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Thü­rin­ger LAG, Ur­teil vom 17.02.2009, 1 Sa 239/08

   
Schlagworte: Lohnrückstand, Vergütung, Lohnklage
   
Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 Sa 239/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.02.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Erfurt, Urteil vom 29.11.2007, 7 Ca 991/07
   

Ak­ten­zei­chen: 1 Sa 239/08
4 Ca 824/07
Ar­beits­ge­richt Nord­hau­sen

Verkündet am 17.02.2009
____________________
gez. Krumm­rich
Jus­tiz­an­ge­stell­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

…/…


- Be­klag­ter und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:


ge­gen

…/…

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:


 

 

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hat das Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt in Er­furt auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 27.01.2009 durch den Präsi­den­ten des Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt Kot­zi­an-Marggraf
als Vor­sit­zen­den
und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frau Fliß und Herr Eckardt als Bei­sit­zer
für Recht er­kannt:


Die Be­ru­fung des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Nord­hau­sen vom 30.5.2008 – 4 Ca 824/07 – wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.


Gründe

Der Be­klag­te be­treibt ein M……….-Au­to­haus in S…………... Der Kläger, ge­bo­ren am xx.xx.xxxx, ist der Va­ter des Be­klag­ten. Die Mut­ter, Ex-Frau des Be­klag­ten, re­gelt die Buch­hal­tung und ar­bei­tet ganz­tags mit. Mit Ver­trag vom 2.2.2004 stell­te der Be­klag­te den Kläger als Werk­statt­lei­ter für ei­ne mo­nat­li­che Vergütung von 1.500,00 € brut­to ein.

Bei­de Par­tei­en be­zeich­nen das Ar­beits­verhält­nis bis März 2005 als un­auffällig. Bei den Aus­zah­lun­gen Mai und Ju­ni 2005 verkürz­te dann der Be­klag­te die Net­toüber­wei­sung auf 500,00 €, statt übli­cher ca. 950,00 €. In der ers­ten Jah­reshälf­te 2006 zahl­te der Be­klag­te sehr verkürzt, so dass statt ei­nes Solls von 9.559,00 € nur 2.911,80 € flos­sen.

Der Kläger for­der­te mit Schrei­ben 21.12.2006 den Be­klag­ten un­ter Frist­set­zung zum 4.1.2007 zur Zah­lung auf. Im Ver­fah­ren über­mit­tel­te der Be­klag­te Ab­rech­nun­gen für die um­strit­te­nen Mo­na­te, wel­che ei­nen Net­to­aus­zah­lungs­be­trag in vol­ler Höhe ent­hal­ten. Bei­gefügt wa­ren den Ab­rech­nun­gen dann Ak­ten­no­ti­zen, die Erklärun­gen ent­hiel­ten, dem Kläger wer­de we­gen man­geln­der Präsenz, feh­len­der Be­tei­li­gung an der In­ven­tur oder geschäftsschädi­gen­dem Ver­hal­ten nur ein Teil des oder gar kein Lohn aus­ge­zahlt. Aus Ku­lanz würden die So­zi­al­ab­ga­ben wei­ter ent­rich­tet. En­de Ok­to­ber 2006 en­de­te das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en.

Der Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en re­gelt in § 7 ei­ne Aus­schluss­frist, nach wel­cher
– vor­be­halt­lich ei­ner ta­rif­li­chen Re­ge­lung – „al­le ge­gen­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis, und sol­che die mit dem Ar­beits­verhält­nis in Ver­bin­dung ste­hen“ ver­fal­len, „wenn sie nicht bin­nen zwei Mo­na­ten nach Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Par­tei gel­tend ge­macht wer­den.“ Satz 2 ver­langt die ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung in der zwei­ten Stu­fe.

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Der Kläger hat be­haup­tet, die Ab­rech­nun­gen wie auch die bei­gefügten Erklärun­gen erst im Pro­zess er­hal­ten zu ha­ben.

