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LG Frank­furt / Main, Ur­teil vom 07.03.2011, 2-04 O 584/09

   
Schlagworte: Mobbing, Mobbing: Schmerzensgeld
   
Gericht: Landgericht Frankfurt / Main
Aktenzeichen: 2-04 O 584/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 07.03.2011
   
Leitsätze: Es stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Beamten dar, wenn bei dem Verdacht von Straftaten und Dienstvergehen dieser Verdacht den Mitarbeitern der Behörde gegenüber nicht sachlich und ausgewogen kommuniziert wird, sondern der Dienstvorgesetzte unter Verstoß gegen die Unschuldsvermutung zu erkennen gibt, dass die Vorwürfe seiner Meinung nach gerechtfertigt sind.
Vorinstanzen:
   

LG Frank­furt am Main, 07.03.2011 - 2-04 O 584/09

 

Te­nor:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 8.000,- € nebst Zin­sen in Höhe von 5%-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 19.01.2010 zu zah­len.

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger wei­te­re 610,11 € nebst Zin­sen in Höhe von 5%-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 19.01.2010 zu zah­len.

Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits ha­ben der Kläger zu 3/4 und die Be­klag­te zu 1/4 zu tra­gen.

Das Ur­teil ist ge­gen Si­cher­heits­leis­tung in Höhe von 110% des je­weils zu voll­stre­cken­den Be­tra­ges vorläufig voll­streck­bar.

 

Tat­be­stand:

Der Kläger ist als Be­am­ter auf Le­bens­zeit im Po­li­zei­voll­zugs­dienst der Be­klag­ten beschäftigt. Er führt den Dienst­grad Ers­ter Kri­mi­nal­haupt­kom­mis­sar und lei­te­te bis März 2006 das Kom­mis­sa­ri­at 43 des Po­li­zei­präsi­di­ums Frank­furt am Main, zuständig für Per­so­nen­fahn­dung. Die Ar­beits­at­mo­sphäre dort war seit länge­rer Zeit an­ge­spannt. Am 10.03.2006 überg­a­ben Mit­ar­bei­ter der Dienst­stel­le der da­ma­li­gen Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin T. ei­nen Ord­ner, der den Kläger be­las­ten­des Ma­te­ri­al im Hin­blick auf mögli­che straf­recht­li­che Verstöße we­gen Be­trugs und Un­treue so­wie Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen ent­hielt.

Der Po­li­zei­präsi­dent Dr. T. über­sand­te den Ord­ner am 17.03.2006 oh­ne vor­he­ri­ge Anhörung des Klägers zur Über­prüfung an die Staats­an­walt­schaft Frank­furt am Main. Die­se lei­te­te ge­gen den Kläger ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren we­gen Ver­dachts der Un­treue und an­de­rer De­lik­te ein. Der Po­li­zei­präsi­dent Dr. T. lei­te­te so­dann mit Verfügung vom 24.03.2006 (Bl. 76 ff. d. A.) we­gen des Ver­dachts schwer­wie­gen­der Dienst­ver­ge­hen ein förm­li­ches Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren gem. § 29 HDO ge­gen den Kläger ein und ord­ne­te die vorläufi­ge Dienstent­he­bung des Klägers gem. § 83 HDO an. Das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren, wel­ches bis zum Ab­schluss der straf­recht­li­chen Er­mitt­lun­gen ge­gen den Kläger aus­ge­setzt wur­de, wur­de mit Verfügung vom 17.07.2007 (Bl. 96 ff. d. A.) we­gen des Vor­wurfs der Ge­gen­zeich­nung ei­nes vor­getäusch­ten Dienst­un­falls ei­nes Kol­le­gen er­wei­tert. Mit Be­schluss vom 27.03.2006 (Bl. 74 f. d. A.) ord­ne­te das Amts­ge­richt Frank­furt am Main die Durch­su­chung der Diensträume der Kri­mi­nal­di­rek­ti­on bei dem Po­li­zei­präsi­di­um an.

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Am 29.03.2006 ge­gen 10:00 Uhr wur­de der Kläger, der an die­sem Tag dienst­frei hat­te, in sei­ner Pri­vat­woh­nung über die Vorwürfe in­for­miert. Er muss­te sei­nen Dienst­aus­weis und sei­ne Dienst­waf­fe ab­ge­ben und wur­de in An­we­sen­heit ei­nes Po­li­zei­psy­cho­lo­gen ins Po­li­zei­präsi­di­um Frank­furt am Main ge­fah­ren. Dort wur­de dem Kläger ge­gen Mit­tag die Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens so­wie die vorläufi­ge Dienstent­he­bung eröff­net und ihm Haus­ver­bot für die Räum­lich­kei­ten des Po­li­zei­präsi­di­ums er­teilt. Zu­vor wur­den die Be­am­ten des Kom­mi­sa­ri­ats ge­gen 11:30 Uhr im Rah­men ei­ner Be­spre­chung, bei der ne­ben den Be­am­ten des Kom­mi­sa­ri­ats die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin T., Staats­an­walt K., Mit­ar­bei­ter des Hes­si­schen Lan­des­kri­mi­nal­am­tes so­wie die Po­li­zei­be­am­ten Ba. und F. an­we­send wa­ren, von der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin T. über die ge­gen den Kläger er­ho­be­nen Vorwürfe und die sich un­mit­tel­bar an­sch­ließen­de Durch­su­chung der Diensträume in Kennt­nis ge­setzt.

Der Kläger zeig­te den Vor­fall vom 29.03.2006 mit Schrei­ben vom 21.03.2008 (Bl. 148 d. A.) als Dienst­un­fall an, da er ei­ne psy­chi­sche De­kom­pen­sa­ti­on er­lit­ten ha­be. Der An­trag auf Un­fallfürsor­ge wur­de je­doch nicht be­schie­den, da der Kläger ei­nen Fra­ge­bo­gen nicht an die Behörde zurücksand­te. Mit Schrei­ben vom 13.01.2011 wur­de der An­trag auf An­er­ken­nung des Dienst­un­falls schließlich durch den Kläger zurück ge­nom­men.

