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BAG, Ur­teil vom 24.01.2008, 6 AZR 519/07

   
Schlagworte: Kündigungsfrist, Probezeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 519/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.01.2008
   
Leitsätze: Die Wirksamkeit einer Probezeitvereinbarung nach § 622 Abs.3 BGB hängt vorbehaltlich abweichender tarifvertraglicher Bestimmungen nach § 622 Abs.4 BGB allein davon ab, dass die Probezeitdauer sechs Monate nicht übersteigt. Eine einzelfallbezogene Angemessenheitsprüfung der vereinbarten Dauer findet nicht statt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bielefeld, Urteil vom 8.02.2007, 1 Ca 1781/06
Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 13.06.2007, 3 Sa 514/07
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


6 AZR 519/07
3 Sa 514/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hamm

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

24. Ja­nu­ar 2008

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24. Ja­nu­ar 2008 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Fi­scher­mei­er, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Arm­brüster und Dr. Linck so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Ka­pitza und Koch für Recht er­kannt:


1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 13. Ju­ni 2007 - 3 Sa 514/07 - auf­ge­ho­ben.

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2. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bie­le­feld vom 8. Fe­bru­ar 2007 - 1 Ca 1781/06 - ab-geändert:


Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 27. Ju­ni 2006 nicht zum 13. Ju­li 2006, son­dern erst zum 14. Ju­li 2006 auf­gelöst wor­den ist.

Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

3. Der Kläger hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit zwei­er or­dent­li­cher Kündi­gun­gen.

Der Kläger war seit dem 20. Fe­bru­ar 2006 bei der Be­klag­ten als ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer beschäftigt. Der Ar­beits­ver­trag war bis zum 19. Fe­bru­ar 2007 be­fris­tet. Bei der Be­klag­ten be­steht kein Be­triebs­rat.

Im Ar­beits­ver­trag vom 20. Fe­bru­ar 2006 ist be­stimmt:

„...


§ 1 Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses/Pro­be­zeit/Kündi­gung

...

Das Ar­beits­verhält­nis kann auch während der Be­fris­tung bei­der­seits gekündigt wer­den. Während der Pro­be­zeit, die für die ers­ten 6 Mo­na­te des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­ein­bart wird, kann das Ar­beits­verhält­nis von bei­den Sei­ten mit ei­ner Kündi­gungs­frist von 2 Wo­chen gekündigt wer­den. Außer­halb der Pro­be­zeit kann das Ar­beits­verhält­nis von bei­den Sei­ten un­ter Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den.


Mit Schrei­ben vom 27. Ju­ni 2006, das dem Kläger am 30. Ju­ni 2006 zu­ging, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis zum 13. Ju­li 2006. Das Kündi­gungs­schrei­ben ist un­ter­halb des ma­schi­nen­schrift­li­chen Tex­tes „B GmbH & Co. KG“ von dem Ein­zel­pro­ku­ris­ten S un­ter­zeich­net. Mit ei­nem wei­te­ren Schrei­ben vom 28. Ju­li 2006, das dem Kläger am 29. Ju­li 2006 zu­ging, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis vor­sorg­lich zum nächstmögli­chen Ter­min.
 


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Mit sei­ner am 11. Ju­li 2006 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat der Kläger die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung vom 27. Ju­ni 2006 gel­tend ge­macht. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Kündi­gung vom 27. Ju­ni 2006 sei for­mun­wirk­sam, weil sie nicht ord­nungs­gemäß un­ter­zeich­net wor­den sei. Die Ver­ein­ba­rung ei­ner sechs-mo­na­ti­gen Pro­be­zeit sei für die re­la­tiv ein­fa­che Tätig­keit als Trans­port­mit­ar­bei­ter un­verhält­nismäßig lang. Die zwei­te Kündi­gung ha­be das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en da­her nicht vor dem 31. Au­gust 2006 be­en­det.