Der Kläger hat be­an­tragt,

den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 7.559,00 € nebst 5% über dem BSZ ab dem 5.1.2007 zu zah­len.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te hat be­haup­tet, im April 2005 ha­be der Kläger nur zwi­schen dem 18.4. und 22.4. ge­ar­bei­tet. Im Mai sei es im Zu­sam­men­hang mit dem Kir­schen­fest zu ei­nem Al­ko­hol­vor­fall ge­kom­men. Im De­zem­ber ha­be sich der Kläger nicht an der In­ven­tur be­tei­ligt. Im März und April 06 wie in ei­ni­gen Fol­ge­mo­na­ten ha­be der Kläger nur für sich selbst ge­ar­bei­tet, was zu ei­ner Re­du­zie­rung des Lohns auf Null geführt ha­be. En­de Mai ha­be sich der Kläger zwar bei der Zu­las­sung ei­nes Kun­den­fahr­zeugs en­ga­giert, zu wei­te­ren Tätig­kei­ten sei es aber trotz Auf­for­de­rung nicht ge­kom­men. In die­sem Mo­nat sei es dann zu ei­ner Kürzung der Vergütung auf 500,00 € ge­kom­men. Der Kläger ha­be den Lohn er­hal­ten, der ihm zu­ste­he.

Das Ar­beits­ge­richt hat Be­weis er­ho­ben gemäß Be­weis­be­schluss vom 8.5.2008 („ein­ge­stie­gen“) durch Ver­neh­mung der Zeu­gin H…... Die­se hat be­kun­det, ihr ehe­ma­li­ger Mann ha­be da­mals „fast gar nichts mehr ge­ar­bei­tet“. Er ha­be Al­ko­hol ge­trun­ken, auch in dem für Kun­den sicht­ba­ren Be­reich. Die Fehl­zei­ten sei­en al­ler­dings nicht im De­tail er­fasst. Ein­zel­hei­ten un­ter zeit­li­cher Zu­ord­nung hat die Zeu­gin dann nicht dar­zu­stel­len ver­mocht. Von dem vor­han­de­nen Stech­uhr­sys­tem ha­be der Kläger kei­nen Ge­brauch ge­macht. Steu­ern und Ab­ga­ben sei­en aus „fa­mi­liären Gründen“ ent­rich­tet wor­den.

Die vom Kläger ge­stell­ten Zeu­gen R…….. und D……. sind nicht mehr gehört wor­den.

Mit Ur­teil, Te­nor verkündet am 30.5.2008, zu­ge­stellt am 14.7.2008, hat das Ar­beits­ge­richt Nord­hau­sen der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Es hat aus­geführt, dass die Be­weis­last­ver­tei­lung aus dem Um­stand fol­ge, dass Ab­rech­nun­gen er­teilt wor­den so­wie Steu­ern und Ab­ga­ben ge­zahlt wor­den sei­en. Vor die­sem Hin­ter­grund ha­be der Be­klag­te nicht be­wei­sen können, dass der Kläger nicht ge­ar­bei­tet ha­be. Die Aus­sa­gen der Zeu­gin H….. sei­en zu we­nig kon­kret, und

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sie hätten er­ge­ben, dass Grund­la­ge der Kürzung nicht die ge­naue Be­rech­nung, son­dern ei­ne Ent­schei­dung des Be­klag­ten ge­we­sen sei. Die zwei­mo­na­ti­ge Aus­schluss­frist in § 7 des Ver­tra­ges sei zu kurz be­mes­sen. Sie führe zur un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung des Klägers.

Ge­gen die Ent­schei­dung hat der Be­klag­te mit Schrift­satz vom 3.7.2008 Be­ru­fung ein­ge­legt und sein Rechts­mit­tel mit am 15.9.2008 (Mon­tag) bei dem LAG ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz be­gründet. Der Be­klag­te greift die Be­weiswürdi­gung an. Zu­dem ha­be das Ar­beits­ge­richt über­se­hen, dass die Ansprüche des Klägers ver­wirkt sei­en. Der Kläger ha­be Zu­gang zu den Ab­rech­nun­gen ge­habt, und er ha­be bis zu 20 Mo­na­ten ver­strei­chen las­sen, bis er sich um die an­geb­li­chen Rückstände gekümmert ha­be.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts vom 30.5.2008 – 4 Ca 824/07 – die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung des Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ver­tei­digt die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung.

