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LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 19.05.2005, 5 Sa 509/05

   
Schlagworte: Betriebliche Altersversorgung, Witwenrente
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 5 Sa 509/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.05.2005
   
Leitsätze: Die Regelung in einer betrieblichen Versorgungsordnung, wonach Leistungen an die Witwe oder den Witwer nicht in Betracht kommen, wenn diese über 15 Jahre jünger als der Mitarbeiter sind, verstößt nicht gegen Art 3 und 6 GG.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 22.02.2005, 7 Ca 4881/04
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27.06.2006, 3 AZR 352/05 (A)
Nachgehend Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 23.09.2008, C-427/06
   

5 Sa 509/05

7 Ca 4881/04
Ar­beits­ge­richt Es­sen

Verkündet

am 19. Mai 2005

Lind­ner
Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In Sa­chen

der Frau C. C., N.straße 16 A, C.,

- Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter: Rechts­an­walt F. L.,
I.straße 9, C.,

g e g e n

die C. C. und T. Haus­geräte Al­tersfürsor­ge GmbH, ver­tre­ten durch die Geschäftsführer V. N. und H. T., D.-Straße 34, N.,

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte C. u. a.,
I.al­lee 86 - 88, F.,

hat die 5. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 19.05.2005
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Gött­ling als Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Pau­ken und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schim­mel

für R e c h t er­kannt:

1) Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Es­sen vom 22.02.2005 - 7 Ca 4881/04 - wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

2) Die Re­vi­si­on wird für die Kläge­rin zu­ge­las­sen.

 

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T A T B E S T A N D :

Die Par­tei­en strei­ten über die Fra­ge, ob die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, der Kläge­rin ein be­trieb­li­ches Al­ters­ru­he­geld zu zah­len.

Die im Jah­re 1965 ge­bo­re­ne Kläge­rin war seit 1986 mit dem im Jah­re 1944 ge­bo­re­nen und am 05.05.2004 ver­stor­be­nen Herrn N. I. C. ver­hei­ra­tet. Die­ser trat am 01.03.1988 auf der Grund­la­ge ei­nes An­stel­lungs­ver­tra­ges vom 23.02.1988 (Bl. 5 d. A.) in die Diens­te der Be­klag­ten am Stand­ort F. ein und war für die­se bis zu sei­nem To­de als Verkäufer tätig. Auf das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen dem Ehe­mann der Kläge­rin und der Be­klag­ten fan­den die „Richt­li­ni­en der C.-T. Haus­geräte Al­tersfürsor­ge GmbH vom 01.01.1984 in der Fas­sung vom 01.04.1992“ (im Fol­gen­den „Richt­li­ni­en“ ge­nannt) An­wen­dung. Die­se ent­hiel­ten hin­sicht­lich der Zah­lung ei­nes Wit­wen­gel­des un­ter an­de­rem fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

§ 6
Vor­aus­set­zun­gen für das Ru­he­geld

...

(4) Ru­he­geld (§ 5 Abs. 1 b) wird an die Wit­we/den Wit­wer ei­nes Mit­ar­bei­ters ge­zahlt, der während sei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses bei der C.HG ver­stor­ben ist und die War­te­zeit (§ 2) erfüllt hat­te, wenn und so­lan­ge ein An­spruch auf Hin­ter­blie­be­nen­ren­te (Wit­wen-/Wit­wer­ren­te) aus der deut­schen ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung be­steht. Ent­spre­chen­des gilt für die Wit­we/den Wit­wer ei­nes Ru­he­geld­empfängers.

Leis­tun­gen kom­men nicht in Be­tracht, wenn

a) die Wit­we/der Wit­wer über 15 Jah­re jünger als der ehe­ma­li­ge Mit­ar­bei­ter ist,

 

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b) die Ehe bei Aus­schei­den des Mit­ar­bei­ters aus der C.HG we­ni­ger als 5 Jah­re be­stan­den hat,

c) die Ehe ge­schie­den ist,

d) die Ehe­gat­ten ge­trennt ge­lebt ha­ben.

Bei Wie­der­ver­hei­ra­tung der Wit­we/des Wit­wers entfällt das Ru­he­geld.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Richt­li­nie wird im Übri­gen auf Blatt 6 bis 13 der Ak­ten ver­wie­sen.

Nach dem To­de ih­res Ehe­man­nes mach­te die Kläge­rin als Wit­we ge­genüber der Be­klag­ten die Zah­lung des ent­spre­chen­den Ru­he­gel­des gel­tend. Dies lehn­te die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 01.09.2004 (Bl. 14 d. A.) endgültig ab.

