Zu­sam­men­hang mit ih­rer Be­wer­bung und

 

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ins­be­son­de­re der er­folg­ten Be­nach­rich­ti­gung über ih­re Nicht­berück­sich­ti­gung in den Rechts­streit ein­geführ­te Ar­gu­men­te hätten die In­dizwir­kung nicht her­bei­zuführen ver­mocht. So­weit sie sich dar­auf be­ru­fen ha­be, dass sie die Ab­we­sen­heits­ver­tre­te­rin von Herrn E. ge­we­sen sei, ha­be die­ser Um­stand nicht aus­ge­reicht, ei­ne ent­spre­chen­de In­dizwir­kung zu ent­fal­ten. Es ge­be kei­nen Er­fah­rungs­satz da­hin, dass bei der schließlich zu er­fol­gen­den endgülti­gen Be­set­zung ei­ner Stel­le stets der frühe­re „Ver­tre­ter“ Prio­rität genösse. Auch Erklärun­gen der Be­klag­ten im Zu­sam­men­hang mit dem Stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren sei­en im Er­geb­nis nicht aus­rei­chend ge­we­sen, die ge­for­der­te In­dizwir­kung her­bei­zuführen. Ins­be­son­de­re auch die Äußerung des Herrn E. in dem Gespräch, in wel­chem er ihr die Nicht­berück­sich­ti­gung mit­ge­teilt hat­te, sei nicht ent­spre­chend aus­rei­chend ge­we­sen. So­weit Herr E. in die­sem Gespräch die fa­mi­liäre Si­tua­ti­on der Kläge­rin an­ge­spro­chen ha­be, sei dies als „Trost­pflas­ter“ im Hin­blick auf ih­re Nicht­berück­sich­ti­gung er­folgt.

We­gen der nähe­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe vom 19. Ok­to­ber 2006 (Bl. 190 ff. d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Nach Zu­las­sung der Re­vi­si­on im Be­schluss vom 29. März 2007 hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt mit Ur­teil vom 24. April 2008 das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 19. Ok­to­ber 2006 auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung zurück­ver­wie­sen.

Ei­ne vom Be­ru­fungs­ge­richt gemäß § 286 Abs. 1 ZPO vor­ge­nom­me­ne Würdi­gung sei nach ständi­ger Recht­spre­chung re­vi­si­ons­recht­lich nur dar­auf­hin über­prüfbar, ob sie möglich und in sich wi­der­spruchs­frei sei, ge­gen Denk­ge­set­ze, Er­fah­rungssätze oder an­de­re Rechtssätze ver­s­toße und ob al­le vernünf­ti­ger­wei­se in Be­tracht kom­men­den Umstände in sich wi­der­spruchs­frei be­ach­tet wor­den sei­en. Die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt vor­ge­nom­me­ne Be­ur­tei­lung sei re­vi­si­ons­recht­lich in­so­weit nicht zu be­an­stan­den ge­we­sen, als dass al­lein die Tat­sa­che der Kennt­nis der Be­klag­ten zum Zeit­punkt ih­rer Ent­schei­dung über die streit­ge­genständ­li­che Stel­len­be­set­zung von der Schwan­ger­schaft der Kläge­rin nach § 611 Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. ei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin we­gen ih­res Ge­schlech­tes nicht ver­mu­ten ließen. Ins­be­son­de­re ha­be ein en­ger zeit­li­cher Zu­sam­men­hang zwi­schen der be­nach­tei­li­gen­den Maßnah­me des

 

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Ar­beit­ge­bers und dem An­zei­gen der Schwan­ger­schaft nicht be­stan­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be aber an­de­re von der Kläge­rin vor­ge­tra­ge­ne Tat­sa­chen, wel­che ei­ne ge­schlechts­be­zo­ge­ne Be­nach­tei­li­gung gemäß § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. ver­mu­ten las­sen könn­ten, nicht oder nicht in der ge­setz­lich ge­for­der­ten Wei­se berück­sich­tigt und da­mit § 286 ZPO ver­letzt. Denn zur Glaub­haft­ma­chung genügten In­di­zi­en, die aus ei­nem re­gel­haft ei­nem Ge­schlecht ge­genüber geübten Ver­hal­ten auf ei­ne eben­so mo­ti­vier­te Ent­schei­dung schließen ließen; da­bei sei kein zu stren­ger Maßstab an die Ver­mu­tungs­wir­kung die­ser so­ge­nann­ten Hilfs­tat­sa­chen an­zu­le­gen. Würden von dem be­nach­tei­lig­ten Ar­beit­neh­mer Hilfs­tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, wel­che je­weils für sich al­lein be­trach­tet nicht aus­reich­ten, um die Ver­mu­tungs­wir­kung gemäß § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. her­bei­zuführen, sei vom Tat­sa­chen­ge­richt ei­ne Ge­samt­be­trach­tung vor­zu­neh­men, ob die­se Hilfs­tat­sa­chen im Zu­sam­men­hang ge­se­hen ge­eig­net sei­en, die Ver­mu­tungs­wir­kung zu be­gründen. Ei­ne sol­che Ge­samt­be­trach­tung sei vom Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht vor­ge­nom­men wor­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt sei auch nicht der Be­haup­tung der Kläge­rin nach­ge­gan­gen, der ehe­ma­li­ge Be­reichs­lei­ter E. ha­be sie nach der Mit­tei­lung der für sie ne­ga­ti­ven Aus­wah­l­ent­schei­dung ge­fragt, war­um sie sich so auf­re­ge, sie sei nach wie vor in der „Job-De­scrip­ti­on“ ent­hal­ten, ob­wohl man an­sons­ten nach der Ent­bin­dung wie­der­keh­ren­den Müttern ge­rin­ger­wer­ti­ge Ar­bei­ten zu­wei­se. Eben­so we­nig ha­be das Lan­des­ar­beits­ge­richt der Be­haup­tung der Kläge­rin Be­ach­tung ge­schenkt, die Be­klag­te ha­be sich erst­mals im Lau­fe des Rechts­strei­tes zur Be­gründung der ge­trof­fe­nen Per­so­nal­aus­wah­l­ent­schei­dung dar­auf be­ru­fen, dass Pro­porz­ge­sichts­punk­te zur Aus­wahl des männ­li­chen Mit­ar­bei­ters geführt hätten. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe (Bl. 214 Rs. d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Auf Auf­la­ge des Lan­des­ar­beits­ge­richts ha­ben bei­de Par­tei­en ergänzend zu den vom Bun­des­ar­beits­ge­richt her­aus­ge­stell­ten Punk­ten Stel­lung ge­nom­men. Die Kläge­rin und Be­ru­fungs­be­klag­te hat – er­neut – dar­auf ver­wie­sen, dass Herr E., der Vor­ge­set­ze der Kläge­rin, ihr ge­genüber geäußert ha­be, sie ha­be sich „für die Fa­mi­lie ent­schie­den“. Auch der Hin­weis am Fol­ge­tag, die Kläge­rin sei im­mer noch in der Job-De­scrip­ti­on ent­hal­ten, während an­sons­ten man wie­der­keh­ren­de Mütter ge­rin­ger­wer­ti­ge Ar­beit zu­wei­se, sei als In­di­ztat­sa­che zu wer­ten. Wei­ter sei auch die

