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ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/223

Kein Rück­tritt vom Auf­he­bungs­ver­trag bei In­sol­venz des Ar­beit­ge­bers

Trotz Auf­he­bungs­ver­trags kei­ne Ab­fin­dung: Zahlt der Ar­beit­ge­ber in der In­sol­venz die ver­spro­che­ne Ab­fin­dung nicht, be­steht kein Recht zum Rück­tritt vom Auf­he­bungs­ver­trag: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­tei­le vom 10.11.2011, 6 AZR 357/10, 6 AZR 583/10, 6 AZR 342/10
Ausgestülpte leere Hosentasche mit Hand Bei der Un­ter­zeich­nung von Auf­he­bungs­ver­trä­gen ist Vor­sicht ge­bo­ten

14.11.2011. Ein Auf­he­bungs­ver­trag ist ein Tausch­ge­schäft: Der Ar­beit­neh­mer sagt ja zur Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses (und ver­zich­tet da­mit auf sei­nen Kün­di­gungs­schutz) - und im Ge­gen­zug ver­pflich­tet sich der Ar­beit­ge­ber da­zu, dem Ar­beit­neh­mer ei­ne Ab­fin­dung zu zah­len. Kurz ge­sagt lau­tet der Deal Ar­beits­platz und Kün­di­gungs­schutz ge­gen Ab­fin­dung.

Was aber, wenn der Ar­beit­ge­ber den Auf­he­bungs­ver­trag nicht er­füllt und die Ab­fin­dung nicht be­zahlt (ob­wohl er ei­gent­lich müss­te)? Das kommt öf­ter vor, als vie­le Ar­beit­neh­mer glau­ben, vor al­lem auf­grund ei­ner In­sol­venz des Ar­beit­ge­bers. Dann stellt sich für den Ar­beit­neh­mer die Fra­ge, ob er den Auf­he­bungs­ver­trag durch An­fech­tung oder Wi­der­ruf be­sei­ti­gen kann oder ob er viel­leicht ein Rück­tritts­recht hat. Das wür­de ihm zwar nicht zu sei­ner Ab­fin­dung ver­hel­fen, aber er hät­te we­nigs­tens sei­nen Ar­beits­platz ge­ret­tet. Drei ak­tu­el­le Ur­tei­le des sechs­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) zei­gen, dass das nicht funk­tio­niert (Ur­tei­le vom 10.11.2011, 6 AZR 357/10, 6 AZR 583/10, 6 AZR 342/10).

Rück­tritt vom Auf­he­bungs­ver­trag we­gen aus­blei­ben­der Ab­fin­dung - auch bei In­sol­venz des Ar­beit­ge­bers?

Da der Auf­he­bungs­ver­trag ein Aus­tausch­ver­trag ist (Ar­beits­platz ge­gen Ab­fin­dung), kann der Ar­beit­neh­mer im Prin­zip vom Auf­he­bungs­ver­trag zurück­tre­ten, wenn der Ar­beit­ge­ber sei­ne Ver­trags­pflicht nicht erfüllt, d.h. die Ab­fin­dung nicht zahlt. Rechts­grund­la­ge des Rück­tritts­rechts ist § 323 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB). Da­nach kann der Gläubi­ger (hier: der Ar­beit­neh­mer) nach er­folg­lo­ser Frist­set­zung vom Ver­trag zurück­tre­ten, wenn der Schuld­ner (hier: der Ar­beit­ge­ber) ei­ne fälli­ge Leis­tung nicht er­bringt (hier: die Ab­fin­dung nicht zahlt).

Al­ler­dings fragt sich, ob die­se recht­li­che Möglich­keit auch dann be­steht, wenn der Ar­beit­ge­ber die Ab­fin­dung in­sol­venz­be­dingt nicht zahlt. Da­ge­gen spricht, dass im In­sol­venz­fall al­le Gläubi­ger "Na­se sind", d.h. ihr Geld nicht se­hen. Könn­te hier der Ar­beit­neh­mer vom Auf­he­bungs­ver­trag zurück­tre­ten, weil der Ar­beit­ge­ber die Ab­fin­dung nicht zah­len kann, würde er sich viel­leicht un­ge­recht­fer­tig­ter Wei­se bes­ser ste­hen als an­de­re Gläubi­ger.

