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LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 27.07.2011, 13 Sa 15/11

   
Schlagworte: Arbeitsunfähigkeit, Krankheit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 13 Sa 15/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 27.07.2011
   
Leitsätze:

1. Weder Urlaubsentgelt noch zusätzliches Urlaubsgeld können Gegenstand eines durch Arbeitsunfähigkeit entstandenen Verdienstausfalls eines Arbeitnehmers im Sinne von § 6 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG sein. Vielmehr besteht der diesbezügliche Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber unabhängig vom Vorliegen oder Nichtvorliegen von Arbeitsunfähigkeit. Daher können in Bezug auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld auch keine Schadensersatzansprüche des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers gegen den Schädiger auf den Arbeitgeber übergehen.

2. Das Gleiche gilt für andere Ansprüche des geschädigten Arbeitnehmers, wie Erfolgsbeteiligungen oder Sonderzuwendungen (Weihnachtsgeld), die an ihn unabhängig vom Vorliegen oder Nichtvorliegen von Arbeitsunfähigkeit gezahlt werden.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 29.09.2010, 6 Ca 153/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

- Kam­mern Mann­heim -

 

Verkündet

am 27.07.2011

Ak­ten­zei­chen:

13 Sa 15/11

6 Ca 153/10 (ArbG Heil­bronn)
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit

- Kläge­rin/Be­ru­fungskläge­rin/Be­ru­fungs­be­klag­te -

Proz.-Bev.:

ge­gen

- Be­klag­te/Be­ru­fungskläge­rin/Be­ru­fungs­be­klag­te -

Proz.-Bev.:

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg - Kam­mern Mann-
heim - - 13. Kam­mer -
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt
Dr. Schlünder,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kasch­per
und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schott
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 27.07.2011

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Heil­bronn vom 29.09.2010 (6 Ca 153/10) wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Heil­bronn vom 29.09.2010 (6 Ca 153/10) wird zurück­ge­wie­sen.

3. Von den Kos­ten der Be­ru­fung trägt die Kläge­rin 12/19 und die Be­klag­te 7/19.

4. Für die Kläge­rin wird die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen. Im Übri­gen wird die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen

 

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T a t b e s t a n d

Die Kläge­rin macht ge­genüber der Be­klag­ten Ansprüche auf Er­stat­tung von Ent­gelt­fort­zah-lungs­kos­ten gemäß § 6 Ent­gelt­fort­zah­lungsG we­gen ei­nes Ver­kehrs­un­falls ei­nes ih­rer Ar­beit-neh­mer gel­tend, der von ei­nem an­de­ren ih­rer Ar­beit­neh­mer ver­ur­sacht wur­de.

Die Kläge­rin be­treibt ein Un­ter­neh­men des Au­to­mo­bil­baus und beschäftigt am Stand­ort N. un­ter an­de­rem die Ar­beit­neh­mer H. und D.. Das Ar­beits­verhält­nis mit dem Ar­beit­neh­mer H. be­steht seit 01.12.1982. Die Be­klag­te ist ein Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men, bei dem der Pkw Seat Aro­sa XX-XX XX des Ar­beit­neh­mers D. haft­pflicht­ver­si­chert ist.

Die Kläge­rin stellt ih­ren Ar­beit­neh­mern um das weitläufi­ge Werks­gelände her­um Parkplätze zur Verfügung. Die Parkplätze be­fin­den sich ent­we­der auf ei­ge­nen oder auf an­ge­mie­te­ten Flächen. Die Ar­beit­neh­mer par­ken teil­wei­se auch auf öffent­li­chen Straßen in der Um­ge­bung des Werks. Der Park­platz Nr. 4, auf dem sich der streit­ge­genständ­li­che Un­fall er­eig­ne­te, ist nicht durch ei­ne Pfor­te, ei­ne Schran­ke, ei­nen Zaun oder Ähn­li­ches von der öffent­li­chen Zu­fahrts­s­traße ab­ge­trennt. Er ist für je­der­mann frei zugäng­lich. Ei­ne Nut­zungs­kon­trol­le fin­det nicht statt. Durch Be­schil­de­rung wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass auf dem Park­platz die St­VO gilt.

Das Werks­gelände der Kläge­rin wie­der­um ist durch ei­nen Zaun und ei­ne Pfor­te vom öffent­li­chen Be­reich - auch vom Park­platz Nr. 4 - ab­ge­trennt. Die Kläge­rin hat bei Park­platz Nr. 4 in den Zaun zum Werks­gelände ein manns­ho­hes Dreh­kreuz ein­ge­baut, durch wel­ches die Werks­an­gehöri­gen un­ter Be­nut­zung ei­nes Werks­aus­wei­ses das Werks­gelände be­tre­ten und ver­las­sen können, oh­ne die nächs­te Pfor­te auf­su­chen zu müssen. Das Dreh­kreuz ist mit ei­nem elek­tro­ni­schen Aus­weis­le­ser aus­ge­stat­tet. Die Frei­schal­tung des Dreh­kreu­zes er­folgt mit dem Werks­aus­weis.

Am 20.03.2009 er­eig­ne­te sich ge­gen 05:47 Uhr auf dem Park­platz Nr. 4 ein Un­fall. Der Ar­beit-neh­mer D. be­fuhr mit sei­nem bei der Be­klag­ten haft­pflicht­ver­si­cher­ten Pkw auf dem Park­platz die Durch­fahrt­s­traße Park­platz 6. Auf­grund be­schla­ge­ner und ver­eis­ter Wind­schutz­schei­be und da­durch be­ding­ter Sicht­be­ein­träch­ti­gung woll­te der Ar­beit­neh­mer D. seit­lich der Fahr­bahn­s­traße an­hal­ten. Hier­bei über­sah er den Ar­beit­neh­mer H., der zu Fuß un­ter­wegs war, und fuhr die-

 

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sen an. Der Ar­beit­neh­mer H. wur­de durch die Kol­li­si­on schwer ver­letzt und war un­fall­be­dingt vom 20.03.2009 bis 29.11.2009 durch­ge­hend ar­beits­unfähig krank. Die Kläge­rin leis­te­te an den Ar­beit­neh­mer H. im Zeit­raum 20.03.2009 bis 30.04.2009 Ent­gelt­fort­zah­lung.

Die Kläge­rin ver­lang­te von der Be­klag­ten mehr­fach er­folg­los Er­satz der von ihr an den Ar­beit-neh­mer H. im Krank­heits­zeit­raum vom 20.03.2009 bis 29.11.2009 ge­leis­te­ten Zah­lun­gen, zu-letzt mit Schrei­ben vom 11.03.2010 (vgl. An­la­ge K6, Ak­ten 1. In­stanz Bl. 11; I/11), wo­bei un­ter an­de­rem auch Ansprüche be­tref­fend ei­ne "Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung / Son­der­zu­wen­dung (an­tei­lig)" und "Ur­laubs­ent­gelt ein­schl. 50% (an­tei­lig)" dar­in ent­hal­ten sind. Die Be­klag­te lehn­te ei­ne Zah­lung un­ter Be­zug­nah­me auf das Haf­tungs­pri­vi­leg nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ab. Mit ih­rer am 14.06.2010 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen und der Be­klag­ten am 18.06.2010 zu­ge­stell­ten Kla­ge ver­folgt die Kläge­rin ih­re Ansprüche wei­ter.