Mit ih­rer am 15.11.2004 beim Ar­beits­ge­richt Es­sen anhängig ge­mach­ten Kla­ge hat die Kläge­rin ihr Fest­stel­lungs­be­geh­ren wei­ter­ver­folgt und die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die Ehe­gat­ten­klau­sel in § 6 der Richt­li­ni­en un­wirk­sam sei. Sie hat hier­zu aus­geführt, der Aus­schluss der Wit­wen­ren­te bei ei­ner Al­ters­un­ter­schieds­gren­ze von nur 15 Jah­ren könne nicht mit dem Ar­gu­ment ei­ner „Ver­sor­gungs­ehe“ be­gründet wer­den. Hin­zu kom­me, dass die Kläge­rin ih­ren Ehe­mann noch vor dem Ab­schluss des An­stel­lungs­ver­tra­ges mit der Be­klag­ten ge­hei­ra­tet und ihn während der ge­sam­ten Ar­beits­zeit fürsorg­lich un­terstützt hätte. Ins­ge­samt be­nach­tei­li­ge die Ehe­gat­ten­klau­sel die Kläge­rin so­mit ge­genüber an­de­ren Ehe­paa­ren, die al­tersmäßig we­ni­ger als 15 Jah­re aus­ein­an­der lägen, oh­ne dass es hierfür ei­nen sach­li­chen Grund gäbe.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

 

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fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, der Kläge­rin ei­ne Ru­he­geld nach den Richt­li­ni­en der C. und T. Haus­geräte Al­tersfürsor­ge GmbH zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat die Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel un­ter Hin­weis auf die ar­beits­ge­richt­li­che Recht­spre­chung für zulässig er­ach­tet und auch den Zeit­raum von 15 Jah­ren für noch ak­zep­ta­bel an­ge­se­hen. Die Be­klag­te hat wei­ter die Auf­fas­sung ver­tre­ten, auf­grund der Ver­trags­frei­heit und der Tat­sa­che, dass es sich um ei­ne frei­wil­li­ge Leis­tung der Be­klag­ten han­de­le, er­ge­be sich, dass ei­ne li­be­ra­le Hand­ha­bung bei der recht­li­chen Be­ur­tei­lung der Klau­sel möglich sein müsse. Da­nach stünde Art. 6 Abs. 1 GG der Re­ge­lung ge­nau­so we­nig ent­ge­gen wie Art. 3 Abs. 1 GG. In die­sem Zu­sam­men­hang müsse ins­be­son­de­re berück­sich­tigt wer­den, dass ei­ner Wit­we, die ih­ren Ehe­mann in jun­gen Jah­ren ver­lie­re, ei­ne Be­rufstätig­keit noch eher zu­ge­mu­tet wer­den könn­te und die­se auch möglich sei. Hin­zu kom­me darüber hin­aus ein fi­nan­zi­el­ler As­pekt: Würde dem Ar­beit­ge­ber die Möglich­keit ge­nom­men zu dif­fe­ren­zie­ren, wäre das fi­nan­zi­el­le Ri­si­ko für ihn na­he­zu un­kal­ku­lier­bar. Mit der Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel sei es dem­ge­genüber möglich, un­ter Be­ach­tung der durch­schnitt­li­chen sta­tis­ti­schen Ver­sor­gungs­dau­er ei­ne ma­xi­ma­le Ver­sor­gungs­dau­er von hier 23 Jah­ren zu kal­ku­lie­ren (vgl. hier­zu die Be­rech­nung der Be­klag­ten auf Bl. 28 und 29 d. A.).

Mit Ur­teil vom 22.02.2005 hat die 7. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Es­sen - 7 Ca 4881/04 - die Kla­ge ab­ge­wie­sen. In den Ent­schei­dungs­gründen, auf die im Übri­gen Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, die Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel, die dem An­spruch der Kläge­rin ent­ge­gen­ste­he, sei rechts­wirk­sam. Sie ver­s­toße zum ei­nen nicht ge­gen Art. 6 Abs. 1 GG, weil ei­ne Be­nach­tei­li­gung ge­genüber Un­ver­hei­ra­te­ten nicht vor­lie­ge. Auch Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht ver­letzt, weil sach­li­che Gründe vorlägen, die ei­nen Aus­schluss der Wit­wen­ren­te schon dann zu­ließen, wenn ei­ne Al­ters­dif­fe­renz von nur 15 Jah­ren ge­ge­ben sei.

