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BSG, Ur­teil vom 18.12.2003, B 11 AL 35/03 R

   
Schlagworte: Arbeitslosengeld, Sperrzeit, Abwicklungsvertrag
   
Gericht: Bundessozialgericht
Aktenzeichen: B 11 AL 35/03 R
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.12.2003
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 28.06.2000, S 2 AL 1723/99
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.08.2002, L 13 AL 3267/00
   

Ent­schei­dung

Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Lan­des­so­zi­al­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg vom 20. Au­gust 2002 auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­so­zi­al­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Gründe:

I

Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob der An­spruch des Klägers auf Ar­beits­lo­sen­geld (Alg) we­gen des Ein­tritts ei­ner zwölfwöchi­gen Sperr­zeit ab 1. Ja­nu­ar 1999 ruht.

Der am 14. Sep­tem­ber 1940 ge­bo­re­ne Kläger war vom 1. Ok­to­ber 1987 bis 31. De­zem­ber 1998 beim Au­to­club E. eV (ACE) zu­letzt als Ab­tei­lungs­lei­ter Tou­ris­tik ver­si­che­rungs­pflich­tig beschäftigt. Auf die Beschäfti­gungs­zeit wur­de nach dem An­stel­lungs­ver­trag vom 24. Ju­ni 1993 ei­ne vor­an­ge­hen­de Tätig­keit für die Ge­werk­schaft Holz und Kunst­stoff in der Zeit vom 1. Mai 1967 bis 30. Sep­tem­ber 1987 an­ge­rech­net. Im Jahr 1998 galt für die Beschäftig­ten des ACE ein Man­tel­ta­rif­ver­trag, nach dem die­je­ni­gen, die beim ACE 15 Jah­re beschäftigt wa­ren und das 55. Le­bens­jahr voll­endet hat­ten, aus be­triebs­be­ding­ten Gründen or­dent­lich mit Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes mit ei­ner Frist von sechs Mo­na­ten zum En­de des Ka­len­der­jah­res gekündigt wer­den konn­ten. Der Vor­stand des ACE kündig­te das Beschäfti­gungs­verhält­nis mit Schrei­ben vom 25. Ju­ni 1998 zum 31. De­zem­ber 1998 aus be­triebs­be­ding­ten Gründen. Un­ter dem 9. Ju­li 1998 schlos­sen der Ar­beit­ge­ber und der Kläger ei­ne Ab­wick­lungs­ver­ein­ba­rung. Da­nach wa­ren sich die Be­tei­lig­ten darüber ei­nig, dass das be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis auf Grund ei­ner frist­ge­rech­ten be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung zum 31. De­zem­ber 1998 en­den wer­de. Der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­te­te sich zur Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 59.000,00 DM. Im Fra­ge­bo­gen zur Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses gab der Kläger an, er ha­be die In­for­ma­ti­on über die ge­plan­te Ent­las­sung auf ei­ner Be­triebs­ver­samm­lung er­hal­ten. Kündi­gungs­schutz­kla­ge ha­be er nicht er­ho­ben, son­dern dem Ar­beit­ge­ber ge­genüber erklärt, dass er die Kündi­gung we­gen der Ab­fin­dung hin­neh­men wer­de.

Das Ar­beits­amt (Ar­bA) lehn­te den An­trag auf Alg we­gen des Ein­tritts ei­ner zwölfwöchi­gen Sperr­zeit vom 1. Ja­nu­ar bis 25. März 1999 ab (Be­scheid vom 21. Ja­nu­ar 1999, Wi­der­spruchs­be­scheid vom 9. März 1999). Für die Zeit vom 26. März bis 19. April 1999 lehn­te das Ar­bA mit ei­nem ge­son­der­ten Be­scheid die Gewährung von Alg we­gen der Ab­fin­dung nach § 117a Ar­beitsförde­rungs­ge­setz (AFG) ab. Mit Be­scheid vom 5. Mai 1999 be­wil­lig­te das Ar­beits­amt Alg ab 20. April 1999 für 704 Ka­len­der­ta­ge in Höhe von 512,54 DM wöchent­lich. Der Kläger be­zieht seit dem 1. Ok­to­ber 2000 Al­ters­ru­he­geld.

Kla­ge und Be­ru­fung ge­gen den Be­scheid vom 21. Ja­nu­ar 1999 blie­ben er­folg­los (Ur­teil des So­zi­al­ge­richts vom 28. Ju­ni 2000 und des Lan­des­so­zi­al­ge­richts (LSG) vom 20. Au­gust 2002). Im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ha­ben die Be­tei­lig­ten ei­nen Teil­ver­gleich des In­halts ge­schlos­sen, dass das LSG nur über den An­spruch des Klägers auf Alg für die Zeit vom 1. Ja­nu­ar bis 25. März 1999 we­gen Ein­tritts ei­ner Sperr­zeit und de­ren Fol­gen ei­ne Ent­schei­dung tref­fe und die Be­klag­te nach rechts­kräfti­gem Aus­gang des Ver­fah­rens über das Ru­hen nach § 117a AFG rechts­be­helfsfähig ent­schei­de. Das LSG hat zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, für den Ein­tritt der Ar­beits­lo­sig­keit sei nicht die un­ter dem 25. Ju­ni 1998 aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers, son­dern der zwi­schen die­sem und dem Kläger am 9. Ju­li 1998 ge­schlos­se­ne Ver­trag kau­sal ge­we­sen. Die or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei un­wirk­sam ge­we­sen. Sie sei auf Grund ei­ner frühe­ren Re­ge­lung ta­rif­ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen ge­we­sen. In die­se ta­rif­li­che Rechts­po­si­ti­on ha­be durch die Ände­rung des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für die Beschäftig­ten des ACE/WACE (MTV) nicht ein­ge­grif­fen wer­den können. Die al­lein aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Kündi­gung könne nicht in ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist um­ge­deu­tet wer­den. Ha­be mit­hin nicht die Kündi­gung das Ar­beits- und Beschäfti­gungs­verhält­nis be­en­det, sei