 

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Sta­tis­tik mit her­an­zu­zie­hen, da­bei be­ruft sich die Kläge­rin auf die Ent­schei­dungs­gründe der Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 26. No­vem­ber 2008. Die Sta­tis­tik er­ge­be, dass von den Stel­len der Haupt­ab­tei­lungs­lei­ter 90 % und von den Stel­len der Ab­tei­lungs­lei­ter 70 % von Männern ein­ge­nom­men wer­de, während in der Ge­samt­be­leg­schaft der Frau­en­an­teil über­wie­ge. Auch dies ließe ei­nen Schluss auf die Be­nach­tei­li­gung von Frau­en zu. Pro­porz­ge­sichts­punk­te sei­en von der Be­klag­ten erst im Rechts­streit nach­ge­scho­ben wor­den. Ins­be­son­de­re aber die Ge­samt­be­trach­tung der ein­zel­nen Ele­men­te müsse da­zu führen, dass von ei­ner Be­weis­last­um­kehr aus­zu­ge­hen sei.

Dem­ge­genüber ver­weist die Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin dar­auf, dass es rich­tig sei, dass Pro­porz­ge­sichts­punk­te nicht im un­mit­tel­ba­ren Gespräch ge­genüber der Kläge­rin gel­tend ge­macht wor­den sei­en. Dies sei aber auch nicht er­for­der­lich, der Ar­beit­ge­ber müsse nicht sämt­li­che Gründe für die Nicht­berück­sich­ti­gung so­fort mit­tei­len. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be sämt­li­che Ele­men­te rich­tig gewürdigt. Auch ei­ne Ge­samt­schau führe zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin und des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg in sei­ner Ent­schei­dung vom 26. No­vem­ber 2008 könn­ten sta­tis­ti­sche Zah­len nicht oh­ne wei­te­res In­dizwir­kung ent­fal­ten. Im Übri­gen würden die Zah­len be­le­gen, dass die Be­klag­te im Hin­blick auf die Be­set­zung von Führungs­po­si­tio­nen mit Frau­en bes­ser ab­schnei­de als es im Bun­des­durch­schnitt der Fall sei. Von den 20 Führungs­po­si­tio­nen würden sechs von Frau­en ein­ge­nom­men, was ei­nem An­teil von 33 % ent­spre­che.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat über die be­haup­te­ten Äußerun­gen des Herrn E. im Zu­sam­men­hang mit dem Ver­bleib der Kläge­rin in der „Job-De­scrip­ti­on“ Be­weis er­ho­ben durch Ver­neh­mung des Herrn E. als Zeu­gen und der Kläge­rin als Par­tei. We­gen des In­halts des Be­weis­be­schlus­ses und des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me wird auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 12. Fe­bru­ar 2009 (Bl. 370 ff. d.A.) Be­zug ge­nom­men.

 

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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG, 511 ZPO statt­haf­te Be­ru­fung ist form- und frist­ge­recht im Sin­ne von §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

Die Be­ru­fung ist da­her zulässig.

2. Die Be­ru­fung hat­te in der Sa­che auch Er­folg; der Kläge­rin ste­hen die von ihr gel­tend ge­mach­ten Ansprüche nicht zu.

2.1. Es ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts im Grund­satz da­von aus­zu­ge­hen, dass die Vor­schrift des § 611 a BGB a.F. der Er­rei­chung der von Ar­ti­kel 3 Abs. 2 GG ge­setz­ten Zie­le dien­te. Sie er­streck­te das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot auf pri­va­te Ar­beits­be­zie­hun­gen und be­zweck­te, Frau­en glei­che Chan­cen im Be­ruf, ins­be­son­de­re bei der Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses und beim be­ruf­li­chen Auf­stieg zu si­chern. Ar­ti­kel 3 Abs. 2 GG enthält ein Gleich­be­rech­ti­gungs­ge­bot. Der Satz „Männer und Frau­en sind gleich­be­rech­tigt“ will nicht nur Rechts­nor­men be­sei­ti­gen, die Vor- und Nach­tei­le an Ge­schlechts­merk­ma­le an­knüpfen, son­dern die Gleich­be­rech­ti­gung der Ge­schlech­ter durch­set­zen. Er zielt auf An­glei­chung der Le­bens­verhält­nis­se. Ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts im Sin­ne von Ar­ti­kel 3 Abs. 3 GG liegt be­reits dann vor, wenn ei­ne recht­li­che Un­gleich­be­hand­lung an das Ge­schlecht an­knüpft. Es kommt nicht dar­auf an, ob da­ne­ben auch an­de­re Gründe maßgeb­lich wa­ren. Soll die Be­ach­tung des ver­fas­sungs­recht­li­chen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­tes auch für den Ar­beit­ge­ber ver­bind­lich ge­macht wer­den – und dar­in lag der Sinn des § 611 a BGB a.F. – so muss es die­sem ver­wehrt sein, das Ge­schlecht ei­nes Be­wer­bers bei sei­ner Ent­schei­dung über­haupt zu des­sen Las­ten zu berück­sich­ti­gen. Das ist aber be­reits dann der Fall, wenn in dem Mo­tivbündel, das sei­ne Ent­schei­dung be­ein­flusst hat, das Ge­schlecht des ab­ge­wie­se­nen Be­wer­bers als ne­ga­ti­ves oder das an­de­re Ge­schlecht als po­si­ti­ves Kri­te­ri­um ent­hal­ten ist.

 

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Die in § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. vor­ge­nom­men Be­weis­last­re­ge­lung be­zieht sich auf den Be­nach­tei­li­gungs­grund, al­so auf die Tat­sa­che der Be­nach­tei­li­gung aus ge­schlechts­be­zo­ge­nen Gründen. § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. lässt die Be­weis­ver­tei­lung zunächst un­berührt, er senkt le­dig­lich das Be­weis­maß. Da­bei ist die For­mu­lie­rung „glaub­haft ma­chen“ in § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. nicht als Glaub­haft­ma­chung im Sin­ne des § 294 ZPO zu ver­ste­hen; ver­langt ist le­dig­lich ei­ne Dar­le­gung, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts als wahr­schein­lich er­schei­nen lässt. Es han­delt sich auch nicht um ei­ne Ver­mu­tungs­re­ge­lung im Sin­ne des § 292 ZPO. Die Vor­schrift muss viel­mehr so ver­stan­den wer­den, dass der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer ei­ne Be­weis­last des Ar­beit­ge­bers da­durch her­beiführen kann, dass er Hilfs­tat­sa­chen dar­legt und ge­ge­be­nen­falls be­weist, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen sei­nes Ge­schlechts ver­mu­ten las­sen. Hier­zu genügt die Über­zeu­gung des Ge­richts von der über­wie­gen­den Wahr­schein­lich­keit für die Kau­sa­lität zwi­schen Ge­schlechts­zu­gehörig­keit und Nach­teil. Sol­che Ver­mu­tungs­tat­sa­chen können in Äußerun­gen des Ar­beit­ge­bers bzw. an­de­ren Ver­fah­rens­hand­lun­gen be­gründet sein, wel­che die An­nah­me ei­ner Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts na­he le­gen. Es genügen In­di­zi­en, die aus ei­nem re­gel­haft ei­nem Ge­schlecht ge­genüber geübten Ver­hal­ten auf ei­ne sol­cher­maßen mo­ti­vier­te Ent­schei­dung schließen las­sen. da­bei ist kein zu stren­ger Maßstab an die Ver­mu­tungs­wir­kung der Hilfs­tat­sa­chen an­zu­le­gen. Ist die Be­nach­tei­li­gung aus ge­schlechts­be­zo­ge­nen Gründen nach die­sen Grundsätzen über­wie­gend wahr­schein­lich, muss nun­mehr der Ar­beit­ge­ber den vol­len Be­weis führen, dass die Be­nach­tei­li­gung aus recht­lich zulässi­gen Gründen er­folgt ist.