 

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In­so­weit müsse vor al­len Din­gen be­ach­tet wer­den, dass die von der Be­klag­ten dar­ge­stell­ten Kal­ku­la­ti­ons­ri­si­ken ei­ne Be­gren­zung der Ver­sor­gungs­dau­er auf ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum er­for­der­lich mach­ten. Das Feh­len ei­ner Härte­klau­sel ste­he schließlich der Rechts­wirk­sam­keit der Re­ge­lung nicht ent­ge­gen.

Die Kläge­rin hat ge­gen das ihr am 18.03.2005 zu­ge­stell­te Ur­teil mit ei­nem am 12.04.2005 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se zu­gleich be­gründet.

Sie wie­der­holt im We­sent­li­chen ih­ren Sach­vor­trag aus der ers­ten In­stanz und bemängelt vor al­lem das Feh­len ei­ner so ge­nann­ten Härte­klau­sel.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Es­sen vom 22.02.2005 - 7 Ca 4881/04 - ab­zuändern und nach den Schluss­anträgen ers­ter In­stanz zu er­ken­nen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil und wie­der­holt eben­falls ih­ren Sach­vor­trag aus dem ers­ten Rechts­zug.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der zu den Ak­ten ge­reich­ten Ur­kun­den und der zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze ver­wie­sen.

 

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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

I.

Die Be­ru­fung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statt­haft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des zulässig (§ 64 Abs. 2 Zif­fer b ArbGG) so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. 

In der Sa­che selbst hat­te das Rechts­mit­tel in­des­sen kei­nen Er­folg.

Die Kläge­rin hat ge­gen die Be­klag­te kei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­nes Ru­he­gel­des ent­spre­chend der Richt­li­ni­en der C. und T. Haus­geräte Al­tersfürsor­ge GmbH vom 01.01.1984, Stand 01.01.1992. Ei­nem der­ar­ti­gen Ru­he­geld­an­spruch steht be­reits § 6 Abs. 4 a der Richt­li­ni­en ent­ge­gen, wo­nach bei ei­nem mehr als fünf­zehnjähri­gen Al­ters­un­ter­schied der An­spruch auf Wit­wen­geld aus¬ge­schlos­sen ist. Die­se Norm er­weist sich, wor­auf be­reits das Ar­beits­ge­richt mit um­fang­rei­chen Erwägun­gen zu­tref­fend hin­ge­wie­sen hat, als rechts­wirk­sam; sie verstößt vor al­len Din­gen nicht ge­gen höher­ran­gi­ges Recht.

1. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt muss­te sich in der Ver­gan­gen­heit be­reits
mehr­fach mit Re­ge­lun­gen in be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gungs­ord­nun­gen be­fas­sen, in de­nen es um die Ein­schränkung des An­spruchs auf Wit­wen­ren­te ging. In die­sem Zu­sam­men­hang hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt un­ter an­de­rem Be­stim­mun­gen für wirk­sam er­ach­tet, die ei­nen An­spruch auf be­trieb­li­che Ver­sor­gungs­leis­tun­gen für die Wit­we ei­nes frühe­ren Ar­beit­neh­mers dann aus­sch­los-

 

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sen, wenn die Wit­we mehr als 25 Jah­re jünger als ihr ver­stor­be­ner Ehe­mann war (vgl. hier­zu: BAG, Ur­teil vom 09.11.1978 - 3 AZR 784/77 - AP Nr. 179 zu § 242 BGB Ru­he­ge­halt; BAG, Ur­teil vom 18.07.1972 - 3 AZR 472/71 - AP Nr. 158 zu § 242 BGB Ru­he­ge­halt). Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat darüber hin­aus ei­ne Re­ge­lung für zulässig er­ach­tet, die den An­spruch auf Wit­wen­ren­te da­von abhängig mach­te, dass die Begüns­tig­te im Zeit­punkt des To­des des Ar­beit-neh­mers das 50. Le­bens­jahr voll­endet hat (BAG, Ur­teil vom 19.02.2002 - 3 AZR 99/01 - AP Nr. 22 zu § 1 Be­trAVG Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung mit wei­te­ren umfäng­li­chen Hin­wei­sen auf die ein­schlägi­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts).

In al­len ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt die an­ge­spro­che­nen Re­ge­lun­gen in Al­ters­ver­sor­gungs­richt­li­ni­en für zulässig und rechts­wirk­sam er­ach­tet und vor al­len Din­gen ei­nen Ver­s­toß ge­gen Be­stim­mun­gen und Grundsätze des Grund­ge­set­zes ver­neint.