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die­se Be­en­di­gung kon­sti­tu­tiv durch den am 9. Ju­li 1998 ge­schlos­se­nen Ver­trag her­bei­geführt wor­den. Ei­nen wich­ti­gen Grund, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag zu schließen, hätte der Kläger nur ge­habt, wenn die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung ob­jek­tiv rechtmäßig ge­we­sen wäre. Vom 1. Ja­nu­ar bis 5. März 1999 ha­be der An­spruch auf Alg nicht nur we­gen der Sperr­zeit, son­dern auch we­gen An­rech­nung der be­zo­ge­nen Ab­fin­dung nach § 117 AFG ge­ruht.

Der Kläger hat die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on ein­ge­legt. Er rügt ei­ne Ver­let­zung des § 144 So­zi­al­ge­setz­buch Drit­tes Buch (SGB III) und macht zu­dem gel­tend, das LSG ha­be ver­fah­rens­feh­ler­haft Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen. Den Sperr­zeit­tat­be­stand erfülle ein Ar­beit­neh­mer, wenn er das Beschäfti­gungs­verhält­nis selbst kündi­ge oder ei­nen zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses führen­den Ver­trag schließe. Dies gel­te auch für Ab­wick­lungs­verträge. Bei die­sen lie­ge die An­nah­me ei­ner ein­verständ­li­chen Lösung na­he. Maßge­bend für die Fra­ge, ob die Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers oder der zwi­schen die­sem und ei­nem Ar­beit­neh­mer ab­ge­schlos­se­ne Ab­wick­lungs­ver­trag kau­sal für die Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ge­we­sen sei, sei die Wirk­sam­keit der vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung, ins­be­son­de­re der mögli­che ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung. Es stel­le sich im vor­lie­gen­den Fall die Fra­ge, ob zum Zeit­punkt des Kündi­gungs­aus­spruchs noch ein wirk­sa­mer Kündi­gungs­aus­schluss be­stan­den ha­be, oder ob die­ser durch den Nach­fol­ge-Ta­rif­ver­trag rück­wir­kend auf­ge­ho­ben sei. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) fol­ge nun­mehr der Auf­fas­sung, dass auch ein zu Guns­ten des Ar­beit­neh­mers ent­stan­de­ner An­spruch, der aus ei­ner kol­lek­ti­ven Norm er­wach­sen sei, in den durch den Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes ge­zo­ge­nen Gren­zen zum Nach­teil des Ar­beit­neh­mers rück­wir­kend geändert wer­den könne. Das LSG ha­be sich so­mit auf ei­ne nicht mehr exis­tie­ren­de Recht­spre­chung des BAG be­zo­gen und sei zu Un­recht zu dem Schluss ge­kom­men, das Ar­beits- und Beschäfti­gungs­verhält­nis sei nicht durch die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung, son­dern durch den nach­fol­gend ab­ge­schlos­se­nen Ver­trag zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer be­en­det wor­den. Darüber hin­aus sei die Fest­stel­lung, die or­dent­li­che Kündi­gung des Klägers sei ta­rif­ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen, ver­fah­rens­feh­ler­haft zu Stan­de ge­kom­men. Aus § 33 Ziff 5 MTV sei er­sicht­lich, dass der Kläger im Sep­tem­ber 1995 15 Jah­re lang beim ACE selbst ha­be beschäftigt sein müssen.

Der Kläger be­an­tragt,
das Ur­teil des Lan­des­so­zi­al­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg vom 20. Au­gust 2002 und das Ur­teil des So­zi­al­ge­richts Stutt­gart vom 28. Ju­ni 2000 auf­zu­he­ben so­wie den Be­scheid der Be­klag­ten vom 21. Ja­nu­ar 1999 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 9. März 1999 auf­zu­he­ben und die Be­klag­te un­ter Abände­rung des Be­schei­des vom 5. Mai 1999 zu ver­ur­tei­len, dem Kläger Ar­beits­lo­sen­geld auch für die Zeit vom 1. Ja­nu­ar 1999 bis 25. März 1999 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Sie trägt vor, das BAG ha­be die Frei­heit der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en für die rück­wir­ken­de Ände­rung ta­rif­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen durch den Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes be­grenzt, der glei­cher­maßen bei der ech­ten rück­wir­ken­den Norm­set­zung gel­te. Im strei­ti­gen Fall sei der Ver­trau­ens­schutz nicht ent­fal­len. Im Übri­gen führe ei­ne An­wen­dung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG zu ei­nem Ru­hen des An­spruchs auf Alg we­gen der Ab­fin­dung bis zum 5. März 1999.

