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BAG, Ur­teil vom 05.09.2002, 9 AZR 244/01

   
Schlagworte: Urlaub, Arbeitszeitkonto
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 244/01
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.09.2002
   
Leitsätze:

Beträgt der Urlaub bei einer regelmäßig auf fünf Arbeitstage verteilten Arbeitszeit 30 Arbeitstage, ist für die Umrechnung des Urlaubs eines Teilzeitbeschäftigten, der mit dem Arbeitgeber eine Jahresarbeitszeit vereinbart hat, auf die im Kalenderjahr möglichen Arbeitstage abzustellen. Der Urlaub des Teilzeitbeschäftigten verringert sich entsprechend.

Wird die Arbeitszeit des Teilzeitbeschäftigten in einem Zeitkonto erfaßt, sind sämtliche auf Grund des gesetzlichen Urlaubs ausfallenden Arbeitsstunden als "Ist-Arbeitszeit" anzusetzen.

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf "Gutschrift" von zu Unrecht nicht berücksichtigten Urlaubsstunden ist zu mindern, soweit der Arbeitgeber ihm "zuviel" freie Tage angerechnet hat.

Ausgleichsansprüche wegen zu Unrecht nicht berücksichtigter Urlaubsstunden werden im Sinne eines Tarifvertrags jedenfalls erst dann mit Ende des Ausgleichszeitraumes fällig, wenn im Tarifvertrag eine zweistufige Ausschlußfrist bestimmt ist, deren Lauf mit der "Fälligkeit" eines Anspruchs beginnt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bielefeld, Urteil vom 20.04.2000, 6 Ca 3306/99
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 16.01.2001, 11 Sa 988/00
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


9 AZR 244/01
11 Sa 988/00
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hamm

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
5. Sep­tem­ber 2002

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 5. Sep­tem­ber 2002 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Düwell, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Rei­ne­cke, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Zwan­zi­ger, die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schwarz und Heil­mann für Recht er­kannt:


Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 16. Ja­nu­ar 2001 - 11 Sa 988/00 - wird zurück­ge­wie­sen, so­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt die auf Gut-


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schrift von 64 und 85 St­un­den ge­rich­te­te Kla­ge ab­ge­wie­sen hat.

Im übri­gen wird auf die Re­vi­si­on des Klägers das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf­ge­ho­ben und der Rechts­streit zur an­der­wei­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on - an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die "Gut­schrift" von Ar­beits­stun­den für die Jah­re 1999 und 2000 auf dem Ar­beits­zeit­kon­to.

Der Kläger ist bei der Be­klag­ten, die sich mit der Her­stel­lung von Ka­len­dern und Le­der­wa­ren be­faßt, seit 1991 als Buch­bin­der beschäftigt. Seit dem 1. Ja­nu­ar 1995 ar­bei­tet der Kläger mit ei­ner jähr­li­chen Ar­beits­zeit von 1.300 Ar­beits­stun­den. Auf das Ar­beits­verhält­nis sind kraft ein­zel­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­run­gen die je­wei­li­gen ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen in der Pa­pier, Pap­pe und Kunst­stof­fe ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie an­zu­wen­den. Die re­gelmäßige ta­rif­li­che Ar­beits­zeit beträgt 35 St­un­den/Wo­che; sie kann un­re­gelmäßig auf ei­nen Zeit­raum bis zu 52 Wo­chen ver­teilt wer­den. Nach § 15 II. Nr. 1 des Man­tel­ta­rif­ver­trags für die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer in der Pa­pier, Pap­pe und Kunst­stof­fe ver­ar­bei­ten­den In­dus­trie vom 17. Ja­nu­ar 1997 (MTV) beträgt der Ur­laubs­an­spruch für al­le Ar­beit­neh­mer 30 Ur­laubs­ta­ge. Nach Nr. 3 zählen als Ur­laubs­ta­ge fünf Ar­beits­ta­ge je Wo­che mit Aus­nah­me der ge­setz­li­chen Fei­er­ta­ge. § 15 III. Nr. 1 MTV sieht vor, daß das Ur­laubs­ent­gelt nach dem Durch­schnitts­ver­dienst mit Aus­nah­me der Mehr­ar­beit und der auf die Mehr­ar­beit fal­len­den Zu­schläge der letz­ten drei ab­ge­rech­ne­ten Lohn­pe­ri­oden be­rech­net wird. Durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung kann ein­heit­lich für den gan­zen Be­trieb ein länge­rer Be­zugs­zeit­raum bis zu ei­nem Jahr fest­ge­legt wer­den. In Nr. 2 heißt es:

"Die Zahl der für den ein­zel­nen Ur­laubs­tag zu vergüten­den St­un­den beträgt ein Fünf­tel der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit des Ar­beit­neh­mers nach dem Durch­schnitt der letz­ten drei ab­ge­rech­ne­ten Lohn­pe­ri­oden oh­ne Mehr­ar­beits­stun­den, min­des­tens der letz­ten 13 Wo­chen."
 


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Nach § 15 III. Nr. 3 MTV wird das Ur­laubs­ent­gelt je Ur­laubs­tag für das Ur­laubs­jahr vor dem ers­ten Ur­laubs­an­tritt nur ein­mal be­rech­net.
Nach § 19 Nr. 1 MTV sind ta­rif­ver­trag­li­che Ansprüche schrift­lich oder zur Nie­der­schrift des Lohnbüros gel­tend zu ma­chen: a) Ansprüche auf Mehr­ar­beits­vergütung und Zu­schläge we­gen ungüns­ti­ger La­ge der Ar­beits­zeit in­ner­halb von zwei Wo­chen nach Vor­lie­gen der Lohn­ab­rech­nung, bei der sie hätten ab­ge­rech­net wer­den müssen, b) sons­ti­ge Ansprüche in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach ih­rer Fällig­keit. In Nr. 2 ist be­stimmt:


"Ist ein An­spruch recht­zei­tig gel­tend ge­macht und lehnt der an­de­re Teil die Erfüllung aus­drück­lich ab, so muß der An­spruch in­ner­halb von drei Mo­na­ten seit der Ab­leh­nung rechtshängig ge­macht wer­den. Ei­ne späte­re Kla­ge­er­he­bung ist aus­ge­schlos­sen."

