HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Nien­burg, Be­schluss vom 15.06.2012, 2 Ca 257/12 Ö (Be­schluss)

   
Schlagworte: Urlaubsanspruch, Teilzeit, Vorlage
   
Gericht: Arbeitsgericht Nienburg
Aktenzeichen: 2 Ca 257/12 Ö (Beschluss)
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 15.06.2012
   
Leitsätze:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Artikel 267 AEUV folgende Frage vorgelegt:

Ist das einschlägige Unionsrecht, insbesondere § 4 Nr. 1 und 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23 geänderten Fassung, dahin auszulegen, dass es nationalen gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach der bei einer mit der Änderung der Zahl der wöchentlichen Arbeitstage verbundenen Änderung des Beschäftigungsausmaßes eines Arbeitnehmers das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Anspruchs auf Erholungsurlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht möglich war, in der Weise angepasst wird, dass der in Wochen ausgedrückte Urlaubsanspruch der Höhe nach zwar gleich bleibt, jedoch hierbei der in Tagen ausgedrückte Urlaubsanspruch auf das neue Beschäftigungsausmaß umgerechnet wird?

Vorinstanzen:
   

AR­BEITS­GERICHT NIEN­BURG

BESCHLUSS

2 Ca 257/12 Ö

In dem Rechts­streit

Kläge­rin

ge­gen

Be­klag­te

I. Der Rechts­streit wird aus­ge­setzt.

II. Dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on wird gemäß Ar­ti­kel 267 AEUV fol­gen­de Fra­ge vor­ge­legt:

Ist das ein­schlägi­ge Uni­ons­recht, ins­be­son­de­re § 4 Nr. 1 und 2 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit im An­hang der Richt­li­nie 97/81 zu der von UN­ICE, CEEP und EGB ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit in der durch die Richt­li­nie 98/23 geänder­ten Fas­sung, da­hin aus­zu­le­gen, dass es na­tio­na­len ge­setz­li­chen oder ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach der bei ei­ner mit der Ände­rung der Zahl der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge ver­bun­de­nen Ände­rung des Beschäfti­gungs­aus­maßes ei­nes Ar­beit­neh­mers das Aus­maß des noch nicht ver­brauch­ten An­spruchs auf Er­ho­lungs­ur­laub, des­sen Ausübung dem Ar­beit­neh­mer im Be­zugs­zeit­raum nicht möglich war, in der Wei­se an­ge­passt wird, dass der in Wo­chen aus­ge­drück­te Ur­laubs­an­spruch der Höhe nach zwar gleich bleibt, je­doch hier­bei der in Ta­gen aus­ge­drück­te Ur­laubs­an­spruch auf das neue Beschäfti­gungs­aus­maß um­ge­rech­net wird?

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Gründe

1. Sach­ver­halt des Aus­gangs­ver­fah­rens

Die Par­tei­en strei­ten über die Höhe des der Kläge­rin zu­ste­hen­den, noch nicht ver­brauch­ten Ur­laubs aus den Jah­ren 2010 und 2011, nach­dem die Ar­beits­be­din­gun­gen der Kläge­rin mit Wir­kung zum 22.12.2011 ein­ver­nehm­lich von voll- zu teil­zei­ti­ger Beschäfti­gung ab­geändert wor­den sind.

Die im Jahr 1984 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist bei dem be­klag­ten Land seit dem 1. April 2009 beschäftigt. Die Par­tei­en ver­ein­bar­ten ein Voll­zeit­ar­beits­verhält­nis, das zunächst bis zum 31. März 2011 be­fris­tet war (Blatt 8, 9 der Ak­te); mit Ver­ein­ba­rung vom 29. Sep­tem­ber 2009 wur­de das be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis mit so­for­ti­ger Wir­kung in ein un­be­fris­te­tes um­ge­wan­delt (Blatt 10, 11 der Ak­te).

Im Jahr 2010 trat bei der Kläge­rin ei­ne Schwan­ger­schaft ein. Während der Schwan­ger­schaft un­ter­lag die Kläge­rin ei­nem Beschäfti­gungs­ver­bot. Am 22. De­zem­ber 2010 ge­bar die Kläge­rin ein Kind. Im An­schluss an die Zeit des Mut­ter­schut­zes nahm die Kläge­rin ab dem 17. Fe­bru­ar 2011 bis ein­sch­ließlich zum 21. De­zem­ber 2011 El­tern­zeit in An­spruch.

