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LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 31.03.2010, 12 Sa 1512/09

   
Schlagworte: Urlaubsabgeltung, Befristung, Europarecht
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 12 Sa 1512/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 31.03.2010
   
Leitsätze: Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.09.2009 - C-277/08 Vicente Pereda -, RIW 2010, 162 ff., ist § 7 Abs. 3 BUrlG im Licht der Richtlinie 2003/88/EG unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der gesetzliche Anspruch auf vierwöchigen Erholungsurlaub weder auf das Ende des Kalenderjahres noch auf das Ende des Übertragungszeitraums befristet ist.(Rn.25) Der Anspruch besteht demzufolge auch im Falle der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers fort (in diesem Sinne schon LArbG Baden-Württemberg 12.04.1967, BB 1967, 757); gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist dann der Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer nicht mehr gewährt werden kann, auszuzahlen.(Rn.31)
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Oberhausen, Urteil vom 11.11.2009, 4 Ca 2087/08
   

12 Sa 1512/09

4 Ca 2087/08

Ar­beits­ge­richt Ober­hau­sen

Verkündet am 31. März 2010

Kohn­ke

Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF
IM NA­MEN DES VOL­KES
UR­TEIL
In dem Rechts­streit

des Herrn V.-F. M., T. str. 10, T.,

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwältin­nen H. & C.-

X.,

N. str. 10, T.,

g e g e n

den Herrn Rechts­an­walt Dr. jur I. T. als In­sol­venz­ver­wal­ter der C. C. AG, Am G. busch 1 - 3, L.,

- Be­klag­ter und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte Dr. T. u.a.,

Am G. busch 1 - 3, L.,

hat die 12. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 31.03.2010

durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Plüm als Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Nie­haus und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Ur­ba­ni­ak

für R e c h t er­kannt:

1. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ober­hau­sen vom 11.11.2009 wird kos­tenfällig zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.


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G r ü n d e

I. Die Par­tei­en strei­ten um Ur­laubs­ab­gel­tung. Der Kläger hat­te während des An­stel­lungs­verhält­nis­ses, das von Sep­tem­ber 2002 bis En­de Au­gust 2008 dau­er­te, kei­nen Er­ho­lungs­ur­laub in An­spruch ge­nom­men und ver­langt von dem Be­klag­ten nun­mehr den Be­trag von € 129.686,00 brut­to als Ab­gel­tung der of­fe­nen Ur­laubs­ta­ge. Der Be­klag­te wen­det im We­sent­li­chen ein, dass we­der ei­ne ge­setz­li­che noch ver­trag­li­che Über­tra­gung des je­wei­li­gen Jah­res­ur­laubs statt­ge­fun­den ha­be.

Der am 31.08.1938 ge­bo­re­ne Kläger hat­te seit 1995 für die G. AG, ei­ner Toch­ter­ge­sell­schaft der Schuld­ne­rin, Führungs­auf­ga­ben in in­di­schen Toch­ter­ge­sell­schaf­ten der Schuld­ne­rin wahr­ge­nom­men. An­fang 2002 bot ihm die Schuld­ne­rin, um sich sei­ner Diens­te über das Er­rei­chen des Ren­ten­ein­tritts­al­ters hin­aus zu ver­ge­wis­sern, ei­nen bis zum 31.08.2007 be­fris­te­ten An­stel­lungs­ver­trag an. Da­bei ging sie da­von aus, dass der Kläger ent­we­der un­ter Verlänge­rung des Ar­beits­verhält­nis­ses den auf­ge­lau­fe­nen Ur­laub bis zur Voll­endung des 70. Le­bens­jah­res neh­men oder für die auf­ge­lau­fe­nen Ur­laubs­ta­ge mit der hälf­ti­gen Vergütung ab­ge­fun­den wer­de. Am 25.04.2002 kam dar­auf­hin zwi­schen dem Kläger und der C. Ver­wal­tungs­diens­te GmbH ein An­stel­lungs­ver­trag zu­stan­de, auf­grund des­sen der Kläger für zwei in­di­sche Toch­ter­ge­sell­schaf­ten der Schuld­ne­rin zur wei­te­ren Wahr­neh­mung der dor­ti­gen Funk­ti­on des Geschäftsführers so­wie für lei­ten­de Auf­ga­ben in an­de­ren ausländi­schen Kon­zern­un­ter­neh­men ab­ge­stellt wur­de. In § 8 des An­stel­lungs­ver­tra­ges vom 25.04.2002 ist wört­lich be­stimmt:

„Herr L. hat An­spruch auf ei­nen jähr­li­chen Er­ho­lungs­ur­laub von dreißig Ar­beits­ta­gen, der in Ab­stim­mung mit den übri­gen Geschäftsführern der in­di­schen Ge­sell­schaf­ten und dem für die Ge­sell­schaf­ten zuständi­gen Vor­stands­mit­glied [der Schuld­ne­rin] zeit­lich so fest­zu­le­gen ist, dass die Be­lan­ge der Ge­sell­schaft nicht be­ein­träch­tigt wer­den.

