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BAG, Ur­teil vom 03.04.2007, 9 AZR 823/06

   
Schlagworte: Behinderung, Benachteiligung, Diskriminierung, Diskriminierung, Schwerbehinderung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 823/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 03.04.2007
   
Leitsätze: In gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (juris SGB 9) war schon vor Inkrafttreten des AGG einem öffentlichen Arbeitgeber verwehrt, eine Bewerberin um eine Stelle im öffentlichen Dienst wegen ihrer Behinderung (GdB 40) zu benachteiligen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin Landesarbeitsgericht Berlin
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


9 AZR 823/06
5 Sa 1794/05
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

3. April 2007

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

be­klag­tes, be­ru­fungs­kla­gen­des und re­vi­si­ons­be­klag­tes Land,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 3. April 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Düwell, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Rei­ne­cke, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Merk­le und Ot­to für Recht er­kannt:
 


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Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 9. März 2006 - 5 Sa 1794/05 - auf­ge­ho­ben.
Die Sa­che wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens - an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen An­spruch der Kläge­rin auf Entschädi­gung we­gen der Be­nach­tei­li­gung auf Grund ei­ner Be­hin­de­rung bei der Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses.

Die Kläge­rin lei­det an Neu­ro­der­mi­tis. Mit Be­scheid vom 31. Ja­nu­ar 1994 hat­te das Ver­sor­gungs­amt bei ihr ei­nen Grad der Be­hin­de­rung (GdB) von 40 fest­ge­stellt. Ei­nen An­trag auf Gleich­stel­lung mit ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen hat sie nicht ge­stellt. Von 1995 bis En­de 2003 war die Kläge­rin in ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit über­wie­gend ste­hen­der Tätig­keit beschäftigt. Während der Dau­er die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses war sie we­gen ih­rer Neu­ro­der­mi­tis nicht ar­beits­unfähig er­krankt.

Die Kläge­rin be­warb sich im Ok­to­ber 2003 bei der Po­li­zei des be­klag­ten Lan­des als An­ge­stell­te für den Be­reich der Park­raum­be­wirt­schaf­tung. An ei­nem schrift­li­chen Aus­wahl­ver­fah­ren und an ei­ner schrift­li­chen Prüfung nahm sie mit Er­folg teil. Zur wei­te­ren Be­ar­bei­tung ih­rer Be­wer­bung wur­de die Kläge­rin auf Ver­an­las­sung des Lan­des­po­li­zei­ver­wal­tungs­am­tes ärzt­lich un­ter­sucht. Anläss­lich die­ser Un­ter­su­chung leg­te sie den Be­scheid des Ver­sor­gungs­am­tes über den Grad ih­rer Be­hin­de­rung vor. Mit Schrei­ben vom 1. April 2004 teil­te der Po­li­zei­präsi­dent in Ber­lin der Kläge­rin mit, dass der Be­fund ih­rer Neu­ro­der­mi­tis zur ge­sund­heit­li­chen Nich­t­eig­nung für die Tätig­keit in der Park­raumüber­wa­chung geführt ha­be. Dar­auf­hin lehn­te die Ein­stel­lungs­behörde des be­klag­ten Lan­des mit Schrei­ben vom 6. April 2004 die Ein­stel­lung der Kläge­rin ab, weil sie nach po­li­zeiärzt­li­cher Un­ter­su­chung für die Tätig­keit in der Park­raumüber­wa­chung nicht ge­eig­net sei.

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Am 22. April 2004 mach­te der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin ge­genüber dem Po­li­zei­präsi­den­ten - Lan­des­ver­wal­tungs­amt - schrift­lich ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld we­gen ei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Be­nach­tei­li­gung auf Grund ih­rer Be­hin­de­rung gel­tend. Das be­klag­te Land zahl­te ei­ne sol­che Entschädi­gung nicht.


Die Kläge­rin be­gehrt mit ih­rer Kla­ge die Zah­lung ei­ner an­ge­mes­se­nen Entschädi­gung. Ob­wohl sie auf Grund ih­rer Be­hin­de­rung mit ei­nem GdB von 40 kein schwer­be­hin­der­ter Mensch iSd. SGB IX sei, sei sie ein be­hin­der­ter Mensch im Sin­ne der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (im Fol­gen­den: Richt­li­nie). Die Richt­li­nie sei durch die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land nicht vollständig in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt wor­den. Sie könne sich da­her zur An­spruchs­be­gründung auf die­se Richt­li­nie stützen. Der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber hätte den Schutz be­hin­der­ter Men­schen im SGB IX nicht da­von abhängig ma­chen dürfen, dass sie ent­we­der schwer­be­hin­dert oder auf An­trag schwer­be­hin­der­ten Men­schen gleich­ge­stellt wor­den sei­en.