Der Kläger hat be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 27. Ju­ni 2006 nicht zum 13. Ju­li 2006 auf­gelöst wor­den ist, son­dern bis zum 31. Au­gust 2006 fort-be­stan­den hat.


Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat gel­tend ge­macht, die Kündi­gung vom 27. Ju­ni 2006 ha­be das Ar­beits­verhält­nis mit ei­ner Kündi­gungs­frist von zwei Wo­chen be­en­det. Selbst wenn man von der Kündi­gung vom 28. Ju­li 2006 aus­ge­he, sei das Ar­beits­verhält­nis zum 12. Au­gust 2006 be­en­det wor­den.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben und ein Fort­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 31. Au­gust 2006 fest­ge­stellt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­ren Klag­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist im We­sent­li­chen be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Vor­in­stan­zen durch die dem Kläger am 30. Ju­ni 2006 zu­ge­gan­ge­ne Kündi­gung vom 27. Ju­ni 2006 zum 14. Ju­li 2006 be­en­det wor­den.

I. Die Kündi­gung vom 27. Ju­ni 2006 ist form­wirk­sam (§ 623 BGB). Sie ist ord­nungs­gemäß un­ter­schrie­ben (§ 126 Abs. 1 BGB).

1. Die in § 623 BGB an­ge­ord­ne­te Schrift­form der Kündi­gung soll Rechts­si­cher­heit für die Ver­trags­par­tei­en und ei­ne Be­wei­ser­leich­te­rung im Rechts­streit be­wir­ken. Durch das in § 126 Abs. 1 BGB vor­ge­se­he­ne Er­for­der­nis der ei­genhändi­gen Un­ter-

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schrift wird der Aus­stel­ler der Ur­kun­de er­kenn­bar. Die Un­ter­schrift stellt ei­ne un­zwei­deu­ti­ge Ver­bin­dung zwi­schen der Ur­kun­de und dem Aus­stel­ler her. Der Er-klärungs­empfänger erhält die Möglich­keit zu über­prüfen, wer die Erklärung ab­ge­ge­ben hat und ob die Erklärung echt ist (BAG 21. April 2005 - 2 AZR 162/04 - AP BGB § 623 Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 4). Das Er­for­der­nis der ei­genhändi­gen Un­ter­schrift ver­langt nicht, dass un­mit­tel­bar bei Ab­ga­be der schrift­li­chen Erklärung für den Erklärungs­empfänger die Per­son des Aus­stel­lers fest­ste­hen muss. Die­ser soll nur iden­ti­fi­ziert wer­den können (vgl. BT-Drucks. 14/4987 S. 16). Hier­zu be­darf es nicht der Les­bar­keit des Na­mens­zugs. Viel­mehr genügt ein die Iden­tität des Un­ter­schrei­ben­den aus­rei­chend kenn­zeich­nen­der Schrift­zug, der in­di­vi­du­el­le und ent­spre­chend cha­rak­te­ris­ti­sche Merk­ma­le auf­weist, wel­che die Nach­ah­mung er­schwe­ren. Ein les­ba­rer Zu­satz des Na­mens des Un­ter­zeich­nen­den wird von § 126 BGB nicht ver­langt (Se­nat 20. Sep­tem­ber 2006 - 6 AZR 82/06 - AP BGB § 174 Nr. 19 = EzA BGB 2002 § 174 Nr. 5 mwN). Der Schrift­zug muss sich als Wie­der­ga­be ei­nes Na­mens dar­stel­len und die Ab­sicht ei­ner vol­len Un­ter­schrifts­leis­tung er­ken­nen las­sen, selbst wenn er nur flüch­tig nie­der­ge­legt und von ei­nem star­ken Ab­schlei­fungs­pro­zess ge­kenn­zeich­net ist (BAG 27. März 1996 - 5 AZR 576/94 - AP ZPO § 518 Nr. 67 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 21; BGH 27. Sep­tem­ber 2005 - VIII ZB 105/04 - NJW 2005, 3775). Die Un­ter­schrift ist vom Hand­zei­chen (Pa­ra­phe) ab­zu­gren­zen. Auch das Ge­setz un­ter­schei­det in § 126 Abs. 1 BGB zwi­schen ei­ner Na­mens­un­ter­schrift und ei­nem Hand­zei­chen; letz­te­res wahrt die Schrift­form nur im Fal­le no­ta­ri­el­ler Be­glau­bi­gung. Für die Ab­gren­zung zwi­schen Un­ter­schrift und Hand­zei­chen ist das äußere Er­schei­nungs­bild maßgeb­lich; der Wil­le des Un­ter­zeich­nen­den ist nur von Be­deu­tung, so­weit er in dem Schrift­zug sei­nen Aus­druck ge­fun­den hat (BGH 22. Ok­to­ber 1993 - V ZR 112/92 - NJW 1994, 55).