II

Die Re­vi­si­on des Klägers ist iS der Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das LSG be­gründet. Die vom LSG fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen rei­chen für ei­ne ab­sch­ließen­de Ent­schei­dung nicht aus.

1. Ge­gen­stand des Ver­fah­rens ist auf Grund des zwi­schen den Be­tei­lig­ten ge­schlos­se­nen Teil­ver­gleichs der Be­scheid der Be­klag­ten vom 21. Ja­nu­ar 1999 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 9. März 1999, mit dem die Be­klag­te die Gewährung von Alg für die Dau­er der Sperr­zeit ab­ge­lehnt hat. Ge­gen­stand des Ver­fah­rens ist un­ter Berück­sich­ti­gung des be­grenz­ten Streit­ge­gen­stan­des, wo­von das LSG eben­falls zu­tref­fend aus­ge­gan­gen ist, außer­dem der Be­scheid der Be­klag­ten vom 5. Mai 1999, mit dem das Ar­beits­amt Alg ab 20. April 1999 be­wil­ligt und da­mit zu­gleich Leis­tun­gen für den Sperr­zeit­zeit­raum ab­ge­lehnt und dem Kläger un­ter Berück­sich­ti­gung der Min­de­rung des An­spruchs Alg für 704 Ka­len­der­ta­ge be­wil­ligt hat.

2. Ob kraft Ge­set­zes ei­ne Sperr­zeit ein­ge­tre­ten ist und des­halb der An­spruch auf Alg ruht, ist nach den bis­her ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen des LSG nicht ab­sch­ließend zu be­ur­tei­len. Ei­ne Sperr­zeit von zwölf Wo­chen tritt nach § 144 Abs 1 Nr 1 Alt 1 SGB III ein, wenn der Ar­beits­lo­se das Beschäfti­gungs­verhält­nis gelöst und er da­durch vorsätz­lich oder grob­fahrlässig die Ar­beits­lo­sig­keit

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her­bei­geführt hat, oh­ne für sein Ver­hal­ten ei­nen wich­ti­gen Grund zu ha­ben. Das LSG hat ei­ne Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses durch den Kläger mit der Be­gründung be­jaht, für die zum 1. Ja­nu­ar 1999 ein­ge­tre­te­ne Ar­beits­lo­sig­keit sei nicht die un­ter dem 25. Ju­ni 1998 aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers, son­dern der zwi­schen die­sem und dem Kläger am 9. Ju­li 1998 ge­schlos­se­ne Ver­trag kau­sal ge­we­sen. Die Ursächlich­keit der Kündi­gung für die späte­re Beschäfti­gungs­lo­sig­keit des Klägers hat das LSG ver­neint, weil die or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses im Hin­blick dar­auf un­wirk­sam ge­we­sen sei, dass die or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers auf Grund ei­ner nicht mehr wirk­sam geänder­ten Re­ge­lung ta­rif­ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen ge­we­sen sei. Ha­be mit­hin nicht die Kündi­gung das Ar­beits- und Beschäfti­gungs­verhält­nis kon­sti­tu­tiv be­en­det, sei die­se Be­din­gung kon­sti­tu­tiv durch den am 9. Ju­li 1998 ge­schlos­se­nen Ver­trag her­bei­geführt wor­den. Die Par­tei­en des Ar­beits­verhält­nis­ses hätten den übe­rein­stim­men­den Wil­len ge­habt, das Ar­beits­verhält­nis un­abhängig von der Kündi­gung auf je­den Fall zum 31. De­zem­ber 1998 zu be­en­den. Von sei­nem Rechts­stand­punkt aus konn­te das LSG die Fra­ge of­fen las­sen, ob aus dem tatsächli­chen Ab­lauf - Vor­gespräche vor der Kündi­gung mit Zu­sa­ge der Ab­fin­dung und Zu­si­che­rung des Klägers, die Kündi­gung hin­zu­neh­men - ge­fol­gert wer­den kann, das Ar­beits­verhält­nis sei be­reits vor der Kündi­gung durch übe­rein­stim­men­de Wil­lens­erklärun­gen be­en­digt wor­den.

Der Auf­fas­sung des LSG, die Ver­ein­ba­rung vom 9. Ju­li 1998 sei al­lein un­ter der Vor­aus­set­zung, dass die zu­vor aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers we­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Norm (§ 4 Ta­rif­ver­trags­ge­setz (TVG); § 138 Bürger­li­ches Ge­setz­buch) un­wirk­sam sei, für die Fra­ge von Be­deu­tung, ob der Kläger sein Beschäfti­gungs­verhält­nis gelöst hat, folgt der Se­nat nicht. Ei­ne Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ist viel­mehr auch dann an­zu­neh­men, wenn, wie die Re­vi­si­on gel­tend macht, die or­dent­li­che Kündi­gung ta­rif­ver­trag­lich nicht aus­ge­schlos­sen und im Übri­gen rechts­wirk­sam ge­we­sen ist. Ei­ne nur an die Rechtmäßig­keit der Kündi­gung und da­mit aus­sch­ließlich an rechts­geschäft­li­che Ka­te­go­ri­en an­knüpfen­de Be­trach­tungs­wei­se der Lösung ver­kennt, dass der Tat­be­stand der Sperr­zeit we­gen Ar­beits­auf­ga­be nicht auf die Lösung des Ar­beits­verhält­nis­ses, son­dern auf die Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ab­stellt.