Die Kläge­rin hat erst­in­stanz­lich vor­ge­tra­gen, für die Dau­er der Ar­beits­unfähig­keit vom 20.03.2009 bis 30.04.2009 sei sie dem Ar­beit­neh­mer H. nach §§ 2, 4 Ent­gelt­fort­zah­lungsG ver-pflich­tet ge­we­sen, Ent­gelt­fort­zah­lung zu leis­ten. Der hier­bei ge­leis­te­te Be­trag von EUR 22.428,33 set­ze sich wie folgt zu­sam­men:

Fort­zah­lung von Ent­gelt EUR 5.890,10
Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung/Son­der­zu­wen­dung (an­tei­lig) EUR 6.864,60
Ur­laubs­ent­gelt ein­sch­ließlich 50% (an­tei­lig) EUR 7.326,15
Ar­beit­ge­ber­an­tei­le EUR 1.283,81
Fir­men­an­teil zur Al­ters­ver­sor­gung EUR 1.037,09
Vermögens­wirk­sa­me Leis­tun­gen EUR 26,58

In die­sem Zu­sam­men­hang nimmt die Kläge­rin Be­zug auf ei­ne von ihr ge­fer­tig­te Auf­stel­lung vom 20.02.2010 (vgl. An­la­ge K4; I/8). Da­bei wer­de für die Vergütungs­be­stand­tei­le Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung, Son­der­zu­wen­dung, Ur­laubs­ent­gelt und zusätz­li­ches Ur­laubs­geld ein Ta­ges­satz er­mit­telt und mit der Zahl der Ka­len­der­ta­ge der Krank­heit im Zeit­raum 20.03.2009 bis 29.11.2009 mul­ti­pli­ziert. Der An­spruch er­ge­be sich aus § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG iVm § 823 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG. Der An­spruch sei nicht nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus­ge­schlos­sen. Der Ar­beit­neh­mer D. ha­be nicht vorsätz­lich ge­han­delt. Der Ar­beit­neh­mer H. ha­be sich nicht auf ei­nem Be­triebs­weg, son­dern auf dem Heim­weg iSv § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII be­fun­den, zu­mal sich der Park­platz außer­halb des streng ab­ge­grenz­ten Werks­geländes be­fin­de. Die be­trieb­li­che Tätig­keit be­gin­ne und en­de mit Durch­schrei­ten oder Durch­fah­ren des Werks­to­res.

 

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Die Kläge­rin hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin EUR 22.428,33 nebst Zin­sen hier­aus in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit 17.11.2009 zu be­zah­len.

Die Be­klag­te hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat erst­in­stanz­lich vor­ge­tra­gen, ei­ne Haf­tung sei nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus­ge­schlos­sen. Sinn und Zweck des Haf­tungs­pri­vi­legs sei, auch die­je­ni­gen Fälle zu er­fas­sen, in de­nen der Ver­si­cher­te den Ge­fah­ren­be­reich, in dem er durch die Zu­gehörig­keit zu sei­nem Be­trieb be­trof­fen ist, ver­las­se und sich als nor­ma­ler Ver­kehrs­teil­neh­mer in den Ver­kehrs­be­reich des all­ge­mei­nen Ver­kehrs be­ge­be. Es sei nicht maßgeb­lich, wo sich der Un­fall er­eig­net ha­be, son­dern in­wie­weit er mit dem Be­trieb oder der Be­rufstätig­keit des Ver­si­cher­ten zu­sam­menhänge. Ein sol­cher in­ne­rer Zu­sam­men­hang be­ste­he hier, da Geschädig­ter und Schädi­ger nach En­de der ge­mein­sa­men Schicht un­mit­tel­bar vor­her den Be­trieb ver­las­sen und sich noch auf dem an­gren­zen­den Park­platz be­fun­den hätten. Die Kläge­rin ha­be - und sei es nur lo­se - auf die be­tref­fen­den Mit­ar­bei­ter ein­ge­wirkt, dort zu par­ken, in­dem sie in den Zaun ein manns­ho­hes Dreh­kreuz ein­ge­baut und da­durch ei­nen ver­ein­fach­ten Zu­tritt zum Werks­gelände ge­schaf­fen ha­be. Vor­sorg­lich wer­de der Kla­ge­an­spruch der Höhe nach be­strit­ten, da die Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung in Höhe von EUR 6.864,60 nicht kau­sal im Zu­sam­men­hang mit dem Ent­gelt­fort­zah­lungs­scha­den ste­he. Glei­ches gel­te für das Ur­laubs­ent­gelt in Höhe von EUR 7.326,15.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit ei­nem am 29.09.2010 verkünde­ten Ur­teil der Kla­ge in Höhe von EUR 8.237,58 zuzüglich ge­setz­li­cher Zin­sen seit 17.11.2009 statt­ge­ge­ben, sie im Übri­gen aber als un­be­gründet ab­ge­wie­sen. Es be­ste­he al­ler­dings ein An­spruch der Kläge­rin dem Grun­de nach aus § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG iVm § 823 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG. Die­ser An­spruch sei nicht nach § 105 Abs. 1 SGB VII aus­ge­schlos­sen. Der Un­fall ha­be sich auf dem nicht ab­ge­schrank­ten, öffent­lich zugäng­li­chen, außer­halb des Werks­geländes ge­le­ge­nen Park­platz und da­mit auf dem Weg vom Ort der Tätig­keit iSd § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (Heim­weg) er­eig­net und nicht mehr auf ei­nem Be­triebs­weg. Der Ar­beit­neh­mer D. ha­be den Un­fall, der sich außer­halb sei­ner Ar­beits­zeit er­eig­net ha­be, nicht durch ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit ver­ur­sacht. Er ha­be dort kei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Auf­ga­ben durch­geführt. Viel­mehr sei sein Ver­hal­ten al­lein von sei­nem Ei­gen­in­ter­es­se be­stimmt ge­we­sen. Ent­spre­chen­des gel­te für den geschädig­ten Ar­beit­neh­mer H.. Durch den Un­fall ha­be sich das all­ge­mei­ne Le­bens­ri­si­ko ver­wirk­licht, wel­ches je­den Ar­beit­neh­mer auf dem Heim­weg tref­fe. Es spie­le kei­ne Rol­le, dass die Kläge­rin in den Zaun

 

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zum Werks­gelände am Park­platz ein manns­ho­hes Dreh­kreuz ein­ge­baut ha­be. Dies ände­re an der strik­ten Tren­nung zwi­schen Werks­gelände und Park­platz nichts, da auch hier ein Zu­gang nur mit Werks­aus­weis möglich sei. Die Be­klag­te ha­be aber die von der Kläge­rin gel­tend ge-mach­ten Scha­dens­po­si­tio­nen Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung / Son­der­zu­wen­dung mit EUR 6.864,60 und Ur­laubs­ent­gelt ein­sch­ließlich 50% (an­tei­lig) in Höhe von EUR 7.326,15 be­strit­ten. Es sei auch nicht ein­sich­tig, war­um die­se bei­den Po­si­tio­nen Be­stand­teil der Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall sein sol­len. Es han­de­le sich um Vergütungs­be­stand­tei­le, die un­abhängig von Ar­beits­unfähig­keit bzw. Ar­beitsfähig­keit an­fie­len (Er­folgs­be­tei­li­gung / Son­der­zu­wen­dung) be­zie­hungs­wei­se außer­halb von Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeiträum­en (Ur­laubs­ent­gelt) lägen. In die­ser Höhe sei der gel­tend ge­mach­te An­spruch un­schlüssig und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts wur­de der Kläge­rin am 24.02.2011 und der Be­klag­ten am 25.02.2011 zu­ge­stellt. Hier­ge­gen wen­det sich die Kläge­rin mit ih­rer Be­ru­fung, die am 16.03.2011 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ging und in­ner­halb verlänger­ter Frist mit ei­nem am 17.05.2011 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet wur­de. Fer­ner hat die Be­klag­te mit ei­nem am 25.03.2011 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit ei­nem am 20.04.2011 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Die Kläge­rin trägt vor, so­wohl die dem Geschädig­ten gewähr­te Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung als auch das Ur­laubs­ent­gelt sei­en als an­tei­li­ges Ar­beits­ent­gelt iSv § 4 Ent­gelt­fort­zah­lungsG ein­zu­ord­nen und im Fal­le der Ent­gelt­fort­zah­lung an­tei­lig für den Zeit­raum der Ar­beits­unfähig­keit nach § 6 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz er­stat­tungsfähig. Es han­de­le sich um ech­te Vergütungs­be­stand­tei­le. Das Ar­beits­ge­richt ha­be zu Recht ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten dem Grun­de nach fest­ge­stellt. Die Ge­fah­ren­si­tua­ti­on auf dem Park­platz sei mit der auf dem Werks­gelände nicht ver­gleich­bar. Außer­halb des ab­ge­grenz­ten Werks­geländes han­de­le es sich um ei­ne alltägli­che Ver­kehrs­si­tua­ti­on.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Heil­bronn vom 29.09.2010 (Az.: 6 Ca 153/10) teil­wei­se ab­zuändern und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin ins­ge­samt EUR 22.428,33 nebst Zin­sen hier­aus in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit 17.11.2009 zu be­zah­len.