2. Bei An­wen­dung der zi­tier­ten Recht­spre­chung, der auch die er­ken­nen­de
Be­ru­fungs­kam­mer in vol­lem Um­fang folgt, er­gibt sich für die vor­lie­gen­de Fall­kon­stel­la­ti­on, dass der Aus­schluss der Wit­wen­ren­te zu Las­ten der Kläge­rin kei­nen recht­li­chen Be­den­ken be­geg­net und des­halb rechts­wirk­sam ist.

2.1 In der Re­ge­lung des § 6 Abs. 4 a der Richt­li­ni­en liegt kein Ver­s­toß ge­gen
Art. 6 Abs. 1 GG. Die­se Norm be­inhal­tet für den Staat po­si­tiv die Auf­ga­be, Ehe und Fa­mi­lie vor Be­ein­träch­ti­gung durch an­de­re Kräfte zu be­wah­ren und durch ge­eig­ne­te Maßnah­men zu fördern; zu­gleich enthält er das Ver­bot für den Staat selbst, die Ehe zu schädi­gen oder sonst zu be­ein­träch­ti­gen. Dies be­deu­tet, dass die Be­stim­mung ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gungs­ord­nung dann kei­ne An­er­ken­nung ver­dient, wenn sie ei­ne Schädi­gung oder Be­ein­träch­ti­gung der Ehe mit sich bringt. Da­zu gehört auch, dass dem Ar­beit­neh­mer die Ehe­sch­ließung durch die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gungs­ord­nung nicht er­schwert wer­den darf, auch nicht durch ei­nen nur mit­tel­ba­ren Zwang. Knüpft aber die Ver­sor­gungs­ord­nung we­der an die Ehe­sch­ließung noch an ei­ne be­stimm­te von Ehe-

 

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leu­ten gewähl­te Form ehe­li­cher Part­ner­schaft nach­tei­li­ge be­triebs­ren­ten­recht­li­che Fol­gen an, kann ein Ver­s­toß ge­gen Art. 6 Abs. 1 GG nicht ge­ge­ben sein (so be­reits grund­le­gend: BAG, Ur­teil vom 18.07.1972, a. a. O.; vgl. auch: BAG, Ur­teil vom 19.02.2002, a. a. O.).

§ 6 Abs. 4 a der Richt­li­ni­en enthält dem­nach ge­ra­de kei­ne Be­nach­tei­li­gung von Ver­hei­ra­te­ten ge­genüber Un­ver­hei­ra­te­ten. Ein Ver­s­toß ge­gen Art. 6 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

2.2 Das­sel­be gilt, so­weit sich die Kläge­rin auf ei­nen Ver­s­toß ge­gen den
Gleich­be­hand­lungs­grund­satz des Art. 3 Abs. 1 GG be­ruft.

2.2.1 Ein Ar­beit­ge­ber ist grundsätz­lich dar­in frei, ei­ne Ent­schei­dung darüber zu tref­fen, ob er über­haupt ei­ne ei­gen­fi­nan­zier­te be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung zu Guns­ten der bei ihm Beschäftig­ten ein­rich­tet und wie hoch der Do­tie­rungs­rah­men sein soll. Ent­schließt er sich zu ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung, ist er wei­ter frei zu be­stim­men, für wel­chen der in § 1 Abs. 1 Be­trAVG ge­nann­ten Ver­sor­gungsfälle er Leis­tun­gen in Aus­sicht stellt. Er kann da­bei Leis­tun­gen der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung ver­spre­chen, muss es aber nicht. Es ist des­halb auch von Rechts­we­gen grundsätz­lich nicht zu be­an­stan­den, wenn zwar Leis­tun­gen der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung vor­ge­se­hen, der Kreis der an­spruchs­be­rech­tig­ten Drit­ten aber durch zusätz­li­che an­spruchs­be­gründen­de oder be­son­de­re an­spruchs­aus­sch­ließen­de Merk­ma­le be­grenzt wird. Dies liegt ge­ra­de im Be­reich der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung na­he, weil ein da­hin­ge­hen­des Leis­tungs­ver­spre­chen zusätz­li­che Unwägbar­kei­ten und Ri­si­ken in sich birgt, was den Zeit­punkt des Leis­tungs­falls und die Dau­er der Leis­tungs­er­brin­gung an­geht. Es ist dem­gemäß ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se des­sen, der ei­ne ent­spre­chen­de Ver­sor­gungs­ord­nung auf­stellt, die­se Ri­si­ken zu be­gren­zen und bes­ser kal­ku­lier­bar zu ma­chen (BAG, Ur­teil vom 19.02.2002, a. a. O.). Ins­be­son­de­re ist aber Ar­ti­kel 3 Abs. 1 GG nur dann ver­letzt, wenn ein vernünf­ti­ger, sich aus der Na­tur der Sa­che er­ge­ben­der oder sonst wie ein­leuch­ten­der Grund für die vor­ge­nom­me­ne Dif­fe­ren­zie­rung nicht vor­liegt und die Re­ge­lung des­halb als willkürlich be­zeich-