In Nr. 4 des Ar­beits­ver­trags ha­ben die Par­tei­en ua. ver­ein­bart:

"Die Ar­beits­zeit rich­tet sich nach dem Ar­beits­an­fall. Die jähr­li­che Ar­beits­zeit beträgt 1.300 St­un­den. Es wird ei­ne nor­ma­le tägli­che Ar­beits­zeit von 5 St­un­den fest­ge­legt. Der Ar­beit­ge­ber ist be­rech­tigt, mit der ta­rif­li­chen Ankündi­gungs­frist die nor­ma­le tägli­che Ar­beits­zeit (Teil­zeit) ein­zu­schränken oder aus­zu­wei­ten. Für die Ein­schränkung gilt: An ma­xi­mal 70 Ar­beits­ta­gen pro Jahr auf null St­un­den. Darüber­hin­aus können wei­te­re Ta­ge im ge­gen­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men ver­ein­bart wer­den. Die Vergütung die­ser Ta­ge er­folgt auf Ba­sis des Durch­schnitts­ver­diens­tes der letz­ten drei ab­ge­rech­ne­ten Lohn­pe­ri­oden vor der Ein­schränkung. Für die Aus­wei­tung gilt: Sie fin­det in Ab­stim­mung mit dem Vor­ge­setz­ten statt. Der Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet sich zur Ab­leis­tung der re­gelmäßigen tägli­chen be­trieb­li­chen Ar­beits­zeit. Darüber­hin­aus ist die Leis­tung frei­wil­lig.


Un­abhängig von der tägli­chen Ar­beits­leis­tung er­folgt die Vergütung auf der Grund­la­ge der ver­ein­bar­ten nor­ma­len tägli­chen Ar­beits­zeit von 5 St­un­den. Über­stun­den­vergütun­gen wer­den erst mit Über­schrei­tun­gen der re­gelmäßigen be­trieb­li­chen Ar­beits­zeit fällig.


Be­zahl­te Fehl- und Ur­laubs­ta­ge wer­den mit der nor­ma­len tägli­chen Ar­beits­zeit von 5 St­un­den ge­rech­net. Wer­den dem Mit­ar­bei­ter in Zei­ten der aus­ge­wei­te­ten Ar­beit be­zahl­te Fehl- oder Ur­laubs­ta­ge gewährt, so wer­den die­se mit der ver­ein­bar­ten nor­ma­len Ar­beits­zeit von 5 St­un­den ge­rech­net und vergütet."


Die Be­klag­te und der bei ihr ge­bil­de­te Be­triebs­rat schlos­sen am 10. Sep­tem­ber 1999 im Ver­lauf ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­rens ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung über "Dau­er, La­ge und Ver­tei­lung der ta­rif­li­chen Ar­beits­zeit" (BV Ar­beits­zeit).
 


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De­ren Gel­tungs­be­reich er­streckt sich ua. auf die Ab­tei­lung Fal­ze­rei, in der der Kläger beschäftigt ist (§ 1 BV Ar­beits­zeit). Nach § 2 BV Ar­beits­zeit wird die ta­rif­li­che Ar­beits­zeit von 1.820 St­un­den auf 52 Wo­chen in den Zeiträum­en 1. Fe­bru­ar 1999 bis 30. Ja­nu­ar 2000 so­wie 31. Ja­nu­ar 2000 bis 28. Ja­nu­ar 2001 nach den als An­la­ge zur BV Ar­beits­zeit ge­nom­me­nen Ar­beits­zeit­plänen ver­teilt. Des Wei­te­ren ha­ben die Be­triebs­part­ner ua. fol­gen­de Re­ge­lun­gen ge­trof­fen:


"§ 4 Ur­laubs- und Aus­fall­ta­ge bei Voll­zeit­beschäftig­ten


Bei Ur­laubs-, Krank­heits- und Fei­er­ta­gen, sons­ti­gen Frei­stel­lun­gen un­ter Fort­zah­lung der Vergütung oder un­be­zahl­ten Zei­ten wer­den die sich aus dem Dienst- bzw. Schicht­plan er­ge­ben­den St­un­den auf dem Ar­beits­zeit­kon­to an­ge­rech­net. ...


Es können nur vol­le Ar­beits­ta­ge als Ur­laubs­ta­ge ge­nom­men wer­den. Je­der als Ur­laubs­tag ge­nom­me­ne Ar­beits­tag zählt oh­ne Rück­sicht auf die an die­sem Ar­beits­tag aus­ge­fal­le­ne Ar­beits­zeit als ein Ur­laubs­tag.
...


§ 7 Ar­beits­zeit­kon­to

Für je­den Mit­ar­bei­ter, der in den Gel­tungs­be­reich die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung fällt, wird ein in­di­vi­du­el­les Ar­beits­zeit­kon­to mit den tägli­chen Soll- und Ist­ar­beits­zei­ten geführt.


Die Ist-Ar­beits­zeit ent­spricht der tatsächlich ge­leis­te­ten Ar­beits­zeit. Da­bei wird zwi­schen re­gelmäßiger Ar­beits­zeit und zu­schlags­pflich­ti­ger Mehr­ar­beit un­ter­schie­den.

Die Soll-Ar­beits­zeit ist die be­trieb­lich ver­ein­bar­te tägli­che Ar­beits­zeit ent­spre­chend den Ar­beits­zeit­plänen, die als An­la­gen Be­stand­teil die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung sind.


...

§ 10 Teil­zeit­beschäftig­te

Die Teil­zeit­beschäftig­ten wer­den im Rah­men der mit ih­nen ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit ent­spre­chend den Schicht- und Ar­beits­zeit­plänen der Voll­zeit­beschäftig­ten ein­ge­setzt.


Wer­den die Teil­zeit­beschäftig­ten über die be­trieb­lich fest­ge­leg­ten Ar­beits­zei­ten hin­aus ein­ge­setzt, wer­den die zusätz­lich ge­leis­te­ten St­un­den als Mehr­ar­beit mit den ta­rif­li­chen Zu­schlägen vergütet.


...

Die mit den Teil­zeit­beschäftig­ten ver­ein­bar­te Ar­beits­zeit wird re­gelmäßig im Zeit­raum 01.02. bis zum 31.01. des Fol­ge­jah­res ge­leis­tet. Die über die ver­ein­bar­te Jah­res­ar­beits­zeit hin­aus ge-leis­te­ten St­un­den wer­den spätes­tens mit der Ab­rech­nung Mai aus­ge­zahlt.

