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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/120

SPD macht sich für Teil­zeit­be­schäf­tig­te stark

Mehr Zeit­sou­ve­rä­ni­tät für Be­schäf­tig­te - Teil­zeit­ar­beit ge­stal­ten: An­trag der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on vom 16.04.2013
Wanduhr

29.04.2013. Deutsch­lands Par­tei­en be­fin­den sich im Bun­des­tags­wahl­kampf. Da ist es nicht ver­wun­der­lich, dass die Re­gie­rungs­ko­ali­ti­on der­zeit kei­ne grö­ße­ren Ge­set­zes­än­de­run­gen mehr in An­griff neh­men will. Und schon gar nicht auf dem kon­flikt­träch­ti­gen Ge­biet des Ar­beits- und So­zi­al­rechts.

In ei­ner an­de­ren La­ge be­fin­den sich da­ge­gen die Op­po­si­ti­ons­par­tei­en: Von ih­nen wer­den kon­kre­te Re­form­vor­schlä­ge er­war­tet. Die­ser Er­war­tung ent­sprach die Bun­des­tags­frak­ti­on der SPD Mit­te April 2013 und brach­te ei­nen Ge­set­zes­an­trag in den Bun­des­tag ein.

Un­ter der Über­schrift „Mehr Zeit­sou­ve­rä­ni­tät für Be­schäf­tig­te - Teil­zeit­ar­beit ge­stal­ten“ macht sich die SPD hier für die Teil­zeit­be­schäf­tig­ten stark so­wie für die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­neh­me­rin­nen, die es erst noch wer­den möch­ten, d.h. die ih­re Ar­beits­zeit ver­rin­gern wol­len: Mehr Zeit­sou­ve­rä­ni­tät für Be­schäf­tig­te - Teil­zeit­ar­beit ge­stal­ten: An­trag der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on vom 16.04.2013, BT-Drucks. 17/13084.

An­spruch auf zeit­lich be­fris­te­te Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung

Im ein­zel­nen sol­len Ar­beit­neh­mer künf­tig auch ei­ne zeit­lich be­grenz­te Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung in An­spruch neh­men können, wo­bei die zeit­li­che Be­fris­tung der Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung min­des­tens sechs Mo­na­te und höchs­tens fünf Jah­ren be­tra­gen darf.

Be­gründet wird dies mit der Über­le­gung, dass v.a. Frau­en oft aus fa­mi­liären Gründen ei­ne In­ter­es­se an Teil­zeit­ar­beit ha­ben, dass die­se Gründe al­ler­dings nach ei­ni­gen Jah­ren oft weg­fal­len. Ei­nen An­spruch auf be­fris­te­te Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung gibt es aber der­zeit nur im Rah­men ei­ner El­tern­zeit gemäß § 15 Abs.5 Bun­des­el­tern­geld- und El­tern­zeit­ge­setz (BEEG). Nach Be­en­di­gung ei­ner El­tern­zeit gibt es nur den „nor­ma­len“ An­spruch auf Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit, und die­ser An­spruch sieht ei­ne Be­fris­tung der Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung nicht vor.

Ein sol­ches Recht auf Rück­kehr aus der Teil­zeit wäre für vie­le teil­zeit­in­ter­es­sier­te Ar­beit­neh­me­rin­nen si­cher­lich ein Fort­schritt. Denn der­zeit kann man zwar gemäß § 8 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) ei­ne Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung in Be­trie­ben mit mehr als 15 Beschäftig­ten ver­lan­gen, doch hat man dann sei­ne bis­he­ri­ge Ar­beits­zeit dau­er­haft ver­rin­gert.

Dem­ent­spre­chend muss man nach jet­zi­ger Rechts­la­ge dar­auf hof­fen, bei der Be­set­zung frei wer­den­der Stel­len mit höhe­rem St­un­den­um­fang berück­sich­tigt zu wer­den, wenn man dem Ar­beit­ge­ber an­ge­zeigt hat, dass man kein In­ter­es­se mehr an der ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit hat und wie­der länger ar­bei­ten möch­te. Hier gibt § 9 Tz­B­fG zwar ei­nen An­spruch auf be­vor­zug­te Berück­sich­ti­gung bei der Be­set­zung ei­nes ge­eig­ne­ten frei­en Ar­beits­plat­zes, doch ist die zeit­li­che Be­fris­tung der Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung aus Ar­beit­neh­mer­sicht natürlich si­che­rer und da­mit bes­ser.