In den Jah­ren 2006 und 2007 er­schie­nen meh­re­re Pres­se­be­rich­te über die Vorwürfe ge­gen den Kläger und des­sen Su­s­pen­die­rung. Ins­be­son­de­re er­schie­nen am 17.12.2007 in der „B.-Zei­tung“ un­ter dem Ti­tel „4 neue Skan­da­le erschüttern Po­li­zei“ meh­re­re Ar­ti­kel, die sich mit den Vorgängen im Po­li­zei­präsi­di­um Frank­furt am Main be­fass­ten (Bl. 185 d. A.). Der Fall des Klägers wur­de da­bei un­ter der Über­schrift „Kri­po-Chef gra­tis zur Ein­tracht“ be­han­delt. In die­sem Ar­ti­kel wur­de der Po­li­zei­präsi­dent Dr. T. wie folgt zi­tiert: „Ja stimmt, das Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen den Be­am­ten läuft. Wir ha­ben ihm Haus­ver­bot er­teilt, die Dienst­waf­fe ent­zo­gen, ihn sus­pen­diert. Zu­dem wur­den sei­ne Bezüge gekürzt. Dar­an se­hen sie, dass wir die Sa­che nicht auf die leich­te Schul­ter neh­men... Auf­grund der Vor­wurfs­la­ge wäre es auch nicht op­ti­mal, wenn der al­te zurück­keh­ren würde.“ In ei­nem wei­te­ren Ar­ti­kel, wel­cher den Ti­tel „Das ist ge­lin­de ge­sagt ei­ne Saue­rei“ trug, wur­den ver­schie­de­ne Vorfälle bei der Frank­fur­ter Po­li­zei auf­geführt, zu de­nen der Po­li­zei­präsi­dent Dr. T. wie folgt Stel­lung nahm: „Das ärgert mich maßlos! Es ist ge­lin­de ge­sagt ei­ne Saue­rei, dass ein­zel­ne Be­am­te, ein­zel­ne schwar­ze Scha­fe, sich so ge­genüber ih­ren Kol­le­gen ver­hal­ten. Es ärgert mich un­glaub­lich, dass ei­ni­ge da­bei sind, die zu Las­ten der su­per­ar­bei­ten­den Kol­le­gen den schlech­ten Ein­druck ver­mit­teln, die Frank­fur­ter Po­li­zei als gan­zes würde nicht rechts­staat­lich ar­bei­ten... Wenn wir Fehl­ver­hal­ten un­se­rer Be­am­ten ent­de­cken, lei­ten wir Di­zi­pli­nar-, bzw. Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ein – natürlich oh­ne Rück­sicht dar­auf, um wen es sich han­delt.“

Die Staats­an­walt­schaft Frank­furt am Main stell­te mit Verfügung vom 05.06.2008 (Bl. 100 ff. d. A.) und vom 24.06.2009 (Bl. 104 ff. d. A.) die straf­recht­li­chen Er­mitt­lun­gen ge­gen den Kläger gem. § 170 Abs. 2 St­PO ein. Mit Verfügung des Po­li­zei­präsi­den­ten vom 09.04.2009 (Bl. 114 f. d. A.) wur­den die vorläufi­ge Dienstent­he­bung und die An­ord­nung der Ein­be­hal­tung ei­nes Teils der Dienst­bezüge auf­ge­ho­ben. Der Kläger wur­de dar­auf­hin an das Po­li­zei­präsi­di­um Südost­hes­sen ab­ge­ord­net, wo er kei­ne Dienst­stel­le mehr lei­tet.

Das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ge­gen den Kläger wur­de nach Ein­stel­lung des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens mit Verfügung vom 22.07.2009 (Bl. 116 ff. d. A.) fort­ge­setzt und nach Er­stel­lung des Ab­schluss­be­richts vom 05.10.2010 (An­la­ge B 14) mit Verfügung vom 16.12.2010 (Bl. 447 ff. d. A.) man­gels Fest­stel­lung ei­nes Dienst­ver­ge­hens ein­ge­stellt.

Mit Schrei­ben sei­nes Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 12.11.2009 (Bl. 46 ff. d. A.) for­der­te der Kläger die Be­klag­te auf, ei­nen An­spruch auf Zah­lung von Schmer­zens­geld in Höhe von 30.000,- € bis spätes­tens zum 01.12.2009 an­zu­er­ken­nen.

Der Kläger be­gehrt mit sei­ner der Be­klag­ten am 18.01.2010 zu­ge­stell­ten Kla­ge Schmer­zens­geld für persönlich­keits­ver­let­zen­de und rufschädi­gen­de Äußerun­gen so­wie Vor­ver­ur­tei­lun­gen sei­ner Per­son. Darüber hin­aus macht er Er­stat­tung außer­ge­richt­li­cher Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten gel­tend.

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Der Kläger be­haup­tet, die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin T. ha­be im Rah­men der Be­spre­chung mit den Be­am­ten des Kom­mi­sa­ri­ats am 29.03.2006 erklärt, er sei als Dienst­stel­len­lei­ter in schwe­re kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­strickt. Er wer­de auf Grund der verübten um­fang­rei­chen Straf­ta­ten nicht mehr in den Po­li­zei­dienst zurück­keh­ren. Dafür wer­de sie persönlich sor­gen. Al­le Be­am­ten soll­ten sich von ihm fern­hal­ten und kei­ner­lei Kon­takt mehr zu ihm auf­neh­men. Der Po­li­zei­präsi­dent Dr. T. ha­be es wil­lent­lich ver­an­lasst, dass die Pres­se­veröffent­li­chun­gen ihn in den Vor­der­grund rück­ten. Der Po­li­zei­präsi­dent sei noch vor dem Pres­se­inter­view mit der „B.-Zei­tung“ über den Er­mitt­lungs­stand beim Hes­si­schen Lan­des­kri­mi­nal­amt in­for­miert ge­we­sen. Durch das Ver­hal­ten der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin sei sei­ne Ge­sund­heit an­ge­grif­fen wor­den. Er müsse noch im­mer fachärzt­li­che Hil­fe in An­spruch neh­men.

Der Kläger be­an­tragt,

1. Die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ein an­ge­mes­se­nes Schmer­zens­geld in Höhe von min­des­tens 30.000,- € nebst 5 Pro­zent­punk­te über dem Ba­sis­zins lie­gen­der Zin­sen seit dem 01.12.2009 zu zah­len.

2. Die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 610,11 € nebst 5 Pro­zent­punk­te über dem Ba­sis­zins lie­gen­der Zin­sen seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te be­haup­tet, die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin T. ha­be bei der Be­spre­chung am 29.03.2006 im Rah­men ei­ner kur­zen Be­gründung ge­wis­ser­maßen nur an­mo­de­rie­rend aus­geführt, dass es Vorwürfe ge­gen den Kläger ge­be, die die Staats­an­walt­schaft Frank­furt am Main ver­an­lasst hätten, ein Straf­ver­fah­ren we­gen des Ver­dachts der Un­treue ein­zu­lei­ten und in die­sem Zu­ge nun Durch­su­chungs­maßnah­men er­for­der­lich würden. Die Hin­wei­se der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin hätten aus­sch­ließlich der Un­ter­rich­tung der Mit­ar­bei­ter des Kom­mi­sa­ri­ats ge­dient. Sie sei­en über die be­vor­ste­hen­de vorläufi­ge Dienstent­he­bung des Klägers, den Um­stand, dass Herr B. als Ab­we­sen­heits­ver­tre­ter zunächst das Kom­mis­sa­ri­at lei­te, da der Kläger zunächst nicht mehr zur Verfügung ste­he so­wie das ge­genüber dem Kläger aus­zu­spre­chen­de Haus­ver­bot in­for­miert wor­den. Es sei bei die­sem Gespräch we­der von der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin noch von Herrn Ba. geäußert wor­den, dass der Kläger we­gen sei­ner Straf­ta­ten nicht mehr in den Po­li­zei­dienst zurück keh­ren wer­de und al­le Be­am­ten sich von ihm fern­hal­ten bzw. kei­nen Kon­takt mehr zu ihm auf­neh­men soll­ten. Die Be­rich­te in der „B.-Zei­tung“ und an­de­re Pres­se­be­rich­te sei­en we­der von der Behörden­lei­tung des Po­li­zei­präsi­di­ums Frank­furt am Main noch durch die Pres­se­stel­le des Po­li­zei­präsi­di­ums Frank­furt am Main gefördert oder ver­an­lasst wor­den. Der Po­li­zei­präsi­dent sei nicht vor dem Pres­se­inter­view bei der „B.-Zei­tung“ über die Er­mitt­lun­gen des Hes­si­schen Lan­des­kri­mi­nal­am­tes in­for­miert ge­we­sen, viel­mehr ha­be er erst­mals am 14.02.2008 die Er­mitt­lungs­ak­te an­ge­for­dert und Kennt­nis von de­ren In­halt er­langt.