 

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net wer­den muss (so schon aus­drück­lich: BAG, Ur­teil vom 18.07.1972, a. a. O.).

2.2.2 Die Be­klag­te hat in aus­rei­chen­dem Um­fang sach­li­che Gründe für die Einführung der Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel ge­nannt, die nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Kam­mer kei­ne Ver­an­las­sung dafür bie­ten, die streit­be­fan­ge­ne Klau­sel als willkürlich zu be­zeich­nen.

Die Be­klag­te be­ruft sich zunächst zu Recht dar­auf, dass die Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel von 15 Jah­ren schon des­halb an sach­li­chen Erwägun­gen an­knüpft, weil im Re­gel­fall da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass im Leis­tungs­fall noch ei­ne Er­werbstätig­keit für die (viel jünge­re) Wit­we möglich ist. Bei ei­nem Al­ters­un­ter­schied von auch nur 15 Jah­ren ist je­den­falls bei ei­nem vor der Pen­sio­nie­rung lie­gen­den Tod des ursprüng­lich Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten da­von aus­zu­ge­hen, dass sei­ne Wit­we, die dann ja al­len­falls 50 Jah­re sein wird, noch ei­ne Be­rufstätig­keit wie­der auf­neh­men kann. Die Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel wird des­halb in vie­len Fällen ei­ne ähn­li­che Wir­kung ha­ben wie ei­ne aus­drück­li­che Al­ters­be­gren­zungs­klau­sel, die von der Recht­spre­chung für zulässig er­ach­tet wird

(vgl. auch hier­zu: BAG, Ur­teil vom 19.02.2002, a. a. O.).
Ent­schei­dend dürf­te aber für Fälle der vor­lie­gen­den Art der fi­nan­zi­el­le As­pekt sein, der von der Be­klag­ten zur Recht­fer­ti­gung der Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel her­an­ge­zo­gen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist er­neut zu un­ter­strei­chen, dass der Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich frei ist, im Fal­le der Schaf­fung ei­nes Ver­sor­gungs­wer­kes den Do­tie­rungs­rah­men fest­zu­le­gen. Er be­stimmt dem­nach das Kos­ten­vo­lu­men, wel­ches er für ei­ne Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung zu tra­gen be­reit ist und ist dem­ent­spre­chend auch be­rech­tigt, ei­ne Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung von zusätz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen abhängig zu ma­chen (vgl. auch hier­zu: BAG, Ur­teil vom 19.09.2002, a. a. O.; BAG, Ur­teil vom 26.08.1997 - 3 AZR 235/96 - AP Nr. 27 zu § 1 Be­trAVG Ablösung; vgl. wei­ter: BAG, Ur­teil vom 19.12.2000 - 3 AZR 186/00 - AP Nr. 19 zu § 1 Be­trAVG Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor-gung). Be­reits das Ar­beits­ge­richt hat auf der Grund­la­ge des ent­spre­chen­den -

 

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nicht be­strit­te­nen - Sach­vor­trags der Be­klag­ten dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Ar­beit­ge­ber, sta­tis­tisch ge­se­hen, da­mit rech­nen muss, Ver­sor­gungs­leis­tun­gen für Wit­wen für ei­nen Zeit­raum von cir­ca acht Jah­ren zu er­brin­gen. Die­se durch­schnitt­li­che Er­war­tung sei bei Ehe­frau­en, wel­che 15 Jah­re jünger als ihr Ehe­mann sei­en, dann nicht mehr ge­ge­ben. Durch die Einführung ei­ner Klau­sel, die ei­ne Ver­sor­gung bei ei­ner Dif­fe­renz von mehr als 15 Jah­ren aus­sch­ließt, be­grenzt der Ar­beit­ge­ber mit­hin sein fi­nan­zi­el­les Ri­si­ko auf ein über­schau­ba­res und an­ge­mes­se­nes Maß. Die Re­ge­lung er­weist sich dem­gemäß als sach­ge­recht und bil­det ei­nen recht­fer­ti­gen­den Grund für die in der Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel lie­gen­de Un­gleich­be­hand­lung.