Die Würdi­gung, ob der Ar­beit­neh­mer sei­ner (ver­min­der­ten) Dar­le­gungs- und Be­weis­last genügt hat, er al­so Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen hat, die sei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen sei­nes Ge­schlech­tes ver­mu­ten las­sen, un­ter­liegt der frei­en Über­zeu­gung des Tat­sa­chen­ge­richts nach § 286 Abs. 1 ZPO. Es ist dem Tatrich­ter vor­be­hal­ten zu ent­schei­den, ob er die über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit für die Kau­sa­lität zwi­schen dem Ge­schlecht ei­nes Be­wer­bers und des­sen Be­nach­tei­li­gung ge­winnt.

Wer­den von dem be­nach­tei­lig­ten Ar­beit­neh­mer Hilfs­tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, wel­che je­weils für sich al­lei­ne be­trach­tet nicht aus­rei­chen, um die

 

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Ver­mu­tungs­wir­kung gemäß § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. her­bei­zuführen, ist vom Tat­sa­chen­ge­richt ei­ne Ge­samt­be­trach­tung da­hin vor­zu­neh­men, ob die­se Hilfs­tat­sa­chen im Zu­sam­men­hang ge­se­hen ge­eig­net sind, die Ver­mu­tungs­wir­kung zu be­gründen. Es gibt nämlich Fälle, in de­nen die ein­zel­nen vom Ar­beit­neh­mer dar­ge­leg­ten Umstände des Ein­zel­fal­les oder Hand­lungs­wei­sen bzw. Äußerun­gen des Ar­beit­ge­bers für sich al­lein be­trach­tet noch kei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts ver­mu­ten las­sen, die Ge­samt­schau der ein­zel­nen Umstände des Ein­zel­fal­les oder der Hand­lungs­wei­se bzw. der Äußerun­gen des Ar­beit­ge­bers aber ei­ne über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit ei­ner ge­schlechts­be­zo­ge­nen Be­nach­tei­li­gung be­gründen und da­mit die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. ent­fal­ten können (BAG vom 24.04.2008 – 8 AZR 257/07 – NZA 2008, 1351).

2.2. Un­ter Be­ach­tung und in An­wen­dung der vor­ge­nann­ten Grundsätze ist das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter Berück­sich­ti­gung der Grundsätze des § 286 Abs. 1 ZPO nicht zu der Über­zeu­gung ge­langt, dass die Kläge­rin aus­rei­chend In­di­ztat­sa­chen vor­ge­tra­gen und be­wie­sen hätte, die ei­ne ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gung bei der hier streit­ge­genständ­li­chen Beförde­rungs­ent­schei­dung na­he le­gen würden.

2.2.1. Der Um­stand, dass die Kläge­rin zum Zeit­punkt der Beförde­rungs­ent­schei­dung schwan­ger war, ver­moch­te ei­ne ent­spre­chen­de In­dizwir­kung für ei­ne ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gung nicht zu ent­fal­ten. Dies hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung vom 24. April 2008 bei der Würdi­gung der lan­des­ar­beits­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung vom 19.10.2006 her­aus­ge­stellt; hier­auf wird Be­zug ge­nom­men.

2.2.2. Auch der Um­stand, dass die Kläge­rin Ab­we­sen­heits­ver­tre­te­rin des Herrn E. war und dass die­ser der Kläge­rin ge­genüber Erklärun­gen ab­ge­ge­ben hat, die bei der Kläge­rin den Ein­druck er­weckt ha­ben, sie sei als Nach­fol­ge­rin von Herrn E. be­stimmt, ver­moch­ten ei­ne ent­spre­chen­de In­dizwir­kung nicht zu be­gründen.

 

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Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung vom 19. Ok­to­ber 2006 zu 2.2.2 be­reits aus­geführt; hier­auf wird auch für die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung Be­zug ge­nom­men.

Auch die wei­te­ren Ausführun­gen der Kläge­rin hier­zu vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg ver­moch­ten kei­ne an­de­re Einschätzung zu recht­fer­ti­gen. Die Kläge­rin räumt selbst ein, dass sie kei­nen An­spruch auf die Beförde­rungs­po­si­ti­on ge­habt hat; selbst wenn man, wie die Kläge­rin be­haup­tet, da­von aus­ge­hen würde, dass ihr die Beförde­rung kon­kret in Aus­sicht ge­stellt wor­den sei, ändert dies nichts dar­an, dass die Beförde­rungs­ent­schei­dung selbst hier­durch für den Ar­beit­ge­ber auch nicht an­satz­wei­se präju­di­ziert ist. Der Ar­beit­ge­ber ist bei sei­nen Be­set­zungs­ent­schei­dun­gen – dies­seits der Willkür – frei, sich für be­stimm­te an­zu­le­gen­de Kri­te­ri­en und da­mit für be­stimm­te Be­wer­be­rin­nen oder Be­wer­ber zu ent­schei­den, auch wenn er im Vor­feld ge­genüber meh­re­ren in Be­tracht kom­men­den Be­wer­be­rin­nen und Be­wer­bern äußert, je­ne kämen für die Stel­le in Be­tracht oder dem ei­nen oder der an­de­ren Beschäftig­ten so­gar wei­ter­ge­hen­de Erklärun­gen ab­gibt. Ein sol­ches Ver­hal­ten, das die Be­klag­te nach ih­ren ei­ge­nen An­ga­ben auch ge­genüber dem ab­ge­lehn­ten männ­li­chen Mit­be­wer­ber aus­geübt hat, ist we­der recht­lich ver­wehrt noch nach den Usan­cen des Ar­beits­le­bens als aus­rei­chen­der Hin­weis dar­auf zu wer­ten, dass ei­ne späte­re Beförde­rungs­ent­schei­dung sach­wid­rig, bei­spiels­wei­se al­so nicht ge­schlechts­neu­tral, er­fol­gen wer­de. Die Dis­kre­panz zwi­schen vor­he­ri­gem In-Aus­sicht-Stel­len ei­ner Beförde­rung und der späte­ren Ent­schei­dung ist im Streit­fal­le eben in glei­cher Wei­se wie bei der Kläge­rin auch bei dem männ­li­chen Mit­be­wer­ber ein­ge­tre­ten, der nicht befördert wor­den ist.