Al­ler­dings ent­sprach es der bis zum 31. De­zem­ber 1989 gel­ten­den Fas­sung des § 119 Abs 1 Nr 1 AFG, dass ei­ne Sperr­zeit ein­trat, wenn der Ar­beit­neh­mer "das Ar­beits­verhält­nis gelöst oder durch ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten An­lass für die Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers ge­ge­ben" hat­te. Der Wort­laut des Sperr­zeit­tat­be­stan­des wur­de je­doch durch das Ge­setz zur Ände­rung des AFG und zur Förde­rung ei­nes glei­ten­den Über­gangs älte­rer Ar­beit­neh­mer in den Ru­he­stand vom 20. De­zem­ber 1988 (BGBl I, 2343) klar­stel­lend in der Wei­se geändert, dass der Sperr­zeit­ein­tritt seit­her da­von abhängt, ob der Ar­beit­neh­mer "das Beschäfti­gungs­verhält­nis gelöst oder durch ar­beits­ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten An­lass für die Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ge­ge­ben" hat. Hier­zu wur­de in der Ge­set­zes­be­gründung an­ge­ge­ben, dass die Sperr­zeit­re­ge­lung in Ein­klang mit der Re­ge­lung über die Ar­beits­lo­sig­keit ge­bracht wer­den sol­le (BT-Drucks 11/2990 S 22 zu § 119 Buchst a AFG). Ar­beits­los sei ein Ar­beit­neh­mer be­reits dann, wenn er vorüber­ge­bend nicht in ei­nem - ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rungs­recht­li­chen - Beschäfti­gungs­verhält­nis ste­he. Un­er­heb­lich für den An­spruch auf Alg sei, ob das Ar­beits­verhält­nis fort­be­ste­he. Durch die Ge­set­zesände­rung soll­te der Wort­laut der Sperr­zeit­re­ge­lung an die­se Rechts­la­ge an­ge­passt wer­den (BT-Drucks 11/2990 aaO).

Nichts an­de­res er­gibt sich aus der Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts (BSG), nach der § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III (eben­so wie schon § 119 Abs 1 Nr 1 AFG) al­lein auf die Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses, nicht aber des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­stellt (BSG 10. Au­gust 2000 - B 11 AL 115/99 R -, DBlR 4639a zu § 119 AFG; BS­GE 89, 243, 249 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8). Dies folgt un­ter der Gel­tung des SGB III aus dem in­halt­li­chen Zu­sam­men­hang zwi­schen dem für den Leis­tungs­an­spruch maßge­ben­den Be­griff der Beschäfti­gungs­lo­sig­keit (§ 118 Abs 1 Nr 1 SGB III) und dem Tat­be­stand der Sperr­zeit we­gen Ar­beits­auf­ga­be. Auf die­sen Zu­sam­men­hang hat der Se­nat zu­letzt im Ur­teil vom 25. April 2002 - B 11 AL 65/01 R - (BS­GE 89, 243, 249 = SozR 3-4100 § 144 Nr 8; vgl auch Ur­tei­le des BSG vom 17. Ok­to­ber 2002 - B 7 AL 92/01 R- und - B 7 AL 16/02 R -) hin­ge­wie­sen und ge­fol­gert, der Be­griff der Beschäfti­gungs­lo­sig­keit - und nicht der seit dem 1. Ja­nu­ar 1998 um das Merk­mal der Verfügbar­keit er­wei­ter­te Be­griff der Ar­beits­lo­sig­keit - sei bei der An­wen­dung des § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III her­an­zu­zie­hen.

Bil­det da­mit der vom Be­stand ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses grundsätz­lich un­abhängi­ge leis­tungs­recht­li­che Be­griff des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses den für den Lösungs­be­griff zu­tref­fen­den An­knüpfungs­punkt, so ist nicht al­lein die Rechtmäßig­keit der zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses führen­den Wil­lens­erklärun­gen, son­dern ei­ne Be­ur­tei­lung des tatsächli­chen Ge­sche­hens­ab­laufs für die Be­ant­wor­tung der Fra­ge maßge­bend, ob der Ar­beit­neh­mer das Beschäfti­gungs­verhält­nis gelöst hat (BS­GE 77, 48, 51 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9). Dies be­deu­tet je­doch nicht, dass die im Zu­sam­men­hang mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses von Ar­beit­ge­ber und/oder Ar­beit­neh­mer

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ab­ge­ge­be­nen Wil­lens­erklärun­gen für die Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob der Ar­beit­neh­mer das Beschäfti­gungs­verhält­nis gelöst hat, be­deu­tungs­los wären. Viel­mehr kommt die­sen Erklärun­gen häufig so­gar ei­ne aus­schlag­ge­ben­de Be­deu­tung zu, wenn die Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses und die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses - wie im vor­lie­gend Fall - ei­ne Ein­heit bil­den. Gleich­wohl kann sich die Be­ur­tei­lung nicht auf die Würdi­gung der Mo­da­litäten der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses so­wie der da­mit im Zu­sam­men­hang ste­hen­den Wil­lens­erklärun­gen der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en be­schränken, son­dern es ist nach dem "tatsächli­chen Grund" für die Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zu fra­gen (BS­GE 89, 243, 245 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8).