Die Kam­mer hat gem. Be­weis­be­schluss vom 11.08.2010 (Bl. 223 f. d. A.) i. d. F. vom 17.09.2010 (Bl. 273 Rs. d. A.) und vom 06.10.2010 (Bl. 290 d. A.) Be­weis er­ho­ben durch Ver­neh­mung der Zeu­gen W., G., B., J., V., Br., T., Ba., K., M., Sch., K. und Bra. We­gen des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me wird auf die Pro­to­kol­le der öffent­li­chen Sit­zun­gen vom 10.11.2010 (Bl. 298 ff. d. A.) und vom 29.11.2010 (Bl. 403 ff. d. A.) ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Kla­ge ist nur zum Teil be­gründet.

Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Zah­lung von Schmer­zens­geld in Höhe von 8.000,- € gem. § 839 i. V. m. Art. 34 , 1 , 2 Abs. 1 GG we­gen ei­ner schwe­ren Ver­let­zung sei­nes all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts.

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Es ist an­er­kannt, dass ein Amts­haf­tungs­an­spruch we­gen der Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts die Zah­lung ei­ner Gel­dentschädi­gung für im­ma­te­ri­el­le Schäden zum Ge­gen­stand ha­ben kann (BGH, NJW 1994, 1950 [BGH 17.03.1994 - III ZR 15/93] ; Pa­landt/Sprau, BGB. 70. Aufl., § 839, Rz. 37). Da­bei ist je­doch zu be­ach­ten, dass die rechts­wid­ri­ge und schuld­haf­te Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts nicht aus­nahms­los die Zu­bil­li­gung ei­ner Gel­dentschädi­gung recht­fer­tigt. Viel­mehr führt die Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs nur dann zu ei­nem An­spruch auf Gel­dentschädi­gung, wenn es sich um ei­nen schwer­wie­gen­den Ein­griff han­delt und die Be­ein­träch­ti­gung nicht in an­de­rer Wei­se be­frie­di­gend aus­ge­gli­chen wer­den kann (BGH, a. a. O.; NJW 1995, 861, [BGH 15.11.1994 - VI ZR 56/94] NJW 1996, 984, [BGH 05.12.1995 - VI ZR 332/94] NJW 2005, 215 [BGH 05.10.2004 - VI ZR 255/03] ; OLG Düssel­dorf, NJW 1995, 1791; Pa­landt/Sprau, a. a. O., § 823, Rz. 124 m. w. N.).

Ob ei­ne schwer­wie­gen­de Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts in die­sem Sin­ne vor­liegt, ist ins­be­son­de­re von der Be­deu­tung und der Trag­wei­te des Ein­griffs, der Nach­hal­tig­keit und Fort­dau­er der In­ter­es­sen- oder Rufschädi­gung des Ver­letz­ten, fer­ner auch von An­lass und Be­weg­grund des Han­deln­den so­wie von dem Grad sei­nes Ver­schul­dens abhängig. Da­bei lässt sich die Fra­ge, ob ei­ne Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung so schwer­wie­gend ist, dass die Zu­bil­li­gung von Schmer­zens­geld ge­recht­fer­tigt ist, nur an­hand der Ge­samt­umstände des Ein­zel­falls be­ant­wor­ten (BGH, a. a. O., OLG Düssel­dorf, a. a. O.).

Bei An­wen­dung die­ser Grundsätze ist vor­lie­gend die Zu­bil­li­gung ei­ner Gel­dentschädi­gung in Höhe von 8.000,- € ge­recht­fer­tigt.

Die da­ma­li­ge Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin T. hat das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht des Klägers durch ih­re Äußerun­gen im Rah­men der Mit­ar­bei­ter­be­spre­chung in schwe­rer Wei­se ver­letzt.

Nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me steht für die Kam­mer mit hin­rei­chen­der Ge­wiss­heit fest, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin T. am 29.03.2006 während der Mit­ar­bei­ter­be­spre­chung erklärt hat, dass der Kläger in kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­strickt sei und nicht mehr auf die Dienst­stel­le zurück­keh­ren wer­de. Dafür wer­de sie persönlich sor­gen. Die Be­am­ten soll­ten sich von ihm fern­hal­ten und kei­nen Kon­takt zu ihm auf­neh­men.

Die Zeu­gen W., G. und J. ha­ben im Rah­men ih­rer Ver­neh­mung aus­ge­sagt, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin während der Be­spre­chung erklärt ha­be, der Kläger sei in kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­strickt. Die­se Aus­sa­gen sind glaub­haft. Da­bei ver­kennt die Kam­mer nicht, dass die Zeu­gen auf Grund ih­res ge­mein­sa­men Be­ru­fes und der Be­deu­tung bzw. Außer­gewöhn­lich­keit des Er­eig­nis­ses vom 29.03.2006 in der Fol­ge­zeit häufi­ger über die Vorfälle ge­spro­chen ha­ben und des­halb grundsätz­lich die Möglich­keit der Sug­ges­ti­on be­steht. Auch wur­de im Be­weis­be­schluss der Kam­mer vom 11.08.2010 das Be­weisthe­ma aus­drück­lich be­nannt, so dass auch in­so­weit die Möglich­keit der (un­be­wuss­ten) Be­ein­flus­sung be­steht. Nichts­des­to­we­ni­ger ist die Kam­mer von der Rich­tig­keit der Aus­sa­gen über­zeugt. Die Zeu­gen ha­ben nämlich nicht le­dig­lich ziel­ge­rich­tet und oh­ne Ab­wei­chung in De­tails übe­rein­stim­mend das Be­weisthe­ma bestätigt. Viel­mehr ent­hal­ten die Aus­sa­gen hin­sicht­lich der kon­kre­ten Ein­zel­hei­ten durch­aus Un­ter­schie­de, die dafür spre­chen, dass die Zeu­gen ei­nen in­di­vi­du­ell er­leb­ten Sach­ver­halt schil­dern und nicht ein nachträglich kon­stru­ier­tes Ge­sche­hen. So hat et­wa der Zeu­ge W. aus­ge­sagt, dass er an den kon­kre­ten Wort­laut der Äußerung der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin kei­ne Er­in­ne­rung mehr ha­be, die­se ent­we­der da­von ge­spro­chen ha­be, dass der Kläger in kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­strickt sei, Straf­ta­ten oder kri­mi­nel­le Ta­ten be­gan­gen ha­be. Der Zeu­ge G. hat da­ge­gen be­kun­det, die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin ha­be erklärt, dass der Kläger in kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­strickt sei und dies da­mit be­gründet ha­be, dass ein Rich­ter so­gar ei­nen Durch­su­chungs­be­schluss er­las­sen ha­be. Der Zeu­ge G. hat zu­dem ab­wei­chend von dem Zeu­gen W. ergänzend be­kun­det, dass er sich zu Wort ge­mel­det und ge­sagt ha­be, dass die Vorwürfe wohl kei­ner­lei Be­stand ha­ben dürf­ten und die­se von be­stimm­ten Leu­ten an­ge­lei­ert wor­den wären. Der Zeu­ge J. hat in­so­weit ei­nen an­de­ren Wort­laut an­ge­ge­ben und aus­ge­sagt, der Zeu­ge G. ha­be die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin ge­fragt, ob ge­gen die Ur­he­ber der An­ge­le­gen­heit vor­ge­gan­gen wer­de, wenn sich die Vorwürfe ge­gen den Kläger als Null und Nich­tig her­aus­stel­len soll­ten. Fer­ner hat der Zeu­ge J. wie­der­um ab­wei­chend bzw. zusätz­lich zu den bei­den an­de­ren Zeu­gen be­kun­det,

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dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin ge­sagt ha­be, dass ihr der Kläger von ei­ner frühe­ren Sa­che be­kannt sei und die Staats­an­walt­schaft da­mals schlam­pig er­mit­telt ha­be.