Dies gilt ins­be­son­de­re bei den hier in Re­de ste­hen­den Po­si­tio­nen in der be­trieb­li­chen Hier­ar­chie. Es geht hier um her­aus­ge­ho­be­ne Stel­len mit zwei­fel­los persönli­chem Zu­schnitt. Für die Be­klag­te mag bei die­sem Ver­hal­ten der In-Aus­sicht-Stel­lung der Beförde­rung auch mit­ge­spielt ha­ben, dass sie in der ge­ge­be­nen Kon­kur­renz­si­tua­ti­on am Markt ihr Per­so­nal möglichst an sie bin­den woll­te. Aber auch dies ist nicht ge­schlechts­spe­zi­fisch aus­ge­rich­tet ge­we­sen.

 

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2.2.3. Im Maßstab des § 286 Abs. 1 ZPO ist das Be­ru­fungs­ge­richt auch nicht zu der Über­zeu­gung ge­langt, dass die von der Kläge­rin be­haup­te­ten – und teil­wei­se un­strei­ti­gen – Äußerun­gen des Zeu­gen E. im Zu­sam­men­hang mit der fa­mi­liären Si­tua­ti­on der Kläge­rin und der Mit­tei­lung, dass sie für die Beförde­rungs­stel­le nicht berück­sich­tigt wor­den war, ent­spre­chen­de In­dizwir­kun­gen auf ei­ne ge­schlechts­be­zo­ge­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin ent­fal­ten konn­ten.

Dies gilt zum ei­nen für die Äußerung des Zeu­gen E., dass sich die Kläge­rin „auf ihr Kind freu­en“ sol­le, wie sie sich in der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt am 19. Ok­to­ber 2006 er­folg­ten Be­weis­auf­nah­me bestätigt hat. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat schon in der Ent­schei­dung vom 19. Ok­to­ber 2006 dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es bei der Würdi­gung der Zeu­gen­aus­sa­ge des Zeu­gen E. da­von aus­ge­gan­gen ist, dass die­sem das (da­ma­li­ge) Gespräch mit der Kläge­rin sehr un­an­ge­nehm war, eben­so wie es ihm sehr un­an­ge­nehm war, in sei­ner Zeu­gen­aus­sa­ge die­se Vorgänge noch ein­mal zu be­leuch­ten. Aus dem Gan­zen war für das Be­ru­fungs­ge­richt zu er­ken­nen, dass die ent­spre­chen­de Erklärung des Zeu­gen E. sich nicht auf den Be­wer­bungs­vor­gang selbst oder die Be­set­zungs­ent­schei­dung be­zo­gen hat, son­dern dass der Zeu­ge E. mit die­sem Hin­weis die Kläge­rin „trösten“ woll­te im Hin­blick auf ih­re Nicht­berück­sich­ti­gung bei der Beförde­rungs­stel­le. Da­bei ver­bleibt das Lan­des­ar­beits­ge­richt auch jetzt.

Da­bei ist es da­von aus­ge­gan­gen, dass – of­fen­bar ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin – nicht be­reits je­de nur be­griff­lich auf „Fa­mi­lie“ be­zo­ge­ne Be­mer­kung ei­ne In­dizwir­kung im vor­be­nann­ten Sin­ne ent­hal­ten kann. Denn dies würde im Er­geb­nis dar­auf hin­aus­lau­fen können, dass aus ei­ner Viel­zahl von Erklärun­gen des Ar­beit­ge­bers bruchstück­haft sämt­li­che Vo­ka­beln her­aus­ge­zo­gen würden, die mit „Fa­mi­lie“ oder „Kind“ un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar im Zu­sam­men­hang stünden, und dass hier­aus, al­lein aus dem bloßen Vor­kom­men der­ar­ti­ger Vo­ka­beln mit fa­mi­liärer Kon­no­ta­ti­on, ei­ne in­di­zi­el­le Be­deu­tung für ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gun­gen ge­fol­gert wer­den könn­te. Ei­ne sol­cher­maßen ver­ein­fach­te Be­trach­tung kann nicht vor­ge­nom­men wer­den. Viel­mehr hat das er­ken­nen­de Ge­richt im Rah­men des § 286 Abs. 1 ZPO zu prüfen, ob dann, wenn der­ar­ti­ge Be­grif­fe im Zu­sam­men­hang mit an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dun­gen zur

 

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Ein­stel­lung oder Beförde­rung ge­fal­len sind, die­se in ih­rem Kon­text mit der strei­ti­gen per­so­nel­len Maßnah­me als In­di­ztat­sa­che gewürdigt wer­den können. Die bloße Ver­wen­dung von ein­schlägi­gen Be­grif­fen wird hier­zu nicht als aus­rei­chend an­zu­se­hen sein, es muss viel­mehr ein „in­ne­rer Zu­sam­men­hang“ mit ei­ner Be­nach­tei­li­gung fest­zu­stel­len sein.

Nach die­sen Maßstäben war es für das Be­ru­fungs­ge­richt ge­ra­de nicht er­kenn­bar, dass die Hin­wei­se des Herrn E. bei der Be­kannt­ga­be der schon längst ge­trof­fe­nen Beförde­rungs­ent­schei­dung, die Kläge­rin könne sich auf ihr Kind freu­en, ein In­diz dafür bil­den konn­ten, die Beförde­rungs­ent­schei­dung selbst ha­be mit die­sen Umständen et­was zu tun. Der Zeu­ge E. hat sich bei bei­den Ver­neh­mun­gen vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Aus­sa­ge als ei­ne Per­son dar­ge­stellt, der oh­ne Zwei­fel am Kon­sens mit den Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern – ins­be­son­de­re auf die­ser Ebe­ne der Hier­ar­chie - ge­le­gen war und die durch­aus auch Gespräche auf ei­ner „persönli­chen Ebe­ne“ zu führen ge­willt war. Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ses Um­stan­des würde es den Maßstäben des § 286 Abs. 1 ZPO nicht ent­spre­chen, würde man bloße fa­mi­li­en­be­zo­ge­ne Vo­ka­beln oh­ne wei­te­re An­halts­punk­te als In­diz für ei­ne ge­schlechts­be­zo­ge­ne Be­nach­tei­li­gung be­wer­ten. Würde man ei­ne sol­cher­maßen schlich­te Be­trach­tungs­wei­se vor­neh­men, wären in die­sem Zu­sam­men­hang jed­we­de persönli­chen Gespräche zwi­schen Vor­ge­setz­ten und Mit­ar­bei­ter unmöglich, weil sich der Vor­ge­setz­te mit je­dem in die­ser Hin­sicht aus­ge­spro­che­nen fa­mi­li­en­kon­no­tier­ten Wort in die Ge­fahr begäbe, dass die­ses als In­diz für ei­ne ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gung aus­ge­legt würde.