Fer­ner be­an­tragt die Kläge­rin, die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen

Die Be­klag­te be­an­tragt:

 

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Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Heil­bronn vom 29.09.2010, Ak­ten­zei­chen 6 Ca 153/10 wird auf­ge­ho­ben so­weit die Be­klag­te ver­ur­teilt wor­den ist, an die Kläge­rin EUR 8.237,58 nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins-satz seit dem 17.11.2009 zu be­zah­len und die Kla­ge wird in­so­weit ab­ge­wie­sen.

Fer­ner be­an­tragt die Be­klag­te, die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te wie­der­holt in ih­rer Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift vom 19.04.2010 (vgl. dort Sei­te 3 bis 7; Ak­ten 2. In­stanz Bl. 25 bis 29; II/25-29) wört­lich ih­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­trag aus dem Schrift­satz vom 14.07.2010 (vgl. dort Sei­te 3 bis 8; I/34-39). Sie könne sich auf das Haf­tungs­pri­vi­leg des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII be­ru­fen. Das Ar­beits­ge­richt ha­be sich in sei­ner Ent­schei­dung nicht im Ein­zel­nen mit der von ihr zi­tier­ten Recht­spre­chung, ins­be­son­de­re des Bun­des­ge­richts­hofs, aus­ein­an­der­ge­setzt. Das Ar­beits­ge­richt ha­be zu Recht die Po­si­tio­nen Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung und Ur­laubs­ent­gelt als nicht er­stat­tungsfähi­ge Vergütungs­be­stand­tei­le an­ge­se­hen, da die­se nicht kau­sal mit dem Ent­gelt­fort­zah­lungs­scha­den zu­sam­men­hin­gen.

Im Übri­gen wird hin­sicht­lich des Vor­trags der Par­tei­en auf die zwi­schen ih­nen in bei­den Rechtszügen ge­wech­sel­ten Schriftsätze und An­la­gen so­wie die Sit­zungs­pro­to­kol­le Be­zug ge-nom­men. Die Kläge­rin hat im Be­ru­fungs­rechts­zug ergänzend die bei ihr gel­ten­den Be­triebs­ver-ein­ba­run­gen 04/98 "Ur­laubs­grundsätze" vom 30.09.1998 (vgl. II/65 ff.), 6/97 "Mit­ar­bei­te­rer-folgs­be­tei­li­gung" vom 18.12.1997 (vgl. II/74 ff.) und 03/98 "Son­der­zu­wen­dung" vom 30.09.1998 (vgl. II/82 ff.) in Ko­pie vor­ge­legt, wor­auf eben­falls Be­zug ge­nom­men wird.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

A Be­ru­fung der Be­klag­ten

 

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I.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist zulässig, da der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des EUR 600,00 über­steigt, § 64 Abs. 2 Buch­sta­be b ArbGG. Die Be­ru­fung ist auch frist- und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Ver­bin­dung mit §§ 519, 520 ZPO.

II.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist aber nicht be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht ei­ne Haf-tung der Be­klag­ten dem Grun­de nach an­ge­nom­men und ein Haf­tungs­pri­vi­leg nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ab­ge­lehnt.

1. Die Kläge­rin kann von der Be­klag­ten dem Grun­de nach aus über­ge­gan­ge­nem Recht Scha­dens­er­satz we­gen des Ver­dienst­aus­falls be­an­spru­chen, der durch die Ar­beits­unfähig­keit des Ar­beit­neh­mers H. ent­stan­den ist, §§ 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG (ehe­mals: § 3 Abs. 1 Nr. 1 PflVG), 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG. Der Ar­beit­neh­mer D. hat fahrlässig die Ge­sund­heit des Ar­beit­neh­mers H. geschädigt, in­dem er trotz Sicht­be­hin­de­rung in­fol­ge Ver­ei­sung und Be­schla­gens der Wind­schutz­schei­be am 20.03.2009 auf ei­ner Durch­gangs­s­traße des Park­plat­zes Nr. 4 ge­fah­ren ist und den am Fahr­bahn­rand ge­hen­den Ar­beit­neh­mer H. über­sah, an­fuhr und schwer ver­letz­te. Selbst wenn man kei­ne Fahrlässig­keit an­neh­men würde, bestünde ei­ne ver­schul­dens­un­abhängi­ge Ver­ur­sa­chungs­haf­tung nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 St­VG. Durch die so ein­tre­ten­de Ar­beits­unfähig­keit des Ar­beit­neh­mers H. ent­steht - un­be­scha­det der Vor­schrif­ten des Ent­gelt­fort­zah­lunsgG - ein Scha­dens­er­satz­an­spruch, der gemäß § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG auf die Kläge­rin über­ge­gan­gen ist und gemäß §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG ge­gen die Haft­pflicht­ver-si­che­rin des Ar­beit­neh­mers D., die Be­klag­te, gel­tend ge­macht wer­den kann.

2. Die Be­klag­te kann sich nicht auf das Haf­tungs­pri­vi­leg nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII be­ru­fen.

a) Es liegt be­reits kei­ne "be­trieb­li­che Tätig­keit" des schädi­gen­den Ar­beits­neh­mers D. vor (vgl. zum Fol­gen­den ErfK-Rolfs, 11. Auf­la­ge 2011, § 105 SGB VII Rn. 3).