Die bloße Be­haup­tung des ärzt­li­chen Diens­tes des be­klag­ten Lan­des, die Kläge­rin sei auf Grund ih­rer Neu­ro­der­mi­tis für die Tätig­keit in der Park­raumüber­wa­chung nicht ge­eig­net, genüge nicht den An­for­de­run­gen an die dem be­klag­ten Land ob­lie­gen­de Dar­le­gungs- und Be­weis­last zur Recht­fer­ti­gung der Be­nach­tei­li­gung.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt,

das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an sie 12.000,00 Eu­ro nebst Zin­sen iHv. 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 23. Ok­to­ber 2004 zu zah­len,


hilfs­wei­se

das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an sie ei­ne in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stell­te Entschädi­gung nebst Zin­sen iHv. 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz der Eu­ropäischen Zen­tral­bank seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Das be­klag­te Land hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt.

Es ver­tritt die Auf­fas­sung, ein An­spruch auf Entschädi­gung ste­he der Kläge­rin auf Grund des SGB IX nicht zu, weil sie we­der ein schwer­be­hin­der­ter Mensch noch ein die­sem gleich­ge­stell­ter be­hin­der­ter Mensch sei. Ei­ne un­mit­tel­ba­re An­wen­dung der Richt­li­nie schei­te­re be­reits dar­an, dass der Be­griff der Be­hin­de­rung in die­ser nicht de­fi­niert sei. Der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber sei be­rech­tigt ge­we­sen, den Schutz der be­hin­der-
 


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ten Men­schen im SGB IX auf be­hin­der­te Men­schen mit ei­nem GdB von we­nigs­tens 50 bzw. auf die­sen gleich­ge­stell­te be­hin­der­te Men­schen zu be­schränken.


Im Übri­gen sei auf Grund der ärzt­li­chen Un­ter­su­chung da­von aus­zu­ge­hen, dass sich die Ein­schränkung der körper­li­chen Be­weg­lich­keit durch die Tätig­keit in der Park­raumüber­wa­chung wei­ter ver­schlim­me­re, so dass die Kläge­rin ih­re Auf­ga­be künf­tig nicht mehr wahr­neh­men könne. Dies gel­te nicht nur des­we­gen, weil sie verstärk­ten Um­welt- und Wit­te­rungs­ein­flüssen im Straßen­ver­kehr aus­ge­setzt wer­de, son­dern auch weil sie mit er­heb­li­cher Wi­der­stands- und Wi­der­spruchs­be­reit­schaft be­trof­fe­ner Ver­kehrs­teil­neh­mer zu­recht kom­men müsse.


Das Ar­beits­ge­richt hat das be­klag­te Land zur Zah­lung ei­ner Entschädi­gung iHv. 12.000,00 Eu­ro nebst Zin­sen ver­ur­teilt. Auf die Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen und die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Mit die­ser ver­folgt die Kläge­rin ihr Kla­ge­be­geh­ren wei­ter, während das be­klag­te Land die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on be­an­tragt.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on der Kläge­rin ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung der Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt. Für ei­ne ab­sch­ließen­de Ent­schei­dung des Se­nats fehlt es an tat-sächli­chen Fest­stel­lun­gen.


I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit der Be­gründung ab­ge­wie­sen, die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ha­be die Richt­li­nie durch die Be­stim­mung des § 81 Abs. 2 SGB IX bezüglich der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Be­hin­de­rung um­ge­setzt. Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 81 Abs. 2 SGB IX in den bis 17. Au­gust 2006 gel­ten­den Fas­sun­gen lägen nicht vor, da die Kläge­rin we­der schwer­be­hin­der­ter Mensch iSd. § 81 Abs. 2 SGB IX aF iVm. § 2 Abs. 2 SGB IX sei noch gem. § 2 Abs. 3 iVm. § 68 Abs. 2 SGB IX ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen gleich­ge­stellt wor­den sei.