Auch die von der Kläge­rin be­haup­te­ten Äußerun­gen im Zu­sam­men­hang mit der „Job-De­scrip­ti­on“ und dem Ver­hal­ten der Be­klag­ten ge­genüber wie­der­keh­ren­den Müttern ver­moch­ten ei­ne In­dizwir­kung im ge­nann­ten Sin­ne nicht her­bei­zuführen. Denn die von der Kläge­rin be­haup­te­te Äußerung durch den Zeu­gen E. hat sich in der Be­weis­auf­nah­me letzt­lich nicht bestätigt.

Der im Ter­min vom 12. Fe­bru­ar 2009 dies­bezüglich ver­nom­me­ne Zeu­ge E. hat erklärt, dass es „sein könne“, dass er ei­ne Aus­sa­ge zur „Job-

 

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De­scrip­ti­on“ getätigt ha­be. Dass es tatsächlich so war, hat er nicht bestätigt. Er hat viel­mehr wei­ter erklärt, dass in dem Zu­sam­men­hang des Gespräches ge­ra­de nicht über ei­ne Ver­rin­ge­rung des Auf­ga­ben­be­rei­ches der Kläge­rin ge­spro­chen wor­den sei. Dar­um sei es in die­sem Zu­sam­men­hang auch gar nicht ge­gan­gen. Viel­mehr sei es so ge­we­sen, dass die Kläge­rin je­den­falls mit nach München ha­be kom­men und dort ih­ren Job wei­ter­ma­chen können. Er hat wei­ter aus­ge­sagt, dass nicht darüber ge­re­det wor­den sei, wie mit wie­der­keh­ren­den Müttern im Un­ter­neh­men um­ge­gan­gen würde, es sei auch nicht so, dass wie­der­keh­ren­de Mütter im Un­ter­neh­men in ir­gend­ei­ner Wei­se schlecht be­han­delt würden.

Hin­sicht­lich die­ser Aus­sa­gen hat das Be­ru­fungs­ge­richt den Zeu­gen E. für glaubwürdig und sei­ne Aus­sa­ge für glaub­haft an­ge­se­hen. Wie be­reits in sei­ner ers­ten Ver­neh­mung hat der Zeu­ge E. ru­hig und eher zurück­hal­tend zu den ihm ge­stell­ten Fra­gen Stel­lung ge­nom­men. Er hat die Din­ge aus sei­ner Sicht erklärt, er ver­moch­te da­bei auf Fra­gen des Ge­richts ein­zu­ge­hen und schlüssig Ant­wor­ten zu ge­ben. Wie be­reits bei sei­ner ers­ten Ver­neh­mung schien er auch bei der zwei­ten Ver­neh­mung nicht glück­lich darüber zu sein, über die­se Umstände er­neut aus­sa­gen zu müssen. Zum an­de­ren hat er über den strei­ti­gen Fra­gen­kom­plex Ant­wor­ten ge­ge­ben, die zu­sam­men­pass­ten und nach­voll­zieh­bar wa­ren.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Aus­sa­gen des Zeu­gen E. für nach­voll­zieh­bar und zu­tref­fend ge­hal­ten; späte­re Fra­gen der Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten an den Zeu­gen ha­ben hier­an nichts zu rütteln ver­mocht, da durch sie oh­ne­hin an­de­re Umstände als der Kern der Aus­sa­ge des Zeu­gen E. zum Be­weisthe­ma be­trof­fen wa­ren.

Die Aus­sa­ge der als Par­tei ver­nom­me­nen Kläge­rin ver­moch­te an dem von dem Zeu­gen E. ge­schil­der­ten Kern im Grund­satz kei­ne Ände­rung her­bei­zuführen. Nach de­ren Aus­sa­gen wäre der von ihr ge­schil­der­te Hin­weis des Zeu­gen E. dar­auf, wie man an­sons­ten mit zurück­keh­ren­den Müttern ver­fah­re, da­zu be­stimmt ge­we­sen, das für den Zeu­gen E. un­an­ge­neh­me Gespräch zu be­en­den. Selbst wenn dies so zu­ge­trof­fen ha­ben soll­te, würde es wie­der­um nicht hin­rei­chend in­di­zi­ell et­was

 

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aus­sa­gen über die Fra­ge, ob die Nicht­beförde­rung der Kläge­rin et­was mit ih­rer Si­tua­ti­on als Frau zu tun hätte. Ins­be­son­de­re be­zo­gen auf die kon­kre­te Si­tua­ti­on wäre die In­dizwir­kung nicht ge­ge­ben: Denn es ging im Be­zugs­punkt der Kläge­rin - un­strei­tig – ge­ra­de nicht dar­um, dass die­ser Auf­ga­ben ent­zo­gen wer­den soll­ten. In­so­fern hätten ent­spre­chen­de Aus­sa­gen des Zeu­gen nur auf ei­ner „all­ge­mei­nen Ebe­ne“ („bad com­pa­ny“) – al­so über ein mut­ter­feind­li­ches Kli­ma im Un­ter­neh­men - über­haupt in­di­zi­el­le Wir­kun­gen ent­fal­ten können; im Verhält­nis ge­ra­de zu der ge­schil­der­ten Si­tua­ti­on im kon­kre­ten Fall wären die­se al­ler­dings nicht durch­schla­gend ge­we­sen.

2.2.4. Auch der Um­stand, dass sich die Be­klag­te erst im Rechts­streit zur Be­gründung der Beförde­rungs­ent­schei­dung bezüglich des männ­li­chen Be­wer­bers auf „Pro­porz­ge­sichts­punk­te“ be­ru­fen hat­te, ver­moch­te nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts (§ 286 Abs. 1 ZPO) kei­ne ent­spre­chen­de In­dizwir­kung zu ent­fal­ten.

Da­bei ist im Grund­satz da­von aus­zu­ge­hen, dass der Ar­beit­ge­ber im Rah­men ei­ner Ein­stel­lungs- oder Beförde­rungs­ent­schei­dung nicht ver­pflich­tet ist, dem nicht berück­sich­tig­ten Be­wer­ber de­tail­lier­te In­for­ma­tio­nen darüber zu­kom­men zu las­sen, wes­we­gen sei­ne Be­wer­bung kei­nen Er­folg hat­te. Dies kann, muss aber nicht er­fol­gen. Viel­mehr wer­den es Zweckmäßig­keitsüber­le­gun­gen sein, die den Ar­beit­ge­ber da­zu be­stim­men, ab­ge­lehn­ten Be­wer­bern der­ar­ti­ge Gründe mit­zu­tei­len oder auch nicht. In Be­tracht kom­men können da­bei bei­spiels­wei­se Ge­sichts­punk­te der Trans­pa­renz oder der Ak­zep­tanz der Ent­schei­dung auch ge­genüber den nicht berück­sich­tig­te Be­wer­be­rin­nen und Be­wer­bern; aus­ge­schlos­sen ist aber auch nicht, dass der Ar­beit­ge­ber nicht berück­sich­tig­ten Be­wer­be­rin­nen oder Be­wer­bern nicht „vor den Kopf stoßen“ möch­te, wenn bei­spiels­wei­se Leis­tungs­ge­sichts­punk­te ge­gen sie ge­spro­chen ha­ben.