Die­se im De­tail be­ste­hen­den Un­ter­schie­de, die nicht den Kern der je­wei­li­gen Aus­sa­gen be­tref­fen, spre­chen nicht ge­gen die Glaub­haf­tig­keit der Be­kun­dun­gen. Sie sind viel­mehr auf Grund der un­ter­schied­li­chen sub­jek­ti­ven Wahr­neh­mung je­der Per­son, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich des Rand­ge­sche­hens, so­wie der nach dem ein­ge­tre­te­nen Zeit­ab­lauf un­ter­schied­li­chen Er­in­ne­rung der Zeu­gen oh­ne wei­te­res nach­voll­zieh­bar. Wie be­reits erörtert, hätte die per­fek­te Übe­rein­stim­mung der Aus­sa­gen auch in den De­tails viel­mehr um­ge­kehrt auf ei­ne ge­gen­sei­ti­ge Sug­ges­ti­on hin­ge­deu­tet. Aus dem Um­stand, dass der ei­ne Zeu­ge die­ses und der an­de­re Zeu­ge je­nes De­tail schil­dert und Ein­zel­hei­ten teil­wei­se ver­schie­den dar­ge­stellt wer­den, er­gibt sich, dass vor­lie­gend Selbst­er­leb­tes ge­schil­dert wor­den ist.

Für die Glaub­haf­tig­keit der Aus­sa­gen spricht zu­dem, dass die Zeu­gen auch in dem für den Aus­gang des Rechts­streits re­le­van­ten Kern­ge­sche­hen of­fen Wis­senslücken ein­geräumt ha­ben. Der Zeu­ge W. hat aus­ge­sagt, sich an den ge­nau­en Wort­laut der For­mu­lie­rung nicht mehr er­in­nern zu können. Der Zeu­ge G. hat ein­ge­stan­den, sich nicht si­cher zu sein, ob die Vi­ze­präsi­den­tin ge­sagt ha­be, dass sie dafür sor­gen wer­de, dass der Kläger nicht zur Po­li­zei zurück kom­me. Auch er­in­ne­re er sich nicht, ob sie von „schwe­ren“ kri­mi­nel­len Ma­chen­schaf­ten des Klägers oder al­lein von kri­mi­nel­len Ma­chen­schaf­ten ge­spro­chen ha­be. Auch der Zeu­ge J. hat be­kun­det, nicht zu wis­sen, ob die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin geäußert ha­be, dass der Kläger nicht in den Dienst zurück­keh­ren wer­de.

Die Glaub­haf­tig­keit der Aus­sa­gen wird fer­ner da­durch bestätigt, dass die Zeu­gen G. und J. an­schau­lich ih­re Gefühls­la­ge und Re­ak­ti­on auf die Äußerun­gen der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin ge­schil­dert ha­ben. So hat der Zeu­ge G. aus­ge­sagt, dass er über die In­for­ma­ti­on, der Kläger sei sus­pen­diert wor­den, über­rascht und kon­ster­niert ge­we­sen sei und sich dar­auf­hin zu Wort ge­mel­det ha­be. Der Zeu­ge J. hat be­kun­det, dass er nach der Mit­tei­lung ge­schockt ge­we­sen sei. Die Schil­de­rung die­ser in­di­vi­du­el­len Re­ak­tio­nen, die an­ge­sichts der kom­pro­miss­lo­sen Äußerun­gen der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin plau­si­bel er­schei­nen, zeigt, dass die Zeu­gen vor­lie­gend ein selbst er­leb­tes Ge­sche­hen be­kun­det ha­ben.

Zu­dem stim­men die Aus­sa­gen im we­sent­li­chen mit den Aus­sa­gen der Zeu­gen V., Br., Sch. und M. übe­rein. Die­se ha­ben nämlich be­kun­det, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin geäußert ha­be, der Kläger sei in „schwe­re“ kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­strickt. Auch wenn die Kam­mer an­ge­sichts der sich in­so­weit wi­der­spre­chen­den Aus­sa­gen nicht da­von über­zeugt ist, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin von „schwe­ren“ kri­mi­nel­len Ma­chen­schaf­ten ge­spro­chen hat, bestäti­gen auch die­se Zeu­gen, dass im Kern zu­min­dest von kri­mi­nel­len Ma­chen­schaf­ten die Re­de war. Dass die an­geführ­ten Zeu­gen­aus­sa­gen vor­lie­gend nicht gänz­lich übe­rein­stim­men und hin­sicht­lich der Fra­ge, ob die kri­mi­nel­len Ma­chen­schaf­ten zusätz­lich als schwer qua­li­fi­ziert wur­den, von­ein­an­der ab­wei­chen, spricht im Hin­blick dar­auf, dass das Wahr­neh­men und Be­hal­ten von Vorgängen von Sub­jek­ti­vität ge­prägt ist, wie­der­um nicht ge­gen, son­dern viel­mehr für die Glaub­haf­tig­keit der je­wei­li­gen Aus­sa­gen.

Die Be­kun­dun­gen der Zeu­gen V., Br., Sch. und M. sind im Kern glaub­haft. Dies folgt nach Über­zeu­gung der Kam­mer in ers­ter Li­nie dar­aus, dass die Zeu­gen im Ver­gleich zu den je­weils an­de­ren Zeu­gen un­ter­schied­li­che De­tails be­rich­ten und da­mit zei­gen, dass sie in­di­vi­du­ell er­leb­tes und kein nachträglich kon­stru­ier­tes Ge­sche­hen wie­der­ge­ben. So hat der Zeu­ge V. be­kun­det, die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin ha­be erklärt, sie ha­be den Chef vom Dienst sus­pen­die­ren müssen, weil er in schwe­re kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­strickt sei und er wer­de nicht mehr auf die Dienst­stel­le zurück­kom­men. Der Kläger ha­be mas­si­ve Ver­feh­lun­gen be­gan­gen, die auf­geklärt wer­den müss­ten; dafür wer­de sie sor­gen. Der Zeu­ge Br. hat da­ge­gen aus­ge­sagt, die Vi­ze­präsi­den­tin ha­be erst auf Nach­fra­ge erklärt, dass der Kläger in schwe­re kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­strickt sei. Auch ha­ben die Zeu­gen wie­der­um an meh­re­ren Stel­len Wis­sens- bzw. Er­in­ne­rungslücken ein­ge­stan­den und nach­voll­zieh­bar ih­re gefühlsmäßige Re­ak­ti­on auf die Äußerun­gen der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin be­kun­det. Ins­be­son­de­re der Zeu­ge Br. hat sei­ne Gefühls­la­ge sehr an­schau­lich ge­schil­dert und aus­ge­sagt, dass er ge­schockt und ent­setzt ge­we­sen sei und sich mit den Vorwürfen al­lein ge­las­sen gefühlt ha­be. Auch ha­be er sich Ge­dan­ken darüber ge­macht, wie er mit den Vorwürfen um­ge­hen

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wer­de.