Nicht zwei­fel­haft ist nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des BSG ei­ner­seits, dass der Ar­beit­neh­mer ein Beschäfti­gungs­verhält­nis nicht nur durch den Aus­spruch ei­ner Kündi­gung, son­dern auch durch Ab­schluss ei­nes zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses führen­den Ver­tra­ges (sog Auf­he­bungs­ver­trag) löst (BS­GE 66, 94, 96 = SozR 4100 § 119 Nr 36; BS­GE 77, 48, 50 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12; BSG 20. Ja­nu­ar 2000 - B 7 AL 20/99 R - AP Nr 6 zu § 119 AFG). In­so­weit ist aus­rei­chend, dass der Ar­beit­neh­mer durch sei­ne Zu­stim­mung zum Auf­he­bungs­ver­trag ei­ne we­sent­li­che Ur­sa­che zur Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ge­setzt hat. Un­er­heb­lich ist dem­ge­genüber, ob die Initia­ti­ve von ihm oder vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­gan­gen ist (BSG SozR 4100 § 119 Nr 28; BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 12). Eben­falls geklärt ist auf der an­de­ren Sei­te, dass das Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rungs­recht dem Ar­beit­neh­mer nicht die Ob­lie­gen­heit auf­er­legt, sich zur Ver­mei­dung ei­ner Sperr­zeit ge­gen ei­ne rechts­wid­ri­ge Kündi­gung zu weh­ren (BSG 20. April 1977 - 7 RAr 81/75 - DBlR Nr 2226a zu § 117 AFG; BSG 12. April 1984 - 7 RAr 28/83 - DBlR Nr 2959 zu § 119 AFG; BSG 89, 250 253 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24). Die Sperr­zeit we­gen Ar­beits­auf­ga­be knüpft le­dig­lich an ein ak­ti­ves Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers an. Al­lein die feh­len­de Be­reit­schaft, sich ge­gen den Wil­len des Ar­beit­ge­bers im Beschäfti­gungs­verhält­nis zu be­haup­ten, recht­fer­tigt den Ein­tritt ei­ner Sperr­zeit nicht.

Of­fen ge­blie­ben ist hin­ge­gen bis­lang die Fra­ge, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­ne Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses vor­liegt, wenn der Ar­beit­neh­mer nach Aus­spruch der Ar­beit­ge­berkündi­gung mit die­sem Ver­ein­ba­run­gen trifft, die sich auf die Fol­gen der Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­zie­hen. Ei­ne Klärung die­ser Fra­ge ist auch nicht durch das Ur­teil des er­ken­nen­den Se­nats vom 9. No­vem­ber 1995 - 11 RAr 27/95 - (BS­GE 77, 48 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9) er­folgt. Al­ler­dings hat der Se­nat in die­ser Ent­schei­dung - mit nicht tra­gen­den Erwägun­gen - aus­geführt (BSG aaO S 50), ein Ar­beit­neh­mer löse das Beschäfti­gungs­verhält­nis, wenn er ei­nen zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses führen­den Ver­trag schließe. Ein sol­cher Ver­trag müsse nicht un­mit­tel­bar zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses führen. Auch durch ei­ne Ver­ein­ba­rung über ei­ne noch aus­zu­spre­chen­de Ar­beit­ge­berkündi­gung (und ih­re Fol­gen) löse der Ar­beit­neh­mer das Ar­beits­verhält­nis. Es sei ge­ra­de Sinn ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung, das En­de des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses her­bei­zuführen. Nichts an­de­res gel­te, wenn nach ei­ner Ar­beit­ge­berkündi­gung "Ab­wick­lungs­verträge" über Ab­fin­dun­gen, Entschädi­gun­gen oder ähn­li­che Leis­tun­gen anläss­lich des Aus­schei­dens ge­trof­fen würden. Auch durch sol­che Verträge be­tei­li­ge sich ein Ar­beit­neh­mer an der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses. Von die­sen Erwägun­gen ist der Se­nat im Ur­teil vom 25. April 2002 - B 11 AL 89/01 R - (BS­GE 89, 250 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24) nicht wie­der ab­gerückt. In der letzt­ge­nann­ten Ent­schei­dung hat der Se­nat al­ler­dings aus­ge­spro­chen, dass er ei­nen Grund für ei­ne "Rechts­fort­bil­dung im Sin­ne ei­nes of­fe­ne­ren Lösungs­be­griffs" nicht mehr se­he. Da­mit ist je­doch le­dig­lich ei­ne Ab­gren­zung in­so­weit vor­ge­nom­men wor­den, als die Sperr­zeit nicht an die bloße Hin­nah­me ei­ner rechts­wid­ri­gen Kündi­gung im Hin­blick auf ei­ne zu­ge­sag­te Vergüns­ti­gung an­knüpft, son­dern ei­ne ak­ti­ve Mit­wir­kung an der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses und ei­ne da­durch ver­ur­sach­te Ar­beits­lo­sig­keit vor­aus­setzt (BSG aaO S 253).