Die Ab­rech­nung der Ur­laubs- und Krank­heits­ta­ge der Teil­zeit­beschäftig­ten mit ver­ste­tig­tem Mo­nats­ein­kom­men er­folgt in der


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Wei­se, daß auf dem Ar­beits­zeit­kon­to je­der Ur­laubs­tag und je­der Krank­heits­tag mit der ver­ein­bar­ten tägli­chen Ar­beits­zeit an­ge­rech­net wird."

Nach § 11 BV Ar­beits­zeit wer­den fünf Ta­ri­fur­laubs­ta­ge be­trieb­lich durch die Be­klag­te und den Be­triebs­rat fest­ge­legt. Im Zu­sam­men­hang mit mögli­chen Über­schnei­dun­gen von ver­plan­tem Ta­ri­fur­laub mit Rest­ur­laub/Frei­zeit­aus­gleich heißt es:

"Da­mit ste­hen je­dem Mit­ar­bei­ter noch 25 Ta­ri­fur­laubs­ta­ge des lau­fen­den Jah­res zur Verfügung".


Der Kläger war in den Mo­na­ten Au­gust, Sep­tem­ber und Ok­to­ber 1999 an meh­re­ren Ta­gen ur­laubs­ab­we­send. Während die­ser Mo­na­te war er für ar­beitstäglich zwi­schen sie­ben bis neun St­un­den ein­ge­teilt. Die Be­klag­te brach­te dem Kläger für je­den Ur­laubs­tag fünf Ar­beits­stun­den auf dem Ar­beits­zeit­kon­to als ge­leis­te­te Ar­beits­zeit gut.


Mit sei­ner im No­vem­ber 1999 er­ho­be­nen Kla­ge hat der Kläger gel­tend ge­macht, die Be­klag­te müsse die im Jahr 1999 in­fol­ge des Ur­laubs tatsächlich aus­ge­fal­le­nen Ar­beits­stun­den sei­nem Ar­beits­zeit­kon­to gut­schrei­ben. Die Re­ge­lung in § 10 Abs. 5 BV Ar­beits­zeit be­nach­tei­li­ge Teil­zeit­beschäftig­te. Sie be­wir­ke, daß ein Teil­zeit­beschäftig­ter mehr als die ge­schul­de­ten 1.300 Jah­res­ar­beits­stun­den zu er­brin­gen ha­be. Für das Jahr 1999 hat der Kläger ei­ne Dif­fe­renz von 64 St­un­den und für das Jahr 2000 85 St­un­den er­mit­telt, de­ren Gut­schrift, hilfs­wei­se Zah­lung er mit der im De­zem­ber 2000 er­folg­ten Kla­ge­er­wei­te­rung gel­tend macht.


Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len,

1. dem Zeit­kon­to des Klägers ins­ge­samt 64 St­un­den gut­zu­schrei­ben, hilfs­wei­se an ihn ei­nen Be­trag in Höhe von 1.662,08 DM brut­to zu zah­len,


2. dem Zeit­kon­to des Klägers wei­te­re 85 St­un­den gut­zu­schrei­ben, hilfs­wei­se an ihn ei­nen Be­trag in Höhe von 2.207,45 DM brut­to zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.
 


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Sie hat va. vor­ge­bracht, die St­un­den, die über fünf St­un­den täglich hin­aus gin­gen, sei­en nicht zu berück­sich­ti­gen, weil der Kläger nach § 11 BV Ar­beits­zeit 30 Ar­beits­ta­ge Ur­laub er­hal­te. Tatsächlich sei sein ta­rif­li­cher Ur­laubs­an­spruch deut­lich ge­rin­ger, weil er nicht an al­len Ar­beits­ta­gen im Jahr beschäftigt wer­de. Die prak­ti­ka­ble Re­ge­lung des § 10 Abs. 5 BV Ar­beits­zeit glei­che die­sen Vor­teil des Klägers le­dig­lich aus.


Das Ar­beits­ge­richt und das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­ben die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Hier­ge­gen wen­det sich der Kläger mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on. Die Be­klag­te be­an­tragt de­ren Zurück­wei­sung.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­gründet.

A. Die Kla­ge ist zulässig.

Die als Leis­tungs­anträge for­mu­lier­ten Haupt­anträge sind nach der ge­bo­te­nen Aus­le­gung hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Aus­zu­ge­hen ist von der Ab­re­de der Par­tei­en, nach der die Be­klag­te dem Kläger ein mo­nat­lich ver­ste­tig­tes Ent­gelt zahlt und der Kläger als Ge­gen­leis­tung in zwölf Mo­na­ten 1.300 St­un­den zu er­brin­gen hat. Das nach der BV Ar­beits­zeit hierüber zu führen­de Ar­beits­zeit­kon­to dient der Fest­stel­lung, ob be­zahl­te und ver­trag­lich ge­schul­de­te Leis­tung sich de­cken. Je nach dem Stand können sich zu­guns­ten der ei­nen oder der an­de­ren Par­tei Ansprüche auf Aus­gleich er­ge­ben. Bei ei­nem Sal­do zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers kom­men Ansprüche auf (be­zahl­te) Frei­stel­lung oder auf Ent­gelt in Be­tracht (vgl. BAG 26. Sep­tem­ber 2001 - 5 AZR 539/00 - BA­GE 99, 112).

Auf die­se Rechts­fol­gen zielt der An­trag des Klägers. Er er­strebt kei­ne Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zur tatsächli­chen Auf­schrei­bung von Da­ten und de­ren Über­nah­me in die Da­ten­samm­lung "Ar­beits­zeit­kon­to" im Sin­ne ei­ner nach § 887 ZPO zu voll-stre­cken­den Hand­lung. Die Be­klag­te soll viel­mehr ver­ur­teilt wer­den, die nach der Be­haup­tung des Klägers ge­leis­te­ten Mehr­stun­den aus­zu­glei­chen, vor­ran­gig durch be­zahl­te Frei­stel­lung und hilfs­wei­se durch Ent­gelt.
 