Ei­ne Über­tra­gung von Rest­ur­laub auf Fol­ge­jah­re ist möglich. Falls am Ta­ge der Be­en­di­gung des Ver­tra­ges noch Rest­ur­laub vor­han­den ist, wird die­ser mit 50 % vergütet.“


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Be­vor die in­sol­ven­te C. Ver­wal­tungs­diens­te GmbH zum 30.06.2003 ih­re Geschäftstätig­keit ein­stell­te, ka­men der Kläger und die Schuld­ne­rin, über de­ren Vermögen am 01.09.2002 das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net wor­den war, am 20./24.03.2003 übe­rein, mit­ein­an­der das (bis zum 31.08.2007 be­fris­te­te) Ar­beits­verhält­nis „zu den bis­he­ri­gen ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen“ fort­zu­set­zen. Un­ter dem 20.07/17.08.2007 ver­ein­bar­ten der Kläger und der Be­klag­te als In­sol­venz­ver­wal­ter der Schuld­ne­rin „auf­grund der not­wen­di­gen Ab­wick­lungs­ar­bei­ten die Verlänge­rung des An­stel­lungs­verhält­nis­ses bis zum 31.08.2008“. Wört­lich heißt es in der Ver­ein­ba­rung noch:

„Da­ne­ben ver­pflich­ten Sie sich, bis zum 31.08.2008 min­des­tens 30 Ta­ge Ur­laub zu neh­men“.

Dem Kläger wur­de bis zum 31.08.2008 kein Ur­laub er­teilt. In den Ge­halts­ab­rech­nun­gen war – bis auf zehn un­berück­sich­tigt ge­blie­be­ne Ur­laubs­ta­ge – je­weils der (of­fe­ne) Rest­ur­laub ein­sch­ließlich be­reits bei der G. AG er­wor­be­ner Ur­laubs­ta­ge aus­ge­wie­sen wor­den.

Mit der En­de No­vem­ber 2008 vor dem Ar­beits­ge­richt Ober­hau­sen er­ho­be­nen Kla­ge hat der Kläger den Be­klag­ten auf Ur­laubs­ab­gel­tung in An­spruch ge­nom­men und un­ter Zu­grun­de­le­gung sei­ner durch­schnitt­li­chen Mo­nats­bezüge von € 23.031,65 brut­to den Ab­gel­tungs­be­trag auf ins­ge­samt € 129.686,00 brut­to be­zif­fert.

Der Be­klag­te hält dem – der Höhe nach un­strei­ti­gen – Ver­lan­gen auf Ur­laubs­ab­gel­tung ent­ge­gen, dass § 8 des An­stel­lungs­ver­tra­ges den Zeit­raum für die Ur­laubsüber­tra­gung le­dig­lich auf den 31.12. des je­wei­li­gen Fol­ge­jah­res aus­deh­ne und es zu­dem bei den nach § 7 Abs. 3 BUrlG für die Über­tra­gung vor­aus­ge­setz­ten drin­gen­den be­trieb­li­chen oder in der Per­son des Ar­beit­neh­mers lie­gen­den Gründen be­las­se. Der Kläger ha­be das Vor­lie­gen ei­nes Über­tra­gungs­tat­be­stan­des nicht dar­ge­legt, im Übri­gen auch zu kei­ner Zeit Ur­laubs­anträge ein­ge­reicht.


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Das Ar­beits­ge­richt hat durch Ur­teil vom 11.11.2009 der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit der form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­ten und be­gründe­ten Be­ru­fung greift der Be­klag­te das Ur­teil, auf das hier­mit zur nähe­ren Dar­stel­lung des Sach- und Streit­stan­des ver­wie­sen wird, mit Rechts­ausführun­gen an.

Der Kläger ver­tei­digt das Ur­teil und be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Be­ru­fung.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze mit den hier­zu über­reich­ten An­la­gen so­wie auf die in der Ver­hand­lung am 31.03.2010 pro­to­kol­lier­ten Erklärun­gen Be­zug ge­nom­men.

II. Die Be­ru­fung hat kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Kam­mer macht sich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG die zu­tref­fen­den Ent­schei­dungs­gründe des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils zu Ei­gen. Ih­nen ist das Fol­gen­de hin­zu­zufügen.

1. Zwi­schen den Par­tei­en be­steht kein Streit über die Höhe des ar­beitstägli­chen Ur­laubs­ent­gelts von € 1.063.00 brut­to und den un­ter An­wen­dung der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen er­rech­ne­ten Ab­gel­tungs­be­trag von ins­ge­samt € 129.686,00 brut­to. Die Be­rech­nung ist mit der Be­ru­fung nicht an­ge­grif­fen wor­den (§ 520 Abs. § 3 Nr. 2 und 3 ZPO).