All dies sind denk­ba­re Ver­hal­tens­wei­sen des Ar­beit­ge­bers, die in der be­trieb­li­chen Pra­xis un­ter­schied­lich ge­hand­habt und auf die Ein­z­elfälle be­zo­gen un­ter­schied­lich aus­fal­len wer­den. In­fol­ge­des­sen kann auch im Zu­sam­men­hang mit der Be­wer­tung als In­di­ztat­sa­che von ei­ner „Präklu­si­on“

 

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des Ar­beit­ge­bers im Hin­blick auf den Be­wer­bern mit­ge­teil­te re­spek­ti­ve nicht mit­ge­teil­te Gründe für ein et­wai­ges späte­res Ver­fah­ren nicht die Re­de sein. Dass ei­ner ab­ge­lehn­ten Be­wer­be­rin oder ei­nem ab­ge­lehn­ten Be­wer­ber nicht ge­sagt wird, dass sie oder er leis­tungsmäßig hin­ter dem schließlich be­vor­zug­ten Kan­di­da­ten zurück­blei­ben, kann un­ter­schied­li­che Gründe ha­ben. Um­ge­kehrt hier­aus den Schluss zu zie­hen, dass die „wah­ren Gründe“ dann im ge­schlechts­spe­zi­fi­schen Be­reich lägen, ist nicht schlüssig.

Im Be­reich der streit­ge­genständ­li­chen Beförde­rungs­ent­schei­dung ist von Ar­beit­ge­ber­sei­te dar­auf ver­wie­sen wor­den, dass der männ­li­che Mit­be­wer­ber 105 % und die Kläge­rin nur 95 % Leis­tung ge­bracht hätten. Der Um­stand, dass die Be­klag­te auf die­sen Ge­sichts­punkt hin­ge­wie­sen und Pro­porz­ge­sichts­punk­te – ge­meint sol­che zwi­schen S. und B. – nicht her­aus­ge­stellt hat, lässt für sich ge­nom­men nicht dar­auf schließen, dass nun ge­ra­de ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Gründe mit ei­ne Rol­le ge­spielt hätten. Auch die von der Kläge­rin nun­mehr neu als Ar­gu­ment ein­geführ­ten sta­tis­ti­schen Zah­len ver­moch­ten nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts in­di­zi­el­le Wir­kung in dem kläge­ri­schen Sin­ne nicht zu ent­fal­ten.

2.2.5
Auch die von der Kläge­rin nach Zurück­ver­wei­sung neu ein­geführ­ten Über­le­gun­gen zu sta­tis­ti­schen Zah­len­verhält­nis­sen bei der Be­klag­ten ver­moch­ten nach Auf­fas­sung der Kam­mer ei­ne In­dizwir­kung für ei­ne ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gung nicht zu ge­stal­ten.

Zwar können sta­tis­ti­sche Da­ten im Grund­satz ei­ne In­dizwir­kung im ge­nann­ten Sin­ne ent­fal­ten; dies ist je­doch nur dann an­zu­neh­men, wenn sie in Be­zug auf die in Re­de ste­hen­de Maßnah­me (Ein­stel­lung, Beförde­rung o.ä.) aus­sa­ge­kräftig sind (in die­sem Sin­ne auch Mei­nel/Hein/Herms, AGG, § 22 Rd­nr. 26; Gro­bys, NZA 2006, 898).

 

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2.2.5.1 Die Kam­mer 15 des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg hat in ih­rer Ent­schei­dung vom 26.11.2008 (LAG Ber­lin-Bran­den­burg vom 26.11.2008 – 15 Sa 517/08 - DB 2008, 2707) als In­diz für ei­ne Ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­rung bei ei­ner Beförde­rung auf ei­nen Führungs­pos­ten ei­ne Sta­tis­tik über die Ge­schlech­ter­ver­tei­lung auf den ein­zel­nen Hier­ar­chie­ebe­nen gel­ten las­sen. Un­ter Be­zug­nah­me auf die Recht­spre­chung zur mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung hat sie auch aus dem Verhält­nis der Ge­schlech­ter­ver­tei­lung in der Ge­samt­be­leg­schaft und in den Führungs­po­si­tio­nen Rück­schlüsse ge­zo­gen. Sei­en al­le 27 Führungs­po­si­tio­nen nur mit Männern be­setzt, ob­wohl Frau­en 2/3 der Be­leg­schaft stell­ten, könne dies ein aus­rei­chen­des In­diz im Sin­ne des § 22 AGG sein.

2.2.5.2 Die­sen Erwägun­gen folgt die er­ken­nen­de Kam­mer nicht.

Da­bei er­scheint es be­reits im Aus­gangs­punkt als ver­fehlt, die sta­tis­ti­schen Erwägun­gen bei der Prüfung ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung auf Fälle der un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung zu über­tra­gen. Für die Fest­stel­lung ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung muss­te die Recht­spre­chung und hat die Recht­spre­chung zu recht auf sta­tis­ti­sches Ma­te­ri­al zur Beschäftig­ten­struk­tur und zum zu­gehöri­gen Ent­gelt zurück­ge­grif­fen. Denn das We­sen der mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung liegt ge­ra­de dar­in, dass ei­ne schein­bar sach­lich be­gründe­te Dis­kri­mi­nie­rung, z.B. beim Ent­gelt, in Wirk­lich­keit ge­schlechts­spe­zi­fisch an­ge­legt war, weil eben in pro­zen­tu­al völlig ein­deu­ti­ger Wei­se nur Frau­en – durch Zu­gehörig­keit et­wa zu be­stimm­ten Lohn­grup­pen – be­trof­fen wa­ren. Die­se Zu­sam­menhänge las­sen sich nur durch die Aus­wer­tung von ent­spre­chen­den Sta­tis­ti­ken er­hel­len, die sta­tis­ti­schen Wer­te sind gleich­sam Tat­be­stands­merk­mal der –grup­pen­be­zo­ge­nen - mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung.