Die Kam­mer ist auch des­halb da­von über­zeugt, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin erklärt hat, der Kläger sei in kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­strickt, weil die­se Äußerung mit den sons­ti­gen Umständen har­mo­niert und sich zwang­los mit der Le­bens­er­fah­rung in Ein­klang brin­gen lässt. So er­scheint die gewähl­te For­mu­lie­rung vor dem Hin­ter­grund, dass die Vi­ze­präsi­den­tin erst seit kürze­rer Zeit im Amt war und in­so­weit ih­re Tat­kraft erst noch un­ter Be­weis stel­len muss­te, durch­aus vor­stell­bar. Auch fügt sie sich wi­der­spruchs­los in den Ge­samt­zu­sam­men­hang und die an­sons­ten ver­wen­de­te Wort­wahl ein, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die von der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin selbst ein­ge­stan­de­ne Erklärung, der Kläger wer­de nicht mehr auf die Dienst­stel­le zurück keh­ren. Wei­ter­hin er­gibt sich die Plau­si­bi­lität der Erklärung dar­aus, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin – wie von ihr selbst aus­ge­sagt - während der Be­spre­chung kei­ne Ein­zel­hei­ten zu den Vorwürfen ge­nannt hat. Es liegt des­halb na­he, dass sie die ge­gen den Kläger be­ste­hen­de Ver­dachts­la­ge mit der streit­ge­genständ­li­chen Äußerung um­schrie­ben bzw. zu­sam­men­ge­fasst hat. Dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin kei­ne nähe­ren De­tails zu dem ver­meint­lich straf­recht­lich re­le­van­ten Ver­hal­ten des Klägers be­kannt ge­ge­ben hat, er­gibt sich ne­ben der Aus­sa­ge der Vi­ze­präsi­den­tin u. a. aus den Be­kun­dun­gen des eben­falls von der Be­klag­ten be­nann­ten Zeu­gen Ba., der im ein­zel­nen nach­voll­zieh­bar be­kun­det hat, dass nicht von kon­kre­ten Straf­tat­beständen ge­spro­chen wor­den sei, weil dies un­ter kri­mi­na­lis­ti­schen Ge­sichts­punk­ten nicht sinn­voll ge­we­sen wäre. Dies ha­be man im Rah­men der Vor­be­spre­chung so ver­ein­bart. Dies ha­ben auch die Zeu­gen V. und Sch. bestätigt. Zu­dem hat der Zeu­ge B., der sach­lich und oh­ne er­kenn­ba­re Be­las­tungs­ten­den­zen aus­ge­sagt hat, an­schau­lich dar­ge­stellt, dass er in Un­kennt­nis der kon­kre­ten Vorwürfe ge­dacht ha­be, der Kläger ha­be je­man­den „er­schos­sen“ bzw. es müsse et­was ganz Schwer­wie­gen­des pas­siert sein. Dies spricht eben­falls dafür, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin die kon­kret in Be­tracht kom­men­den Vorwürfe nicht ge­nannt hat.

Der An­nah­me, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin T. geäußert hat, der Kläger sei in kri­mi­nel­le Ma­chen­schaf­ten ver­wi­ckelt, steht auch ih­re Zeu­gen­aus­sa­ge nicht ent­ge­gen. Un­abhängig da­von, in­wie­weit die Aus­sa­ge der Zeu­gin T. an­ge­sichts der deut­li­chen Dis­tan­zie­rung von ih­rer ei­ge­nen Aus­sa­ge durch den je­weils ver­wen­de­ten Zu­satz „ich er­in­ne­re“ ins­ge­samt glaub­haft ist oder nicht, hat sie zu der Fra­ge, ob sie sich ent­spre­chend geäußert hat, kei­ne Stel­lung be­zo­gen und nicht et­wa ei­ne der­ar­ti­ge Äußerung aus­ge­schlos­sen.

Für die Kam­mer steht fer­ner fest, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin während der Be­spre­chung am 29.03.2006 erklärt hat, dass der Kläger nicht mehr auf die Dienst­stel­le zurück­keh­ren wer­de. Dies folgt schon dar­aus, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin im Rah­men ih­rer Ver­neh­mung selbst aus­ge­sagt hat, dass sie geäußert ha­be, der Kläger wer­de nicht mehr als Dienst­stel­len­lei­ter auf die Dienst­stel­le zurück­keh­ren. Die­se Aus­sa­ge wird durch die im we­sent­li­chen in­halts­glei­chen glaub­haf­ten Be­kun­dun­gen der Zeu­gen W., B., J., V., Br. so­wie F., die eben­falls aus­ge­sagt ha­ben, die Vi­ze­präsi­den­tin ha­be erklärt, der Kläger keh­re nicht auf die Dienst­stel­le zurück, bestätigt. Da­ge­gen ist die Kam­mer an­ge­sichts der so­eben an­geführ­ten, in­so­weit wi­der­spre­chen­den Aus­sa­gen nicht da­von über­zeugt, dass – so wie von den Zeu­gen G., Sch. und M. be­kun­det - die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin geäußert hat, der Kläger wer­de nicht mehr zur Po­li­zei zurück­keh­ren. Dafür spricht auch nicht die vorläufi­ge Su­s­pen­die­rung des Klägers, da im Fal­le ei­ner Su­s­pen­die­rung der Be­trof­fe­ne auch nicht mehr auf sei­ne frühe­re Dienst­stel­le zurück­kehrt und es des­halb durch­aus möglich ist, dass sich die Aus­sa­ge der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin auf die Dienst­stel­le be­schränk­te.

Zu­dem geht die Kam­mer da­von aus, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin zusätz­lich an­ge­ge­ben hat, sie wer­de persönlich dafür sor­gen, dass der Kläger nicht zurück­keh­re. Dies ha­ben die Zeu­gen W., Br., Sch. und M. be­kun­det, de­ren Aus­sa­gen aus den be­reits oben erörter­ten Gründen glaub­haft sind. Die Äußerung er­scheint auch plau­si­bel, da die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin über ent­spre­chen­de Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se bzw. Ein­flussmöglich­kei­ten verfügt und sie im Rah­men ih­rer Ver­neh­mung selbst aus­ge­sagt hat, dass sie ei­ne Rück­kehr des Klägers aus fürsorg­li­chen Über­le­gun­gen aus­sch­ließe. Es liegt vor die­sem Hin­ter­grund na­he, dass sie sich auch persönlich für ei­ne Nichtrück­kehr des Klägers auf die Dienst­stel­le ha­be ein­set­zen wol­len.