2. Der Schrift­zug un­ter der Kündi­gungs­erklärung vom 27. Ju­ni 2006 erfüllt ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts die an ei­ne Un­ter­schrift zu stel­len­den An­for­de­run­gen. Der Schrift­zug weist ei­ne Länge von ca. fünf cm auf. Er be­steht aus ei­ner zunächst nach links, dann nach rechts ge­krümm­ten Li­nie, die lang nach links ausläuft und ei­nem lie­gen­den „S“ ähnelt. Dar­an schließt sich ei­ne lang­ge­zo­ge­ne, ge­ra­de, leicht auf­stei­gen­de Li­nie an, die nach ei­ner kur­zen, spit­zen, Rechts-und Links­krümmung ge­ra­de nach oben hin ausläuft. Das Schrift­bild be­steht nicht nur aus ei­nem oder zwei ein­zel­nen Buch­sta­ben. Auch hat der Un­ter­zeich­nen­de kei­ne Punk­te ge­setzt. Da­mit fehlt es an den für ei­ne Na­mens­abkürzung ty­pi­schen Merk­ma­len. Vor al­lem aber spricht die er­heb­li­che räum­li­che Aus­deh­nung des Schrift­zugs ge­gen die An­nah­me, es lie­ge ei­ne Pa­ra­phie­rung vor. Beim Empfänger des



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Schriftstücks kann an­ge­sichts des äußeren Schrift­bilds nicht der Ein­druck ent­ste­hen, es hand­le sich mögli­cher­wei­se nur um ei­nen Ent­wurf oder ei­ne zum Zwe­cke der Do­ku­men­ta­ti­on mit ei­nem Hand­zei­chen ver­se­he­ne Ak­ten­ko­pie. Auch wenn die Un­ter­schrift des Pro­ku­ris­ten S von ei­nem star­ken Ab­schlei­fungs­pro­zess ge­kenn­zeich­net ist, las­sen sich ne­ben dem An­fangs­buch­sta­ben „S“ bei An­wen­dung des ge­bo­te­nen nicht klein­li­chen Prüfungs­maßstabs im mitt­le­ren Teil die an­ge­deu­te­ten Klein­buch­sta­ben „h“ und „u“ er­ken­nen.


II. Die Be­klag­te konn­te das Ar­beits­verhält­nis gemäß § 622 Abs. 3 BGB durch die Kündi­gung vom 27. Ju­ni 2006 mit ei­ner Kündi­gungs­frist von zwei Wo­chen, ge­rech­net ab dem Zu­gang der Kündi­gung, zum 14. Ju­li 2006 be­en­den.

1. Die Par­tei­en ha­ben im Ar­beits­ver­trag ei­ne rechts­wirk­sa­me Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen. Auch in be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­sen ist die Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit recht­lich möglich und zulässig (BAG 4. Ju­li 2001 - 2 AZR 88/00 - EzA BGB § 620 Kündi­gung Nr. 4).

