HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/107

Ta­rif­ver­trag­li­che Al­ters­gren­ze kann Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en sein

Ta­rif­li­che Al­ter­sklau­seln, die Ar­beits­ver­hält­nis­se mit dem Ren­ten­al­ter au­to­ma­tisch be­en­den, dis­kri­mi­nie­ren Frau­en, wenn die­se frü­her als Män­ner ren­ten­be­rech­tigt sind: Eu­ro­päi­scher Ge­richts­hof, Ur­teil vom 18.11.2010, C-356/09 („Kleist“)
Symbol Herren-WC Damen-WC Kei­ne Sel­ten­heit: dis­kri­mi­nie­ren­de ta­rif­li­che Ren­ten­klau­seln
03.06.2011. Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) und die da­hin­ter ste­hen­den eu­ro­päi­schen Gleich­be­hand­lungs-Richt­li­ni­en sol­len un­ge­recht­fer­tig­te Un­gleich­be­hand­lun­gen (Dis­kri­mi­nie­run­gen) we­gen des Al­ters oder des Ge­schlechts ver­hin­dern. Der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof (EuGH) hält ta­rif­li­che Ren­ten­al­ter­sklau­seln im All­ge­mei­nen nicht für dis­kri­mi­nie­rend, d.h. Ar­beits­ver­hält­nis­se dür­fen per Ta­rif­ver­trag au­to­ma­tisch mit dem ge­setz­li­chen Ren­ten­al­ter en­den.

Die dar­in lie­gen­de Be­nach­tei­li­gung zwangs­pen­sio­nier­ter äl­te­rer Ar­beit­neh­mer wird da­mit ge­recht­fer­tigt, dass sie die Job­chan­cen jün­ge­rer Men­schen ver­bes­sern soll. Frag­lich ist aber, ob ta­rif­li­che Zwangs­pen­sio­nie­run­gen auch dann rech­tens sind, wenn Frau­en - wie in Ös­ter­reich und (über­gangs­wei­se noch) in Deutsch­land - frü­her als Män­ner ge­setz­lich ren­ten­be­rech­tigt sind und da­durch frü­her als Män­ner ih­ren Job ver­lie­ren. Ob hier ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts vor­liegt, hat der EuGH nun­mehr ge­klärt (Ur­teil vom 18.11.2010, C-356/09).

Frau Kleist war lei­ten­de Ärz­tin bei ei­ner ös­ter­rei­chi­schen Ver­si­che­rungs­an­stalt. Sie klag­te ge­gen ih­re zwangs­wei­se Ver­set­zung in den Ru­he­stand mit 60 Jah­ren, die ihr Ar­beit­ge­ber auf­grund ei­ner ta­rif­li­chen Ren­ten­al­ter­sklau­sel vor­nahm. Denn in Ös­ter­reich kön­nen Frau­en schon in die­sem Al­ter - und nicht erst wie Män­ner mit 65 Jah­ren - ei­ne Al­ters­ren­te be­zie­hen. Ei­ne sol­che frü­he­re Zwangs­ver­ren­tung dis­kri­mi­niert Frau­en ge­gen­über Män­nern im sel­ben Al­ter und ist da­her eu­ro­pa­rechts­wid­rig, so der EuGH.

Fa­zit: Be­schäf­ti­gungs­po­li­ti­sche Zie­le kön­nen ei­ne ta­rif­li­che Zwangs­ver­ren­tung nach Auf­fas­sung des EuGH recht­fer­ti­gen. Wer­den Frau­en und Män­ner aber in ver­schie­de­nem Al­ter zwangs­wei­se in Ren­te ge­schickt, dann ist das ei­ne eu­ro­pa­rechts­wid­ri­ge un­mit­tel­ba­re ge­schlechts­be­zo­ge­ne Dis­kri­mi­nie­rung. Ar­beit­neh­mer mit frü­hen Ren­ten­an­sprü­chen, z.B. Frau­en oder be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer, soll­ten des­halb ei­ne zwangs­wei­se Pen­sio­nie­rung auf­grund Ta­rif­ver­trags ge­richt­lich über­prü­fen las­sen.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de