Den Be­trag von € 129.686,00 brut­to kann der Kläger gemäß § 7 Abs. 4, § 11 BUrlG i. V. m. § 4, § 5 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 BUrlG eben­so un­ter dem Ge­sichts­punkt der Ab­gel­tung des in dem Zeit­raum vom 01.09.2002 bis 31.08.2008 ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs von 127 Ar­beits­ta­gen ver­lan­gen. Nach den Klar­stel­lun­gen in der Ver­hand­lung braucht der Kläger sich dann we­gen § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG we­der die in § 8 Abs. 2 Satz 2 des An­stel­lungs­ver­tra­ges ver­ein­bar­te Hal­bie­rung der Ur­laubs­ab­gel­tung noch die An­rech­nung tatsächlich nicht ge­nom­me­ner Ur­laubs­ta­ge gemäß der Verlänge­rungs­ver­ein­ba­rung vom 20.07./17.08.2007 ent­ge­gen­hal­ten zu las­sen.

Der Be­klag­te ge­steht zu, dass der erst­in­stanz­lich aus­ge­ur­teil­te Be­trag von € 129.686,00 brut­to Mas­se­ver­bind­lich­keit ist.


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2. Die Vor­in­stanz hat § 8 Abs. 2 Satz 1 des An­stel­lungs­ver­tra­ges vom 24.03.2003 un­ter Würdi­gung der un­strei­ti­gen Be­gleit­umstände, die dem Ver­trags­schluss vom 24.03.2003 vor­aus­gin­gen, aus­ge­legt (§ 133, § 157 BGB) und da­nach zu­tref­fend auf die Re­ge­lungs­in­ten­ti­on der Par­tei­en ge­schlos­sen, nicht ge­nom­me­nen Ur­laub un­be­fris­tet und oh­ne Vor­lie­gen der ge­setz­li­chen Tat­bestände des § 7 Abs. 3 BUrlG au­to­ma­tisch auf die Fol­ge­jah­re zu über­tra­gen. Die auf­grund der Be­son­der­hei­ten der An­stel­lungs­verhält­nis­ses na­he­lie­gen­de Kon­se­quenz der Ur­laubsüber­tra­gung, nämlich das Vor­han­den­sein von Rest­ur­laub bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, hat die Par­tei­en er­kenn­bar zu der ori­gi­nel­len Re­ge­lung in § 8 Abs. 2 Satz 2 des An­stel­lungs­ver­tra­ges ver­an­lasst, die Ab­gel­tung des noch of­fe­nen Rest­ur­laubs zu be­stim­men und da­bei den „Wert­er­satz“ auf 50 % der Vergütung fest­zu­set­zen.

3. Die Ausführun­gen des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils hal­ten den An­grif­fen der Be­ru­fung stand.

Der Wort­laut des § 8 Abs. 2 Satz 1 des An­stel­lungs­ver­tra­ges spricht, in­dem die Über­tra­gung von Rest­ur­laub „auf Fol­ge­jah­re“ zu­ge­las­sen wird, be­reits dafür, dass ei­ne Be­fris­tung von über­tra­ge­nem Ur­laub nicht er­fol­gen soll­te. Denn wenn die Par­tei­en hätten be­stim­men wol­len, dass im Ur­laubs­jahr nicht er­teil­ter Ur­laub bis spätes­tens zum 31.12. des Fol­ge­jah­res ge­nom­men wer­den müsse, dann wäre es ein Leich­tes ge­we­sen, dies et­wa mit der For­mu­lie­rung, dass of­fe­ner Ur­laub le­dig­lich auf das „je­wei­li­ge Fol­ge­jahr“ über­tra­gen wer­de, zum Aus­druck zu brin­gen.

Des Wei­te­ren ging, wie die Vor­in­stanz zu­tref­fend aus­geführt hat, die In­ter­es­sen­la­ge der Par­tei­en er­kenn­bar da­hin, dass im Fall ei­ner „Be­ein­träch­ti­gung der Be­lan­ge der Ge­sell­schaft“ die Ur­laubsüber­tra­gung auch über das je­wei­li­ge Fol­ge­jahr hin­aus statt­fin­den soll­te. So legt § 8 Abs. 1 des An­stel­lungs­ver­tra­ges ei­ner­seits na­he, dass der Kläger nach Ab­stim­mung mit an­de­ren Geschäftsführern und dem Vor­stand der Schuld­ne­rin die La­ge des Ur­laubs weit­ge­hend selbst­be­stimmt fest­le­gen durf­te (vgl. BAG 27.01.1987 – 8 AZR 579/84 – Ju­ris Rn. 27, zur Statt­haf­tig­keit ei­ner der­ar­ti­gen Re­ge­lung). An­de­rer­seits löst des­we­gen der Um­stand, dass er tatsächlich kei­nen Ur­laub nahm, nicht die Rechts­fol­ge aus, dass der Ur­laubs­an­spruch zum 31.03. oder 31.12. des Fol­ge-