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B. Die Re­vi­si­on des Klägers hat in der Sa­che teil­wei­se Er­folg. Zwar kann der Kläger von der Be­klag­ten für die Jah­re 1999 und 2000 kei­ne be­zahl­te Frei­stel­lung für 64 oder 85 St­un­den be­an­spru­chen. Es ist je­doch nicht aus­zu­sch­ließen, daß dem Kläger zu­min­dest ein Teil der hilfs­wei­se gel­tend ge­mach­ten Vergütungs­ansprüche zu­ste­hen. Die Re­vi­si­on führt in­so­weit zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils, mit dem das Lan­des­ar­beits­ge­richt die vollständi­ge Kla­ge­ab­wei­sung durch das Ar­beits­ge­richt bestätigt hat. Der Rechts­streit war an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen, weil für ei­ne ab­sch­ließen­de Sach­ent­schei­dung Fest­stel­lun­gen feh­len.


I. Die Haupt­anträge sind un­be­gründet. Mögli­che Ansprüche des Klägers auf be­zahl­te Frei­stel­lung we­gen Über­schrei­tung der ge­schul­de­ten 1.300 Jah­res­ar­beits­stun­den sind in­fol­ge Zeit­ab­laufs er­lo­schen.


1. Nach § 10 BV Ar­beits­zeit be­zieht sich die mit Teil­zeit­beschäftig­ten ver­ein­bar­te Jah­res­ar­beits­zeit re­gelmäßig auf den Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar bis zum 31. Ja­nu­ar des Fol­ge­jah­res. Die Be­triebs­part­ner ha­ben da­mit den Zeit­raum "Jahr" fest­ge­legt, in dem Teil­zeit­beschäftig­te die ver­trag­lich ver­ein­bar­te Ar­beit zu er­brin­gen ha­ben. Zu­gleich ha­ben sie den 31. Ja­nu­ar als Stich­tag be­stimmt, zu dem das Ar­beits­zeit­kon­to ab­zu­sch­ließen ist. Ein An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf "Über­trag" ei­nes zu sei­nen Guns­ten fest­ge­stell­ten Zeits­al­dos in das Ar­beits­zeit­kon­to des fol­gen­den Ab­rech­nungs­zeit­rau­mes be­steht nicht. Ansprüche we­gen zu we­nig an­ge­rech­ne­ter Ar­beits­stun­den be­schränken sich auf Zah­lung ei­nes ent­spre­chen­den Geld­be­trags. Die­ser ist "spätes­tens mit der Ab­rech­nung Mai" aus­zu­zah­len.


Die Ar­beits­zeit­be­stim­mun­gen der Be­triebs­ver­ein­ba­rung sind nach § 77 Abs. 4 Satz 1 Be­trVG auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en an­zu­wen­den. Der Kläger hat mit der Be­klag­ten ver­trag­lich kei­ne güns­ti­ge­re Re­ge­lung ge­trof­fen. Die zu er­brin­gen­den 1.300 Ar­beits­stun­den wer­den im Ar­beits­ver­trag zwar als "Jah­res­ar­beits­zeit" be­zeich­net. Dem ent­spricht aber auch der Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar ei­nes Jah­res bis 31. Ja­nu­ar des Fol­ge­jah­res.


2. Der für den Zeit­raum 1. Fe­bru­ar 1999 bis 31. Ja­nu­ar 2000 maßge­ben­de Stich­tag war be­reits zum Schluß der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­stri­chen. Daß der Stich­tag 31. Ja­nu­ar 2001 für Ansprüche aus den vor­an­ge­gan­ge­nen zwölf Mo­na­te erst nach Schluß der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richts lag, steht ei­ner Ent­schei­dung des Se­nats nicht ent­ge­gen. Die­se Tat­sa­che ist of­fen­kun­dig; schutzwürdi­ge Be­lan­ge des Klägers ste­hen ih­rer Berück­sich­ti­gung
 


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nicht ent­ge­gen (vgl. BGH 10. Mai 1990 - IX ZR 246/89 - NJW 1990, 2754, zur Verjährung). Sei­ne In­ter­es­sen wer­den hin­rei­chend durch die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten ge­wahrt, mögli­cher­wei­se nicht aus­ge­gli­che­ne Plus­stun­den zu be­zah­len.

II. Ansprüche des Klägers auf Ent­gelt kom­men nach § 611 Abs. 1 BGB, § 1 BUrlG, § 15 III. MTV in Be­tracht. Die Be­klag­te hat Ur­laubs­stun­den zu Un­recht nicht im Ar­beits­zeit­kon­to er­faßt. Dar­aus folgt, daß der Kläger An­spruch auf wei­te­res Ur­laubs­ent­gelt ha­ben kann. Das be­trifft in­des­sen nicht je­den der von der Be­klag­ten gewähr­ten 30 Ur­laubs­ta­ge. Be­trof­fen ist nur die Dau­er des Ur­laubs, den der Kläger ent­spre­chend der Ver­tei­lung sei­ner Ar­beits­zeit in den Jah­ren 1999 und 2000 be­an­spru­chen konn­te.


1. Die Un­rich­tig­keit des Ar­beits­zeit­kon­tos er­gibt sich schon aus dem BUrlG. Des­sen §§ 1 bis 12 sind nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG zwin­gend. Ab­wei­chen­de Ver­ein­ba­run­gen können nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG al­lein Ta­rif­ver­trags­par­tei­en tref­fen. Auch das gilt nicht un­ein­ge­schränkt. Die §§ 1 bis 3 BUrlG sind auch der Re­ge­lungs-macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ent­zo­gen. Auf die BV Ar­beits­zeit kann sich die Be­klag­te da­her nicht be­ru­fen. So­weit in ihr der Ur­laub ab­wei­chend vom MTV ge­re­gelt ist, ist sie nach § 77 Abs. 3 Be­trVG un­wirk­sam.