II. Die zulässi­ge Be­ru­fung ist nicht be­gründet. Der Zulässig­keit des Rechts­mit­tels des Be­klag­ten steht nicht ent­ge­gen, dass das Ur­teil be­reits vor Zu­stel­lung der Ent­schei­dungs­gründe mit der Be­ru­fung an­ge­grif­fen wor­den ist. Zwar ver­die­nen die Ent­schei­dungs­gründe re­gelmäßig Be­ach­tung, und es ist zu ra­ten, ein Rechts­mit­tel ge­gen ein Ur­teil erst dann ein­zu­le­gen, wenn be­kannt, aus wel­chen Gründen das Ge­richt den im Te­nor er­kenn­ba­ren Weg ein­ge­schla­gen hat. Übli­cher­wei­se be­inhal­ten Gründe ei­ne ra­tio­na­le, nach­voll­zieh­ba­re Dar­le­gung. Es ist da­her kei­nes­falls von Scha­den, erst die­se Gründe zu le­sen, und dann, wenn sie in­ak­zep­ta­bel, un­schlüssig oder lücken­haft er­schei­nen, Rechts­mit­tel ein­zu­le­gen. Gleich­wohl hat be­reits das Reichs­ge­richt (RG 110, 170; fol­gend: BGH NJHW 1999, 3269) dar­auf er­kannt, dass ein Rechts­mit­tel ab dem Zeit­punkt möglich ist, ab wel­chem ei­ne Ent­schei­dung in der Welt ist. Da das Ar­beits­ge­richt – trotz § 310 Abs. 2 ZPO – am 30.5.2008 in der Sa­che 4 Ca 824/07 ei­nen Te­nor verkündet hat, war die Ent­schei­dung exis­tent. Da­mit war es auch zulässig, Be­ru­fung ein­zu­le­gen. Auch die

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Be­gründung er­folg­te am 15.9.2008 recht­zei­tig. Die Frist lief vor dem Hin­ter­grund der Zu­stel­lung am 14.7.2008 am 14.9.2008 ab. Die­ser Tag war ein Sonn­tag, so dass sich die Frist auf den fol­gen­den Werk­tag, Mon­tag, den 15.9.2008 verlänger­te.

Die Be­ru­fung ist in­des nicht be­gründet. Der Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts ist im Er­geb­nis zu­zu­stim­men. Der Be­klag­te hat Ar­beits­de­fi­zi­te des Klägers nicht in hin­rei­chen­dem Maße zur Über­zeu­gung des Ge­richts brin­gen können. Die For­de­rung un­terfällt we­der ei­ner Aus­schluss­frist noch ist sie ver­wirkt.

Das Ar­beits­ent­gelt er­gibt sich aus § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 2.2.2004. Der Kläger hat sich für die Mo­na­te, in de­nen ab­wei­chen­de Zah­lun­gen er­folg­ten oder sol­che ganz aus­fie­len, ein De­fi­zit von 7.559,00 € aus­ge­rech­net. Die Ab­rech­nun­gen des Be­klag­ten bestäti­gen die­ses De­fi­zit, in den Mo­na­ten April und Mai 2005 wird so­gar ein je­weils 4,50 € höhe­res Net­to­ge­halt aus­ge­wie­sen. Da­mit sind die von dem Be­klag­ten vor­ge­nom­me­nen Lohnkürzun­gen je­den­falls in der vom Kläger ein­ge­klag­ten Höhe un­strei­tig.

Als Gründe für die Kürzun­gen gibt der Be­klag­te aus­weis­lich der den Ab­rech­nun­gen bei­gefügten „Ver­mer­ken“ und im Rah­men sei­nes Vor­trags an, der Kläger sei teil­wei­se nicht zur Ar­beit er­schie­nen, er ha­be die Werk­statt zu Pri­vat­re­pa­ra­tu­ren be­nutzt, er ha­be Al­ko­hol ge­trun­ken, was von Kun­den be­merkt wor­den sei, und er ha­be Be­kann­te an der Ar­beitsstätte emp­fan­gen.

Ein Teil der vor­ge­tra­ge­nen Gründe ist be­reits un­schlüssig. Das Trin­ken von Al­ko­hol während der Ar­beits­zeit mag An­lass für das Aus­spre­chen ei­nes Ver­bots, für Ab­mah­nun­gen, un­ter Umständen für ei­ne Kündi­gungs­erklärung ge­ben. Ei­ne Lohnkürzung wäre al­len­falls auf der Grund­la­ge ei­ner ver­ein­bar­ten Ver­trags­stra­fe denk­bar. Dafür ist vor­lie­gend nichts er­sicht­lich. Auch die An­we­sen­heit von Be­kann­ten in der Werk­statt führt nicht zu Ab­stri­chen vom Ge­halt. Hier ist der Be­klag­te ge­hal­ten, von sei­nem Haus­recht Ge­brauch zu ma­chen, und die Drit­ten aus der Werk­statt zu ver­wei­sen. Er kann auch dem Kläger ein „Emp­fangs­ver­bot“ er­tei­len. Ein Zah­lungs­an­spruch, ei­ne „Ge­halts­min­de­rung“ lässt sich so nicht be­gründen.