Die bis­her von der Recht­spre­chung des BSG nicht ent­schie­de­ne Fra­ge, ob Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer, die nach Aus­spruch ei­ner Ar­beit­ge­berkündi­gung ge­trof­fen wer­den und die Kündi­gung ab­si­chern sol­len, als Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zu be­han­deln sind, ist im An­schluss an die Erwägun­gen des Se­nats im Ur­teil vom 9. No­vem­ber 1995 - 11 RAr 27/95 - (BS­GE 77, 48, 50 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9) zu be­ja­hen. Denn es ent­spricht dem Zweck der Sperr­zeit­re­ge­lung, den Ar­beit­neh­mer da­von ab­zu­hal­ten, sich an der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ak­tiv zu be­tei­li­gen. Es kann bei ei­ner Be­wer­tung des tatsächli­chen Ge­sche­hens­ab­laufs un­ter Ein­be­zie­hung der zu Grun­de lie­gen­den In­ter­es­sen der Be­tei­lig­ten nicht zwei­fel­haft sein, dass der Ar­beit­neh­mer auch durch den Ab­schluss ei­nes sog Ab­wick­lungs­ver­tra­ges, in dem er aus­drück­lich oder kon­klu­dent auf die Gel­tend­ma­chung sei­nes Kündi­gungs­rechts ver­zich­tet, ei­nen we­sent­li­chen Bei­trag zur Her­beiführung sei­ner Beschäfti­gungs­lo­sig­keit leis­tet. Da­bei kann es nicht ent­schei­dend dar­auf an­kom­men, ob ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Hin­nah­me der Ar­beit­ge­berkündi­gung vor oder nach de­ren Aus­spruch ge­trof­fen wird. Auch un­ter Berück­sich­ti­gung von

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Sinn und Zweck der Sperr­zeit, die Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft ty­pi­sie­rend ge­gen Ri­si­kofälle zu schützen, de­ren Ein­tritt der Ver­si­cher­te selbst zu ver­tre­ten hat (BS­GE 67, 26, 29 = SozR 3-4100 § 119 Nr 3; BS­GE 69, 108, 112 = SozR 3-4100 § 119 Nr 6; BS­GE 84, 225, 230 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17), macht es kei­nen we­sent­li­chen Un­ter­schied, ob der Ar­beit­neh­mer an der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses durch Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags mit­wirkt oder ob sei­ne ak­ti­ve Be­tei­li­gung dar­in liegt, dass er hin­sicht­lich des Be­stan­des der Kündi­gung und de­ren Fol­gen ver­bind­li­che Ver­ein­ba­run­gen trifft. In bei­den Fällen trifft ihn ei­ne we­sent­li­che Ver­ant­wor­tung für die Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses.

Die­se Be­ur­tei­lung wird durch den Um­stand gestützt, dass der re­gelmäßige Ab­lauf ei­ner Kündi­gung mit nach­fol­gen­der Ab­wick­lungs­ver­ein­ba­rung da­durch ge­kenn­zeich­net ist, dass dem Ar­beit­neh­mer - wie dies auch vor­lie­gend der Fall ge­we­sen ist - vor dem Aus­spruch der Kündi­gung ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung in Aus­sicht ge­stellt wird (vgl et­wa Gaul BB 2003, 2457, 2459). Gleich­wohl ist ein rechts­er­heb­li­cher Bei­trag des Ar­beit­neh­mers zur Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses un­abhängig von vor­he­ri­gen Ab­spra­chen, die im Übri­gen be­reits al­lei­ne ei­ne Lösung dar­stel­len können, an­zu­neh­men. Der Se­nat hält es im Er­geb­nis für die Be­ur­tei­lung des Ge­wich­tes des Mit­wir­kungs­bei­tra­ges des Ar­beit­neh­mers nicht für aus­schlag­ge­bend, ob ei­ne Ab­stim­mung über die Vor­ge­hens­wei­se un­mit­tel­bar zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer oder durch Ein­schal­tung von Drit­ten er­folgt, ob ei­ne ent­spre­chen­de Er­war­tungs­hal­tung durch die bis­he­ri­ge Übung beim Ar­beit­ge­ber ge­weckt wird oder ob ei­ne Ver­ein­ba­rung oh­ne vor­he­ri­ge Ab­spra­che erst­mals im Zeit­raum nach Aus­spruch der Kündi­gung ge­schlos­sen wird. Auch ei­ne wirt­schaft­li­che Be­wer­tung der den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en bei der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zu­ste­hen­den Hand­lungs­op­tio­nen er­gibt im Er­geb­nis ei­ne Gleich­wer­tig­keit der denk­ba­ren Vor­ge­hens­wei­sen. Die­ser Einschätzung ent­spricht es, dass der "ech­te Ab­wick­lungs­ver­trag" von sei­nen Befürwor­tern als ei­ne dem Auf­he­bungs­ver­trag gleich­wer­ti­ge Hand­lungs­form an­ge­se­hen wird, die den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en le­dig­lich hin­sicht­lich ih­rer so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Kon­se­quen­zen Vor­tei­le brin­ge (vgl zu­letzt Bau­er/Hümme­rich NZA 2003, 1076 mwN).