2. Die ver­ein­bar­te Pro­be­zeit von sechs Mo­na­ten hält sich in­ner­halb der von § 622 Abs. 3 BGB vor­ge­ge­be­nen Höchst­gren­ze. Von wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen hängt die Wirk­sam­keit ei­ner Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung iSv. § 622 Abs. 3 BGB nicht ab. So­weit im Schrift­tum die Auf­fas­sung ver­tre­ten wird, die Pro­be­zeit dürfe nur so lang sein, wie dies zur Er­pro­bung für die be­tref­fen­de Tätig­keit er­for­der­lich sei (vgl. KR-Spil­ger 8. Aufl. § 622 BGB Rn. 155b mwN), folgt dem der Se­nat nicht.

a) Nach § 622 Abs. 3 BGB gilt während ei­ner ver­ein­bar­ten Pro­be­zeit, längs­tens für die Dau­er von sechs Mo­na­ten, ei­ne Kündi­gungs­frist von zwei Wo­chen. Nach dem Wort­laut des Ge­set­zes ist da­mit grundsätz­lich die ver­trag­lich ver­ein­bar­te Dau­er der Pro­be­zeit maßgeb­lich. Der Zu­satz, „längs­tens für die Dau­er von sechs Mo­na­ten“, be­zieht sich auf die ver­ein­bar­te Dau­er und schränkt die ar­beits­ver­trag­li­chen Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten nur da­hin­ge­hend ein, dass die Pro­be­zeit­dau­er sechs Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf. Nach Ab­lauf von sechs Mo­na­ten gilt - von der in § 622 Abs. 4 BGB ge­re­gel­ten Aus­nah­me ab­ge­se­hen - zwin­gend die ge­setz­li­che Grundkündi­gungs­frist des Ab­sat­zes 1. Wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen für die Wirk­sam­keit ei­ner Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung enthält § 622 Abs. 3 BGB nicht.

b) Der Ge­set­zes­be­gründung (BT-Drucks. 12/4902 S. 9) zu der am 15. Ok­to­ber 1993 in Kraft ge­tre­te­nen Neu­fas­sung des § 622 BGB sind kei­ne An­halts­punk­te für die
 


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Not­wen­dig­keit ei­ner ein­schränken­den Aus­le­gung des § 622 Abs. 3 BGB zu ent­neh­men. Dort heißt es:


„Die Zulässig­keit der Kündi­gung mit ei­ner kürze­ren Frist während der Pro­be­zeit schafft ei­nen ge­wis­sen Aus­gleich zu der für Ar­bei­ter ein­tre­ten­den Verlänge­rung der Grundkündi­gungs­frist. Die Re­ge­lung trägt den prak­ti­schen Bedürf­nis­sen bei­der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en Rech­nung, in ei­ner über­schau­ba­ren ers­ten Zeit der Beschäfti­gung die Leis­tungsfähig­keit des Ar­beit­neh­mers bzw. die Ar­beits­be­din­gun­gen zu er­pro­ben und bei ne­ga­ti­vem Aus­gang das Ar­beits­verhält­nis re­la­tiv kurz­fris­tig be­en­den zu können. Sie er­leich­tert da­mit un­be­fris­te­te Ein­stel­lun­gen. Bei Feh­len ei­ner sol­chen Möglich­keit be­steht die Ge­fahr, daß zur Ver­ein­ba­rung der Pro­be­zeit in größerem Um­fang als bis­her auf be­fris­te­te Ar­beits­verträge zurück­ge­grif­fen wird, die den Ar­beit­neh­mer in ei­ne ungüns­ti­ge­re Rechts­po­si­ti­on ge­genüber dem un­be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag mit Pro­be­zeit brin­gen können.“