a) Bei Ab­ruf­ar­beit, wie sie hier vor­liegt, wer­den mit der Kon­kre­ti­sie­rung der Ar­beits­zeit zu­gleich die Ar­beits­stun­den be­stimmt, die der Ar­beit­ge­ber auch dann zu vergüten hat, wenn der Ar­beit­neh­mer zwar tatsächlich nicht ar­bei­tet, die aber auf Grund ar­beits­recht­li­cher Be­stim­mun­gen als ge­leis­tet gel­ten. Hier­zu gehören Ur­laubs­zei­ten. Der Ar­beit­neh­mer hat nach § 1 BUrlG in je­dem Ka­len­der­jahr ge­gen den Ar­beit­ge­ber An­spruch auf be­zahl­ten Er­ho­lungs­ur­laub. In­so­weit erhält die Vor­schrift dem Ar­beit­neh­mer für die Dau­er des ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laubs den An­spruch auf Vergütung der in­fol­ge des Ur­laubs aus­fal­len­den Ar­beits­zeit auf­recht (ständi­ge Recht­spre­chung des BAG vgl. 22. Fe­bru­ar 2000 - 9 AZR 107/99 - BA­GE 93, 376). In das Ar­beits­zeit­kon­to sind des­halb die in­fol­ge der Frei­stel­lung aus­ge­fal­le­nen Soll-Ar­beits­stun­den als "Ist-St­un­den" ein­zu­stel­len. Ur­laubs­ta­ge und -stun­den sind Teil der ef­fek­ti­ven Jah­res­ar­beits­zeit (BAG 25. Ju­li 1989 - 1 ABR 46/88 - AP Be­trVG 1972 § 87 Ar­beits­zeit Nr. 38 = EzA Be­trVG 1972 § 87 Ar­beits­zeit Nr. 38). Wer­den Aus­fall­zei­ten dem Ar­beit­neh­mer nicht gut­ge­schrie­ben, be­deu­tet das nichts an­de­res, als daß ihm die hierfür zu­ste­hen­de Ur­laubs­vergütung vor­ent­hal­ten wird.


Dem steht die Zah­lung des auf der Grund­la­ge der ver­ein­bar­ten Jah­res­ar­beits-zeit er­mit­tel­ten ver­ste­tig­ten Ent­gelts nicht ent­ge­gen. Die­se Form der Aus­zah­lung si-
 


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chert dem Ar­beit­neh­mer le­dig­lich gleichmäßig ho­he Einkünf­te trotz zeit­wei­ser Nicht­beschäfti­gung. Maßgeb­lich ist das Ar­beits­zeit­kon­to, das den Vergütungs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers - nur in an­de­rer Form - aus­drückt (BAG 13. Fe­bru­ar 2002 - 5 AZR 470/00 - AP Ent­geltFG § 4 Nr. 57 = EzA Ent­gelt­fort­zG § 4 Nr. 5). An­dern­falls müßte der Ar­beit­neh­mer (zusätz­li­che) St­un­den leis­ten um ein aus­ge­gli­che­nes Kon­to zu er­rei­chen, wie der Kläger zu Recht gel­tend macht. Hätte die Be­klag­te die über fünf St­un­den hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­stun­den im Ar­beits­zeit­kon­to an­ge­rech­net, hätte sich die Zahl sei­ner ge­schul­de­ten Ar­beits­stun­den ent­spre­chend ver­rin­gert.

b) Al­ler­dings sind nicht al­le außer An­satz ge­las­se­nen St­un­den als Ist-St­un­den zu berück­sich­ti­gen. Er­faßt wer­den nur die St­un­den, die an den Ur­laubs­ta­gen aus­ge­fal­len sind, die der Kläger von der Be­klag­ten be­an­spru­chen konn­te.

aa) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­zieht sich der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch von 24 Werk­ta­gen (§ 3 Abs. 1 BUrlG) auf ei­ne Ar­beits­zeit von sechs Ta­gen in der Wo­che. Er ist des­halb um­zu­rech­nen, wenn der Ar­beit­neh­mer an we­ni­ger als sechs Ta­gen ar­bei­tet. Es gilt die For­mel: tatsächli­che Ar­beits­ta­ge/Wo­che x 24 : 6 = Ur­laubs­an­spruch (vgl. BAG 14. Fe­bru­ar 1991 - 8 AZR 97/90 - BA­GE 67, 217). Las­sen sich die mit Ar­beits­pflicht be­leg­ten Ar­beits­ta­ge nur auf Grund ei­nes Jah­res­ver­gleichs er­mit­teln, so sind die­se Ta­ge ins Verhält­nis zu den ge­setz­lich mögli­chen Ar­beits­ta­gen zu set­zen. Da­bei geht das Bun­des­ar­beits­ge­richt für die 6-Ta­ge-Wo­che von 312 und für die 5-Ta­ge-Wo­che von 260 mögli­chen Ar­beits­ta­gen im Jahr aus (BAG 18. Fe­bru­ar 1997 - 9 AZR 738/95 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Che­mie Nr. 13 = EzA BUrlG § 3 Nr. 20). Ände­run­gen der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit in­ner­halb des je­wei­li­gen Be­zugs­zeit­raum sind zu berück­sich­ti­gen. Un­ter Umständen muß da­her die Ur­laubs­dau­er mehr­fach be­rech­net wer­den (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 314/97 - BA­GE 88, 315).

bb) Für den Ta­ri­fur­laub gilt vor­be­halt­lich ta­rif­li­cher Son­der­re­ge­lun­gen nichts an­de­res als für den ge­setz­li­chen Ur­laub. Be­ruht sei­ne Dau­er auf der Fünf-Ta­ge-Wo­che und ver­teilt sich die re­gelmäßige Ar­beits­zeit des Ar­beit­neh­mers auf mehr oder we­ni­ger als auf fünf Ar­beits­ta­ge in der Wo­che, erhöht oder ver­min­dert sich die Ur­laubs­dau­er ent­spre­chend (BAG 20. Ju­ni 2000 - 9 AZR 309/99 - BA­GE 95, 117 mwN). Bei wech­seln­der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit er­folgt die Um­rech­nung in glei­cher Wei­se wie im ge­setz­li­chen Ur­laubs­recht, es sei denn, der Ta­rif­ver­trag enthält hier­von ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen. Sol­che enthält der MTV nicht.