 

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aa) "Be­trieb­lich" ist ei­ne Tätig­keit, die dem Ar­beit­neh­mer, der ei­nen Scha­den ver­ur­sacht, ent-we­der aus­drück­lich von dem Be­trieb und für den Be­trieb über­tra­gen ist oder die er im In­te-res­se des Be­trie­bes ausführt, die in na­hem Zu­sam­men­hang mit dem Be­trieb und sei­nem be­trieb­li­chen Wir­kungs­kreis steht und in die­sem Sin­ne be­triebs­be­zo­gen ist (vgl. BAG 18. April 2002 8 AZR 348/01 - BA­GE 101, 107 ff. = NZA 2003, 37 ff.; BAG 18. Ja­nu­ar 2007 - 8 AZR 250/06 - AP BGB § 254 Nr. 15 = NZA 2007, 1230). Ent­schei­dend ist nicht, ob die zu dem schädi­gen­den Er­eig­nis führen­de Ar­beitstätig­keit zum ei­gent­li­chen Auf­ga­ben­ge­biet des Beschäftig­ten gehört, wenn sie nur über­haupt mit dem Be­triebs­zweck in Zu­sam­men­hang steht (vgl. BGH 2. März 1971 - VI ZR 146/69 - AP RVO § 637 Nr. 6; BAG 14. März 1974 - 2 AZR 155/73 - AP RVO § 637 Nr. 8). Erst dann, wenn das schädi­gen­de Er­eig­nis mit dem Be­trieb in kei­nem oder nur noch in lo­sem Zu­sam­men­hang steht, fällt sie in das all­ge­mei­ne Le­bens­ri­si­ko des Ar­beit­neh­mers. Da­bei genügt es, dass der Schädi­ger bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tungs­wei­se aus sei­ner Sicht im Be­triebs­in­ter­es­se han­deln durf­te, sein Ver­hal­ten un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­kehrsüblich­keit nicht un­ty­pisch ist und kei­nen Ex­zess dar­stellt (vgl. BAG 22. April 2004 - 8 AZR 159/03 - AP SGB VII § 105 Nr. 3 = NZA 2005, 163). Darüber hin­aus sind so­gar sol­che Tätig­kei­ten als be­trieb­lich an­zu­er­ken­nen, die zwar ob­jek­tiv dem Be­trieb nicht dien­lich wa­ren, von de­nen der Ar­beit­neh­mer aber oh­ne gro­be Fahrlässig­keit an­neh­men durf­te, dass sie es sei­en (vgl. BAG 9. Au­gust 1966 - 1 AZR 426/65 - AP RVO § 637 Nr. 1). Da­her ver­liert ei­ne Tätig­keit ih­re Ei­gen­schaft als "be­trieb­lich" nicht da­durch, dass sie un­ter Ver­let­zung von Un­fall­verhütungs­vor­schrif­ten oder sach­wid­rig aus­geübt wor­den ist (vgl. BAG 19. Au­gust 2004 - 8 AZR 349/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4). Der not­wen­di­ge in­ne­re Zu­sam­men­hang zwi­schen der be­trieb­li­chen Tätig­keit und dem Scha­dens­er­eig­nis ist erst dann zu ver­nei­nen, wenn nicht mehr die Ver­fol­gung be­trieb­li­cher Zwe­cke, son­dern die durch die Ei­gen­in­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers be­ding­te Art und Wei­se der Tätig­keit als ent­schei­den­de Scha­den­sur­sa­che an­zu­se­hen ist (vgl. BAG 21. Ok­to­ber 1983 - 7 AZR 488/80 - AP BGB § 611 Haf­tung des Ar­beit­neh­mers Nr. 84; BGH 30. Ju­ni 1998 - VI ZR 286/97 - NZA-RR 1998, 454).

bb) Im vor­lie­gen­den Fall hat der Ar­beit­neh­mer D. die schädi­gen­de Hand­lung außer­halb sei­ner Ar­beits­zeit so­wie der Ar­beits­zeit des Ar­beit­neh­mers H. und außer­halb des mit ei­nem Zaun ab­ge­trenn­ten Werks­geländes aus­geführt, oh­ne dass in ir­gend ei­ner Wei­se ein Be­zug zu be­trieb­li­chen Be­lan­gen, An­ord­nun­gen oder In­ter­es­sen der Kläge­rin be­stand. Der von ihm her­bei­geführ­te Ver­kehrs­un­fall wur­de we­der mit ei­nem Be­triebs­fahr­zeug der Kläge­rin ver­ur-sacht, noch stand die Fahrt in Zu­sam­men­hang mit be­trieb­li­chen Be­lan­gen oder Vor­ga­ben. Viel­mehr han­del­te der Ar­beit­neh­mer D., der wie der Ar­beit­neh­mer H. das Werks­gelände schon ver­las­sen hat­te, al­lein im ei­ge­nen In­ter­es­se, um sei­nen Heim­weg an­zu­tre­ten. Hier­in

 

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liegt die ent­schei­den­de Un­fall­ur­sa­che, die in je­der Form ei­ner be­trieb­li­chen Ein­wir­kung - ins­be­son­de­re durch die Kläge­rin - ent­zo­gen war. Das schädi­gen­de Er­eig­nis steht nicht ein­mal in ei­nem lo­sen, son­dern in kei­nem Zu­sam­men­hang zum Be­trieb und be­trifft das all­ge­mei­ne Le­bens­ri­si­ko des Ar­beit­neh­mers H.. Der Un­fall hätte sich nicht nur in glei­cher Wei­se auf je­dem an­de­ren Park­platz in die­ser Form ab­spie­len können, son­dern es han­delt sich bei Park­platz Nr. 4 um ei­nen of­fe­nen, für je­der­mann zugäng­li­chen Park­platz, der nicht nur von Werks­an­gehöri­gen, son­dern be­lie­bi­gen an­de­ren Per­so­nen be­nutzt wer­den kann. Der von der Be­klag­ten kon­stru­ier­te Be­zug zum Be­trieb, we­gen der Nähe des Park­plat­zes zum Werks­gelände, der Ver­bin­dung mit ei­nem Dreh­kreuz und des zeit­li­chen Zu­sam­men­tref­fens der bei­den Ar­beit­neh­mer auf­grund des glei­chen Schich­ten­des reicht für die Be­gründung ei­ner "be­trieb­li­chen Tätig­keit" im Sin­ne von § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht aus. Mit dem Dreh­kreuz mag die Kläge­rin ei­ne be­son­de­re, ver­ein­fach­te Zu­gangsmöglich­keit vom Werks­gelände zum Park­platz Nr. 4 her­ge­stellt ha­ben. Dies ändert aber nichts dar­an, dass der be­trieb­li­che Be­reich, in dem be­trieb­li­che Tätig­kei­ten für die Kläge­rin ent­fal­tet wer­den können, am Zaun des Werks­geländes en­det. Was sich jen­seits des Zauns und außer­halb des Werks­geländes ab­spielt, dient wer­de be­trieb­li­chen Zwe­cken, noch sind sol­che Hand­lun­gen be­trieb­lich ver­an­lasst. Die al­lein zeit­li­che Nähe zum Schich­ten­de und die räum­li­che Nähe zum Werks­gelände ha­ben kei­nen Ein­fluss dar­auf, dass die vom Ar­beit­neh­mer D. an­ge­tre­te­ne Heim­fahrt al­lein in sei­nem In­ter­es­se, aber nicht im be­trieb­li­chen In­ter­es­se lag.

b) Un­abhängig von den Ausführun­gen un­ter a) kommt ein Haf­tungs­pri­vi­leg des Ar­beit­neh­mers D. und da­mit der Be­klag­ten nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII auch des­halb nicht in Be­tracht, da der Un­fall auf ei­nem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ver­si­cher­ten Weg ver­ur­sacht wur­de (zum Er­for­der­nis ei­ner ge­trenn­ten Be­trach­tung der un­ter a) und b) dar­ge­stell­ten Umstände vgl. ErfK-Rolfs, 11. Auf­la­ge 2011, § 105 SGB VII Rn. 3).