Der erklärten Ab­sicht des Ge­setz­ge­bers, mit der Re­ge­lung ei­ner zweiwöchi­gen Kündi­gungs­frist während ei­ner ver­ein­bar­ten Pro­be­zeit ei­nen ge­wis­sen Aus­gleich für die Verlänge­rung der Grundkündi­gungs­frist für Ar­bei­ter zu schaf­fen, lie­fe es zu­wi­der, wenn bei ein­fa­che­ren Tätig­kei­ten, wie sie ge­ra­de von ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mern oft­mals zu leis­ten sind, der ge­setz­li­che Rah­men für Pro­be­zeit­ver­ein­ba­run­gen von sechs Mo­na­ten ein­ge­schränkt würde.

c) Ge­gen ei­ne ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Be­stim­mung der an­ge­mes­se­nen Pro­be­zeit­dau­er spricht auch der Zweck der Pro­be­zeit.

aa) Der Ar­beit­ge­ber soll während der Pro­be­zeit die Leis­tungsfähig­keit des Ar­beit­neh­mers prüfen können. Die­se Prüfung ist nicht le­dig­lich auf die in Aus­sicht ge­nom­me­ne Tätig­keit be­zo­gen (so aber Er­man/Bel­ling BGB 11. Aufl. § 622 Rn. 8), son­dern um­fas­send zu ver­ste­hen. Zweck der Pro­be­zeit ist auch, dem Ar­beit­ge­ber Ge­le­gen­heit zur Prüfung der Zu­verlässig­keit und Pünkt­lich­keit des Ar­beit­neh­mers so­wie zur Be­ob­ach­tung der Zu­sam­men­ar­beit mit Kol­le­gen zu ge­ben. Die­se Sach­ver­hal­te können re­gelmäßig erst nach ei­nem et­was länge­ren Zeit­raum ei­ni­ger­maßen zu­verlässig be­ur­teilt wer­den. Es gibt kei­nen Er­fah­rungs­satz, dass die Ein­glie­de­rung in die Be­leg­schaft und das Einfügen in Ar­beits­abläufe bei ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mern, die ein­fa­che Tätig­kei­ten ver­rich­ten, schnel­ler als bei An­ge­stell­ten fest­ge­stellt wer­den können.
 


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bb) Des Wei­te­ren darf nicht außer Be­tracht ge­las­sen wer­den, dass die Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit für bei­de Sei­ten Wirk­sam­keit ent­fal­tet. Auch der Ar­beit­neh­mer hat während der Pro­be­zeit die Möglich­keit, sich mit kur­zer Frist vom Ar­beit­ge­ber zu tren­nen. Dem kann nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, dass die Ver­ur­tei­lung zur Leis­tung von Diens­ten aus ei­nem Dienst­ver­trag nicht voll­streck­bar (§ 888 Abs. 3 ZPO) und da­mit als sol­che nicht er­zwing­bar ist, wes­halb die Länge der ein­zu­hal­ten­den Kündi­gungs­frist für den Ar­beit­neh­mer von ge­rin­ge­rer Be­deu­tung sei. Ei­ne sol­che Be­trach­tung ver­bie­tet sich, weil sie in un­zulässi­ger Wei­se den ver­trags­un­treu Han­deln­den zum Nor­mal­fall er­hebt. Auf die Möglich­keit des Ar­beit­neh­mers, die Ar­beits­be­din­gun­gen er­pro­ben zu können, wird zu­dem auch in der Ge­set­zes­be­gründung (BT-Drucks. 12/4902 S. 9) aus­drück­lich ab­ge­stellt.