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Nach § 15 II. Nr. 1 MTV ha­ben zwar "al­le Ar­beit­neh­mer ein­sch­ließlich der Ju­gend­li­chen" An­spruch auf 30 Ur­laubs­ta­ge. Mit dem Be­griff "al­le" wird je­doch nur aus­ge­drückt, daß die­se Ur­laubs­dau­er für al­le Beschäftig­ten, al­so An­ge­stell­te, Ar­bei­ter und Aus­zu­bil­den­de und un­abhängig von ih­rem Al­ter gilt. Die Dau­er des Ta­ri­fur­laubs selbst ist an der Fünf-Ta­ge-Wo­che aus­ge­rich­tet. Das folgt ua. aus der For­mu­lie­rung, als Ur­laubs­ta­ge "zählen" fünf Ar­beits­ta­ge je Wo­che und wird durch die re­gelmäßige Ver­tei­lung der ta­rif­li­chen Wo­chen­ar­beits­zeit auf die Ta­ge Mon­tag bis Frei­tag (§ 2 Nr. 2 MTV) bestätigt. Der ta­rif­li­che Di­vi­sor beträgt 260, wie sich aus der Be­rech­nungs­re­gel des § 15 III. Nr. 2 MTV er­gibt.

cc) Die An­zahl der dem Kläger da­nach zu­ste­hen­den Ur­laubs­ta­ge kann der Se­nat nicht ab­sch­ließend be­rech­nen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat nicht die Um­rech­nungs­for­mel des Se­nats ver­wen­det. Es hat viel­mehr auf das rech­ne­ri­sche Verhält­nis der tägli­chen Ar­beits­zeit ab­ge­stellt (5 x 30 : 7 = 21,43 Ta­ge). Da­mit hat es ver­kannt, daß der Ur­laubs­an­spruch auf die vollständi­ge Be­frei­ung von der Ar­beits­pflicht an Ar­beits­ta­gen und nicht auf ei­ne stun­den­wei­se Be­frei­ung von der Ar­beit ge­rich­tet ist. Die aus­ge­fal­le­nen Ar­beits­stun­den stel­len den sog. Zeit­fak­tor für die Be­rech­nung des (ge­setz­li­chen) Ur­laubs­ent­gelts dar.


Des­halb ist auch der Ver­such der Be­klag­ten, ihr Ab­rech­nungs­sys­tem zu ver­tei­di­gen, oh­ne Er­folg. Ih­re Hand­ha­bung mag "prak­tisch" sein, weil sie ei­ne - auch mögli­che mehr­fa­che - Um­rech­nung des Ur­laubs ver­mei­det. Es ist aber nicht si­cher ge­stellt, daß die Sum­me der nicht an­ge­rech­ne­ten Ur­laubs­stun­den sich mit der Sum­me der an­ge­rech­ne­ten St­un­den für die "zu­viel" gewähr­ten Ur­laubs­ta­ge deckt. Das ist zwar nicht von vorn­her­ein aus­zu­sch­ließen. Die Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts las­sen je­doch den er­for­der­li­chen Ver­gleich nicht zu.

2. Die Feh­ler­haf­tig­keit des von der Be­klag­ten geführ­ten Ar­beits­zeit­kon­tos er­gibt sich fer­ner aus dem Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 2 BeschFG 1985.


a) Der Kläger ist Teil­zeit­ar­beit­neh­mer iSv. § 2 Abs. 2 BeschFG (jetzt: § 2 Tz­B­fG). Sei­ne Ar­beits­zeit von 1.300 Ar­beits­stun­den bleibt im Jah­res­durch­schnitt hin­ter der ta­rif-li­chen Wo­chen­ar­beits­zeit von 1.820 St­un­den zurück. Nach § 2 BeschFG (jetzt: § 4 Tz­B­fG) dürfen Teil­zeit­ar­beit­neh­mer nicht we­gen ih­rer verkürz­ten Ar­beits­zeit ge­genüber Voll­zeit­ar­beit­neh­mern un­gleich be­han­delt wer­den. Die verkürz­te Ar­beits­zeit darf nicht Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal sein. Teil­zeit­ar­beit­neh­mer ha­ben An­spruch auf al­le Leis­tun­gen, die pro­por­tio­nal ih­rer Ar­beits­zeit ent­spre­chen.
 


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b) Die Be­klag­te be­han­delt ent­ge­gen ih­rer Be­haup­tung Teil­zeit- und Voll­zeit­beschäftig­te un­ter­schied­lich. Sie ist in­so­weit ei­nem Denk­feh­ler er­le­gen. Gleich­be­hand­lung wäre nur ge­ge­ben, wenn - be­zo­gen auf die durch­schnitt­li­che tägli­che Ar­beits­zeit von fünf und sie­ben St­un­den - der Kläger (5 x 30) 150 Ur­laubs­stun­den an­ge­rech­net er­hiel­te und Voll­zeit­beschäftig­te (7x 30) 210 Ur­laubs­stun­den. Die Jah­res­ar­beits­zeit des Teil­zeit­beschäftig­ten von 1.300 St­un­den würde sich auf 1.150 St­un­den ver­rin­gern, die der Voll­zeit­beschäftig­ten von 1.820 St­un­den auf 1.610 St­un­den. Tatsächlich verfährt die Be­klag­te aber nicht in die­ser Wei­se. In­dem sie bei Voll­zeit­beschäftig­ten stets die tatsächlich aus­fal­len­den Ar­beits­stun­den als ge­leis­tet an­rech­net, er­hal­ten die­se nicht nur 210 Ur­laubs­stun­den. Ihr nach Ab­zug der Ur­laubs­stun­den ver­blei­ben­des Zeit­kon­tin­gent von 1.610 St­un­den ver­min­dert sich viel­mehr zusätz­lich um die berück­sich­tig­ten "Mehr­stun­den", während die Teil­zeit­beschäftig­ten un­verändert 1.150 Jah­res­ar­beits­stun­den zu leis­ten ha­ben.

III. In wel­cher Höhe dem Kläger Ent­gelt­ansprüche zu­ste­hen, kann der Se­nat nicht er­ken­nen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird die hierfür er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen zu tref­fen ha­ben. Da­bei ist von fol­gen­dem aus­zu­ge­hen.

