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Va­ria­ble Ver­gü­tung - Scha­dens­er­satz we­gen Ge­halts­ein­bu­ßen?

Ar­beit­ge­ber darf Ver­trieb neu or­ga­ni­sie­ren - Ge­halts­ein­bruch gibt kei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 16.02.2012, 8 AZR 98/11
Taschenrechner auf Geldscheinen Die Neu­or­ga­ni­sa­ti­on von Ver­triebs­ge­bie­ten passt nicht je­dem

21.02.2012. Nor­ma­ler­wei­se be­kommt man als Ar­beit­neh­mer ein Fest­ge­halt. Lei­ten­de An­ge­stell­te und Ver­triebs­kräf­te er­hal­ten da­ge­gen oft ne­ben ih­rem Fest­ge­halt ("Grund­ge­halt") ei­ne zu­sätz­li­che va­ria­ble Ver­gü­tung, z.B. ei­ne Pro­vi­si­on und/oder Tan­tie­me.

Die­se va­ria­ble Ver­gü­tungs­be­stand­tei­le sind leis­tungs­ab­hän­gig, d.h. sie sind je nach den er­ziel­ten Ver­trags­ab­schlüs­sen und/oder den Um­sät­zen ei­nes Ver­kaufs­mit­ar­bei­ters mehr oder we­ni­ger groß.

In gu­ten Jah­ren kann die va­ria­ble Ver­gü­tung ein Viel­fa­ches des Grund­ge­hal­tes be­tra­gen. Blei­ben die Er­fol­ge aber aus und bricht der Lohn dra­ma­tisch ein, stellt sich dem be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer die Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber nicht ver­pflich­tet ist, für gu­te Rah­men­be­din­gun­gen zu sor­gen, d.h. letzt­lich da­für, dass sich die Chan­cen auf va­ria­ble Lohn­be­stand­tei­le nicht ver­än­dern.

In ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ei­ne sol­che Pflicht des Ar­beit­ge­bers ver­neint (BAG, Ur­teil vom 16.02.2012, 8 AZR 98/11).

Va­ria­ble Vergütung - ei­ne Lohn­fin­dung mit Ri­si­ken und Ne­ben­wir­kun­gen

Im Un­ter­schied zum Fest­ge­halt, das für die ge­leis­te­te Ar­beit ge­zahlt wird, muss der Ar­beit­neh­mer sich sei­ne va­ria­ble Vergütung ver­die­nen, d.h. er muss Er­fol­ge vor­wei­sen können. Was als Er­folg gilt, ist ver­trag­lich fest­ge­legt und in je­dem Be­trieb ein we­nig an­ders. So un­ter­schied­lich va­ria­ble Vergütungs­mo­del­le sind, so ver­schie­den die Be­zeich­nun­gen: Ver­dient der ei­ne Tan­tie­men, erhält der an­de­re Pro­vi­sio­nen oder Gra­ti­fi­ka­tio­nen und ein drit­ter be­kommt Bo­ni, Prämi­en oder Zu­la­gen. Wich­tig ist nur, dass der Ar­beit­neh­mer den Er­folg, von dem die va­ria­ble Vergütung abhängt, be­ein­flus­sen kann.

Auf den ers­ten Blick sind leis­tungs­abhängi­ge va­ria­ble Vergütun­gen "ge­recht", denn sie spie­geln be­son­ders gut den Wert der er­brach­ten Ar­beits­leis­tun­gen wi­der. Auf den zwei­ten zeigt sich aber, dass die meis­ten Ar­beit­neh­mer in ir­gend­ei­ner Wei­se auf die Zu- oder Mit­ar­beit von Kol­le­gen an­ge­wie­sen sind oder auch dar­auf, dass ih­nen ein "gu­tes" Ver­triebs­ge­biet zu­ge­wie­sen wird.

Ändert der Ar­beit­ge­ber sei­ne Or­ga­ni­sa­ti­on, kann das den va­ria­blen Vergütungs­be­stand­teil dra­ma­tisch zu­sam­men­schrump­fen las­sen. Da­durch wer­den auch gu­te Verkäufer leicht „aus­ge­trock­net“. Dann fragt sich, ob es ei­ne all­ge­mei­ne (un­ge­schrie­be­ne) Pflicht des Ar­beit­ge­bers gibt, be­stimm­te Ver­triebs­struk­tu­ren zur Verfügung zu stel­len, um Ver­triebs­kräften gu­te Ver­dienst­chan­cen zu gewähr­leis­ten.

BAG: Oh­ne ein­deu­ti­ge ver­trag­li­che Re­ge­lung kein An­spruch auf vergütungs­freund­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on

Im Streit­fall muss­te ein Ver­si­che­rungs­ver­tre­ter, dem jah­re­lan­ge Kol­le­gen Be­ra­tungs­ter­mi­ne zu­ge­ar­bei­tet und da­mit für ein Jah­res­ge­halt um die 80.000 EUR ge­sorgt hat­ten, ei­nen dra­ma­ti­schen Ein­kom­mens­ein­bruch ver­kraf­ten, weil sein Ar­beit­ge­ber die Ver­triebs­struk­tu­ren neu or­ga­ni­siert hat­te. Im Er­geb­nis die­ser be­trieb­li­chen Ände­rung muss­te er oh­ne Mit­ar­bei­ter ar­bei­ten und be­kam kaum noch mehr als sein Grund­ge­halt. Des­halb ver­lang­te er für sei­ne Ge­halts­ein­bußen Scha­dens­er­satz.

Doch er er­ziel­te noch nicht ein­mal ei­nen Punkt­sieg. Das BAG mach­te wie schon zu­vor das Lan­des­ar­beits­ge­richt München (Teil­ur­teil vom 07.10.2010, 2 Sa 1206/09) deut­lich, dass Ar­beit­ge­ber oh­ne ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung kei­ne Pflicht ha­ben, die Ar­beits­abläufe so zu or­ga­ni­sie­ren, dass die er­folgs­abhängig Vergüte­ten ma­xi­ma­le oder auch nur ste­ti­ge Ent­gel­te er­zie­len. Al­les an­de­re würde ih­re un­ter­neh­me­ri­sche Frei­heit un­zulässig be­schränken.

Fa­zit: Es gibt gu­te Zei­ten und schlech­te Zei­ten. Ar­beit­neh­mer, die sich auf va­ria­ble Vergütungs­mo­del­le ein­las­sen, soll­ten da­her nicht nur auf den Ma­xi­mal­ver­dienst in gu­ten Zei­ten schau­en, son­dern auch auf den mögli­chen Mi­ni­mal­ver­dienst in schlech­ten Zei­ten. Auch mit die­sem Ge­halt soll­te man not­falls auch noch le­ben können - und ei­ne sol­che Un­ter­gren­ze soll­te man schrift­lich ab­si­chern. Münd­li­che Ab­spra­chen oder die Hoff­nung auf ei­ne be­trieb­li­che Übung können das nicht er­set­zen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 1. Juli 2016

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