Die Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts hält ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand.
 


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II. Ein An­spruch der Kläge­rin auf Entschädi­gung kann sich auf Grund ei­ner eu­ro­pa­rechts­kon­for­men An­wen­dung des § 81 Abs. 2 SGB IX aF er­ge­ben.

1. Zu­tref­fend geht das Lan­des­ar­beits­ge­richt da­von aus, dass die Kläge­rin die nor­mier­ten An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen in § 81 Abs. 2 SGB IX aF nicht erfüllt. Die Kläge­rin, bei der ein GdB von 40 fest­ge­stellt wur­de, ist kein schwer­be­hin­der­ter Mensch iSd. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF, weil als ein sol­cher nur ei­ne Per­son gilt, bei der ein GdB von we­nigs­tens 50 vor­liegt, § 2 Abs. 2 SGB IX. Die Gleich­stel­lung mit ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen ist auch nicht gem. § 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX durch die Bun­des­agen­tur für Ar­beit (§ 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der bis 31. De­zem­ber 2003 gel­ten­den Fas­sung: „durch das Ar­beits­amt“) er­folgt.


Da­zu fehlt schon der er­for­der­li­che An­trag; denn der An­trag des be­hin­der­ten Men­schen auf Gleich­stel­lung ist ma­te­ri­ell-recht­li­che Vor­aus­set­zung für den Er­lass des kon­sti­tu­ti­ven Ver­wal­tungs­ak­tes (vgl. BAG 24. No­vem­ber 2005 - 2 AZR 514/04 - AP KSchG 1969 § 1 Krank­heit Nr. 43 = EzA KSchG Krank­heit Nr. 51).

2. Die­se ge­setz­li­che Re­ge­lung des § 81 Abs. 2 SGB IX aF stellt kei­ne ge­mein­schafts­kon­for­me Um­set­zung der Richt­li­nie dar.

Der Be­griff der Be­hin­de­rung im Sin­ne der Richt­li­nie ist in der Wei­se zu ver­ste­hen, dass hier­von nicht nur schwer­be­hin­der­te Men­schen und ih­nen gleich­ge­stell­te iSv. § 81 Abs. 2 SGB IX aF, § 68, § 2 Abs. 2 und Abs. 3 SGB IX er­fasst wer­den. „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie ist viel­mehr ein ge­mein­schafts­recht­li­cher Be­griff, der für die ge­sam­te Ge­mein­schaft au­to­nom und ein­heit­lich aus­zu­le­gen ist. Der Be­griff der Be­hin­de­rung ist we­der in der Richt­li­nie selbst de­fi­niert noch ver­weist die Richt­li­nie für die Be­stim­mung des Be­griffs auf das Recht der Mit­glieds­staa­ten (EuGH 11. Ju­li 2006 - C-13/05 - AP Richt­li­nie 2000/78/EG Nr. 3 = EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 1).

Aus Art. 1 der Richt­li­nie geht her­vor, dass es Zweck der Richt­li­nie ist, ei­nen all­ge­mei­nen Rah­men zur Bekämp­fung von Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen der Be­hin­de­rung in Beschäfti­gung und Be­ruf zu schaf­fen (EuGH 11. Ju­li 2006 - C-13/05 - AP Richt­li­nie 2000/78/EG Nr. 3 = EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 2000/78 Nr. 1). In die­sem Zu­sam­men­hang ist der Be­griff der Be­hin­de­rung so zu ver­ste­hen, dass er ei­ne Ein­schränkung er­fasst, die ins­be­son­de­re auf phy­si­sche, geis­ti­ge oder psy­chi­sche Be­ein­träch­ti­gun­gen zurück­zuführen ist und die ein Hin­der­nis für die Teil­ha­be des Be­tref­fen­den am Be­rufs-le­ben bil­det. Da­bei un­ter­schei­det sich der Be­griff der Be­hin­de­rung be­wusst von dem

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der „Krank­heit“. Bei­de Be­grif­fe dürfen da­her nicht oh­ne Wei­te­res gleich­ge­setzt wer­den. Da­mit ei­ne Ein­schränkung un­ter den Be­griff der Be­hin­de­rung fällt, muss es wahr­schein­lich sein, dass sie von lan­ger Dau­er ist (EuGH 11. Ju­li 2006 - C-13/05 - aaO). Da­von geht auch die auf ei­ne in­ter­na­tio­na­le Klas­si­fi­ka­ti­on der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on zurück­ge­hen­de De­fi­ni­ti­on der Be­hin­de­rung in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX aus.


3. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat die so ver­stan­de­ne Richt­li­nie nicht vollständig in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt. Das folgt schon aus dem Ur­teil des EuGH vom 23. Fe­bru­ar 2006 (- C-43/05 - AP Richt­li­nie 2000/78/EG Nr. 2). Da­nach hat die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ua. ih­re Ver­pflich­tun­gen aus der Richt­li­nie ver­letzt, in­dem sie nicht al­le Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten er­las­sen hat, die not­wen­dig sind, um der Richt­li­nie in Be­zug auf die „Dis­kri­mi­nie­rung“ we­gen ei­ner „Be­hin­de­rung“ nach­zu­kom­men.

Art. 2 Abs. 1 der Richt­li­nie enthält die Vor­ga­be ei­nes Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­tes für al­le Fälle ei­ner Be­hin­de­rung im Sin­ne des Ge­mein­schafts­rechts und nicht nur für Be­hin­de­run­gen, die so schwer sind, dass sie ei­nen be­stimm­ten Grad über­schrei­ten. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richt­li­nie gilt die­se für al­le Per­so­nen im öffent­li­chen und pri­va­ten Be­reich, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len, in Be­zug auf die Be­din­gun­gen - ein­sch­ließlich Aus­wahl­kri­te­ri­en und Ein­stel­lungs­be­din­gun­gen - für den Zu­gang zu un­selbständi­ger und selbständi­ger Er­werbstätig­keit, un­abhängig von Tätig­keits­feld und be­ruf­li­cher Po­si­ti­on, ein­sch­ließlich des be­ruf­li­chen Auf­stiegs. Nach Art. 5 muss der Mit­glieds­staat zu­dem an­ge­mes­se­ne Vor­keh­run­gen tref­fen, dass die An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes „für Men­schen mit Be­hin­de­rung“ gewähr­leis­tet wird.

Aus­drück­lich sieht die Richt­li­nie ei­nen An­spruch auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld nicht vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ih­rer Be­hin­de­rung bei der Ein­stel­lung dis­kri­mi­niert wird. Al­ler­dings ver­langt Art. 17 Satz 1 der Richt­li­nie, dass die Mit­glieds­staa­ten Sank­tio­nen fest­le­gen, die bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die ein­zel­staat­li­chen Vor­schrif­ten zur An­wen­dung der Richt­li­nie zu verhängen sind. Art. 17 Satz 2 der Richt­li­nie be­stimmt, dass die Sank­tio­nen, die auch Scha­dens­er­satz­leis­tun­gen an die Op­fer um­fas­sen können, wirk­sam, verhält­nismäßig und ab­schre­ckend sein müssen. Für ei­ne sol­che Re­ge­lung hat sich der deut­sche Ge­setz­ge­ber ent­schie­den. Er hat in § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB IX aF bei Verstößen ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot bei der Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses schwer­be­hin­der­ten und nach § 68 Abs. 3 SGB IX auch gleich­ge­stell­ten be­hin­der­ten Be­wer­bern ei­nen An­spruch auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld ein­geräumt. Die­se Re­ge­lung ist für das
 