So­weit dem Kläger Ei­gen­ar­bei­ten oder Ab­we­sen­hei­ten vor­ge­hal­ten wer­den, kann dies in der Tat ei­ne Kürzung be­gründen. Der Kläger hat den Vor­trag des Be­klag­ten dem Grun­de und der Höhe nach be­strit­ten. Das Ar­beits­ge­richt hat hier­zu auf der Grund­la­ge des Be­weis­be­schlus­ses vom 8.5.2009 Be­weis er­ho­ben durch Ver­neh­mung der Zeu­gin H…….

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Die Zeu­gin hat dem Grun­de nach schon Leis­tungs­de­fi­zi­te des Klägers be­kun­det (Blatt 105 f. Band I GA). „Es kam so, dass mein da­ma­li­ger Mann fast gar nichts mehr im Be­trieb ge­ar­bei­tet hat. …Er hat auch pri­va­te Sa­chen ge­macht, z.B. Mul­ti­cars auf­ge­baut. Er hat mehr und mehr nur noch das ge­macht, wo­zu er Lust hat­te.“ Zwei­fel an der Glaubwürdig­keit der Zeu­gin hint­an­ge­stellt – im­mer­hin leb­ten die Zeu­gin und der Kläger ge­ra­de in Schei­dung und die­ses Ver­fah­ren ist bis heu­te nicht vollständig ab­ge­wi­ckelt – kann da­mit un­ter­legt wer­den, dass der Kläger sein Mo­nats­ge­halt nicht in vol­lem Um­fang ver­dient hat.

Zwei­fel blei­ben in­des, in wel­chem Um­fang die­se De­fi­zi­te ge­wirkt ha­ben, und in der Kon­se­quenz, in wel­cher Höhe ei­ne Kürzung be­rech­tigt ist. So­weit es dar­um ging, die­se De­fi­zi­te näher ein­zu­gren­zen, war die Be­weis­auf­nah­me eher un­er­gie­big. Es ha­be Auf­zeich­nun­gen ge­ge­ben, an­hand wel­cher der Be­klag­te dann ent­schie­den ha­be, ob und wie viel be­zahlt wer­de. Die Er­geb­nis­se der Be­weis­auf­nah­me las­sen sich auch im De­tail nicht mit den vor­ge­nom­me­nen Kürzun­gen in Ein­klang brin­gen. Für den De­zem­ber 2005 be­kun­de­te die Zeu­gin, dass der Kläger ge­gen Mo­nats­en­de an der In­ven­tur nicht teil­ge­nom­men ha­be. War­um die Ab­we­sen­heit in die­sem Zeit­raum, der nach al­ler Er­fah­rung in ei­ner klei­ne­ren Werk­statt wie der des Be­klag­ten nicht mehr als 2 - 3 Werk­ta­ge er­fasst, zu ei­ner Kürzung des Net­to­loh­nes um et­wa 50 % führt, ist schlicht nicht nach­zu­voll­zie­hen. Um­ge­kehrt – in­so­fern konn­te die Zeu­gin „aus dem Kopf“ nichts er­in­nern – war der Kläger im Mai 2006 an­geb­lich nur bei der Zu­las­sung ei­nes Kun­den­fahr­zeugs ein­ge­setzt, dafür wur­de ihm im­mer­hin ein hal­bes Mo­nats­ge­halt zu­ge­bil­ligt.

Es zeich­net sich das Bild ab, dass die Kürzun­gen an­hand von Ent­schei­dun­gen des Be­klag­ten ori­en­tiert sind, die nicht frei von Willkür schei­nen. In­so­fern hat die Zeu­gin be­kun­det „Es war halt im Fa­mi­li­en­be­trieb.“

Un­ter­legt, der Be­klag­te ha­be ei­nen „ge­wis­sen Um­fang“ ei­ner Teil­leis­tung dem Grun­de nach durch die Aus­sa­ge der Zeu­gin H……. vorläufig be­wie­sen – ei­ne Ver­neh­mung der Zeu­gen des Klägers steht ja noch aus – wäre im Rah­men des § 287 ZPO zu schätzen, in wel­cher Höhe dies der Fall ist. Ei­ne sol­che Schätzung ist aber un­zulässig, wenn sie man­gels greif­ba­rer An­halts­punk­te völlig aus der Luft ge­grif­fen wäre (BGHZ 91, 243, 256; NJW 87, 909 f.).