Bei der – hier strei­ti­gen – Si­tua­ti­on ei­ner kon­kre­ten Stel­len­be­set­zung lie­gen die Din­ge je­doch an­ders. Die Fra­ge der mögli­chen Dis­kri­mi­nie­rung stellt sich auf den im Rechts­streit be­find­li­chen Ein­zel­fall be­zo­gen dar. So­weit hier über die im kon­kre­ten Fal­le fest­zu­stel­len­den Umstände auf darüber hin­aus­ge­hen­de wei­te­re „In­di­zi­en“, et­wa aus dem Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers in der Ver­gan­gen­heit o.ä. zurück­ge­grif­fen wer­den soll , setzt dies vor­aus, dass die­se Tat­sa­chen (Erklärun­gen des Ar­beit­ge­bers, Zah­len

 

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etc), ge­ra­de den Schluss dar­auf zu­las­sen, dass das Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers in der kon­kre­ten Si­tua­ti­on (Ein­stel­lungs­ent­schei­dung, Beförde­rungs­ent­schei­dung etc.) in be­stimm­ter Wei­se präfor­miert wäre, dass al­so ein „in­ne­rer Zu­sam­men­hang“ zwi­schen die­sen Tat­sa­chen und dem strei­ti­gen Ein­zel­fall er­kenn­bar ist.

Für die Fra­ge­stel­lung der Beförde­rung ist aber bei­spiels­wei­se das Verhält­nis der Ge­schlech­ter­ver­tei­lung in der Ge­samt­be­leg­schaft und in den Führungs­ebe­nen oh­ne hin­rei­chen­de Aus­sa­ge­kraft (noch we­ni­ger die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg in der Ent­schei­dung vom 26.11.2008 her­an­ge­zo­ge­nen Wer­te des Bun­des­durch­schnitts). Denn die­ses Verhält­nis sagt für sich ge­nom­men nichts darüber aus, wie sich die Be­wer­bungs­la­ge in Be­zug auf die Führungs­po­si­tio­nen dar­ge­stellt hat. Es gibt in den Un­ter­neh­men viel­fach spe­zi­fi­sche Beschäftig­ten­struk­tu­ren; so stel­len bei­spiels­wei­se im Ein­zel­han­del die Frau­en ei­nen weit über­wie­gen­den An­teil an der Ge­samt­be­leg­schaft, im Bau­be­reich oder in der Au­to­mo­bil­her­stel­lung über­wie­gen die Männer. Hier­aus Schlüsse auf die Stel­len­be­set­zung ge­ra­de der Führungs­po­si­tio­nen zu zie­hen, ist je­doch nicht ge­recht­fer­tigt. Denn aus dem An­teil der Frau­en et­wa in ei­nem Un­ter­neh­men des Ein­zel­han­dels lässt sich eben nicht zwin­gend fol­gern, das sich ent­spre­chend vie­le Frau­en auf dor­ti­ge Führungs­po­si­tio­nen be­wor­ben ha­ben und dass dann, wenn sich ihr An­teil in den Führungs­po­si­tio­nen nicht gleich­sam wi­der­spie­gelt, die Ver­mu­tung ei­ner ge­schlechts­spe­zi­fi­schen Be­nach­tei­li­gung ge­recht­fer­tigt wäre. Dies mag man gleich­stel­lungs­po­li­tisch so ver­tre­ten, im Rah­men ei­nes Rechts­streits man­gel­te es für ei­nen sol­chen Schluss an der not­wen­di­gen Kau­sa­lität. Auch ist es si­cher rich­tig, dass feh­len­de Be­wer­bun­gen von Frau­en auf ein Kli­ma im Un­ter­neh­men schließen las­sen könn­te, das Frau­en­be­wer­bun­gen nicht begüns­tigt („bad com­pa­ny“); wie al­ler­dings dies jus­ti­tia­bel ge­macht wer­den soll­te, ist un­klar.

Die Be­set­zung von Führungs­po­si­tio­nen setzt be­stimm­te for­mel­le und ma­te­ri­el­le Qua­li­fi­ka­tio­nen und natürlich die ent­spre­chen­den Be­wer­bun­gen über­haupt vor­aus; so­weit Quo­tie­run­gen nicht vor­ge­schrie­ben sind, wer­den die Po­si­tio­nen je­den­falls im Nor­mal­fall un­ter Berück­sich­ti­gung von Qua­li­fi­ka­tio­nen und Leis­tun­gen be­setzt wer­den, und zwar an bes­ser qua­li­fi­zier­te Frau­en oder an bes­ser qua­li­fi­zier­te Männer. Würde sich aus

 

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dem Verhält­nis von männ­li­chen und weib­li­chen Be­wer­bun­gen auf Führungs­po­si­tio­nen er­ge­ben, dass be­zo­gen auf die­ses Zah­len­verhält­nis bei den Be­wer­bun­gen über­pro­por­tio­nal mehr männ­li­che Be­wer­bun­gen berück­sich­tigt wor­den sind, so würde dies , da Männer be­kannt­lich nicht per se „bes­ser“ als Frau­en sind, ei­nen Schluss auf ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gun­gen von Frau­en zu­las­sen. Die­ses Zah­len­verhält­nis könn­te dann ein In­diz im Rah­men von § 22 AGG dar­stel­len; die bloße Ge­schlech­ter­ver­tei­lung in der Ge­samt­be­leg­schaft hat dem­ge­genüber für die­sen Pro­blem­kreis kei­ne Aus­sa­ge­kraft.

2.2.5.3 Darüber hin­aus bleibt auch of­fen, wel­chen sta­tis­ti­schen Zah­len über­haupt wel­cher Aus­sa­ge­wert zu­kom­men soll. So ist im Streit­fal­le die Stel­le des Präsi­den­ten mit ei­nem Mann be­setzt, was auf der ers­ten Führungs­ebe­ne zu ei­nem männ­li­chen An­teil von 100 % führt. Glei­ches gilt für die zwei­te Ebe­ne des Vi­ze­präsi­den­ten, die eben­falls mit ei­nem Mann be­setzt ist und auch eben­falls zu ei­nem An­teil von 100 % führt. Es ist evi­dent, dass an­ge­sichts der ge­rin­gen Zahl der Po­si­tio­nen der dies­bezügli­che sta­tis­ti­sche Aus­sag­wert gleich Null ist. In der drit­ten Ebe­ne der von der Kläge­rin dar­ge­stell­ten Hier­ar­chie sind von 10 Haupt­ab­tei­lungs­lei­ter­stel­len 9 mit Männern be­setzt, was ei­nen An­teil von 90 % aus­macht. In der nächs­ten Stu­fe, der­je­ni­gen der Ab­tei­lungs­lei­ter, sind von 17 Stel­len 12 von Männern und 5 von Frau­en be­setzt, was ei­ner Frau­en­quo­te von ca. 30 % ent­spricht. Hier bleibt of­fen, wel­chen Aus­sa­ge­wert man den je­wei­li­gen Zah­len bei­mes­sen woll­te, wel­che Ebe­ne soll maßgeb­lich sein und wofür? Ge­samt­ge­sell­schaft­lich mag die­ser An­teil der Frau­en in den Führungs­ebe­nen als zu ge­ring ein­zu­stu­fen sein; für die Ent­schei­dung ei­nes Recht­streits um ei­ne kon­kre­te Beförde­rungs­ent­schei­dung sind be­last­ba­re Er­kennt­nis­se hier­aus nicht zu ge­win­nen. Denn es könn­te bei­spiels­wei­se sein, dass je­de Frau, die sich be­wor­ben hat­te, die Stel­le auch er­hal­ten hat­te, dass aber je­der drit­te oder gar je­der zwei­te männ­li­che Be­wer­ber ab­ge­lehnt wor­den war.