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Sch­ließlich be­steht für die Kam­mer nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me auch hin­rei­chen­de Ge­wiss­heit, dass die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin den Mit­ar­bei­tern des Kom­mis­sa­ri­ats ge­ra­ten hat, sich vom Kläger fern­zu­hal­ten. Dies hat der von der Be­klag­ten be­nann­te Zeu­ge F., der am Aus­gang des Rechts­streits kein In­ter­es­se hat, oh­ne Um­schwei­fe glaub­haft be­kun­det. Die Aus­sa­ge des Zeu­gen F. wird in­so­weit durch die Be­kun­dun­gen der Zeu­gen W., G., B., J., V., Br., Sch. so­wie M. bestätigt, die eben­falls – wenn auch mit un­ter­schied­li­chen For­mu­lie­run­gen – aus­ge­sagt ha­ben, die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin hätte die an­we­sen­den Be­am­ten auf­ge­for­dert, sich vom Kläger fern­zu­hal­ten. Zu­dem hat auch die Zeu­gin T. im Rah­men ih­rer Ver­neh­mung ei­ne sol­che Äußerung nicht aus­ge­schlos­sen, son­dern le­dig­lich be­kun­det, dass sie sich dar­an nicht er­in­ne­re.

Die dar­ge­stell­ten Äußerun­gen der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin las­sen die er­for­der­li­che Rück­sicht­nah­me auf die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Klägers ver­mis­sen und ver­let­zen sei­nen An­spruch auf so­zia­le An­er­ken­nung ge­genüber sei­nen Kol­le­gen und Mit­ar­bei­tern. Der Kläger wur­de durch die Erklärun­gen der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin stig­ma­ti­siert und sein An­se­hen er­heb­lich beschädigt. Es han­del­te sich nicht um ei­ne aus­ge­wo­ge­ne und sach­li­che In­for­ma­tio­nen über den Ver­dacht der Be­ge­hung von Straf­ta­ten durch den Kläger. Viel­mehr ent­hiel­ten die Äußerun­gen ei­ne Vor­ver­ur­tei­lung des Klägers und ver­stießen in­so­weit ge­gen die Un­schulds­ver­mu­tung. Die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin hat die Be­am­ten des Kom­mi­sa­ri­ats nicht ob­jek­tiv und sach­lich über den Er­kennt­nis­stand des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens, wel­ches ganz am An­fang stand, un­ter­rich­tet, son­dern den Sach­ver­halt aus ih­rer Sicht be­wer­tet und zu er­ken­nen ge­ge­ben, dass die Vorwürfe ge­gen den Kläger ih­rer Mei­nung nach be­rech­tigt sind.

Un­ter Berück­sich­ti­gung der be­reits erörter­ten maßgeb­li­chen Kri­te­ri­en, die ei­ne Persönlich­keits­ver­let­zung als schwer­wie­gend qua­li­fi­zie­ren (Be­deu­tung und Trag­wei­te des Ein­griffs, Nach­hal­tig­keit und Fort­dau­er der In­ter­es­sen- oder Rufschädi­gung, An­lass und Be­weg­grund des Han­deln­den so­wie Grad des Ver­schul­dens) ist vor­lie­gend von ei­ner schwe­ren Persönlich­keits­ver­let­zung des Klägers aus­zu­ge­hen. Die­se Be­wer­tung folgt für die Kam­mer in ers­ter Li­nie dar­aus, dass für die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin über­haupt kein An­lass für der­ar­ti­ge Äußerun­gen be­stand. Sie hätte dem un­zwei­fel­haft be­ste­hen­den In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis der Mit­ar­bei­ter des Kom­mi­sa­ri­ats oh­ne wei­te­res da­durch Rech­nung tra­gen können, dass sie sach­lich und oh­ne ei­ge­ne Be­ur­tei­lung der Vorwürfe über die Sach­la­ge und die äußeren Umstände be­rich­tet hätte. So hätte es aus­ge­reicht, die an­we­sen­den Be­am­ten über die Tat­sa­che, dass ihr ein Ord­ner mit straf­recht­lich re­le­van­ten Ver­dachts­mo­men­ten ge­gen den Kläger über­ge­ben und die­ser an die Staats­an­walt­schaft Frank­furt am Main wei­ter­ge­lei­tet wur­de, zu in­for­mie­ren. Fer­ner hätte sie die Be­am­ten über die Ein­lei­tung des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens und des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens, den Er­lass des Durch­su­chungs­be­schlus­ses durch das Amts­ge­richt Frank­furt am Main so­wie die per­so­nel­len Kon­se­quen­zen für das Kom­mis­sa­ri­at un­ter­rich­ten können. Wei­te­re, über die­se sach­li­chen In­for­ma­tio­nen hin­aus­ge­hen­de Erklärun­gen wa­ren we­der zur Auf­recht­er­hal­tung des Be­triebs des Kom­mis­sa­ri­ats noch zur Be­frie­di­gung des In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­ses der Be­am­ten er­for­der­lich. Zu­dem ist die Persönlich­keits­ver­let­zung auch des­halb als schwer­wie­gend zu qua­li­fi­zie­ren, weil die Vorwürfe der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin während der ge­sam­ten Dau­er des Er­mitt­lungs- und Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens un­verändert im Raum stan­den. Fer­ner ist zu berück­sich­ti­gen, dass die Äußerun­gen, ins­be­son­de­re mit der ver­bun­de­nen Auf­for­de­rung, sich von dem Kläger fern­zu­hal­ten, er­heb­li­chen dif­fa­mie­ren­den Cha­rak­ter hat­ten.

Die Amts­pflicht­ver­let­zung ge­schah auch schuld­haft. Die Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin hätte bei An­wen­dung der er­for­der­li­chen Sorg­falt er­ken­nen können, dass ih­re Äußerun­gen den Kläger in un­an­ge­mes­se­ner Wei­se vor­ver­ur­tei­len und sie in­so­weit ge­gen ih­re Amts­pflich­ten verstößt ( § 276 BGB ).

Da­ge­gen kann sich der Kläger nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dass wei­te­re (schwer­wie­gen­de) Persönlich­keits­ver­let­zun­gen vor­lie­gen, die ei­ne höhe­re Gel­dentschädi­gung recht­fer­ti­gen. So stellt die Ein­lei­tung des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens oh­ne vor­he­ri­ge Anhörung des Klägers vor­lie­gend schon kei­ne Amts­pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten dar. Zwar war dem Kläger gem. § 22 Abs. 2 S. 1 Hes­si­sche Dis­zi­pli­nar­ord­nung grundsätz­lich Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me zu ge­ben, so­bald dies oh­ne Gefähr­dung des Er­mitt­lungs­zwecks möglich war. Die­se Anhörungs­pflicht wur­de je­doch da­durch über­holt, dass das Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren zu­gleich mit sei­ner Ein­lei­tung im Hin­blick auf das staats­an­walt­schaft­li­che Er­mitt­lungs­ver­fah­ren aus­ge­setzt wur­de. Während der Zeit der Aus­set­zung durf­te die Be­klag­te von ei­ner Anhörung des Klägers ab­se­hen, da die Sach­ver­halts­aufklärung im