cc) Die in der Ge­set­zes­be­gründung (BT-Drucks. 12/4902 S. 9) zum Aus­druck ge­brach­te Sor­ge des Ge­setz­ge­bers, dass oh­ne die Re­ge­lung ei­ner kur­zen Kündi­gungs­frist während der ver­ein­bar­ten Pro­be­zeit in größerem Um­fang be­fris­te­te Ar­beits­verträge ver­ein­bart wer­den könn­ten, darf gleich­falls nicht un­be­ach­tet blei­ben. Zwar kann - wie vor­lie­gend ge­sche­hen - die Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit auch in ei­nem sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis wirk­sam er­fol­gen; es ist je­doch nicht außer Acht zu las­sen, dass Ar­beit­ge­ber auf Grund der Re­ge­lung in § 1 Abs. 1 KSchG und we­gen der Möglich­keit, ei­ne Pro­be­zeit von bis zu sechs Mo­na­ten ver­ein­ba­ren zu können, viel­fach auf die Ver­ein­ba­rung ei­ner Be­fris­tungs­ab­re­de ver­zich­ten. Dem vom Ge­setz­ge­ber ver­folg­ten Ziel der Ver­ein­ba­rung un­be­fris­te­ter Ar­beits­verhält­nis­se lie­fe es je­den­falls zu­wi­der, woll­te man die in § 622 Abs. 3 BGB auf sechs Mo­na­te be­grenz­te Dau­er der ver­ein­bar­ten Pro­be­zeit ei­ner zusätz­li­chen ein­zel­fall­abhängi­gen An­ge­mes­sen­heits­kon­trol­le un­ter­zie­hen.


dd) Von be­son­de­rem Ge­wicht ist schließlich, dass nur ei­ne am Wort­laut des § 622 Abs. 3 BGB ori­en­tier­te Aus­le­gung die für bei­de Ver­trags­par­tei­en not­wen­di­ge Rechts­si­cher­heit er­zeugt. Den prak­ti­schen Bedürf­nis­sen bei­der Ver­trags­par­tei­en, das Ar­beits­verhält­nis zu er­pro­ben und es bei ne­ga­ti­vem Aus­gang kurz­fris­tig be­en­den zu können, wird nur durch ei­ne kla­re und möglichst ein­fach hand­hab­ba­re Re­ge­lung genügt.


d) Die­ses Verständ­nis des § 622 Abs. 3 BGB steht mit den Zie­len ver­gleich­ba­rer ge­setz­li­cher Re­ge­lun­gen in Ein­klang (vgl. Münch­KommBGB/Hes­se 4. Aufl. § 622 Rn. 31).

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aa) So macht § 1 Abs. 1 KSchG das Ein­grei­fen des all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schut­zes da­von abhängig, dass das Ar­beits­verhält­nis oh­ne Un­ter­bre­chung länger als sechs Mo­na­te be­stan­den hat. Die­se Re­ge­lung ermöglicht den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en, sechs Mo­na­te zu prüfen, ob sie sich auf Dau­er bin­den wol­len (BAG 24. No­vem­ber 2005 - 2 AZR 614/04 - BA­GE 116, 254). Die sechs­mo­na­ti­ge Frist des § 1 Abs. 1 KSchG läuft da­bei oh­ne Rück­sicht auf die Art der ge­schul­de­ten Tätig­keit, ei­ne ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Prüfung ih­rer An­ge­mes­sen­heit fin­det nicht statt. Auch die Vor­schrif­ten über den Kündi­gungs­schutz schwer­be­hin­der­ter Men­schen gel­ten un­abhängig von den Umständen des Ein­zel­falls nicht, wenn das Ar­beits­verhält­nis zum Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gungs­erklärung oh­ne Un­ter­bre­chung noch nicht länger als sechs Mo­na­te be­stan­den hat (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).