aa) Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, der sich die er­ken­nen­de Kam­mer an­sch­ließt, gilt in die­sem Zu­sam­men­hang Fol­gen­des (vgl. BAG 14. De­zem­ber 2000 - 8 AZR 92/00 - AP SGB VII § 105 Nr. 1 = NZA 2001, 549): Das Ver­las­sen des Ar­beits­plat­zes ein­sch­ließlich des We­ges auf dem Werks­gelände (sog. Be­triebs­weg) stellt bis zum Werks­tor we­gen des en­gen Zu­sam­men­hangs mit der ei­gent­li­chen Ar­beits­leis­tung noch be­trieb­li­che Tätig­keit dar. Der Ar­beit­neh­mer steht hier noch in en­ger Berührung mit der Ar­beits­leis­tung an­de­rer Ar­beit­neh­mer des Be­triebs, hält sich noch in der Herr­schafts­sphäre des Ar­beit­ge­bers auf und un­ter­liegt des­sen Ord­nungs­ge­walt (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG). Sei­ne Tätig­keit ist für den Ar­beit­ge­ber in ei­nem wei­te­ren Sin­ne von Nut­zen. Wie der Ar­beit­neh­mer sich verhält, liegt im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers, der auch den ent­schei­den­den

 

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Ein­fluss auf die Ge­stal­tung des Ri­si­kos be­sitzt. Das Ver­las­sen des Ar­beits­plat­zes auf dem Werks­gelände ist des­halb nicht aus­sch­ließlich dem all­ge­mei­nen Le­bens­ri­si­ko des Ar­beit-neh­mers zu­zu­rech­nen. Ort der Tätig­keit ist in der Re­gel das ge­sam­te Werks­gelände. Auf We­gen am Ort der Tätig­keit be­steht Ver­si­che­rungs­schutz nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, so­fern der in­ne­re Zu­sam­men­hang mit der ver­si­cher­ten Tätig­keit ge­ge­ben ist. Der Weg nach dem Ort der Tätig­keit en­det mit dem Durch­schrei­ten oder Durch­fah­ren des Werks­to­res. Eben­so be­ginnt der Weg von dem Ort der Tätig­keit mit dem Durch­schrei­ten oder Durch­fah­ren des Werks­to­res. Es ist nicht zulässig, von Fall zu Fall auf die spe­zi­el­len ört­li­chen und bau­li­chen Verhält­nis­se der je­wei­li­gen Be­triebsstätte ab­zu­stel­len. Die We­ge vom Werks­tor zum Ar­beits­platz und zurück ste­hen mit der ver­si­cher­ten Tätig­keit in ei­nem un­mit­tel­ba­ren in­ne­ren Zu­sam­men­hang. Auf dem ab­ge­grenz­ten Werks­gelände be­steht des­sen be­triebs­ei­gentümli­che Ge­fahr und nicht (nur) das all­ge­mei­ne We­ge­ri­si­ko (BSG 22. Sep­tem­ber 1988 - 2 RU 11/88 - SozR 2200 § 725 Nr. 12). Jen­seits des Werks­geländes gilt dies nicht.

bb) Vor­lie­gend hat sich der Un­fall außer­halb des umzäun­ten Werks­geländes - wel­ches nur durch die kon­trol­lier­te Pfor­te oder durch ein Dreh­kreuz be­tre­ten wer­den kann, wel­ches die Be­nut­zung ei­nes Werks­aus­wei­ses vor­aus­setzt - auf ei­nem öffent­lich zugäng­li­chen Park­platz er­eig­net. Hier be­fan­den sich die Ar­beit­neh­mer D. und H. nicht mehr auf ei­nem "Be­triebs­weg", son­dern auf ei­nem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ver­si­cher­ten Weg, vom Ort ih­rer Tätig­keit nach Hau­se. Für die­se Si­tua­tio­nen gilt das Haf­tungs­pri­vi­leg des § 105 Abs. 1 SGB VII nicht.

cc) Die Be­klag­te be­ruft sich zur Be­gründung ih­res Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trags zu Un­recht auf an­der­wei­ti­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs. Die Ent­schei­dung vom 19. Ja­nu­ar 1988 (BGH VI ZR 199/87, LM Nr. 36 zu § 636 RVO = NJW-RR 1988, 602 f.) be­trifft ge­ra­de ei­nen
Ver­kehrs­un­fall in­ner­halb ei­nes ab­ge­grenz­ten Werks­geländes, bei dem der Schädi­ger sich im Übri­gen auch noch mit ei­nem werks­ei­ge­nen Pkw auf ei­ner Dienst­fahrt be­fand. Dass hier das Haf­tungs­pri­vi­leg des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zur An­wen­dung kommt, ent­spricht der oben zi­tier­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG 14. De­zem­ber 2000 - AP SGB VII § 105 Nr. 1 = NZA 2001, 549), hat aber mit dem hier vor­lie­gen­den Fall ei­nes Un­falls außer­halb des Werks­geländes auf ei­ner pri­va­ten Heim­fahrt mit ei­nem pri­va­ten Pkw nichts zu tun. In der Ent­schei­dung vom 9. Fe­bru­ar 1995 (BGH III ZR 164/94, NJW 1995, 1558 f.) wird dar­auf ab­ge­stellt, dass der frag­li­che Park­platz zum Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich des Ar­beit­ge­bers gehörte. Für die­se An­nah­me ist vor­lie­gend nichts zu er­ken­nen. Die Kläge­rin hat durch Zaun und Dreh­kreuz klar kennt­lich ge­macht, wo ihr Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich en­det

 

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und wo der Ord­nungs­be­reich der St­VO be­ginnt, wor­auf auch mit Schil­dern hin­ge­wie­sen wird. Den Ar­beit­neh­mern steht es frei, die­sen Park­platz zu be­nut­zen oder an­der­wei­tig auf öffent­li­chen Straßen zu par­ken, wie auch je­der an­de­re den Park­platz be­nut­zen kann. Im Übri­gen be­trifft die­se Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­hofs nicht die Haf­tung von Ar­beit-neh­mern un­ter­ein­an­der, son­dern die Haf­tung des Ar­beit­ge­bers ge­genüber ei­nem Ar­beit-neh­mer, we­gen ei­nes nicht ver­kehrs­si­che­ren Park­plat­zes. Die Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht mag noch zum Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reich des Ar­beit­ge­bers gehören, das Ver­hal­ten der Nut­zer un­ter­ein­an­der im vor­lie­gen­den Fall aber nicht. Die Ent­schei­dung vom 25. Ok­to­ber 2005 (BGH VI ZR 334/04, AP SGB VII § 8 Nr. 1) ist ge­ra­de dar­auf gestützt, dass sich der Un­fall zwi­schen den Ar­beits­kol­le­gen auf ei­nem Park­platz er­eig­ne­te, der ein­deu­tig zum Be­triebs-gelände gehörte und nur über ei­nen von der öffent­li­chen Straße aufwärts führen­den Weg zugäng­lich war, der im obe­ren Be­reich für die All­ge­mein­heit durch ei­ne Be­schil­de­rung mit dem Zei­chen 250 (Ver­bot für Fahr­zeu­ge al­ler Art) ge­sperrt war. Im vor­lie­gen­den Fall ist der Park­platz klar vom Werks­gelände durch Zaun und Dreh­kreuz ge­schie­den und für je­der­mann zugäng­lich.

3. Die Höhe des zu er­set­zen­den Be­tra­ges, die das Ar­beits­ge­richt mit EUR 8.237,58 be­stimmt hat, wird von der Be­klag­ten nicht in Zwei­fel ge­zo­gen. Ins­be­son­de­re ent­spricht es den ge-setz­li­chen Vor­ga­ben, dass die Kläge­rin die Po­si­ti­on "Fort­zah­lung von Ent­gelt" auf den 6-Wo­chen-Zeit­raum des § 3 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG vom 20.03.2009 bis 30.04.2009 be­grenzt hat.

B Be­ru­fung der Kläge­rin

I.