1. Mögli­che Ent­gelt­ansprüche des Klägers sind nicht nach § 19 MTV ver­fal­len.

a) Für die Ansprüche des Jah­res 1999 ist die Ein­hal­tung der al­lein in Be­tracht kom­men­den Frist von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit des An­spruchs (§ 19 Nr. 1 b MTV) nicht zwei­fel­haft. Sie be­zie­hen sich auf die Mo­na­te Au­gust, Sep­tem­ber und Ok­to­ber 1999. Kla­ge ist be­reits im No­vem­ber 1999 er­ho­ben wor­den. Die­se war zwar zunächst nur auf "Gut­schrift" ge­rich­tet, während Zah­lung erst im April 2000 ver­langt wor­den ist. Der Zah­lungs­an­spruch ist aber im Verhält­nis zur "Gut­schrift" kein neu­er An­spruch im Sin­ne der ta­rif­li­chen Aus­schlußfrist. Er er­setzt ihn le­dig­lich, nach­dem ei­ne Frei­stel­lung we­gen des Ab­laufs des Aus­gleichs­zeit­raums nicht mehr in Be­tracht kommt (vgl. BAG 13. Fe­bru­ar 2002 - 5 AZR 470/00 - aaO).

b) Die Zah­lungs­ansprüche für das Jahr 2000, die bis in den Mo­nat Ja­nu­ar zurück rei­chen, hat der Kläger mit sei­ner im De­zem­ber 2000 er­ho­be­nen Kla­ge eben­falls recht­zei­tig gel­tend ge­macht.


aa) Ob Ansprüche auf Berück­sich­ti­gung von Ur­laubs­stun­den im Ar­beits­zeit­kon­to im Sin­ne ei­nes Ta­rif­ver­trags über­haupt mo­nat­lich fällig wer­den und nicht erst dann, wenn das Ar­beits­zeit­kon­to ge­schlos­sen wird, ist bis­her nicht ent­schie­den (of­fen ge­las-
 


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sen in BAG 13. Fe­bru­ar 2002 - 5 AZR 470/00 - aaO). Für ei­ne Fällig­keit erst mit Sch­ließung des Kon­tos spricht, daß bei ei­nem auf ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum be­zo­ge­nen Ab­rech­nungs- und Aus­gleichs­sys­tem die mo­nat­li­chen Aus­wei­sun­gen und er­faßten Po­si­tio­nen kein endgülti­ges Er­geb­nis wie­der­ge­ben. La­ge und Um­fang der mit Ar­beits­pflicht be­leg­ten Ar­beits­ta­ge des auf Ab­ruf beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers können sich auf Grund ein­sei­ti­ger An­ord­nung, ein­ver­nehm­li­cher Re­ge­lung oder auch durch "Nicht­ab­ruf" des Zeit­kon­tin­gents ändern. Hier­von ist zu­gleich auch die Dau­er des Ur­laubs be­trof­fen. Ob sich aus der un­rich­ti­gen Kon­tenführung tatsächlich Aus­gleichs­ansprüche des Ar­beit­neh­mers er­ge­ben, kann im fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis da­her re­gelmäßig erst mit der Be­en­di­gung des Aus­gleichs­zeit­raums be­ur­teilt wer­den. Erst dann läßt sich fest­stel­len, ob der Ar­beit­neh­mer trotz Er­halt des ver­ste­tig­ten mo­nat­li­chen Ent­gelts tat-sächlich wei­ter­ge­hen­de Frei­stel­lungs- oder Zah­lungs­ansprüche ge­gen den Ar­beit­ge­ber er­wor­ben hat.

bb) Je­den­falls bei Ver­ein­ba­rung ei­ner zwei­stu­fi­gen Aus­schlußfrist, hier in § 19 Nr. 2 MTV, ist da­von aus­zu­ge­hen, daß der Lauf der ta­rif­li­chen Aus­schlußfrist erst mit En­de der Ab­rech­nungs­pe­ri­ode be­ginnt. Der Ar­beit­neh­mer wäre an­dern­falls ge­zwun­gen, zur Ver­mei­dung des Ver­falls Kla­ge zu er­he­ben, ob­wohl nicht si­cher ist, daß sich aus dem un­rich­ti­gen Zwi­schen­sal­do tatsächlich Aus­gleichs­ansprüche er­ge­ben. Das liegt schon we­gen der mit je­dem Pro­zeß ver­bun­de­nen Kos­ten we­der in sei­nem In­ter­es­se noch im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers.

2. Die da­nach für bei­de Ka­len­der­jah­re er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen sind ge­trennt zu tref­fen.

a) Zu er­mit­teln ist zunächst die Zahl der Ur­laubs­ta­ge. Ins Verhält­nis zu set­zen ist die Zahl der Soll-Ar­beits­ta­ge mit der Zahl der mögli­chen 260 Ar­beits­ta­ge. Zu er­mit­teln ist der ge­setz­li­che Ur­laub auf der Grund­la­ge von 24 Werk­ta­gen/20 Ar­beits­ta­gen und der ta­rif­li­che Ur­laub auf der Grund­la­ge von 30 Ar­beits­ta­gen.

b) Fest­zu­stel­len ist so­dann die Zahl der an den "ei­gent­lich" ge­schul­de­ten Ur­laubs­ta­gen tatsächlich aus­ge­fal­le­nen Ar­beits­stun­den, die von der Be­klag­ten nicht an-ge­rech­net wor­den sind. Da­bei ist zu un­ter­schei­den.

aa) Der ge­setz­li­che Ur­laubs­an­spruch ist un­ab­ding­bar. Erfüllt der Ar­beit­ge­ber Ur­laubs­ansprüche, ist nach der Aus­le­gungs­re­gel des § 366 Abs. 2 BGB da­von aus­zu­ge­hen, daß die Be­klag­te zunächst auf den ge­setz­li­chen Ur­laubs­an­spruch und so­dann auf
 


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den ta­rif­li­chen/ver­trag­li­chen Ur­laubs­an­spruch ge­leis­tet hat. Die auf Grund des ge­setz­li­chen Ur­laubs aus­ge­fal­le­nen Ar­beits­stun­den sind ins­ge­samt zu berück­sich­ti­gen.

bb) An­de­res gilt mögli­cher­wei­se für den über den ge­setz­li­chen Ur­laub hin­aus gewähr­ten Ta­ri­fur­laub.