bb) Im Un­ter­schied zu die­sen kündi­gungs­recht­li­chen Be­stim­mun­gen enthält die Be­fris­tungs­re­ge­lung in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Tz­B­fG kei­ne kon­kre­te zeit­li­che Vor­ga­be zur Be­fris­tungs­dau­er. Da­her ist ein­zel­fall­be­zo­gen zu prüfen, ob die ver­ein­bar­te Dau­er der Er­pro­bungs­zeit in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zu der in Aus­sicht ge­nom­me­nen Tätig­keit steht. Hier­bei wer­den aus der sechs­mo­na­ti­gen War­te­zeit in § 1 Abs. 1 KSchG und aus § 622 Abs. 3 BGB An­halts­punk­te ge­won­nen. Bran­chenüblich­keit und Per­son des Ar­beit­neh­mers können kürze­re, aber auch länge­re Pro­be­zei­ten recht­fer­ti­gen (vgl. Dörner Der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag Rn. 191 f.; ErfK/Müller-Glöge 8. Aufl. § 14 Tz­B­fG Rn. 49 f.; Schaub/Koch Ar­beits­rechts-Hand­buch 12. Aufl. § 40 Rn. 34). Dass Fälle schwer fest­stell­ba­rer Eig­nung und Leis­tungsfähig­keit als sach­li­cher Grund für ei­ne länge­re Be­fris­tungs­dau­er nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Tz­B­fG in Be­tracht kom­men, im Rah­men der Pro­be­zeit nach § 622 Abs. 3 BGB je­doch kei­ne Berück­sich­ti­gung fin­den, macht deut­lich, dass der Ge­setz­ge­ber hier der Rechts­si­cher­heit ei­ne höhe­re Be­deu­tung bei­ge­mes­sen hat als ei­ner möglichst weit­ge­hen­den Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit.


e) Aus ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen er­gibt sich ei­ne Ein­schränkung der rechts­geschäft­li­chen Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten bei der Ver­ein­ba­rung der Pro­be­zeit­dau­er nur dann, wenn die­se Ta­rif­be­stim­mun­gen auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung fin­den (§ 622 Abs. 4 BGB). Das ist vor­lie­gend nicht der Fall. Die Be­klag­te ist nicht ta­rif­ge­bun­den, ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf ei­nen Ta­rif­ver­trag ist nicht er­folgt. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts wer­den die Par­tei­en da­her nicht durch § 2 Nr. 3 b) des fach­lich ein­schlägi­gen Ein­heit­li­chen Man­tel­ta­rif­ver­trags für die Ar­beit­neh­mer in den Be­trie­ben der Fleisch­wa­ren-In­dus­trie West­fa­len, zu­letzt idF vom
 


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6. Mai 1994, der für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer ei­ne Pro­be­zeit von längs­tens zwei Wo­chen vor­sieht, in der durch § 622 Abs. 3 BGB ein­geräum­ten Ge­stal­tungs­frei­heit, ei­ne Pro­be­zeit von bis zu sechs Mo­na­ten ver­ein­ba­ren zu können, ein­ge­schränkt.

3. Die ver­ein­bar­te sechs­mo­na­ti­ge Pro­be­zeit ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sam. Der Ar­beits­ver­trag des Klägers enthält zwar All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat je­doch nicht berück­sich­tigt, dass gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB die Absätze 1 und 2 nur für Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen gel­ten, durch die von Rechts­vor­schrif­ten ab­wei­chen­de oder die­se ergänzen­de Re­ge­lun­gen ver­ein­bart wer­den. § 622 Abs. 3 BGB macht die Ver­ein­ba­rung ei­ner Pro­be­zeit, die sich in dem vor­ge­ge­be­nen Rah­men hält, nur von dem übe­rein­stim­men­den Wil­len der Par­tei­en abhängig und ord­net nicht darüber hin­aus ei­ne ein­zel­fall­be­zo­ge­ne An­ge­mes­sen­heits­kon­trol­le an. Durch die for­mu­larmäßige Ver­ein­ba­rung ei­ner für bei­de Ver­trags­tei­le glei­cher­maßen gel­ten­den sechs­mo­na­ti­gen Pro­be­zeit nut­zen die Par­tei­en le­dig­lich die ge­setz­lich zur Verfügung ge­stell­ten Möglich­kei­ten und wei­chen hier­von nicht ab.


III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Fi­scher­mei­er 

Ri­BAG Dr. Arm­brüster ist we­gen Ur­laubs an der Beifügung sei­ner Un­ter­schrift ver­hin­dert. Fi­scher­mei­er 

Linck

Ka­pitza 

Rei­ner Koch

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