Be­last­ba­re An­ga­ben in die­ser Rich­tung hat die Kläge­rin im Rah­men des vor­lie­gen­den Rechts­streits nicht vor­ge­tra­gen; ih­re bloßen Hin­wei­se auf die Ge­schlech­ter­ver­tei­lung in Führungs­po­si­tio­nen ver­moch­ten ei­ne In­dizwir­kung nicht zu ent­fal­ten.

 

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2.2.6. Ha­ben die ein­zel­nen von der Kläge­rin vor­ge­brach­ten Hilfs­tat­sa­chen (2.2.1. bis 2.2.5.) ei­ne In­dizwir­kung im Hin­blick auf ei­ne ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gung bei der Beförde­rungs­ent­schei­dung nicht er­ge­ben, so hat auch ei­ne „Ge­samt­be­trach­tung“ nicht da­zu geführt, von der Her­beiführung ei­ner Ver­mu­tungs­wir­kung aus­zu­ge­hen.

Da­bei ist zu berück­sich­ti­gen, dass nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG vom 24.4.2008 – a.a.O.) Fälle vor­lie­gen können, in de­nen die ein­zel­nen vom Ar­beit­neh­mer dar­ge­leg­ten Umstände des Ein­zel­fal­les oder Hand­lungs­wei­sen bzw. Äußerun­gen des Ar­beit­ge­bers für sich al­lein be­trach­tet noch kei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlech­tes ver­mu­ten las­sen, die Ge­samt­schau der ein­zel­nen Umstände des Ein­zel­fal­les oder der Hand­lungs­wei­se bzw. der Äußerung des Ar­beit­ge­bers aber ei­ne über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit ei­ner ge­schlechts­be­zo­ge­nen Be­nach­tei­li­gung be­gründen und da­mit die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. ent­fal­ten können. Schlach­ter spricht an der vom BAG zi­tier­ten Stel­le da­von, dass „ aus der Ge­samt­be­trach­tung von Hilfs­tat­sa­chen und Umständen, die lo­gi­sche Rück­schlüsse auf das Vor­lie­gen ei­nes Tat­be­stands­merk­ma­les zu­las­sen, der In­di­zi­en­be­weis sei­ne Be­weis­wir­kung“ ge­win­ne.

Die­se Vor­aus­set­zun­gen la­gen nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts im Streit­fal­le nicht vor.

So­weit über ei­ne „Ge­samt­be­trach­tung“ die ein­zel­nen ge­prüften Ar­gu­men­te und Tat­sa­chen, die je­weils für sich ge­nom­men das Ge­richt nicht zur An­nah­me aus­rei­chen­der In­di­zi­en geführt ha­ben, ei­ne „neue Qua­lität“ er­lan­gen können, kann dies da­durch er­fol­gen, dass die Sum­me ver­schie­de­ner, nicht schon für sich ge­nom­men das not­wen­di­ge Maß er­rei­chen­der Ein­zel­tat­sa­chen ge­eig­net sein kann, die „Schwel­le“ zur An­nah­me ei­ner In­di­ztat­sa­che zur ge­schlechts­spe­zi­fi­schen Be­nach­tei­li­gung bei der Beförde­rung zu über­schrei­ten. Dies wäre et­wa dann denk­bar, wenn sich aus im Ein­zel­fall nicht aus­rei­chen­den Tat­sa­chen oder Umständen ein „Ge­samt­bild“ da­hin er­ge­ben würde, dass ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Gründe die kon­kre­te Beförde­rungs­ent­schei­dung zu­min­dest mit be­ein­flusst hätten.

 

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Dies ist vor­lie­gend nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts je­doch nicht der Fall. Den ein­zel­nen vor­ge­brach­ten Ar­gu­men­ten wohnt bei­spiels­wei­se nicht ein „ro­ter Fa­den“ in­ne, der – be­zo­gen auf den hier streit­ge­genständ­li­chen Vor­gang – aus Ein­zel­ele­men­ten zur An­nah­me von In­di­zi­en für ei­ne ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gung führen würde. Die her­an­ge­zo­ge­nen Umstände be­tref­fen je­weils an­de­re Teil­be­rei­che des ge­sam­ten Vor­gangs. Sie be­zie­hen sich zum Teil auf Erklärun­gen nach er­folg­ter Ent­schei­dung und Stel­len­be­set­zung; an­de­re vor­ge­tra­ge­ne Umstände ha­ben mit der Aus­gangs­po­si­ti­on der Kläge­rin, nämlich ih­rer Funk­ti­on als Ab­we­sen­heits­ver­tre­te­rin zu tun. Zwi­schen bei­den Umständen be­steht kein „in­ne­rer Zu­sam­men­hang“, der es na­he le­gen würde, hier von ei­ner Ku­mu­lie­rung aus­zu­ge­hen. Die Erklärung, die Kläge­rin sei in der Job-De­scrip­ti­on noch ent­hal­ten, beträfe – wenn man sie als rich­tig un­ter­stellt – wie­der­um ein Ver­hal­ten ge­genüber an­de­ren Fall­kon­stel­la­tio­nen, in wel­chen – so die Be­haup­tung – wie­der­keh­ren­den Müttern ge­ra­de ei­ne schlech­te­re Po­si­ti­on zu­ge­schrie­ben wer­den soll­te („bad com­pa­ny“). Dies ist bei der Kläge­rin un­strei­tig nicht der Fall ge­we­sen. In­fol­ge­des­sen kann die­se Äußerung auch nicht „un­terstützend“ mit her­an­ge­zo­gen wer­den, um ei­ne In­dizwir­kung für ei­ne ge­schlechts­spe­zi­fi­sche Be­nach­tei­li­gung zu er­zie­len. Glei­ches gilt für die übri­gen von der Kläge­rin her­an­ge­zo­ge­nen und vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­prüften Ar­gu­men­te.

Mit­hin hat sich auch in ei­ner Ge­samt­schau nicht er­ge­ben, dass die Kläge­rin hin­rei­chen­de In­di­ztat­sa­chen vor­ge­tra­gen hätte.

3. Nach al­le­dem war es der Kläge­rin nicht ge­lun­gen, ei­ne Be­weis­last­um­kehr her­bei­zuführen. Die Kla­ge muss­te mit der Fol­ge des § 91 ZPO ab­ge­wie­sen wer­den; auch die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens wa­ren der Kläge­rin auf­zu­er­le­gen.

4. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Be­tracht, weil die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen nicht vor­ge­le­gen ha­ben.

 

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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g


Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

Die Kläge­rin wird auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gemäß § 72 a ArbGG hin­ge­wie­sen.


Dr. B.

J.

Ja.

 

 

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