Kri­tisch ist an­zu­mer­ken, dass Ar­beit­ge­ber auf ei­ne sol­che Ver­bes­se­rung des An­spruchs auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung mögli­cher­wei­se re­agie­ren würden, in­dem sie künf­tig mehr zeit­lich be­fris­te­te Stel­len vor­hal­ten. Denn wenn man da­mit rech­nen muss, dass ein Ar­beit­neh­mer in zwei Jah­ren wie­der ei­ne Voll­zeit­stel­le in An­spruch neh­men kann, muss die­se Voll­zeit­stel­le auch zur Verfügung ste­hen. Und das ge­lingt am bes­ten, wenn ständig möglichst vie­le zeit­lich be­fris­te­te Stel­len aus­lau­fen.

An­de­rer­seits soll­te man sol­che mögli­chen Ge­gen­re­ak­tio­nen der Ar­beit­ge­ber auch nicht über­be­wer­ten, denn wie sich die Ar­beit­ge­ber künf­tig auf ei­ne sol­che Ver­bes­se­rung des An­spruchs auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung ein­stel­len würden, hängt auch von der Ar­beits­markt­la­ge ab und lässt sich nur schwer vor­her­se­hen.

Ent­ge­gen­ste­hen­de be­trieb­li­che Gründe, In­ter­es­sen­abwägung

Nach der­zei­ti­ger Rechts­la­ge hat der Ar­beit­ge­ber der vom Ar­beit­neh­mer gewünsch­ten Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit zu­zu­stim­men und ih­re Ver­tei­lung ent­spre­chend den Wünschen des Ar­beit­neh­mers fest­zu­le­gen, so­weit „be­trieb­li­che Gründe“ nicht ent­ge­gen­ste­hen (§ 8 Abs.3 Satz 1 Tz­B­fG). Aus die­sen be­trieb­li­chen Gründen sol­len nach den Vor­stel­lun­gen der SPD „drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe“ wer­den.

Außer­dem soll es an­ders als nach der­zei­ti­ger Rechts­la­ge künf­tig ei­ne rich­ter­li­che Abwägung zwi­schen den be­trieb­li­chen Be­lan­gen auf Ar­beit­ge­ber­sei­te und den Gründen für die vom Ar­beit­neh­mer gewünsch­te Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung ge­ben. Da­bei soll zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ge­wer­tet wer­den, wenn er ein Kind un­ter 14 Jah­ren oder ei­nen pfle­ge­bedürf­ti­gen An­gehöri­gen be­treu­en muss.

Mit bei­den Maßnah­men möch­te der Ge­set­zes­ent­wurf er­rei­chen, dass künf­tig mehr Anträge auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung Er­folg ha­ben.

Da­ge­gen kann man we­nig ein­wen­den. Al­ler­dings macht die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) oh­ne­hin kaum noch ei­nen Un­ter­schied zwi­schen den „be­trieb­li­chen Gründen“ im Sin­ne von § 8 Abs.4 Satz 1 Tz­B­fG und den „drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründen“ im Sin­ne von § 15 Abs.7 Nr.4 BEEG macht, d.h. die BAG-Recht­spre­chung zum An­spruch auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung ist oh­ne­hin recht ar­beit­neh­mer­freund­lich. Die hier vor­ge­schla­ge­nen bei­den Ge­set­zesände­run­gen hätten da­her wohl eher ei­ne be­schränk­te Wir­kung.

Bes­se­re ge­richt­li­che Durch­setz­bar­keit des An­spruchs auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung

Ein wei­te­rer Ver­bes­se­rungs­vor­schlag zielt auf die ge­richt­li­che Durch­set­zung des An­spruchs auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung. Der An­trag der SPD kri­ti­siert an die­ser Stel­le, dass oft zu lan­ge Zeit ver­geht, bis ein Ar­beit­neh­mer ef­fek­tiv in Teil­zeit ar­bei­ten kann.

Denn an­ders als bei ei­ner Lohn­kla­ge nützt ein ar­beits­ge­richt­li­ches Ur­teil beim Streit um ei­ne Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung dem in ers­ter In­stanz er­folg­rei­chen Ar­beit­neh­mer erst ein­mal we­nig, wenn der Ar­beit­ge­ber Be­ru­fung ein­legt. Denn während er ein zu sei­nen Guns­ten im Lohn­pro­zess er­gan­ge­nes Ur­teil vorläufig voll­stre­cken kann, auch wenn der Ar­beit­ge­ber in Be­ru­fung geht, ist das bei der Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung an­ders, denn hier ver­klagt der Ar­beit­neh­mer sei­nen Ar­beit­ge­ber auf Zu­stim­mung zu ei­ner Ver­tragsände­rung und da­mit auf Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­erklärung. Und hier sieht § 894 Satz 1 Zi­vil­pro­zess­ord­nung (ZPO) vor, dass die Erklärung des Ar­beit­ge­bers (= die geänder­te ver­trag­li­che Ar­beits­zeit) erst dann gültig ist, wenn das Ur­teil Rechts­kraft er­langt hat. Und das kann lan­ge dau­ern.