Da­mit wird für die Ent­schei­dung aus­schlag­ge­bend, wer in die­ser Si­tua­ti­on die Dar­le­gungs- und Be­weis­last trägt. Das Ar­beits­ge­richt hat die­se dem Be­klag­ten auf­er­legt. Dem ist im Er­geb­nis, nicht in der Be­gründung zu fol­gen.

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Das Ar­beits­ge­richt hat die Ver­tei­lung der Be­weis­last da­mit be­gründet, dass der Be­klag­te den Lohn des Klägers ab­ge­rech­net und die Ne­ben­leis­tun­gen ab­geführt hat. In der Tat wäre es wi­dersprüchlich, wenn ei­nes­teils kom­men­tar­los ei­ne Ab­rech­nung er­folgt, an­de­rer­seits aber ein Teil des ab­ge­rech­ne­ten Lohns vor­ent­hal­ten wird. Das erhöht je­den­falls die Dar­le­gungs­last des Ar­beit­ge­bers. So lie­gen die Din­ge aber nicht. Die Ab­rech­nun­gen wur­den erst während des Rechts­streits dem Kläger zur Kennt­nis ge­bracht. Hier wa­ren sie mit der zusätz­li­chen Erklärung ver­se­hen, dass So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge nur aus „Ku­lanz“ in vol­ler Höhe ab­geführt würden. Al­so hat sich der Be­klag­te je­den­falls nicht wi­dersprüchlich ver­hal­ten.

Ge­mein­hin wird von ei­ner Dar­le­gungs- und Be­weis­last des Ar­beit­neh­mers aus­ge­gan­gen, der sei­nen Lohn­an­spruch gel­tend macht. Das gilt nach all­ge­mei­nen Re­geln aber dann nicht, wenn der Ar­beit­ge­ber – wie hier – die Ein­re­de des nich­terfüll­ten Ver­tra­ges er­hebt. Im Rah­men des § 320 BGB geht das LAG Köln (30.4.2003- 3 Sa 756/02) von ei­ner ge­stuf­ten Dar­le­gungs­last aus. Zunächst muss der Ar­beit­neh­mer dar­le­gen, dass er in ei­nem ver­bind­li­chen Ar­beits­verhält­nis wirk­lich tätig ge­wor­den ist. Das ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig. Der Ar­beits­ver­trag wur­de ge­schlos­sen, und die ers­ten Mo­na­te war der Leis­tungs­aus­tausch un­be­an­stan­det. Schwie­rig­kei­ten im Be­trieb gin­gen nach der – bis­her un­wi­der­spro­che­nen – Be­kun­dung des Klägers ein­her mit Schwie­rig­kei­ten in der Ehe. Auf der zwei­ten Stu­fe ist es dann Sa­che des be­klag­ten Ar­beit­ge­bers, den Um­fang der Leis­tungsfüllung ein­zu­gren­zen, al­so dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen, dass und in wel­chem Um­fang der Ar­beit­neh­mer sei­ne Ar­beits­pflicht nicht erfüllt hat. Dann wie­der­um hat der Ar­beit­neh­mer zu be­le­gen, dass er in vol­lem Um­fang die mit sei­nem An­spruch kor­re­spon­die­ren­de Ge­gen­leis­tung er­bracht hat.

Die­ser Auf­fas­sung des LAG Köln ist zu­zu­stim­men. Sie wird dem Ein­wen­dungs­cha­rak­ter des § 320 BGB eben­so ge­recht, wie sie die Sphären der Par­tei und de­ren Dar­le­gungsmöglich­kei­ten re­spek­tiert.

Be­zo­gen auf den zu ent­schei­den­den Rechts­streit be­deu­tet dies, dass der Be­klag­te zu be­le­gen hat, aus wel­chem Grund und in wel­chem Um­fang er be­rech­tigt ist, das aus dem Ar­beits­ver­trag fol­gen­de Ge­halt zu kürzen. Dies ist ihm je­den­falls in der Höhe kei­nes­falls ge­lun­gen. Es fehlt je­der An­halt, in wel­chem Um­fang ei­ne Min­der­leis­tung des Klägers vor­liegt. Selbst die Schätzung ei­nes Min­dest­scha­dens bleibt oh­ne Grund­la­ge. Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt die Be­weis­auf­nah­me ab­ge­bro­chen und auf ei­ne Ver­neh­mung der vom Kläger ge­stell­ten Zeu­gen ver­zich­tet.