Im Streit: Rück­tritts­recht vom Auf­he­bungs­ver­trag we­gen in­sol­venz­be­ding­ter Nicht­zah­lung der ver­ein­bar­ten Ab­fin­dung

Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer ver­ein­bar­ten im Ok­to­ber 2007 per Auf­he­bungs­ver­trag die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu En­de De­zem­ber 2008. Die Ab­fin­dung von 110.500 EUR soll­te mit dem De­zem­ber­ge­halt 2008 ge­zahlt wer­den. Da­zu kam es nicht mehr, da am 05.12.2008 In­sol­venz­an­trag ge­stellt wu­re und am 08.12.2008 ein vorläufi­ger In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt wu­re.

Fort­an konn­te der Ar­beit­ge­ber oh­ne Zu­stim­mung des Ver­wal­ters kei­ne Zah­lun­gen mehr leis­ten. Der Ar­beit­neh­mer for­der­te den Ar­beit­ge­ber zwar am 16.12.2008 noch rasch un­ter Frist­set­zung zur Zah­lung der Ab­fin­dung auf, aber ein OK des Ver­wal­ters dafür gab es nicht.

Dar­auf erklärte der Ar­beit­neh­mer den Rück­tritt vom Auf­he­bungs­ver­trag und klag­te später mit dem Ziel, den Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses fest­stel­len zu las­sen. Da­mit hat­te er vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düssel­dorf Er­folg (Ur­teil vom 20.01.2010, 12 Sa 962/09)

Bun­des­ar­beits­ge­richt: Kein Rück­tritts­recht nach In­sol­venz­an­trag und im In­sol­venz­ver­fah­ren

In Er­furt vor dem BAG kam dann die kal­te Du­sche, denn das BAG wies die Kla­ge ab.

Ein Rück­tritts­recht be­stand hier nämlich im vorläufi­gen In­sol­venz­ver­fah­ren nicht (mehr), so das BAG, da der Ab­fin­dungs­an­spruch recht­lich nicht mehr durch­setz­bar war: Oh­ne ein OK des Ver­wal­ters war ei­ne Zah­lung durch den in­sol­ven­ten Ar­beit­ge­ber ja recht­lich nicht (mehr) möglich. Das gilt erst recht, wenn das In­sol­venz­ver­fah­ren be­reits eröff­net ist.

Fa­zit: So­weit der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG ent­nom­men wer­den kann, be­steht ein Rück­tritts­recht prak­tisch nur bis zum Be­ginn des vorläufi­gen In­sol­venz­ver­fah­rens. Denn nur vor die­sem Zeit­punkt, d.h. vor der ge­richt­li­chen An­ord­nung von Si­che­rungs­maßnah­men, ist der Ab­fin­dungs­an­spruch recht­lich (noch) durch­setz­bar.

Gibt es ein­mal ei­nen vorläufi­gen Ver­wal­ter, sind Zah­lun­gen des in­sol­ven­ten Ar­beit­ge­bers meist nur noch mit Zu­stim­mung des Ver­wal­ters möglich. Dann ist der Ab­fin­dungs­an­spruch recht­lich ent­wer­tet, so dass sei­ne Nich­terfüllung und nicht mehr zum Rück­tritt be­rech­tigt.

Ar­beit­neh­mern und ih­ren Anwälten ist zu ra­ten, bei den ge­rings­ten An­zei­chen ei­ner dro­hen­den In­sol­venz des Ar­beit­ge­bers vor­zu­beu­gen und die Wirk­sam­keit der Ver­trags­auflösung un­ter die auflösen­de Be­din­gung ei­ner frist­ge­rech­ten Ab­fin­dungs­zah­lung zu stel­len.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe für die hier be­spro­che­nen drei Ur­tei­le schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die vollständig be­gründe­ten Ur­tei­le im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 18. März 2019

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