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jah­res un­ter­ge­gan­gen wäre. Viel­mehr hat der Be­klag­te die selbst­be­stimm­te Ent­schei­dung des Klägers, dem es tatsächlich über­las­sen blieb, selbst ein­zuschätzen, ob die In­an­spruch­nah­me von Ur­laub „die Be­lan­ge der Ge­sell­schaft (nicht) be­ein­träch­tigt“, hin­zu­neh­men. An­zu­mer­ken ist, dass der Be­klag­te den Dar­le­gun­gen des Klägers zu den be­trieb­li­chen Gründen, die ihn an der In­an­spruch­nah­me von Ur­laub hin­der­ten, we­der erst­in­stanz­lich durch kon­kre­ten Vor­trag noch in der Be­ru­fungs­be­gründung ent­ge­gen­ge­tre­ten ist. Un­er­heb­lich ist da­mit auch, dass - vom Be­klag­ten mit der Be­ru­fung mo­niert – der Kläger „kei­ne Ur­laubs­anträge ein­reich­te“. Nach dem Bun­des­ur­laubs­ge­setz, das in § 7 Abs. 1 le­dig­lich die ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Berück­sich­ti­gung et­wai­ger Wünsche des Ar­beit­neh­mers vor­schreibt, ist der Ar­beit­neh­mer al­le­mal nicht ver­pflich­tet, Ur­laub zu „be­an­tra­gen“.

Sch­ließlich kon­ze­dier­te der Be­klag­te selbst durch die fort­lau­fen­de Er­fas­sung der of­fe­nen Ur­laubs­ta­ge in den Ge­halts­ab­rech­nun­gen die recht­li­che Exis­tenz des über­tra­ge­nen Ur­laubs­an­spruchs. Al­ler­dings ist in der „Fort­schrei­bung“ of­fe­nen Rest­ur­laubs nicht oh­ne Wei­te­res ein Schuld­an­er­kennt­nis zu se­hen (BAG 09.02.2989 – 8 AZR 505/87 – Ju­ris Rn. 24 ff., BAG 10.03.1987 – 8 AZR 610/84 – Ju­ris Rn. 17 ff., LAG Schles­wig-Hol­stein 09.05.2007 – 6 Sa 436/06 – Ju­ris Rn. 47 f.). Dies gilt auch im Streit­fall ins­be­son­de­re im Hin­blick dar­auf, dass Rest­ur­laub aus dem Ar­beits­verhält­nis des Klägers mit der G. AG in die Ver­dienstab­rech­nun­gen mit ein­ge­gan­gen ist. Im­mer­hin las­sen die fort­lau­fend in den Ver­dienstab­rech­nun­gen auf­adddier­ten Ur­laubs­ta­ge auf den Ver­trags­wil­len rück­schließen, dass kein Ver­fall von im lau­fen­den Ar­beits­verhält­nis er­wor­be­nem Ur­laub ein­tre­ten soll­te (vgl. BGH 16.03.2009 – II ZR 68/08 – Ju­ris Rn. 16, zur Maßgeb­lich­keit von nach Ver­trags­schluss lie­gen­den Umständen). Auch wenn der Ar­beit­ge­ber wie hier der Be­klag­te die Per­so­nal­ver­wal­tung und Lohn­buch­hal­tung ex­tern vor­neh­men lässt, muss er auf­grund sei­ner Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Kon­troll­pflich­ten die Hand­ha­bung, of­fe­ne Ur­laubs­ansprüche auf­zu­ad­die­ren und in Ab­rech­nun­gen so­wie Ver­dienst­be­schei­ni­gun­gen aus­zu­wei­sen, sich zu­rech­nen las­sen.


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4. Die Über­tra­gungs­ab­re­de ist rechts­wirk­sam. Sie verstößt nicht ge­gen § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG.

Nach Auf­fas­sung der Kam­mer (Kam­mer 02.02.2009 – 12 Sa 486/06 – Ju­ris Rn. 32 ff.) kann ei­ne ein­zel­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung, die von ei­ner zeit­lich un­be­grenz­ten Ur­laubsüber­tra­gung aus­geht, schon des­halb nicht ge­gen § 7 Abs. 3 BUrlG ver­s­toßen, weil das Bun­des­ur­laubs­ge­setz selbst kei­ne Be­fris­tung des Ur­laubs­an­spruchs auf den 31.12. des Ka­len­der­jah­res oder den 31.03. des Fol­ge­jah­res enthält (Kam­mer 02.02.2009 – 12 Sa 48/06 – Ju­ris Rn. 32 ff., dies nur für den Fall der krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit an­neh­mend: BAG 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – Rn. 61). Für die Auf­fas­sung der Kam­mer strei­tet wei­ter­hin die nach Art. 9 der ILO-Con­ven­ti­on 132 ge­bo­te­ne völker­rechts­freund­li­che In­ter­pre­ta­ti­on (vgl. Schluss­anträge der Ge­ne­ral­anwältin Trs­ten­jak 24.01.2008 – C-350/06 Schultz-Hoff – Fn. 43; vgl. Fn. 53: „Dies ha­be zur Fol­ge, dass nicht der­je­ni­ge sank­tio­niert wer­de, der die Rechts­ver­let­zung zu ver­tre­ten ha­be [der Ar­beit­ge­ber], son­dern der­je­ni­ge, der nicht im­stan­de sei, sein Recht durch­zu­set­zen [der Ar­beit­neh­mer]“). Sch­ließlich ist die Kon­struk­ti­on ei­nes An­spruchs auf „Er­satz­ur­laub“ nach § 275, § 286, § 280 BGB leis­tungsstörungs­recht­lich un­stim­mig (Kam­mer 25.07.2007 – 12 Sa 944/07 – Ju­ris Rn. 49 ff.). Die Kam­mer ist dem­zu­fol­ge in ih­rer Spruch­pra­xis der mit ei­ner Scha­dens­er­satz­pflicht ab­gestütz­ten Be­fris­tungs­the­se, wohl erst­mals in ei­ner Ent­schei­dung des LAG Bre­men an­ge­dacht (so Ernst BB 2008, 113, un­ter Hin­weis auf LAG Bre­men 19.08.1953 – Sa 116/53 – AP Nr. 1 zu § 6 Bre­m­Ur­laubsG), nicht ge­folgt.