Um hier ei­nem zeit­li­chen Tak­tie­ren der Ar­beit­ge­ber­sei­te ei­nen Rie­gel vor­zu­schie­ben, schlägt der SPD-An­trag ei­ne Re­ge­lung vor, die ein pro Ar­beit­neh­mer er­gan­ge­nes Ur­teil ers­ter In­stanz „so­fort um­setz­bar macht“. Die­se Re­ge­lung soll lau­ten:

„Hat der Ar­beit­neh­mer da­nach An­spruch auf Ände­rung sei­nes Ar­beits­ver­tra­ges, kann er ver­lan­gen, ent­spre­chend beschäftigt zu wer­den, so­weit er die Ver­tragsände­rung ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber gel­tend macht.“

Kri­tisch ist an­zu­mer­ken, dass ein sol­cher An­spruch auf „wunsch­ge­rech­te Beschäfti­gung“ ei­ne ziem­lich selt­sa­me Aus­nah­me­re­ge­lung zu­guns­ten von teil­zeit­in­ter­es­sier­ten Ar­beit­neh­mern wäre. Der Ent­wurf schlägt ei­ne der­ar­ti­ge Re­ge­lung zwar auch für den Streit um ei­ne Ar­beits­zeit­verlänge­rung auf der Grund­la­ge von § 9 Tz­B­fG vor, doch fragt sich auch hier, war­um man nicht ge­ne­rell die pro­zes­sua­len Rech­te von Ar­beit­neh­mern stärkt, die ei­ne Ände­rung ih­re Ar­beits­ver­trags ver­lan­gen können und darüber vor Ge­richt mit ih­rem Ar­beit­ge­ber strei­ten müssen.

Von ei­ner sol­chen Ge­set­zesände­rung be­trof­fen wären dann nicht nur Ar­beit­neh­mer, die ei­ne Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung oder -verlänge­rung durch­set­zen wol­len, son­dern z.B. auch Ar­beit­neh­mer, die ei­nen An­spruch auf Wie­der­ein­stel­lung ha­ben, z.B. auf ar­beits­ver­trag­li­cher und/oder ta­rif­ver­trag­li­cher Grund­la­ge. Sie al­le müssen nach der­zei­ti­ger Rechts­la­ge not­falls über drei In­stan­zen pro­zes­sie­ren, be­vor sie ih­ren An­spruch auf Beschäfti­gung ef­fek­tiv durch­set­zen können.

Fa­zit: Die Teil­zeit­fal­le als Wahl­kampf­the­ma?

Der SPD-An­trag weist mit Grund auf be­ste­hen­de De­fi­zi­te des der­zei­ti­gen Ge­set­zes­rechts zum The­ma Teil­zeit und Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung hin. Da­bei be­steht das größte Pro­blem für teil­zeit­in­ter­es­sier­te Ar­beit­neh­me­rin­nen und Ar­beit­neh­mer wohl dar­in, sich mit ei­nem An­trag auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung endgültig fest­zu­le­gen, d.h. hier gibt es nach der­zei­ti­ger Ge­set­zes­la­ge kei­nen „Rück­fahr­schein“. Über ei­ne sol­che Ab­si­che­rung der Teil­zeit­ar­beit soll­te die Po­li­tik tatsächlich ein­mal nach­den­ken.

An­de­rer­seits macht der Ge­set­zes­vor­schlag der SPD deut­lich, dass die viel­be­schwo­re­ne Teil­zeit­fal­le wohl nur be­grenzt als Wahl­kampf­the­ma taugt. Denn ver­gli­chen mit den so­zia­len Brenn­punkt­the­men Leih­ar­beit und Min­dest­lohn wird man den Ein­druck nicht los, dass die ju­ris­ti­schen Pro­ble­me des Teil­zeit- und Be­fris­tungs­rechts ar­beits­markt­po­li­ti­sches Klein-Klein sind.

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Letzte Überarbeitung: 3. August 2020

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