Der vor­lie­gen­de Sach­ver­halt bie­tet kei­ne Ver­an­las­sung zu ei­ner wei­ter­ge­hen­den Aus­ein­an­der­set­zung mit der Fra­ge, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Ar­beit­ge­berkündi­gung nach­fol­gen­de Ver­ein­ba­run­gen das Beschäfti­gungs­verhält­nis nicht iS des § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III lösen. Ei­ne Aus­nah­me vom ge­schil­der­ten Grund­satz könn­te in­so­weit zB zu bil­den sein, wenn in ei­ner nach Ab­lauf der Frist für die Er­he­bung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge (§ 4 Kündi­gungs­schutz­ge­setz) und oh­ne vor­he­ri­ge Ab­spra­chen oder Ankündi­gun­gen ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung le­dig­lich Ein­zel­hei­ten zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­re­gelt wer­den. Sol­che Ver­ein­ba­run­gen wer­den häufig kei­ne Re­ge­lun­gen in Be­zie­hung zur Kündi­gung tref­fen. Fer­ner könn­te ei­ne be­son­de­re Be­trach­tung für Ver­ein­ba­run­gen ge­bo­ten sein, die oh­ne vor­he­ri­ge Ab­spra­che in ei­nem ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ge­schlos­sen wer­den, weil den Ar­beit­neh­mer kei­ne Ob­lie­gen­heit des Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rungs­rechts zur Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge trifft. An­halts­punk­te dafür, dass im vor­lie­gen­den Fall ei­ne Aus­nah­me von den vor­ste­hen­den Grundsätzen zu bil­den wäre, bie­tet der vor­lie­gen­de Sach­ver­halt al­ler­dings nicht. Nach den für den Se­nat bin­den­den Fest­stel­lun­gen des LSG hat­ten der Kläger und sein ehe­ma­li­ger Ar­beit­ge­ber ua im Hin­blick Zif­fer 1 der Ver­ein­ba­rung vom 9. Ju­li 1998, wo­nach die Par­tei­en sich darüber ei­nig wa­ren, dass das zwi­schen ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis auf Grund der frist­ge­rech­ten be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers vom 25. Ju­ni 1998 mit Zu­stim­mung des Be­triebs­rats frist­ge­recht zum 31. De­zem­ber 1998 sein En­de fin­den wer­de, übe­rein­stim­mend den Wil­len, das Ar­beits­verhält­nis un­abhängig von der Kündi­gung auf je­den Fall zum ge­nann­ten Ter­min zu be­en­den. Fer­ner ist nach die­sen Fest­stel­lun­gen von den ver­trags­sch­ließen­den Par­tei­en zum Aus­druck ge­bracht wor­den, dass die Kündi­gung und die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses dem Streit ent­zo­gen sein sol­len. An­ge­sichts die­ses In­halts der Ver­ein­ba­run­gen stellt sich der Bei­trag des Klägers zur Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses als Lösung iS von § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III dar.

3. Von den übri­gen Vor­aus­set­zun­gen der Sperr­zeit we­gen Ar­beits­auf­ga­be lie­gen die grob fahrlässig her­bei­geführ­te Beschäfti­gungs­lo­sig­keit und die Kau­sa­lität zwi­schen der Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses und der Beschäfti­gungs­lo­sig­keit vor. An­hand der tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen des LSG kann hin­ge­gen nicht ab­sch­ließend be­ur­teilt wer­den, ob dem Kläger ein wich­ti­ger Grund für die Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zur Sei­te steht.

Nach der Recht­spre­chung des BSG kann sich der Ar­beit­neh­mer bei ei­ner Mit­wir­kung an der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses durch Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges we­gen ei­ner dro­hen­den Ar­beit­ge­berkündi­gung auf ei­nen wich­ti­gen Grund be­ru­fen, wenn ihm ei­ne ob­jek­tiv rechtmäßige be­triebs­be­ding­te Ar­beit­ge­berkündi­gung droht und das Ab­war­ten der Ar­beit­ge­berkündi­gung nicht zu­mut­bar ist (BS­GE 89, 243 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8; BSG SozR 3-4300 § 144 Nr 12). Die­se Recht­spre­chung ist auf den Ab­schluss von Ver­ein­ba­run­gen nach

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Ab­schluss ei­ner be­reits aus­ge­spro­che­nen Ar­beit­ge­berkündi­gung in der Wei­se zu über­tra­gen, dass die Mit­wir­kung im Fal­le der ob­jek­ti­ven Rechtmäßig­keit der Kündi­gung al­lein aus die­sem Grun­de sank­ti­ons­los bleibt. Denn es be­steht im Hin­blick auf den oh­ne­hin nicht zu ver­mei­den­den Ein­tritt der Beschäfti­gungs­lo­sig­keit kein In­ter­es­se der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft dar­an, den Ar­beit­neh­mer von der Wahr­neh­mung sei­ner be­rech­tig­ten In­ter­es­sen ab­zu­hal­ten.