Eben­so ist es Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, dass ge­gen ei­ne ein­zel­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung, nach der der Ur­laubs­an­spruch nicht erlöschen soll, kei­ne recht­li­chen Be­den­ken be­ste­hen, weil im Ver­gleich zum Ge­setz die­se Re­ge­lung für den Ar­beit­neh­mer güns­ti­ger ist (BAG 09.02.1989 - 8 AZR 505/87 – Ju­ris Rn. 22, BAG 21.06.2005 – 9 AZR 200/04 – Ju­ris Rn. 23/26 [zur Zulässig­keit der ein­zel­ver­trag­li­chen Über­tra­gung bis zum En­de des Fol­ge­jah­res], vgl. Düwell, JbAr­bR 37[2000], S. 91; a. A. BAG 23.03.1984 – 7 AZR 323/82 – Ju­ris Rn. 41).


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5. Dem Aus­le­gungs­er­geb­nis des Ar­beits­ge­richts, dass § 8 des An­stel­lungs­ver­tra­ges den Ur­laubs­an­spruch ent­fris­te, hält der Be­klag­te ent­ge­gen, dass, weil ei­ne ab­wei­chen­de Re­ge­lungs­ab­sicht im Ver­trag nicht zum Aus­druck ge­bracht wor­den sei, nach dem Re­ge­lungs­wil­len der Par­tei­en die ur­laubs­ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen und so­mit die grundsätz­li­che Be­fris­tung des Ur­laubs­an­spruchs an­wend­bar blei­ben soll­ten. Der Be­klag­te will da­mit ei­ne von der bis­he­ri­gen höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ent­wi­ckel­te Aus­le­gungs­ma­xi­me (vgl. BAG 19.04.1994 – 9 AZR 671/92 - Ju­ris Rn. 23, BAG 28.04.1998 – 9 AZR 314/97 - Ju­ris Rn. 33 f.) berück­sich­tigt wis­sen. In­des­sen verfängt die­ser Ein­wand schon des­we­gen nicht, weil nach den EuGH-Ur­tei­len vom 20.01.2009 – C-350/06 Schultz-Hoff – und vom 10.09.2009 – C-277/08 Vicen­te Pe­re­da – der Aus­gangs­punkt der BAG-Recht­spre­chung, dass der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG be­fris­tet sei, nicht mehr zu ver­tei­di­gen ist (vgl. Schlach­ter RdA 2009, Son­der­bei­la­ge zu Heft 5, 33 f.).

a) Al­ler­dings wird die EuGH-Ent­schei­dung vom 20.01.2009 in der In­stanz­recht­spre­chung (LAG München 03.12.2009 – 4 Sa 564/09 – Ju­ris Rn. 26, 27 „mi­ni­mal­in­va­si­ver Ein­griff“) so­wie im Schrift­tum (z. B. Ge­nen­ger, Anm. LA­GE § 7 BUrlG Ab­gel­tung Nr. 22, Sei­te 42) so ver­stan­den, dass es außer­halb der Fälle lang­an­dau­ern­der Ar­beits­unfähig­keit bei dem „Fris­ten­re­gime, wie es sich aus § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG [En­de des Ur­laubs­jah­res] und aus § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG [bei Über­tra­gung aus drin­gen­den be­trieb­li­chen oder in der Per­son lie­gen­den Gründen bis zum 31. März] er­gibt“, blei­be (Düwell dbr 2010, 11/13, MüArbR/Düwell, 3. Aufl., § 78 Rn. 26, ErfK/Dörner, 10. Aufl., § 7 BUrlG Rn. 391, 46a, Preis, Ar­beits­recht, 3. Aufl., § 47 III 3 b). In die­sel­be Rich­tung deu­tet ein ob­iter dic­tum des Bun­des­ar­beits­ge­richts im Ur­teil vom 24.03.2009 (– 9 AZR 983/07 – Ju­ris Rn. 49, 68).

b) Nach Auf­fas­sung der Kam­mer sind der­ar­ti­ge Über­le­gun­gen mit der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on nicht zu ver­ein­ba­ren.