(1) Nach § 15 III. Nr. 2 MTV sind nicht die am Ur­laubs­tag aus­fal­len­den Ar­beits­stun­den zu vergüten, son­dern die sich aus den letz­ten drei ab­ge­rech­ne­ten Lohn­pe­ri­oden er­ge­ben­de durch­schnitt­li­che Zahl von Ar­beits­stun­den. Ei­ne Durch­schnitts­be­rech­nung des sog. Zeit­fak­tors, die nach § 15 III. Nr. 3 MTV für sämt­li­che Ur­laubs­ta­ge vor An­tritt des ers­ten Ur­laubs vor­zu­neh­men ist, ist un­wirk­sam, so­fern sie dar­auf ab­zielt, die Vergütung des ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub zu ver­min­dern. Die Berück­sich­ti­gung der tatsächlich aus­fal­len­den Ar­beits­stun­den ist dem Ar­beit­neh­mer nach § 1 BUrlG ga­ran­tiert (BAG 22. Fe­bru­ar 2000 - 9 AZR 107/99 - aaO; ErfK/Dörner 3. Aufl. § 13 BUrlG Rn. 50).

(2) Ei­ne zu Un­guns­ten des Ar­beit­neh­mers von § 1 BUrlG ab­wei­chen­de Durch­schnitts­be­rech­nung ist al­ler­dings für den den ge­setz­li­chen Ur­laub über­stei­gen­den Ta­ri­fur­laub zulässig. Bei der An­wen­dung hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu berück­sich­ti­gen, daß sich das im Be­trieb prak­ti­zier­te Ar­beits­zeit­sys­tem, ins­be­son­de­re auch für die auf Ab­ruf täti­gen Teil­zeit­beschäftig­ten sich mit dem ta­rif­li­chen Grund­mo­dell nicht deckt. Das kann da­zu führen, daß Zei­ten der Nicht­beschäfti­gung für die Er­mitt­lung des Zeit­fak­tors außer An­satz zu las­sen sind. Dann wären auch sämt­li­che aus­ge­fal­le­nen und bis­her nicht an­ge­rech­ne­ten Ur­laubs­stun­den für den Ta­ri­fur­laub zu berück­sich­ti­gen (vgl. ErfK/Dörner 3. Aufl. § 13 BUrlG Rn. 51 mwN).


3. Wei­ter­hin ist die An­zahl der Ur­laubs­stun­den fest­zu­stel­len, die von der Be­klag­ten an den­je­ni­gen Frei­stel­lungs­ta­gen als Ist-Ar­beits­zeit er­faßt hat, die über den ge­schul­de­ten Ur­laub hin­aus­ge­hen. Die­se St­un­den können von den sich zu­guns­ten des Klägers er­ge­ben­den Plus­stun­den ab­zu­zie­hen sein, wo­bei der Ab­gleich nach Maßga­be der BV Ar­beits­zeit nicht nach den Ka­len­der­jah­ren zu er­fol­gen hat, son­dern nach dem dort be­stimm­ten Ab­rech­nungs­zeit­raum 1. Fe­bru­ar/31. Ja­nu­ar des Fol­ge­jah­res.


Rechts­gründe ste­hen der Berück­sich­ti­gung der zu­viel an­ge­rech­ne­ten St­un­den nicht ent­ge­gen.

a) Aus­schlußfris­ten des § 19 MTV sind nicht zu prüfen. Die Be­klag­te ver­folgt kei­nen selbständi­gen An­spruch auf Zah­lung, der als sol­cher kla­ge­wei­se durch­ge­setzt


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wer­den könn­te. Ih­re Ver­rech­nung stellt le­dig­lich das "rich­ti­ge" Er­geb­nis des Ar­beits­zeit­kon­tos her.

b) Das vom Kläger vor­ge­brach­te ur­laubs­recht­li­che ge­ne­rel­le "Ver­bot der Rück­for­de­rung" gibt es nicht. Gewähr­te freie Ta­ge können zwar nicht rückgängig ge­macht wer­den; versäum­te Ar­beit kann nicht tatsächlich mit rück­wir­ken­der Kraft nach­ge­holt wer­den. Die Her­aus­ga­be der für ei­ne un­be­rech­tig­te Frei­stel­lung ge­zahl­ten Vergütung ist da­ge­gen recht­lich und tatsächlich möglich.

aa) Das ge­setz­li­che Ur­laubs­recht enthält kein all­ge­mei­nes Rück­for­de­rungs­ver­bot. § 5 Abs. 3 BUrlG re­gelt die Rechts­fol­gen, die sich aus ei­ner vor­zei­ti­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses im Ur­laubs­jahr und der da­durch be­wirk­ten Kürzung des Ur­laubs nach § 5 Abs. 1 c BUrlG er­ge­ben. Hat der Ar­beit­neh­mer be­reits mehr Ur­laub und Ur­laubs­ent­gelt er­hal­ten als ihm auf Grund der vor­zei­ti­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu­steht, kann der Ar­beit­ge­ber das zu­viel gewähr­te Ur­laubs­ent­gelt nicht zu-rück­for­dern. Es han­delt sich in­so­weit um ei­ne be­rei­che­rungs­recht­li­che Son­der­vor­schrift, die nicht zu ver­all­ge­mei­nern ist (vgl. BAG 23. April 1996 - 9 AZR 317/95 - BA-GE 83, 36).

bb) Dem Man­tel­ta­rif­ver­trag läßt sich nichts an­de­res ent­neh­men. Die Rechts­fol­gen ei­ner nachträgli­chen Kürzung des Ur­laubs im Aus­tritts­jahr sind in § 15 III. Nr. 6 MTV be­stimmt. Nach Buchst. a) kann der Ar­beit­ge­ber das Ur­laubs­ent­gelt und das zusätz­li­che Ur­laubs­geld für die zu­viel er­hal­te­nen Ur­laubs­ta­ge zurück­for­dern oder ein­be­hal­ten, wenn der Ar­beit­neh­mer das Ar­beits­verhält­nis selbst gekündigt hat. Auch die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en un­ter­schei­den mit­hin zwi­schen der - nicht rück­hol­ba­ren - Frei­stel­lung des Ar­beit­neh­mers und der Rück­for­der­bar­keit der hierfür ge­zahl­ten Vergütung.

Für die An­nah­me, § 15 III. Nr. 6 MTV re­ge­le ab­sch­ließend die sich bei ei­ner "Zu­viel"-Gewährung von Ur­laub er­ge­ben­den Ansprüche des Ar­beit­ge­bers, be­ste­hen kei­ne An­hal­te.


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IV. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die da­nach er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen zu tref­fen und zu ent­schei­den. Das be­trifft auch die Kos­ten der Re­vi­si­on.


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