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Rah­men des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens er­fol­gen soll­te (BGH, MDR 2000, 333 [BGH 09.12.1999 - III ZR 194/98] ). Auch die Über­sen­dung des Ord­ners an die Staats­an­walt­schaft und die Ein­lei­tung des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens oh­ne vor­he­ri­ge Anhörung des Klägers ha­ben nicht zu ei­ner Persönlich­keits­ver­let­zung des Klägers geführt. Die Be­klag­te ist auf Grund ih­rer be­am­ten­recht­li­chen Fürsor­ge­pflicht ge­hal­ten, ih­re Be­am­ten nicht vor­schnell der Straf­ver­fol­gung aus­zu­set­zen (VG Ko­blenz, DÖD 1983, 231). Das Verhält­nis zwi­schen Be­am­ten und Dienst­vor­ge­set­zen muss von Of­fen­heit und Ver­trau­en be­herrscht sein. Dar­aus folgt, dass der Dienst­vor­ge­setz­te aus ei­nem Sach­ver­halt grundsätz­lich nur dann ei­ne dem Be­am­ten ungüns­ti­ge Fol­ge­rung zie­hen darf, wenn er zu­vor dem Be­am­ten Ge­le­gen­heit ge­ge­ben hat, zu dem Sach­ver­halt Stel­lung zu neh­men und Erklärun­gen darüber ab­zu­ge­ben, wie er zu sei­ner Hand­lungs­wei­se ge­kom­men ist (BGH, a. a. O.). Un­ge­ach­tet der Fra­ge, in­wie­weit die­se Grundsätze auch im Fall des Be­ste­hens ei­ner An­zei­ge­pflicht des Dienst­herrn bzw. im Fall, dass durch die vor­he­ri­ge Anhörung des Be­am­ten die wei­te­ren Er­mitt­lun­gen gefähr­det wer­den, Gel­tung be­an­spru­chen, ist je­doch vor­lie­gend zu berück­sich­ti­gen, dass die un­ter­blie­be­ne Anhörung kei­ne ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen für den Kläger hat­te. Dass das Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ei­nen den Kläger we­ni­ger be­las­ten­den Ver­lauf ge­nom­men hätte bzw. die Be­klag­te von der Über­sen­dung der Ord­ner an die Staats­an­walt­schaft bei vor­he­ri­ger Anhörung des Klägers Ab­stand ge­nom­men hätte, ist we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich. Viel­mehr er­scheint es vor dem Hin­ter­grund der Aufklärungs­schwie­rig­kei­ten im Rah­men des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens und der Kom­ple­xität der Vorwürfe aus­ge­schlos­sen, dass sich die Vorwürfe durch die vor­he­ri­ge Anhörung des Klägers oh­ne wei­te­res hätten ausräum­en las­sen und die Anhörung die Be­klag­te von der An­zei­ge ab­ge­hal­ten hätte.

Auch hat die Be­klag­te das Persönlich­keits­recht des Klägers nicht durch die streit­ge­genständ­li­chen Pres­se­veröffent­li­chun­gen ver­letzt.

Die Äußerun­gen des Po­li­zei­präsi­den­ten Dr. T. stel­len kei­nen Ein­griff in das Persönlich­keits­recht des Klägers dar. Zunächst ist nicht zu be­an­stan­den, dass der Po­li­zei­präsi­dent die Pres­se über den Sach­ver­halt in­for­miert hat, da der Öffent­lich­keit in­so­weit ein In­for­ma­ti­ons­recht zu­steht. Auch der In­halt der Erklärun­gen des Po­li­zei­präsi­den­ten ist nicht zu be­an­stan­den. Hin­sicht­lich des Falls des Klägers hat der Po­li­zei­präsi­dent oh­ne den Na­men des Klägers zu erwähnen, al­lein den ob­jek­ti­ven Ge­ge­ben­hei­ten ent­spre­chend darüber be­rich­tet, dass ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen den Kläger lau­fe, dass ihm Haus­ver­bot er­teilt wor­den sei, ihm die Dienst­waf­fe ent­zo­gen, er vom Dienst sus­pen­diert sei und sei­ne Bezüge gekürzt wor­den sei­en. Die­se (sach­li­che) Schil­de­rung enthält kei­ne Vor­ver­ur­tei­lung des Klägers und kei­nen Ver­s­toß ge­gen die Un­schulds­ver­mu­tung, viel­mehr wird der Sach­ver­halt neu­tral dar­ge­stellt. Auch die Aus­sa­ge, es wäre an­ge­sichts der Vor­wurfs­la­ge nicht op­ti­mal, wenn der Kläger zurück­keh­ren würde, enthält kei­ne Stel­lung­nah­me in der Sa­che selbst und kei­ne Be­wer­tung über die Be­rech­ti­gung des Tat­ver­dachts. Es wird in­so­weit al­lein auf die tatsächlich auf­tre­ten­den Schwie­rig­kei­ten bei ei­ner Rück­kehr des Klägers, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Ar­beits­at­mo­sphäre im Kom­mis­sa­ri­at, hin­ge­wie­sen. Zu­dem wähl­te der Po­li­zei­präsi­dent aus­drück­lich ei­ne zurück­hal­ten­de For­mu­lie­rung („nicht op­ti­mal“). Fer­ner sind auch die Äußerun­gen des Po­li­zei­präsi­den­ten, die sich auf ver­schie­de­ne Vorfälle aus der Ver­gan­gen­heit bei der Frank­fur­ter Po­li­zei be­zie­hen, nicht ge­eig­net, ei­ne Persönlich­keits­ver­let­zung des Klägers zu be­gründen. Der Po­li­zei­präsi­dent drückt in­so­weit le­dig­lich ganz all­ge­mein sei­nen Un­mut darüber aus, dass durch das Fehl­ver­hal­ten ein­zel­ner Be­am­ter ein schlech­ter Ein­druck hin­sicht­lich der Frank­fur­ter Po­li­zei ins­ge­samt ent­ste­he. Ein Be­zug zu dem Sach­ver­halt des Klägers wird nicht her­ge­stellt und lässt sich dem In­halt des In­ter­views nicht ent­neh­men.

Ob sich aus der räum­li­chen An­ord­nung der Pres­se­ar­ti­kel ein Be­zug zu dem Kläger er­gibt und die­ser so in den Vor­der­grund gerückt wird, dass ei­ne Vor­ver­ur­tei­lung des Klägers er­folgt, kann vor­lie­gend da­hin­ge­stellt blei­ben. Je­den­falls steht nicht fest, dass die kon­kre­te An­ord­nung der Pres­se­ar­ti­kel durch die Be­klag­te ver­an­lasst wur­de und der Kläger planmäßig in den Mit­tel­punkt gerückt wur­de. Der Zeu­ge Br. hat dies bei sei­ner Ver­neh­mung nicht bestätigt. Der eben­falls zu dem Ter­min ge­la­de­ne von der Be­klag­ten be­nann­te Zeu­ge Dr. T. war in­so­weit nicht ge­gen­be­weis­lich zu ver­neh­men, da dem Kläger be­reits der Haupt­be­weis nicht ge­lun­gen ist. Dar­an ändert auch die Vor­schrift des § 399 ZPO nichts. Die­se räumt nur dem Geg­ner des Be­weisführers, vor­lie­gend al­so der Be­klag­ten, das Recht ein, im Fall, dass der Be­weisführer auf sei­nen Zeu­gen ver­zich­tet, zu ver­lan­gen, den er­schie­ne­nen Zeu­gen ver­neh­men zu las­sen.