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(11) Mit der ge­bo­te­nen richt­li­ni­en­kon­for­men In­ter­pre­ta­ti­on (i.c. Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG = Art. 7 der Richt­li­nie 93/104/EG) ha­ben die na­tio­na­len Ge­rich­te ih­rer Ver­pflich­tung nach­zu­kom­men, die vol­le Wir­kung des Uni­ons­rechts si­cher­zu­stel­len. Die Aus­le­gung in­ner­staat­li­chen Rechts muss so­weit wie möglich am Wort­laut und Zweck ein­schlägi­ger Richt­li­ni­en aus­ge­rich­tet wer­den. Wort­laut und Zweck ei­ner Richt­li­nie sind au­to­nom von der War­te des Uni­ons­rechts aus zu er­fas­sen, das sich an al­le Mit­glieds­staa­ten wen­det und an sol­che, die es noch wer­den wol­len. Mit­hin sind die Re­ge­lungs­in­ten­tio­nen uni­ons­recht­li­cher Grundsätze und Vor­schrif­ten nicht nach den recht­li­chen Be­son­der­hei­ten und Be­griff­lich­kei­ten in dem ein­zel­nen Mit­glieds­staat, auch nicht in dem des vor­le­gen­den Ge­rich­tes, zu er­mit­teln, son­dern von na­tio­na­lem Vor­verständ­nis los­zulösen. EuGH-Ent­schei­dun­gen zu ei­ner Richt­li­nie können dem­zu­fol­ge nicht vor den Hin­ter­grund na­tio­na­ler Re­ge­lun­gen und Rechts­auf­fas­sun­gen ge­stellt und als de­ren „en­ge“ oder „wei­te“ Präzi­sie­rung ver­stan­den wer­den. Der EuGH führt in sei­nen Ent­schei­dun­gen kei­nen Dia­log mit ei­nem ein­zel­nen Mit­glieds­staat und des­sen Rechts­sys­tem.

(22) Nach dem EuGH-Ur­teil vom 20.01.2009 Schultz-Hoff darf ei­ne na­tio­na­le Ur­laubs­re­ge­lung ei­nen Über­tra­gungs­zeit­raum für am En­de des Be­zugs­zeit­raums nicht ge­nom­me­nen Jah­res­ur­laub vor­se­hen, um dem Ar­beit­neh­mer, der dar­an ge­hin­dert war, sei­nen Jah­res­ur­laub zu neh­men, ei­ne zusätz­li­che Möglich­keit zu eröff­nen, in des­sen Ge­nuss zu kom­men (Rn. 42). Die Re­ge­lung darf „so­gar den Ver­lust die­ses An­spruchs [scil. auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub] am En­de ei­nes Be­zugs­zeit­raums oder ei­nes Über­tra­gungs­zeit­raums be­inhal­ten“ (Rn. 43). Stünde da­nach das Uni­ons­recht ei­ner „Be­fris­tung“ des Ur­laubs­an­spruchs nicht im We­ge, so ist gleich­wohl dem Ur­teil vom 20.01.2009 Schultz-Hoff (Rn. 30) zu ent­neh­men, dass dem Eu­ropäischen Ge­richts­hof „ein un­be­grenz­ter Er­halt des Ur­laubs­an­spruchs vor­zu­schwe­ben scheint“ (in­so­weit zu­tr. Ka­man­ab­rou SAE 2010, 123). Die­se Ana­ly­se wird durch das EuGH-Ur­teil vom 10.09.2009 Vicen­te Pe­re­da ve­ri­fi­ziert. Hier hat der Ge­richts­hof zu der Kon­stel­la­ti­on, dass der Ar­beit­neh­mer le­dig­lich während der Be­triebs­fe­ri­en zur Jah­res­mit­te ar­beits­unfähig er­krankt, da­nach aber un­un­ter­bro­chen ar­beitsfähig war und der Ar­beit­ge­ber die Nach­gewährung des Jah­res­ur­laubs ver­wei­ger­te, ex­pli­zit


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ent­schie­den, dass der Ar­beit­neh­mer sei­nen Jah­res­ur­laub dann auch außer­halb des Be­zugs­zeit­raums in An­spruch neh­men könne.

Die Fest­stel­lung, dass uni­ons­recht­lich dem ar­beitsfähi­gen (wie­der ge­ne­se­nen) Ar­beit­neh­mer wei­ter­hin der „Ori­gi­nal“-Ur­laubs­an­spruch zu­steht, schließt zwangsläufig die An­nah­me aus, dass na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten, zu­mal an­ge­sichts der ge­nui­nen Viel­falt in den Mit­glieds­staa­ten, al­lein auf­grund der bloßen Möglich­keit, dass der Ur­laub bis zum Ab­lauf des Be­zugs- oder Über­tra­gungs­zeit­raums er­teilt wer­den könn­te, ei­ne An­spruchs­be­fris­tung sta­tu­ie­ren oder ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch als Kom­pen­sa­ti­on für den Un­ter­gang des ori­gi­nären uni­ons­recht­li­chen Ur­laubs­an­spruchs genügen las­sen dürfen. Im Licht der Recht­spre­chung des EuGH ist da­her da­von aus­zu­ge­hen, dass beim Ein­tritt von Störfak­to­ren, die die Ur­laubs­rea­li­sie­rung im Be­zugs- oder Über­tra­gungs­zeit­raum schei­tern las­sen, der Ur­laubs­an­spruch als ge­setz­li­cher Primäran­spruch fort­be­steht.