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An die­sem Er­geb­nis ändert sich auch nichts da­durch, dass der Kläger die im Be­trieb vor­han­de­ne Stem­pel­uhr nicht ge­nutzt hat. Dar­aus lässt sich der Vor­wurf ei­ner Be­weis­ver­ei­te­lung nicht be­gründen, wie in der Be­ru­fungs­be­gründung an­klingt. Der Kläger hat sich am Stem­peln nicht be­tei­ligt. Das war be­kannt. Es wäre Sa­che des Be­klag­ten ge­we­sen, im Rah­men des ihm zu­ste­hen­den Wei­sungs­rechts den Kläger – auch als Werk­statt­lei­ter – zu Be­nut­zung des Zeit­mess­sys­tems an­zu­hal­ten. Da­zu ist nichts vor­ge­tra­gen.

Der An­spruch des Klägers ist auch nicht in­fol­ge der Aus­schluss­frist ver­braucht. Auf die zu­tref­fen­den Ausführun­gen im Ur­teil des Ar­beits­ge­richts, die der Be­klag­te nicht an­ge­grif­fen hat, wird ver­wie­sen. Eben­so kommt ei­ne Ver­wir­kung nicht in Be­tracht. Er­for­der­lich sind ein Zeit- und ein Um­stands­mo­ment (ErfKomm/Preis, 9. Aufl., § 611 BGB Rn 471 mwN). Für ein Um­stands­mo­ment ist vor­lie­gend nichts zu er­ken­nen. Bei Lohn­ansprüchen, die ei­ner nicht sehr lan­gen Verjährung un­ter­lie­gen, kann im Re­gel­fall nicht von ei­ner Ver­wir­kung aus­ge­gan­gen wer­den.

Die Ne­ben­for­de­run­gen fol­gen aus Ver­zug.

Der Be­klag­te hat die Kos­ten sei­nes er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen, § 97 ZPO. Gründe für die Zu­las­sung ei­ner Re­vi­si­on sind nicht er­sicht­lich. Ei­ne Di­ver­genz ist eben­so we­nig er­sicht­lich wie dass der Sa­che grundsätz­li­che Be­deu­tung zu­kommt, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 u. 2 ArbGG.

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Rechts­be­helfs­be­leh­rung

Ge­gen die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on kann der Be­klag­te Be­schwer­de bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,
Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt

ein­le­gen. Die Be­schwer­de muss in­ner­halb ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat nach der Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich, per Fax oder durch Ein­rei­chen ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments nach § 46b ArbGG bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich, per Fax oder durch Ein­rei­chen ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments nach § 46b ArbGG zu be­gründen.

Die Be­schwer­de­schrift und die Be­schwer­de­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Pro­zess­be­vollmäch­tig­te kom­men in Be­tracht:

1. ein/e bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­ne/r Rechts­an­walt/Rechts­anwältin oder

2. ei­ne der nach­fol­gend ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen, wenn sie durch ei­ne Per­son mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­delt:

• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn sie aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Die Be­schwer­de kann nur dar­auf gestützt wer­den, dass

1. ei­ne Rechts­fra­ge grundsätz­li­che Be­deu­tung hat und die­se ent­schei­dungs­er­heb­lich ist oder
2. die­ses Ur­teil von ei­ner Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, von ei­ner Ent­schei­dung des Ge­mein­sa­men Se­nats der obers­ten Ge­richtshöfe des Bun­des, von ei­ner Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts oder, so­lan­ge ei­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts in der Rechts­fra­ge nicht er­gan­gen ist, von ei­ner Ent­schei­dung ei­ner an­de­ren Kam­mer die­ses Lan­des­ar­beits­ge­richts oder ei­nes an­de­ren Lan­des­ar­beits­ge­richts ab­weicht und die Ent­schei­dung auf die­ser Ab­wei­chung be­ruht oder
3. ein ab­so­lu­ter Re­vi­si­ons­grund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO oder ei­ne Ver­let­zung des An­spruchs auf recht­li­ches Gehör vor­liegt und die­se Ver­let­zung ent­schei­dungs­er­heb­lich ist.

gez. Kot­zi­an-Marggraf

gez. Fliß

gez. Eckardt

Hin­weis der Geschäfts­stel­le
Das Bun­des­ar­beits­ge­richt bit­tet, sämt­li­che Schriftsätze in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung bei ihm ein­zu­rei­chen.

 

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