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Sch­ließlich ist es auch un­er­heb­lich, ob der Po­li­zei­präsi­dent be­reits vor dem Pres­se­inter­view über die Er­kennt­nis­se des Hes­si­schen Lan­des­kri­mi­nal­am­tes un­ter­rich­tet war oder nicht. Der Po­li­zei­präsi­dent hat kei­ne in­halt­li­chen Äußerun­gen in der Sa­che ge­trof­fen, so dass nicht er­sicht­lich ist, wes­halb er bei ent­spre­chen­der Kennt­nis die Erklärun­gen so nicht hätte ab­ge­ben dürfen. Der Po­li­zei­präsi­dent wäre zu­dem auch bei Kennt­nis nicht ver­pflich­tet ge­we­sen, die Pres­se über die in­ter­nen Einschätzun­gen des Hes­si­schen Lan­des­kri­mi­nal­am­tes zu un­ter­rich­ten, son­dern durf­te sich auf die Wie­der­ga­be der ob­jek­ti­ven äußeren Tat­sa­chen be­schränken.

Auch die vom Kläger be­haup­te­ten psy­chi­schen Be­ein­träch­ti­gun­gen führen nicht zu ei­ner Erhöhung des Schmer­zens­gel­des. Der Kläger hat nicht aus­rei­chend dar­ge­legt, dass die­se kau­sal auf den Äußerun­gen der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin be­ru­hen. Ins­be­son­de­re die vor­ge­leg­ten At­tes­te der Ärz­te P. und W.L. vom 10.06.2010 und 29.05.2010 (Bl. 189 f. d. A.) tref­fen in­so­weit kei­ne Aus­sa­ge. Die Kam­mer er­ach­tet es zwar oh­ne wei­te­res für nach­voll­zieh­bar, dass der Kläger da­mals psy­chi­sche Be­las­tun­gen er­lit­ten hat. Dass die­se aber ge­ra­de auf den Erklärun­gen der Po­li­zei­vi­ze­präsi­den­tin be­ruh­ten, er­scheint we­nig wahr­schein­lich, viel­mehr dürf­ten - wie von den Ärz­ten ge­schil­dert - die sons­ti­gen Umstände, wie die vorläufi­ge Su­s­pen­die­rung, das Er­mitt­lungs­ver­fah­ren und die ne­ga­ti­ven Pres­se­be­rich­te, für die ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen des Klägers kau­sal ge­wor­den sein.

Die Kam­mer er­ach­tet im Rah­men der Ausübung ih­res Schätzungs­er­mes­sens gem. § 287 ZPO un­ter Berück­sich­ti­gung der zu­vor erörter­ten Umstände ein Schmer­zens­geld in Höhe von 8.000,- € für an­ge­mes­sen. So ist ei­ner­seits zu berück­sich­ti­gen, dass die Äußerun­gen le­dig­lich ge­genüber ei­nem über­schau­ba­ren Kreis von Be­am­ten getätigt wur­den und in­so­weit kei­ne Außen­wir­kung ein­trat. An­de­rer­seits ha­ben sich die Vorwürfe ge­gen den Kläger als ge­gen­stands­los her­aus­ge­stellt und er ist bis­lang von der Be­klag­ten nicht an­ge­mes­sen re­ha­bi­li­tiert wor­den, ins­be­son­de­re ist kei­ne Ent­schul­di­gung oder sons­ti­ge Re­la­ti­vie­rung der Äußerun­gen er­folgt. Zu­dem wur­den die Äußerun­gen während der ge­sam­ten Dau­er des Er­mitt­lungs- und Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens nicht aus­geräumt und der Kläger wird bis heu­te nicht adäquat beschäftigt. Fer­ner ist zu berück­sich­ti­gen, dass die Vorwürfe nicht von ei­nem ein­fa­chen Behörden­mit­ar­bei­ter, son­dern von der Behörden­spit­ze er­ho­ben wur­den und die­se Aus­wir­kun­gen im ge­sam­ten be­ruf­li­chen Um­feld des Klägers hat­ten. Im Übri­gen lässt die Äußerung trotz ih­res er­heb­li­chen dif­fa­mie­ren­den Cha­rak­ters jeg­li­che Sen­si­bi­lität ver­mis­sen. Der Sorg­falts­maßstab ist hier nicht nur in ein­fa­cher Wei­se, son­dern im Be­reich der be­wuss­ten Fahrlässig­keit in er­heb­li­cher Wei­se ver­letzt wor­den. In An­be­tracht die­ser Umstände er­scheint zum Aus­gleich der er­lit­te­nen Be­ein­träch­ti­gun­gen und zur Ge­nug­tu­ung des Klägers das zu­ge­spro­che­ne Schmer­zens­geld not­wen­dig, aber auch aus­rei­chend.

Der An­spruch des Klägers ist auch nicht auf Grund des Be­ste­hens ver­sor­gungs­recht­li­cher Ansprüche aus­ge­schlos­sen. Zwar be­an­trag­te der Kläger, die Vorfälle vom 29.03.2006 als Dienst­un­fall an­zu­er­ken­nen. Der in­so­weit im Fall der Be­rech­ti­gung be­ste­hen­de An­spruch gem. § 46 Abs. 1 S. 1 Be­am­tenVG ge­gen den Dienst­herrn schließt als ver­sor­gungs­recht­li­cher Son­deran­spruch ei­nen Amts­haf­tungs­an­spruch gem. § 839 i. V. m. Art. 34 GG aus (Pa­landt/Sprau, a. a. O., § 839, Rz. 4). Wei­ter­ge­hen­de Ansprüche be­ste­hen nur, wenn der Dienst­un­fall durch ei­ne vorsätz­li­che un­er­laub­te Hand­lung ver­ur­sacht wor­den ist (Pa­landt/Sprau, a. a. O., Einf. v. § 823, Rz. 10). Der Kläger hat vor­lie­gend je­doch – wie die Par­tei­en in ih­ren nach­ge­las­se­nen Schriftsätzen vom 14.01.2011 bzw. 17.01.2011 übe­rein­stim­mend erklärt ha­ben - sei­nen An­trag auf An­er­ken­nung als Dienst­un­fall zurück­ge­nom­men und ist da­mit nicht an­spruchs­be­rech­tigt gem. § 46 Be­am­tenVG.

Der An­spruch des Klägers auf Er­stat­tung der vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten ist gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG , § 249 BGB be­gründet. Dem Kläger steht ein Be­trag in Höhe ei­ner 1,3 Geschäfts­gebühr aus ei­nem Ge­gen­stands­wert von 8.000,- € zu (1,3 x 412,- € + 20,- € Aus­la­gen­pau­scha­le zzgl. Mehr­wert­steu­er), der gem. § 308 ZPO ent­spre­chend dem Kla­ge­an­trag zu 2) zu be­gren­zen ist.

Der Zins­an­spruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 , 288 Abs. 1 BGB . Der Kläger kann je­doch Zin­sen erst ab Rechtshängig­keit ver­lan­gen, da ein frühe­rer Zins­be­ginn nicht er­sicht­lich ist. Ins­be­son­de­re folgt ein sol­cher nicht aus dem Schrei­ben der Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers vom 12.11.2009, da die­ses man­gels Auf­for­de­rung zur Leis­tung kei­ne ver­zugs­be­gründen­de Mah­nung ent­hielt.

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Voll­streck­bar­keit aus § 709 ZPO .

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