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist zulässig, da der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des EUR 600,00 über­steigt, § 64 Abs. 2 Buch­sta­be b ArbGG. Die Be­ru­fung ist auch frist- und form­ge­recht ein-ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Ver­bin­dung mit §§ 519, 520 ZPO.

 

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II.

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist aber nicht be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht bei der Be­rech­nung des er­stat­tungsfähi­gen An­spruchs der Kläge­rin die Po­si­tio­nen "Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung / Son­der­zu­wen­dung (an­tei­lig)" und "Ur­laubs­ent­gelt ein­sch­ließlich 50% (an­tei­lig)" nicht berück­sich­tigt, da sie nicht zu den Ansprüchen nach § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG gehören.

1. Kann der Ar­beit­neh­mer auf Grund ge­setz­li­cher Vor­schrif­ten von ei­nem Drit­ten Scha­dens-er­satz we­gen des Ver­dienst­aus­falls be­an­spru­chen, der ihm durch die Ar­beits­unfähig­keit ent­stan­den ist, so geht die­ser An­spruch in­so­weit auf den Ar­beit­ge­ber über, als die­ser dem Ar­beit­neh­mer nach die­sem Ge­setz Ar­beits­ent­gelt fort­ge­zahlt und dar­auf ent­fal­len­de vom Ar­beit­ge­ber zu tra­gen­de Beiträge zur Bun­des­agen­tur für Ar­beit, Ar­beit­ge­ber­an­tei­le an Bei-trägen zur So­zi­al­ver­si­che­rung und zur Pfle­ge­ver­si­che­rung so­wie zu Ein­rich­tun­gen der zu-sätz­li­chen Al­ters- und Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung ab­geführt hat, § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG.

Aus dem Wort­laut der Vor­schrift wird deut­lich, dass da­mit nicht je­der denk­ba­re An­spruch ei­nes Ar­beit­neh­mers ge­gen ei­nen Schädi­ger auf den Ar­beit­ge­ber über­geht. Der Er­satz­an-spruch muss auf ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten be­ru­hen und ei­nen Ver­dienst­aus­fall be­tref­fen, den der Ar­beit­ge­ber nach den Vor­schrif­ten des Ent­gelt­fort­zah­lungsG zu er­set­zen hat (vgl. ErfK-Dörner, 11. Auf­la­ge 2011, § 6 Ent­gelt­fort­zah­lungsG Rn. 4). Der Be­griff des Ar­beits­ent­gelts im Sin­ne von § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG stimmt da­bei mit dem Ent­gelt­be­griff des § 4 Abs. 1 Satz 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG übe­rein. Un­ter Ar­beits­ent­gelt ver­steht man dem­ent­spre­chend den Brut­to­ver­dienst des Ar­beit­neh­mers, so­weit er ihn auf­grund des Ar­beits­verhält­nis­ses als Ge­gen­leis­tung für sei­ne Ar­beit erhält (vgl. Sch­mitt, Ent­gelt­fort­zah­lungsG, 6. Auf­la­ge 2007, § 6 Rn. 42, mwN).

a) Der An­spruch auf "Ur­laubs­ent­gelt ein­sch­ließlich 50% (an­tei­lig)" [mit Letz­te­rem ist zusätz­li-ches Ur­laubs­geld zum Ur­laubs­ent­gelt nach Nr. 5.3 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 04/98 "Ur-laubs­grundsätze" vom 30.09.1998 ge­meint] fällt nicht un­ter die vor­ste­hend zi­tier­te Vor­schrift des § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG, da dem geschädig­ten Ar­beit­neh­mer H. dies­bezüglich kein Ver­dienst­aus­fall durch die Ar­beits­unfähig­keit ent­steht.

aa) Auch wenn es die Re­ge­lung in § 3 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG nicht ge­ben würde, hätte der Ar­beit­neh­mer H. trotz Ar­beits­unfähig­keit sei­nen vol­len Ur­laubs­an­spruch ge­gen die

 

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Kläge­rin. Das Ge­setz ver­langt für das Ent­ste­hen des Ur­laubs­an­spruchs le­dig­lich, dass ein Ar­beits­verhält­nis be­steht und (für den Voll­ur­laub) ei­ne War­te­zeit zurück­ge­legt wird. Ei­ne Min­dest­ar­beits­leis­tung ist nicht Vor­aus­set­zung (vgl. BAG 28. Ja­nu­ar 1982 - 6 AZR 571/79 - BA­GE 37, 382 ff. = AP BUrlG § 3 Rechts­miss­brauch Nr. 11; ErfK-Dörner/Gall­ner, 11. Auf-la­ge 2011, § 1 BUrlG Rn. 14). Dies gilt im vor­lie­gen­den Fall auch, so­weit der Ar­beit­neh­mer H. ge­gen die Kläge­rin ei­nen den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub über­stei­gen­den Ur­laubs­an­spruch hat. Nach Nr. 3.2.4 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 04/98 "Ur­laubs­grundsätze" vom 30.09.1998 er­folgt ei­ne Kürzung von Ur­laubs­ansprüchen un­ter an­de­rem "für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat ei­ner länger als 9 Mo­na­te im Ur­laubs­jahr dau­ern­den Krank­heit". Der Ar­beit­neh­mer H. war im Ur­laubs­jahr 2009 nur 7 vol­le Ka­len­der­mo­na­te (April bis ein­sch­ließlich Ok­to­ber) ar­beits­unfähig krank, so dass auch nach der Be­triebs­ver­ein­ba­rung "Ur­laubs­grundsätze" ei­ne Kürzung aus­schei­det. Um­fang und Be­stand des Ur­laubs­an­spruchs des Ar­beit­neh­mers H. wer­den da­her durch die vom Ar­beit­neh­mer D. ver­ur­sach­te Ar­beits­unfähig­keit nicht be­ein­flusst, so dass dies­bezüglich man­gels Scha­dens ein Scha­dens­er­satz­an­spruch we­der bezüglich des Ur­laubs­ent­gelts noch bezüglich ei­nes zusätz­li­chen Ur­laubs­gel­des ent­ste­hen kann, der auf die Kläge­rin nach § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG über­ge­hen könn­te. Ur­laubs­ent­gelt und Ur­laubs­geld sind un­abhängig von der Ar­beits­unfähig­keit zu leis­ten­de Beträge, die auch nicht an­tei­lig gel­tend ge­macht wer­den können (vgl. Sch­mitt, Ent­gelt­fort­zah­lungsG, 6. Auf­la­ge 2007, § 6 Rn. 55; ErfK-Dörner, 11. Auf­la­ge 2011, § 6 Ent­gelt­fort­zah­lungsG Rn. 10; Stau­din­ger-Oet­ker, BGB, Neu­be­ar­bei­tung 2011, § 616 BGB Rn. 421 f.; Münche­ner Hand­buch zum Ar­beits­recht, Schlach­ter, 3. Auf­la­ge 2009 § 76 Rn. 10; Tre­ber, Ent­gelt­fort­zah­lungsG, 2. Auf­la­ge 2007, § 6 Rn. 25; wohl auch Kunz/Wed­de, EFZR, 2. Auf­la­ge 2005, § 6 Rn. 65 f.).