(33) Dass den EuGH-Ur­tei­len Kon­stel­la­tio­nen zu­grun­de la­gen, in de­nen der Ar­beit­neh­mer auf­grund krank­heits­be­ding­ter Ar­beits­unfähig­keit ge­hin­dert war, Ur­laub über­haupt (Schultz-Hoff) oder während der Be­triebs­fe­ri­en (Vicen­te Pe­re­da) zu neh­men, er­laubt kei­ne Ver­en­gung des Richt­li­ni­en­zwecks auf „Er­kran­kungsfälle“. Viel­mehr steht der Er­kran­kungs­fall ex­em­pla­risch für die Si­tua­ti­on, dass der Ar­beit­neh­mer tatsächlich nicht die Möglich­keit hat, den ihm mit der Richt­li­nie ver­lie­he­nen An­spruch aus­zuüben. Dem­nach setzt be­reits das Ur­teil vom 20.01.2009 Schultz-Hoff für ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung, die auf ei­ne Be­fris­tung des Ur­laubs­an­spruchs ab­zielt, aus­drück­lich vor­aus, „dass der Ar­beit­neh­mer, des­sen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub er­lo­schen ist, tatsächlich die Möglich­keit hat­te, den ihm mit der Richt­li­nie ver­lie­he­nen An­spruch aus­zuüben“ (Rn. 43). In­so­weit gilt der Grund­satz der Ef­fek­ti­vität. Art. 31 Abs. 2 der Eu­ropäischen Grund­rech­te-Char­ta und Art. 7 der Ar­beits­zeit­richt­li­nie stel­len den An­spruch je­des Ar­beit­neh­mers auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub als ei­nen be­son­ders be­deut­sa­men Grund­satz des So­zi­al­rechts der Uni­on her­aus. Da­mit darf nach dem Grund­satz der Ef­fek­ti­vität die Ausübung die­ses An­spruchs dem Ar­beit­neh­mer nicht prak­tisch unmöglich ge­macht oder übermäßig er­schwert wer­den (vgl. EuGH 16.07.2009 – C-69/08 Vi­scia­no – Rn. 43 ff., EuGH

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24.03.2009 – C-445/06 Dans­ke Slag­te­ri­er – Rn. 62). Auf ei­ne übermäßige Er­schwer­nis lie­fe es hin­ge­gen hin­aus, vom Ar­beit­neh­mer zu ver­lan­gen, dass er – zur Ver­mei­dung des An­spruchs­un­ter­gangs zu den Fris­ten nach § 7 Abs. 3 Satz 1 und 3 BUrlG – al­le ihm zur Verfügung ste­hen­den Rechts­schutzmöglich­kei­ten ausschöpft, um den Ur­laubs­an­spruch durch­zu­set­zen (Kam­mer 02.02.2009 – 12 Sa 486/06 – Ju­ris Rn. 55, 61-70, Schlach­ter, a. a. O., Abe­le RdA 2009, 319 [IV 4]). So ob­liegt es schon nach der Ar­beits­zeit­richt­li­nie dem Ar­beit­ge­ber zu gewähr­leis­ten, dass der Ar­beit­neh­mer die ihm ver­lie­he­nen Rech­te tatsächlich in An­spruch nimmt (vgl. EuGH 07.09.2006 – C-484/04 Kom­mis­si­on/Ver­ei­nig­tes König­reich – Ju­ris Rn. 42 f., Schluss­anträge-Trs­ten­jak 24.01.2008 – C-350/06 Schultz-Hoff – Rn. 62 [2. Satz], 65). Erst recht ist nach deut­schem Ur­laubs­recht die Ur­laubser­tei­lung ei­ne „Bring­schuld“ des Ar­beit­ge­bers, denn ihm fällt das Recht und die Pflicht zu, den Ur­laub fest­zu­le­gen. Kommt er dem nicht nach, wird es dem Ar­beit­neh­mer durch das pro­zes­sua­le Ver­fah­rens­recht übermäßig er­schwert, rechts­si­cher sei­nen Ur­laubs­an­spruch frist­ge­recht durch­zu­set­zen (vgl. Lei­ne­mann BB 95, 1959 f.).

(44) Die An­nah­me, dass § 7 Abs. 3 Satz 1 u. Satz 3 BUrlG den Ur­laubs­an­spruch be­fris­te, zei­tigt über­dies Rechts­un­si­cher­hei­ten, die eben­falls mit dem Ef­fek­ti­vitäts­grund­satz un­ver­ein­bar sind (vgl. EuGH – 16.07.2009 Vi­scia­no – Rn. 46, Schluss­anträge-Trs­ten­jak – C-350/06 Schultz-Hoff – Rn. 46 ff.). Das Ge­bot der Nor­men­be­stimmt­heit und -klar­heit ist zu­dem als Aus­prägung des grund­recht­li­chen Ef­fek­ti­vitätsprin­zips von der Recht­spre­chung bei der Aus­le­gung und An­wen­dung von Rechts­nor­men zu berück­sich­ti­gen (BK/Rob­bers, Art. 20 Abs. 1 GG, Rn. 2134).