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AGG im We­sent­li­chen in­halts­gleich in § 15 AGG über­nom­men wor­den. Mit der durch das Ge­setz vom 14. Au­gust 2006 vor­ge­nom­me­nen Neu­fas­sung des § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX wird auf die­se Be­stim­mun­gen ver­wie­sen. Die al­te ge­setz­li­che Re­ge­lung genügt nicht den Vor­ga­ben der Richt­li­nie. Art. 1 der Richt­li­nie nennt als Zweck der Richt­li­nie die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung. Die­ser ge­mein­schafts­recht­li­che Be­griff der Be­hin­de­rung ist nicht auf be­hin­der­te Men­schen be­schränkt, bei de­nen ei­ne Schwer­be­hin­de­rung vor­liegt (§ 2 Abs. 2 SGB IX: GdB we­nigs­tens 50) oder die die­sen gleich­ge­stellt sind, weil nach § 2 Abs. 3 SGB IX der GdB we­ni­ger als 50 aber we­nigs­tens 30 beträgt, und die aus ar­beits­platz­be­zo­ge­nen Gründen ih­re Gleich­stel­lung be­an­tragt ha­ben. So­weit das Be­ru­fungs­ge­richt dar­auf ab­ge­stellt hat, dass der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber frei sei, für den Dis­kri­mi­nie­rungs­schutz ei­ne „gra­du­ell mess­ba­re“ Be­hin­de­rung zu ver­lan­gen, so hat es über­se­hen, dass im Streit­fall die­se Vor­aus­set­zung erfüllt ist. Die nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zuständi­ge Behörde hat­te für die Kläge­rin das Vor­lie­gen ei­ner Be­hin­de­rung fest­ge­stellt und den GdB auf 40 fest­ge­stellt. Nicht zu­zu­stim­men ist der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die­se Be­hin­de­rung mit ei­nem GdB von 40 sei nicht „re­le­vant“, weil kei­ne Gleich­stel­lung nach § 68 Abs. 2 SGB IX er­folgt sei. Die­se An­sicht ver­kennt, dass nach § 2 Abs. 3 SGB IX ei­ne Gleich­stel­lung nur dann mit Aus­sicht auf Er­folg be­an­tragt wer­den kann, wenn die dort ge­re­gel­ten be­son­de­ren ar­beits­markt- oder ar­beits­platz­be­zo­ge­nen Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind. Die­se nicht in der Per­son des be­hin­der­ten Men­schen lie­gen­den Vor­aus­set­zun­gen recht­fer­ti­gen kei­ne Her­aus­nah­me aus dem Gel­tungs­be­reich des Be­nach­tei­li­gungs­ver­bots. Des­halb wi­der­sprach es den Vor­ga­ben aus Art. 2, 5 und 17 der Richt­li­nie, den Gel­tungs­be­reich der zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung er­for­der­lich ge­hal­te­nen Schutz­vor­schrif­ten und Sank­tio­nen auf schwer­be­hin­der­te und gleich­ge­stell­te be­hin­der­te Beschäftig­te zu ver­en­gen. Die­se Ein­schränkung ist nichts an­de­res als ei­ne von der Richt­li­nie nicht zu­ge­las­se­ne Her­aus­nah­me der Grup­pe der Ein­fach-Be­hin­der­ten aus dem Schutz­be­reich des Um­set­zungs­ge­set­zes. Das hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof mit Ur­teil vom 23. Fe­bru­ar 2006 (- C-43/05 - AP Richt­li­nie 2000/78/EG Nr. 2) fest­ge­stellt. Da an­sons­ten Verstöße ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot sank­ti­ons­los blie­ben, müssen auch die Entschädi­gungs­ansprüche nach § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB IX aF für nicht schwer­be­hin­der­te Men­schen und nicht gleich­ge­stell­te be­hin­der­te Beschäftig­te an­wend­bar sein.

4. Das be­klag­te Land kann sich nicht mit Er­folg auf Abs. 18 der Erwägun­gen zur Richt­li­nie be­ru­fen. Da­nach darf mit die­ser Richt­li­nie den Streit­kräften so­wie der Po­li­zei, den Haft­an­stal­ten oder den Not­fall­diens­ten „un­ter Berück­sich­ti­gung des rechtmäßigen

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Ziels, die Ein­satz­be­reit­schaft die­ser Diens­te zu wah­ren, nicht zur Auf­la­ge ge­macht wer­den, Per­so­nen ein­zu­stel­len oder wei­ter zu beschäfti­gen, die nicht den je­wei­li­gen An­for­de­run­gen ent­spre­chen, um sämt­li­che Auf­ga­ben zu erfüllen, die ih­nen über­tra­gen wer­den können“.