bb) Al­ler­dings wird in Recht­spre­chung (vgl. BAG 12. De­zem­ber 1989 - 8 AZR 195/88 - n.v., in ju­ris; BGH 4. Ju­li 1972 - VI ZR 114/71 - BGHZ 59, 109 ff. = AP BGB § 249 Nr. 16; BGH 13. Mai 1986 - VI ZR 80/85 - VersR 1986, 968 f.; OLG Köln 6. März 2007 - 3 U 188/06 - Scha-den-Pra­xis 2007, 427) und Li­te­ra­tur (Münche­ner Kom­men­tar zum BGB, Müller-Glöge, 5. Auf­la­ge 2009, § 6 Ent­gelt­fort­zah­lungsG Rn. 7; Feicht­in­ger/Malk­mus, Ent­gelt­fort­zah­lungs-recht, § 6 Rn. 37; je­weils al­ler­dings oh­ne nähe­re Be­gründung) an­ge­nom­men, auch Ansprüche auf Ur­laubs­ent­gelt und Ur­laubs­geld un­terlägen dem For­de­rungsüber­gang nach § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz. Da­bei wird in der Recht­spre­chung im We­sent­li­chen auf den scha­dens­recht­li­chen As­pekt ab­ge­stellt, dass es den Schädi­ger nicht ent­las­ten dürfe, dass an die Stel­le der ursprüng­li­chen Grund­vor­stel­lung vom ver­dien­ten Ur­laubs­ent­gelt ei­ne so­zi­al­staat­li­che Grund­la­ge ge­tre­ten sei (vgl. BAG 12. De­zem­ber 1989 - 8 AZR 195/88 - n.v., in ju­ris, dort Rn. 14). Die­se An­sicht kann schon des­halb nicht über­zeu­gen, da sie mit dem kla­ren Wort­laut des Ge­set­zes nicht ver­ein­bar ist (vgl. ErfK-Dörner, 11. Auf­la­ge 2011,

 

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§ 6 Ent­gelt­fort­zah­lungsG Rn. 10). Ei­ne der­ar­ti­ge Aus­deh­nung des ge­setz­li­chen For­de-rungsüber­gangs mag zwar zu bil­li­gens­wer­ten Er­geb­nis­ses führen, kann aber nicht darüber hin­wegtäuschen, dass § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG le­dig­lich ei­nen An­spruchsüber­gang we­gen der nach die­sem Ge­setz er­brach­ten Ar­beit­ge­ber­leis­tun­gen vor­sieht (vgl. Sch­mitt, Ent­gelt­fort­zah­lungsG, 6. Auf­la­ge 2007, § 6 Rn. 55). Die Recht­spre­chung ins­be­son­de­re des Bun­des­ge­richts­hofs be­ruht auf der Grundüber­le­gung, dass dem Ar­beit­ge­ber durch die Ar-beits­ver­hin­de­rung zeit­wei­lig kein Äqui­va­lent für sei­ne Leis­tung ge­genüber­steht. Die­ses De­fi­zit soll aber durch § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG nicht aus­ge­gli­chen wer­den. Der For­de-rungsüber­gang be­schränkt sich auf den Er­satz ei­nes fik­ti­ven Ver­dienst­aus­falls des Ar­beit-neh­mers und dient nicht da­zu, ei­nen Aus­fall­scha­den des Ar­beit­ge­bers zu kom­pen­sie­ren (Stau­din­ger-Oet­ker, Neu­be­ar­bei­tung 2011, § 616 BGB Rn. 422; Tre­ber, Ent­gelt­fort­zah­lungsG, 2. Auf­la­ge 2007, § 6 Rn. 25). Ein Scha­den, der beim Ar­beit­neh­mer schon des­halb nicht ein­tritt, weil die frag­li­che Leis­tung un­abhängig von ei­ner et­wai­gen Ar­beits­unfähig­keit zu gewähren ist, kann auch nicht auf den Ar­beit­ge­ber "über­ge­hen". Ent­ge­gen der zi­tier­ten Recht­spre­chung kann das dort an­ge­ge­be­ne Er­geb­nis auch nicht da­mit be­gründet wer­den, es sei un­bil­lig, dass der Schädi­ger sonst durch Leis­tun­gen Drit­ter auf so­zi­al­staat­li­cher Grund­la­ge ent­las­tet wer­de. Nach Sys­te­ma­tik so­wie Sinn und Zweck dient § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG - wie auch der Zu­sam­men­hang mit Abs. 3 zeigt - nicht da­zu, ei­ne un­bil­li­ge Ent­las­tung des Schädi­gers zu ver­mei­den, son­dern Dop­pel­ansprüche des Ar­beit­neh­mers zu ver­hin­dern und in­so­weit dem Ar­beit­ge­ber aus über­ge­gan­ge­nem Recht ei­nen An­spruch ge­gen den Schädi­ger zu­zu­bil­li­gen.

cc) Ergänzend ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die un­ter bb) zi­tier­te, ab­zu­leh­nen­de An­sicht, die ei­nen an­tei­li­gen An­spruch auf Er­satz von Ur­laubs­ent­gelt und Ur­laubs­geld an­nimmt, nicht mit der ge­setz­li­chen Re­ge­lung zum Ent­ste­hen des Ur­laubs­an­spruchs ver­ein­bar ist. Nach erfüll­ter War­te­zeit von sechs Mo­na­ten (§ 4 BUrlG), die der geschädig­te Ar­beit­neh­mer H. seit vie­len Jah­ren be­reits ab­sol­viert hat, ent­steht der vol­le Jah­res­ur­laubs­an­spruch je­weils am 1. Ja­nu­ar des neu­en Ur­laubs­jah­res und nicht ab­schnitt­wei­se in den ein­zel­nen Mo­na­ten des Jah­res (vgl. BAG 18. März 2003 - 9 AZR 190/02 - AP BUrlG § 3 Rechts­miss­brauch Nr. 17 = NZA 2003, 1111; BAG 24. Ok­to­ber 2006 - 9 AZR 669/05 - BA­GE 120, 50 ff. = AP SGB IX § 125 Nr. 1), ins­be­son­de­re nicht im Zeit­raum der Ent­gelt­fort­zah­lung. Dies wird auch in Nr. 3.2.2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 04/98 "Ur­laubs­grundsätze" vom 30.09.1998 so ge­re­gelt. Der Ar­beit­neh­mer H. hätte so­mit be­reits im Ja­nu­ar 2009 sei­nen ge­sam­ten Jah­res­ur­laub an­tre­ten und bis vor Ein­tritt des Un­falls am 20.03.2009 ab­wi­ckeln können. Dar­an wird um so deut­li­cher, dass der späte­re Un­fall zu kei­nem Scha­den bei dem Ar­beit­neh­mer H. in Be­zug auf Ur­laubs­ent­gelt und Ur­laubs­geld hat führen können, der gemäß § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG auf die Kläge­rin hat über­ge­hen können. Ent­ge­gen der An­nah­me des

 

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Bun­des­ge­richts­hofs (vgl. BGH 4. Ju­li 1972 - VI ZR 114/71 - BGHZ 59, 109 ff. = AP BGB § 249 Nr. 16; in ju­ris Rn. 14) fehlt es da­mit auch an der zeit­li­chen Kon­gru­enz zwi­schen Ur-laubs­ent­gelt / Ur­laubs­geld und un­fall­be­ding­ter Aus­fall­zeit [ge­nau­er: dem Ent­gelt­fort­zah-lungs­zeit­raum], da es grundsätz­lich - ab­ge­se­hen von den in § 5 Abs. 1 BUrlG ab­sch­ließend auf­gezähl­ten Aus­nah­mefällen - ge­ra­de kein "Zwölf­te­lungs­prin­zip" im Ur­laubs­recht gibt. Auch die An­nah­me des Bun­des­ar­beits­ge­richts (vgl. BAG 12. De­zem­ber 1989 - 8 AZR 195/88 - n.v., in ju­ris, dort Rn. 15) , wo­nach "scha­dens­recht­lich" das Ur­laubs­ent­gelt ein zusätz­li­cher Per­so­nal­kos­ten­be­stand­teil sei, den der Ar­beit­ge­ber letzt­lich nur durch er­brach­te oder zu er­brin­gen­de Ar­beits­leis­tung sei­ner Ar­beit­neh­mer zu leis­ten in der La­ge sei, über­zeugt in die­sem Zu­sam­men­hang nicht. § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG stellt ge­ra­de nicht auf beim Ar­beit­ge­ber selbst ein­tre­ten­de Schäden ab, son­dern lässt nur Ansprüche des Ar­beit­neh­mers ge­gen den Schädi­ger auf den Ar­beit­ge­ber über­ge­hen.