Am 13. Sep­tem­ber 2011 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en, dass die Kläge­rin in der Zeit vom 22. De­zem­ber 2011 bis zum 21. De­zem­ber 2013 als Teil­zeit­beschäftig­te mit 1/2 der durch­schnitt­li­chen re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit ei­ner oder ei­nes ent­spre­chen­den Voll­beschäftig­ten bei dem be­klag­ten Land beschäftigt wer­de (Blatt 6, 7 der Ak­te). Die La­ge der re­du­zier­ten Ar­beits­zeit ist in der schrift­li­chen Ände­rungs­ver­ein­ba­rung nicht fi­xiert. Tatsächlich wird die Kläge­rin von dem be­klag­ten Land – un­strei­tig – seit der Re­du­zie­rung der Ar­beits­zeit an drei Ar­beits­ta­gen in der Wo­che beschäftigt.

Im Jahr 2010 konn­te die Kläge­rin auf­grund ih­rer Schwan­ger­schaft und des da­mit zu­sam­menhängen­den Beschäfti­gungs­ver­bo­tes bzw. auf­grund der Zei­ten des Mut­ter­schut­zes un­strei­tig ei­nen auf der Grund­la­ge ih­rer voll­zei­ti­gen Beschäfti­gung er­rech­ne­ten Ur­laubs­rest in Höhe von 22 Ta­gen nicht neh­men. Für das Jahr 2011 er­gibt sich auf der Grund­la­ge der ver­trag­lich bis zum 21. De­zem­ber 2011 wei­ter be­ste­hen­den Ver­ein­ba­rung ei­ner voll­zei­ti­gen Beschäfti­gung ein (vollständig nicht erfüll­ter) Ur­laubs­an­spruch von 7 Ta­gen; auch dies ist als sol­ches zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig.

Die Kläge­rin ist der Auf­fas­sung, ihr stünden wei­ter­hin 29 Ar­beits­ta­ge Ur­laub aus den Jah­ren 2010 und 2011 zu. Die Ände­rung ih­rer Ar­beits­be­din­gun­gen in ein Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis führe nicht da­zu, dass ihr er­wor­be­ner Alt-Ur­laubs­an­spruch zu quo­tie­ren sei. Die Um­rech­nungs­re­ge­lun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts für Al­t­ur­laub bei Über­gang von ei­nem Voll­zeit- in ein Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis sei­en uni­ons­rechts­wid­rig.

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Die Kläge­rin hat den An­trag an­gekündigt:

Es wird fest­ge­stellt, dass die Kläge­rin aus den Jah­ren 2010 und 2011 ei­nen rest­li­chen Ur­laubs­an­spruch von 29 Ar­beits­ta­gen hat.

Das be­klag­te Land hat den An­trag an­gekündigt:

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

Es ver­tritt die Auf­fas­sung, der in den Jah­ren 2010 und 2011 er­wor­be­ne Ur­laubs­an­spruch sei auf­grund des Wech­sels von Voll- in Teil­zeit zu quo­tie­ren. Hier­zu sei die An­zahl der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge vor und nach der Ver­tragsände­rung ins Verhält­nis zu set­zen. Das be­klag­te Land macht fol­gen­de Rech­nung auf: 29 Ta­ge Ur­laub, ge­teilt durch 5 Ar­beits­ta­ge, mul­ti­pli­ziert mit 3 Ar­beits­ta­gen, er­gibt 17,4 Ta­ge Ur­laub. Da­mit ste­he der Kläge­rin ein Rest­ur­laubs­an­spruch von nur 17 Ta­gen Ur­laub zu.

Die Quo­tie­rung sei ge­recht­fer­tigt, da die Kläge­rin hier­durch nicht schlech­ter ge­stellt wer­de. Sie könne auch nach der Quo­tie­rung die glei­che An­zahl von Wo­chen Ur­laub neh­men wie zu­vor, da ihr zwar we­ni­ger Ta­ge Ur­laub zustünden, sie je­doch auch we­ni­ger Ur­laubs­ta­ge benöti­ge, um ei­ne Wo­che frei zu be­kom­men. Neh­me man kei­ne Quo­tie­rung vor, ha­be dies zur Fol­ge, dass die Kläge­rin deut­lich mehr Wo­chen Ur­laub neh­men könne als zu­vor. Dies be­deu­te ei­nen un­ge­recht­fer­tig­ten Vor­teil der Kläge­rin ge­genüber ei­nem wei­ter­hin in Voll­zeit beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter.