2.3 Sch­ließlich kann sich die Kläge­rin auch nicht auf das Feh­len ei­ner so ge­nann­ten Härte­klau­sel be­ru­fen.

2.3.1 Nach Mei­nung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (vgl. hier­zu: Ur­teil vom 28.03.1995 - 3 AZR 343/94 - AP Nr. 14 zu § 1 Be­trAVG Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung; sie­he auch: BAG, Ur­teil vom 19.02.2002, a. a. O.) han­delt es sich bei dem, was früher un­ter ei­ner Härte­klau­sel ver­stan­den wur­de, in al­ler Re­gel um ei­ne te­leo­lo­gi­sche, am Sinn und Zweck der Ver­sor­gungs­ord­nung selbst ori­en­tier­te Re­duk­ti­on von ein­schränken­den An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen im Ver­sor­gungs­sys­tem. Ein Ab­wei­chen vom Re­ge­lungs­wort­laut kommt im­mer dann in Be­tracht, wenn ein Ar­beit­neh­mer über das an­ge­streb­te Re­ge­lungs­ziel hin­aus­ge­hend er­heb­lich nach­tei­lig von ei­ner be­schränken­den Re­ge­lung be­trof­fen wird, ob­wohl es bei ihm un­ter den be­son­de­ren Umständen des Ein­zel­fal­les aus­nahms­wei­se an dem fehlt, was Grund für die­se Re­ge­lung war. Ei­ne sol­che Prüfung ist Rechts­an­wen­dung in Form der Aus­le­gung und un­abhängig da­von ge­bo­ten, ob die Ver­sor­gungs­re­ge­lung ei­ne aus­drück­li­che Härte­klau­sel enthält oder nicht.

2.3.2 Hier­nach kann aber ge­ra­de nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Kläge­rin durch die Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel er­heb­lich nach­tei­lig be­trof­fen wird, weil es bei ihr aus­nahms­wei­se an dem fehlt, was Grund für die be­nach­tei­li­gen­de

 

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Re­ge­lung ist. Die Kläge­rin ver­weist zwar in die­sem Zu­sam­men­hang er­neut dar­auf, dass sie die Ehe mit dem Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten vor Auf­nah­me der ent­spre­chen­den Be­rufstätig­keit ge­schlos­sen hat­te, dass sie während des ge­sam­ten Ar­beits­verhält­nis­ses ih­ren Ehe­mann fürsorg­lich un­terstützt hätte und dass des­halb ins­ge­samt nicht von ei­ner der ty­pi­schen Ver­sor­gungs­ehen aus­ge­gan­gen wer­den könn­te. Al­le die­se Gründe spie­len aber bei der Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel kei­ne Rol­le, die nach dem oben Aus­geführ­ten in ers­ter Li­nie an dem fi­nan­zi­el­len As­pekt auf Sei­ten der Be­klag­ten und darüber hin­aus mögli­cher­wei­se an dem noch „jun­gen“ Al­ter der Wit­we ori­en­tiert war. An­ge­sichts die­ser Gründe kann es aber dann auf die von der Kläge­rin ins Feld geführ­ten Ar­gu­men­te ge­ra­de nicht an­kom­men; sie spie­len bei der An­wen­dung der be­trieb­li­chen Ver­sor­gungs­ord­nung kei­ne Rol­le und soll­ten dies auch nicht, so dass sie ins­ge­samt auch kei­ne Umstände bil­den, die ei­ne plan­wid­ri­ge Härte bei der Kläge­rin ver­ur­sa­chen könn­ten.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kam­mer hat der ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­ge, ob die Al­ters­dif­fe­renz­klau­sel rechts­wirk­sam ist, ei­ne grundsätz­li­che Be­deu­tung bei­ge­mes­sen und die Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 Zif­fer 1 ArbGG zu­ge­las­sen.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG:

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Kläge­rin

RE­VISION

ein­ge­legt wer­den.

 

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Für die Be­klag­te ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben. Die Re­vi­si­on muss

in­ner­halb ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

nach der Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt,

Hu­go-Preuß-Platz 1,

99084 Er­furt,

Fax: (0361) 2636 - 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on ist gleich­zei­tig oder

in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils

schrift­lich zu be­gründen.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

 

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