dd) Sch­ließlich ist die Be­rech­nung der Kläge­rin (vgl. An­la­ge K4; I/8) in kei­ner Wei­se mit § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG kon­form. Während sie aus­weis­lich des Be­rech­nungs­bo­gens noch die Po­si­ti­on "Fort­zah­lung von Ent­gelt" zu­tref­fend gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG auf die Dau­er von 42 Ta­gen be­grenzt hat (20.03.2009 bis 30.04.2009), ge­schieht die Be­rech­nung der Po­si­ti­on "Ur­laubs­ent­gelt ein­sch­ließlich 50% (an­tei­lig)" (wie im Übri­gen auch der Po­si­ti­on "Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung / Son­der­zu­wen­dung (an­tei­lig)") un­ter Zu­grun­de­le­gung des ge­sam­ten Zeit­raums der Ar­beits­unfähig­keit bis 29.11.2009. Für ei­ne sol­che Be­rech­nung gibt das Ent­gelt­fort­zah­lungsG, wel­ches in § 3 Abs. 1 Satz ei­ne Be­gren­zung der Dau­er der Ent­gelt­fort­zah­lung auf 6 Wo­chen und in § 6 Abs. 1 nur den Über­gang von Ansprüchen vor­sieht, die "nach die­sem Ge­setz" ge­leis­tet wur­den, kei­ne Grund­la­ge. Hier­auf kam es aber wei­ter nicht an, da der Kläge­rin die Po­si­ti­on "Ur­laubs­ent­gelt ein­sch­ließlich 50% (an­tei­lig)" schon dem Grun­de nach nicht zu­steht.

b) Aus den un­ter a) ge­schil­der­ten Gründen kann die Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te auch kei­nen An­spruch auf "Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung / Son­der­zu­wen­dung (an­tei­lig)" gel­tend ma­chen.

aa) Leis­tun­gen wie Weih­nachts­geld oder Er­folgs­be­tei­li­gung, die vom Ar­beit­ge­ber an den Ar-beit­neh­mer un­abhängig von ei­ner et­wai­gen Ar­beits­unfähig­keit im Be­zugs­zeit­raum ge­leis­tet wer­den, können aus den un­ter a) dar­ge­stell­ten Gründen kei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch des Ar­beit­neh­mers ge­gen den Schädi­ger be­gründen, der gemäß § 6 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungsG auf den Ar­beit­ge­ber über­ge­hen könn­te (vgl. Sch­mitt, Ent­gelt­fort­zah­lungsG, 6. Auf­la­ge 2007, § 6 Rn. 55; ErfK-Dörner, 11. Auf­la­ge 2011, § 6 Ent­gelt­fort­zah­lungsG Rn. 10; Stau­din­ger-Oet­ker, BGB, Neu­be­ar­bei­tung 2011, § 616 BGB

 

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Rn. 421 f.; Münche­ner Hand­buch zum Ar­beits­recht, Schlach­ter, 3. Auf­la­ge 2009 § 76 Rn. 10; Tre­ber, Ent­gelt­fort­zah­lungsG, 2. Auf­la­ge 2007, § 6 Rn. 25; wohl auch Kunz/Wed­de, EFZR, 2. Auf­la­ge 2005, § 6 Rn. 65 f.). Ent­ge­gen der An­nah­me des Bun­des­ar­beits­ge­richts (vgl. BAG 12. De­zem­ber 1989 - 8 AZR 195/88 - n.v., in ju­ris, dort Rn. 17 un­ter Be­ru­fung auf BGH 29. Fe­bru­ar 1972 - VI ZR 192/70 - VersR 1972, 566 = NJW 1972, 766), fehlt es be­reits an ei­nem Scha­den des Ar­beit­neh­mers durch die vom Schädi­ger ver­ur­sach­te Ar­beits­unfähig­keit, so dass auch kein dies­bezügli­cher An­spruch auf den Ar­beit­ge­ber über­ge­hen kann.

bb) Vor­lie­gend ist der An­spruch des Ar­beit­neh­mers H. auf ei­ne "Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung / Son­der­zu­wen­dung (an­tei­lig)" nicht vom Vor­lie­gen oder Nicht­vor­lie­gen ei­ner Ar­beits­unfähig­keit im Be­zugs­zeit­raum abhängig. Aus­weis­lich Nr. 2.2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 6/97 "Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung" vom 18.12.1997 ist persönli­che Vor­aus­set­zung für die Mit­ar­bei­ter­er­folgs­be­tei­li­gung nur, dass der be­tref­fen­de Ar­beit­neh­mer zu ei­nem be­stimm­ten Stich­tag in ei­nem un­gekündig­ten und un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis steht, was beim Ar­beit­neh­mer H. der Fall war. Nach Nr. 4.2.8 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung sind Kürzun­gen nur in be­stimm­ten Fällen ru­hen­der Ar­beits­verhält­nis­se (z.B. Wehr­dienst, Er­zie­hungs­ur­laub) vor­ge­se­hen, nicht aber im Fall von Ar­beits­unfähig­keit. Ent­spre­chen­des gilt nach Nr. 1.2 und Nr. 3.2.4 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 03/98 "Son­der­zu­wen­dung" vom 30.09.1998. Auch bei die­sen Zah­lun­gen gilt ergänzend - wie schon un­ter a) dd) be­schrie­ben - dass die Kläge­rin zu Un­recht ei­ne an­tei­li­ge Be­rech­nung auf Ba­sis der ge­sam­ten Krank­heits­dau­er des Ar­beit­neh­mers H. bis 29.11.2009 und nicht nur bis zum Ab­lauf des Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­raums am 30.04.2011 vor­nimmt, wor­auf es aber nicht wei­ter an­kam, da der An­spruch be­reits ins­ge­samt nicht ge­ge­ben war.

C

Die Kläge­rin und die Be­klag­te ha­ben die Kos­ten ih­rer er­folg­lo­sen Be­ru­fun­gen ent­spre­chend dem Verhält­nis der bei­den Rechts­mit­tel­streit­wer­te zu tra­gen, §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Re­vi­si­on für die Kläge­rin gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zu­ge-las­sen. Im Übri­gen hat es die Re­vi­si­on nicht zu­ge­las­sen, weil die Vor­aus­set­zun­gen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

 

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

1. Ge­gen die­ses Ur­teil kann d. Kläg. schrift­lich Re­vi­si­on ein­le­gen. Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat, die Re­vi­si­ons­be­gründung in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuss-Platz 1

99084 Er­furt

ein­ge­hen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­on und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Pro­zess­be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

a. Rechts­anwälte,
b. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver-gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
c. ju­ris­ti­sche Per­so­nen, die die Vor­aus­set­zun­gen des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG erfül-len.

In den Fällen der lit. b und c müssen die han­deln­den Per­so­nen die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

2. Für d. Bekl. ist ge­gen die­ses Ur­teil ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben. Auf § 72a ArbGG wird hin­ge­wie­sen.
 

 

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