Es kann da­hin­ste­hen, ob die Park­raumüber­wa­chung ei­ne Tätig­keit ist, die dem Be­griff „Po­li­zei“ iSd. Abs. 18 der Erwägun­gen zur Richt­li­nie un­terfällt. Die­se Erwägung be­freit die Po­li­zei der Mit­glieds­staa­ten nicht grundsätz­lich vom Ver­bot der Be­nach­tei­li­gung von Be­wer­bern mit Be­hin­de­rung bei Ein­stel­lungs­ent­schei­dun­gen. Sie stellt le­dig­lich ver­deut­li­chend klar, dass die Po­li­zei im Ein­zel­fal­le ei­nen be­hin­der­ten Be­wer­ber des­halb ab­leh­nen darf, weil die­ser auf Grund sei­ner Be­hin­de­rung nicht in der La­ge ist, sämt­li­che po­li­zei­li­chen Auf­ga­ben zu erfüllen, die ihm über­tra­gen wer­den können. Die­se Erwägung der Richt­li­nie hat der deut­sche Ge­setz­ge­ber da­durch in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt, dass er in § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 SGB IX aF die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen der Be­hin­de­rung dann für zulässig erklärt hat, so­weit ei­ne Ver­ein­ba­rung oder ei­ne Maßnah­me die Art der von dem schwer­be­hin­der­ten Beschäftig­ten aus­zuüben­den Tätig­keit zum Ge­gen­stand hat und ei­ne be­stimm­te körper­li­che Funk­ti­on, geis­ti­ge Fähig­keit oder see­li­sche Ge­sund­heit we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung für die­se Tätig­keit ist.

5. Um den recht­li­chen Schutz, der sich für den be­hin­der­ten Men­schen aus dem Ge­mein­schafts­recht er­gibt, zu gewähr­leis­ten und die vol­le Wirk­sam­keit des Ge­mein­schafts­rechts zu ga­ran­tie­ren, sind die na­tio­na­len Ge­rich­te ver­pflich­tet, je­de dem ge­mein­schafts­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ent­ge­gen­ste­hen­de Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts un­an­ge­wen­det zu las­sen (so zur Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters: EuGH 22. No­vem­ber 2005 - C-144/04 - Eu­GHE I 2005, 9981; BAG 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - AP Tz­B­fG § 14 Nr. 23 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 28).


Schon dar­aus kann ge­fol­gert wer­den, dass die ge­mein­schafts­rechts­wid­ri­ge Be­stim­mung des § 81 Abs. 2 SGB IX aF, die ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch we­gen ei­ner Be­nach­tei­li­gung auf Grund ei­ner Be­hin­de­rung bei der Ein­stel­lungs­aus­wahl be­schränkt, ge­mein­schafts­rechts­kon­form auch auf al­le Be­wer­ber mit ei­ner Be­hin­de­rung im Sin­ne der Richt­li­nie an­zu­wen­den ist.

Je­den­falls ist die Vor­ga­be auf al­le Ar­ten von Be­hin­de­run­gen, un­abhängig, ob ei­ne Schwer­be­hin­de­rung vor­liegt oder ei­ne Gleich­stel­lung er­folgt ist, un­mit­tel­bar an­zu­wen­den. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs ob­liegt die sich aus ei­ner Richt­li­nie er­ge­ben­de Ver­pflich­tung der Mit­glieds­staa­ten, das dar­in vor-


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ge­se­he­ne Ziel zu er­rei­chen so­wie ih­re Auf­ga­be gem. Art. 5 EG-Ver­trag (jetzt Art. 10 EG), al­le zur Erfüllung die­ser Ver­pflich­tung ge­eig­ne­ten all­ge­mei­nen oder be­son­de­ren Maßnah­men zu tref­fen, al­len öffent­li­chen Stel­len der Mit­glieds­staa­ten (vgl. 4. Ok­to­ber 2001 - C-438/99 - Eu­GHE I 2001, 6915 mwN).


Da­mit hat­te das be­klag­te Land als „öffent­li­che Stel­le“ iSd. Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs die Vor­ga­ben der Richt­li­nie un­mit­tel­bar an­zu­wen­den.


III. Ob im Streit­fall der Kläge­rin ein An­spruch auf ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung zu­steht, kann der Se­nat nicht ent­schei­den. Es fehlt in­so­weit an tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts.