In die­sem Licht lässt es das Bun­des­ur­laubs­ge­setz un­ter An­wen­dung der herkömmli­chen ju­ris­ti­schen Me­tho­den der Ge­set­zes­aus­le­gung an der Vor­aus­seh­bar­keit der Rechts­fol­gen feh­len und sagt vor al­lem nicht dem Gläubi­ger (Ar­beit­neh­mer), was er zur Ver­mei­dung des An­spruchs­ver­falls un­ter­neh­men muss (Kam­mer 25.07.2007 – 12 Sa 944/07 – Ju­ris Rn. 41, 02.02.2009 – 12 Sa 486/06 – Ju­ris Rn. 77-80, vgl. Ge­nen­ger, a.a.O., S. 34 f.; fer­ner EuGH 28.01.2010 – C-406/08 Uni­plex – Rn. 39, da­zu, dass ei­ne Fris­ten­be­stim­mung we­gen der dro­hen­den Präklu­si­ons­wir­kung hin­rei­chend ge­nau, klar und vor­her-


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seh­bar sein müsse, um den Er­for­der­nis­sen der Rechts­si­cher­heit zu genügen). Hin­zu tritt, dass die Ver­wirk­li­chung des Ur­laubs­an­spruchs im Fal­le der „recht­zei­ti­gen“ Wie­der­ge­ne­sung vor Frist­ab­lauf (31.03.) prak­tisch schei­tern kann, wenn et­wa der Ar­beit­neh­mer we­gen § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG im Ur­laubs­jahr kei­nen Ur­laub er­hal­ten hat, er nach ei­ner bis zum 03.03. währen­den Ar­beits­unfähig­keit am 04.03. um Gewährung von 24 Werk­ta­gen Ur­laub aus dem Vor­jahr nach­sucht und der Ar­beit­ge­ber die Ur­laubser­tei­lung ab­lehnt: Die Selbst­be­ur­lau­bung ist dem Ar­beit­neh­mer ver­sagt, und die Kla­ge käme oh­ne­hin zu spät. Will der Ar­beit­neh­mer nun sich an­walt­li­cher Hil­fe ver­ge­wis­sern und be­an­tragt sein Rechts­an­walt ei­ni­ge Ta­ge später den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen (Ur­laubs)Verfügung, hat ein plau­si­bler Ge­sche­hens­ab­lauf (das Ar­beits­ge­richt ent­schei­det über den An­trag erst Mit­te/En­de März nach münd­li­cher Ver­hand­lung, um den Ar­beit­ge­ber an­zuhören, weil die­ser ein­wen­det, den Ur­laub be­reits teil­wei­se im Vor­jahr gewährt zu ha­ben), zur Fol­ge, dass der Ur­laubs­an­spruch des ge­sun­den Ar­beit­neh­mers, wenn auf den 31.3. zeit­lich be­grenzt, un­ter­gin­ge.

c) Mit dem Be­fund, dass sich die bis­her vor­herr­schend ver­tre­te­ne Be­fris­tungs­the­se nicht mit der richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung des BUrlG verträgt, fällt auch die Ma­xi­me, dass ei­ne kol­lek­tiv- oder ein­zel­ver­trag­li­che Über­tra­gungs­oder Ab­gel­tungs­re­ge­lung nach den ur­laubs­recht­li­chen Grundsätzen, die die höchst­rich­ter­li­che Ju­di­ka­tur von 1982 bis An­fang 2009 fa­vo­ri­siert hat­te, aus­zu­le­gen sei. Die Vor­in­stanz hat da­her zu Recht die jüngs­te Recht­spre­chungsände­rung (BAG 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 –) da­hin aus­ge­wer­tet, dass die Ur­laubsüber­tra­gung auf Fol­ge­jah­re durch ein­zel­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung (hier: in § 8 des An­stel­lungs­ver­tra­ges) möglich sein müsse.

6. Die ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen und de­ren Hand­ha­bung, na­ment­lich die Fort­schrei­bung of­fe­nen Ur­laubs in den Ver­dienstab­rech­nun­gen, ste­hen schließlich der An­nah­me ent­ge­gen, dass ei­ne Ver­wir­kung oder Verjährung der er­wor­be­nen Ansprüche auf Jah­res­ur­laub ein­ge­tre­ten sein könn­te.


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III. Die Kos­ten der Be­ru­fung hat nach § 97 Abs. 1 ZPO der Be­klag­te zu tra­gen.

Die Kam­mer hat der ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­ge grundsätz­li­che Be­deu­tung bei­ge­mes­sen und da­her für den Be­klag­ten gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 die Re­vi­si­on an das Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­sen.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der be­klag­ten Par­tei

R E V I S I O N

ein­ge­legt wer­den.

Für die kla­gen­de Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt Hu­go-Preuß-Platz 1 99084 Er­furt

Fax: 0361 2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:


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Rechts­anwälte,

Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,

Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

Dr. Plüm Nie­haus Ur­ba­ni­ak

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