Da­bei kann hier of­fen blei­ben, ob der Kläger ent­spre­chend der zur Zeit der Ent­las­sung gel­ten­den Fas­sung des Ta­rif­ver­tra­ges in der tatsächlich ge­sche­he­nen Wei­se or­dent­lich künd­bar war oder ob für den Kläger die vor­her gel­ten­de Fas­sung des Ta­rif­ver­trags wei­ter galt, auf Grund der er nach An­sicht des LSG or­dent­lich nicht gekündigt wer­den konn­te. Zu­tref­fend weist die Re­vi­si­on al­ler­dings dar­auf hin, dass das LSG sich für sei­ne Auf­fas­sung, das Ar­beits­verhält­nis des Klägers ha­be in­fol­ge ei­ner un­ver­fall­ba­ren ta­rif­ver­trag­li­chen Po­si­ti­on nicht mehr or­dent­lich gekündigt wer­den können, auf Recht­spre­chung des BAG be­zo­gen hat (BA­GE 43, 305 = AP Nr 9 zu § 1 TVG; BAG, Ur­teil vom 21. März 1990 - 8 AZR 99/89 -; vgl auch schon BAG AP Nr 11 zu § 4 TVG; eben­so Schaub, Ar­beits­rechts­hand­buch, 10. Auf­la­ge 2002, § 199 Rd­Nr 35), die das Ge­richt selbst zwi­schen­zeit­lich auf­ge­ge­ben hat (BA­GE 78, 309 = AP Nr 12 zu § 1 TVG; BAG AP Nr 20 zu § 1 TVG). Aus den vom BAG an­geführ­ten Gründen dürf­te der Auf­fas­sung des LSG, so ge­nann­te wohl­er­wor­be­ne Rech­te sei­en der Dis­po­si­ti­on der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en vollständig ent­zo­gen, auch bei ei­nem Ein­griff in die kündi­gungs­recht­li­che Po­si­ti­on des Ar­beit­neh­mers nicht zu fol­gen sein, wenn sich bei ei­ner ent­spre­chen­den Her­an­zie­hung der Grundsätze über die un­ech­te Rück­wir­kung bzw die tat­be­stand­li­che Rück­an­knüpfung er­gibt, dass für die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hin­rei­chen­de Gründe vor­la­gen, den be­reits er­wor­be­nen Kündi­gungs­schutz mit Wir­kung für die Zu­kunft wie­der zu be­sei­ti­gen (vgl Löwisch/Rieb­le, Münche­ner Hand­buch zum Ar­beits­recht, 2. Auf­la­ge, § 259 Rd­Nr 74).

Die Fra­ge, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in die kündi­gungs­recht­li­che Stel­lung der Ar­beit­neh­mer durch ei­ne Ände­rung des MTV für die Beschäftig­ten des ACE/WACE wirk­sam ein­ge­grif­fen ha­ben, kann je­doch für die Be­ur­tei­lung des wich­ti­gen Grun­des iS von § 144 Abs 1 SGB III da­hin­ste­hen. Zwar ent­spricht es der Recht­spre­chung des Se­nats, dass die Dro­hung des Ar­beit­ge­bers mit ei­ner Kündi­gung für den Be­trof­fe­nen nur dann ein wich­ti­ger Grund zur ein­verständ­li­chen Lösung sein kann, wenn die Kündi­gung ob­jek­tiv rechtmäßig und un­ter Ein­hal­tung der für den Ar­beit­ge­ber maßge­ben­den Kündi­gungs­frist aus­ge­spro­chen wor­den wäre (BS­GE 89, 243, 246 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8). Könn­te sich der Ar­beit­neh­mer al­lein auf sei­ne sub­jek­ti­ven Rechts­vor­stel­lun­gen be­ru­fen, dann wäre das Ziel der Sperr­zeit, die Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft ty­pi­sie­rend ge­gen Ri­si­kofälle zu schützen, de­ren Ein­tritt der Ver­si­cher­te selbst zu ver­tre­ten hat, ver­fehlt. Der vor­ste­hen­de Grund­satz be­darf je­doch für die hier vor­lie­gen­de Ge­stal­tung ei­ner Ein­schränkung. Denn ein Ar­beit­neh­mer darf beim Ab­schluss von Ver­ein­ba­run­gen zur Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses in der Re­gel dar­auf ver­trau­en, dass der für ihn ak­tu­ell maßge­ben­de Ta­rif­ver­trag wirk­sam ist und nicht ge­gen höher­ran­gi­ges Recht verstößt. Dies gilt je­den­falls für ei­nen Fall wie den vor­lie­gen­den, in wel­chem die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mögli­cher­wei­se von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­te Grundsätze nicht be­ach­tet ha­ben, aber nicht et­wa of­fen­sicht­lich ge­gen ein aus­drück­li­ches ge­setz­li­ches Ver­bot ver­s­toßen ha­ben. Auch in­so­weit das Ri­si­ko der zu­tref­fen­den Be­ur­tei­lung der ob­jek­ti­ven Rechtmäßig­keit der Kündi­gung dem Ar­beit­neh­mer auf­zubürden, er­schie­ne un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft und des Ar­beits­lo­sen un­an­ge­mes­sen.

Das LSG wird des­halb zur Prüfung des Sperr­zeit­tat­be­stan­des aus­ge­hend da­von, dass der Kläger nach Maßga­be des § 33 Nr 5 MTV aus be­triebs­be­ding­ten Gründen or­dent­lich und mit Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes mit ei­ner Frist von sechs Mo­na­ten zum En­de des Ka­len­der­jah­res gekündigt wer­den konn­te, die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner rechtmäßigen Kündi­gung zu über­prüfen ha­ben.

4. Für den Fall, dass kei­ne Sperr­zeit ein­ge­tre­ten ist, wird das LSG er­neut zu prüfen ha­ben, ob das Alg nach § 117 AFG ge­ruht hat.

Das LSG wird auch über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu be­fin­den ha­ben.

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