1. Der An­spruch schei­tert nicht be­reits an der Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Aus­schluss­frist des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX aF. Die Kläge­rin hat die zwei­mo­na­ti­ge Frist mit Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 22. April 2004 an den Po­li­zei­präsi­den­ten des be­klag­ten Lan­des ge­wahrt. Mit die­sem Schrei­ben hat sie „auf Grund der un­ge­recht­fer­tig­ten Be­nach­tei­li­gung“ ei­ne „an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld“ ge­for­dert. Die Ab­leh­nung der Be­wer­bung war durch das Schrei­ben des Po­li­zei­präsi­den­ten vom 6. April 2004 er­folgt. Die Gel­tend­ma­chung ge­genüber der­je­ni­gen Behörde, wel­che die Ab­leh­nung der Be­wer­bung aus­ge­spro­chen und das Be­wer­bungs­ver­fah­ren durch­geführt hat, ist aus­rei­chend. Das be­klag­te Land muss sich das Han­deln ih­rer für die Ver­wal­tungs­hand­lung zuständi­gen Behörde an­rech­nen las­sen. Es ist auch unschädlich, dass die Kläge­rin in ih­rem Schrei­ben den gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht be­zif­fert hat. Die Gel­tend­ma­chung ei­nes An­spru­ches „auf an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld“ ist aus­rei­chend. Nach § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX aF ist „ein An­spruch“ gel­tend zu ma­chen. Durch den un­be­stimm­ten Ar­ti­kel wird deut­lich, dass der An­spruch­stel­ler dem Ar­beit­ge­ber le­dig­lich ver­deut­li­chen muss, ei­nen An­spruch we­gen Be­nach­tei­li­gung auf Grund ei­ner Be­hin­de­rung gel­tend zu ma­chen. Wei­te­rer An­ga­ben be­darf es nicht (Se­nat 15. Fe­bru­ar 2005 - 9 AZR 635/03 - BA­GE 113, 361).


2. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts kann ein An­spruch auf an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung nicht aus­ge­schlos­sen wer­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird un­ter Berück­sich­ti­gung der Aus­le­gung des Be­griffs „Be­hin­de­rung“ im Sin­ne der Richt­li­nie zu prüfen ha­ben, ob die Kläge­rin durch das be­klag­te Land bei der Be­wer­be­r­aus­wahl für die Ein­stel­lung im Be­reich der Park­raumüber­wa­chung we­gen ih­rer Be­hin­de­rung un­ter Ver­s­toß ge­gen § 81 Abs. 2 SGB IX aF be­nach­tei­ligt wor­den ist.
 


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a) In Be­tracht kommt ei­ne so ge­nann­te un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung. Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­ner Be­hin­de­rung in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde. Die Kläge­rin wäre da­nach be­nach­tei­ligt, wenn sie we­gen ih­rer Be­hin­de­rung bei der Be­set­zung der Stel­le im Be­reich der Park­raum­be­wirt­schaf­tung nicht berück­sich­tigt oder zu­min­dest in ih­rem Recht auf ein dis­kri­mi­nie­rungs­frei­es Be­wer­bungs­ver­fah­ren ver­letzt wor­den wäre und wenn das be­klag­te Land für die Nicht­berück­sich­ti­gung kei­ne sach­li­chen Gründe iSd. § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB IX aF dar­le­gen könn­te.


Die­se Ent­schei­dung wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt nach den Grundsätzen des § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX aF zu tref­fen ha­ben. Die dort ge­re­gel­te Er­leich­te­rung der Dar­le­gungs- und Be­weis­last ent­spricht der Vor­ga­be aus Art. 10 der Richt­li­nie.

Macht ein be­hin­der­ter Beschäftig­ter Tat­sa­chen glaub­haft, die ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der Be­hin­de­rung ver­mu­ten las­sen, trägt nach § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF der Ar­beit­ge­ber die Be­weis­last dafür, dass nicht auf die Be­hin­de­rung be­zo­ge­ne sach­li­che Gründe vor­lie­gen oder dass ei­ne be­stimm­te körper­li­che Funk­ti­on, geis­ti­ge Fähig­keit oder see­li­sche Ge­sund­heit we­sent­li­che und ent­schei­den­de An­for­de­rung für die­se Tätig­keit ist. Als „Beschäftig­ter“ iSd. § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX aF gilt da­bei auch der Be­wer­ber um ein Ar­beits- oder sons­ti­ges Beschäfti­gungs­verhält­nis. Dies folgt zwin­gend aus dem Ge­set­zes­wort­laut, der die Be­nach­tei­li­gung ei­nes be­hin­der­ten „Beschäftig­ten“ auch „bei der Be­gründung des Ar­beits- oder sons­ti­gen Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses“ ver­bie­tet. Dies ent­spricht Art. 10 Abs. 1 der Richt­li­nie. Da­nach ob­liegt es im­mer dann, wenn Per­so­nen, die sich durch die Nicht­an­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes für ver­letzt hal­ten, Tat­sa­chen glaub­haft ma­chen, die das Vor­lie­gen ei­ner un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­mu­ten las­sen, dem Be­klag­ten zu be­wei­sen, dass kei­ne Ver­let­zung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes vor­ge­le­gen hat (BAG 15. Fe­bru­ar 2005 - 9 AZR 635/03 - BA­GE 113, 361).
 

Die bloße Glaub­haft­ma­chung mit den Mit­teln des § 294 ZPO ist nicht aus­rei­chend. Die ge­setz­li­che Re­ge­lung be­trifft das Be­weis­maß. Das Ge­richt muss da­her die über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit für die Kau­sa­lität zwi­schen Be­hin­der­ten­ei­gen­schaft und Nach­teil ge­win­nen (Se­nat 15. Fe­bru­ar 2005 - 9 AZR 635/03 - BA­GE 113, 361; BAG 5. Fe­bru­ar 2004 - 8 AZR 112/03 - BA­GE 109, 265).

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b) Der kläge­ri­sche Sach­vor­trag lässt nach die­sen Grundsätzen ei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin we­gen ih­rer Be­hin­de­rung ver­mu­ten. Mit Be­scheid vom 31. Ja­nu­ar 1994 wur­de bei der Kläge­rin we­gen ih­res Haut­lei­dens ein GdB von 40 fest­ge­stellt. Nach dem Be­scheid des Ver­sor­gungs­am­tes hat die Körper­be­hin­de­rung zu ei­ner äußer­lich er­kenn­ba­ren, dau­ern­den Ein­buße der körper­li­chen Be­weg­lich­keit geführt. Die­sen Be­scheid hat die Kläge­rin dem be­klag­ten Land im Rah­men des Ein­stel­lungs­ver­fah­rens zur Kennt­nis ge­bracht. Die­ses hat die Kläge­rin dar­auf­hin we­gen Neu­ro­der­mi­tis nicht auf die freie Stel­le in der Park­raumüber­wa­chung ein­ge­stellt. Dies hat das be­klag­te Land der Kläge­rin nach der durch das Lan­des­po­li­zei­ver­wal­tungs­amt ver­an­lass­ten ärzt­li­chen Un­ter­su­chung aus­drück­lich mit­ge­teilt. Da­mit steht fest, dass die Kläge­rin ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung im Rah­men des Ein­stel­lungs­ver­fah­rens er­hal­ten hat, als ei­ne mit ihr in ver­gleich­ba­rer Po­si­ti­on be­find­li­che Per­son, bei der kei­ne Be­hin­de­rung vor­liegt. Das be­klag­te Land hat sich zur Ab­leh­nung der Be­wer­bung mit Schrei­ben vom 6. April 2004 aus­sch­ließlich auf die zu­vor er­folg­te ärzt­li­che Un­ter­su­chung vom 16. März 2004 be­zo­gen. Die der Un­ter­su­chung vor­an­ge­gan­ge­nen Aus­wahl­schrit­te ei­nes schrift­li­chen Aus­wahl­ver­fah­rens und ei­nes dar­auf fol­gen­den Vor­stel­lungs­gespräches hat­te die Kläge­rin mit Er­folg ab­sol­viert. Dies genügt hier, um von der Kau­sa­lität zwi­schen der Be­hin­de­rung der Kläge­rin und dem Nach­teil, dh. der Er­folg­lo­sig­keit ih­rer Be­wer­bung, aus­zu­ge­hen.


c) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird in der neu­en Be­ru­fungs­ver­hand­lung zu prüfen ha­ben, ob die vom Land vor­ge­brach­ten be­ruf­li­chen An­for­de­run­gen ge­eig­net sind, die we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung zu recht­fer­ti­gen. Da­zu ob­liegt es dem be­klag­ten Land, im Ein­zel­nen dar­zu­le­gen und ggf. zu be­wei­sen, dass der Kläge­rin we­gen ih­rer Be­hin­de­rung ei­ne be­stimm­te körper­li­che Funk­ti­on fehlt, die we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung für ei­ne Tätig­keit in der Park­raum­be­wirt­schaf­tung ist, § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX aF. Zu be­ach­ten ist, dass das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers, die An­zahl von krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten möglichst ge­ring zu hal­ten, noch kei­ne be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt.


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