Die ge­nann­te Quo­tie­rungs­pra­xis wer­de durch die Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs vom 22. April 2010 – C-486/08 – Ti­rol nicht in Fra­ge ge­stellt. Auf­grund des Be­zugs­zeit­raums „Wo­che“ er­lei­de der Ar­beit­neh­mer hin­sicht­lich des Um­fangs des Ur­laubs kei­ne Nach­tei­le. Die vom Ge­richts­hof sei­ner­zeit zu be­ur­tei­len­de Ur­laubs­re­ge­lung wei­se die Be­son­der­heit auf, dass als Be­rech­nungs­größe für den Ur­laub nicht die „Wo­che“ vor­ge­se­hen sei, son­dern der Ur­laub in § 55 Abs. 1 des Lan­des-Ver­trags­be­diens­te­ten­ge­set­zes Ti­rol in St­un­den aus­ge­drückt wer­de. Da­mit wir­ke sich dort je­de Ände­rung des Beschäfti­gungs­aus­maßes un­mit­tel­bar auf die Ur­laubs­dau­er aus.

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2. Na­tio­na­le ge­setz­li­che und ta­rif­li­che Vor­schrif­ten

Im na­tio­na­len Ge­set­zes­recht ist die Fra­ge, wel­che Aus­wir­kun­gen sich bei ei­ner Ände­rung des Beschäfti­gungs­aus­maßes für ei­nen noch nicht ver­brauch­ten An­spruch auf Er­ho­lungs­ur­laub er­ge­ben, nicht aus­drück­lich ge­re­gelt.

Die maßgeb­li­che Vor­schrift des Min­des­t­ur­laubs­ge­set­zes für Ar­beit­neh­mer (Bun­des­ur­laubs­ge­setz) lau­tet:

„…

§ 3 Dau­er des Ur­laubs

(1) Der Ur­laub beträgt jähr­lich min­des­tens 24 Werk­ta­ge.

§ 11 Ur­laubs­ent­gelt

(1) Das Ur­laubs­ent­gelt be­misst sich nach dem durch­schnitt­li­chen Ar­beits­ver­dienst, das der Ar­beit­neh­mer in den letz­ten drei­zehn Wo­chen vor dem Be­ginn des Ur­laubs er­hal­ten hat, mit Aus­nah­me des zusätz­lich für Über­stun­den ge­zahl­ten Ar­beits­ver­diens­tes. Bei Ver­diens­terhöhun­gen nicht nur vorüber­ge­hen­der Na­tur, die während des Be­rech­nungs­zeit­raums oder des Ur­laubs ein­tre­ten, ist von dem erhöhten Ver­dienst aus­zu­ge­hen. Ver­dienstkürzun­gen, die im Be­rech­nungs­zeit­raum in­fol­ge von Kurz­ar­beit, Ar­beits­ausfällen oder un­ver­schul­de­ter Ar­beits­versäum­nis ein­tre­ten, blei­ben für die Be­rech­nung des Ur­laubs­ent­gelts außer Be­tracht. Zum Ar­beits­ent­gelt gehören­de Sach­bezüge, die während des Ur­laubs nicht wei­ter­gewährt wer­den, sind für die Dau­er des Ur­laubs an­ge­mes­sen in bar ab­zu­gel­ten.

…“

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Im Ge­setz über Teil­zeit­ar­beit und be­fris­te­te Ar­beits­verträge (Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz) vom 21. De­zem­ber 2000 ist in Um­set­zung der Richt­li­nie 97/81/EG und der Richt­li­nie 1990/70/EG u.a. ge­re­gelt:

„…

§ 4 Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung

(1) Ein teil­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer darf we­gen der Teil­zeit­ar­beit nicht schlech­ter be­han­delt wer­den als ein ver­gleich­ba­rer voll­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer, es sei denn, dass sach­li­che Gründe ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung recht­fer­ti­gen. Ei­nem teil­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer ist Ar­beits­ent­gelt oder ei­ne an­de­re teil­ba­re geld­wer­te Leis­tung min­des­tens in dem Um­fang zu gewähren, der dem An­teil sei­ner Ar­beits­zeit an der Ar­beits­zeit ei­nes ver­gleich­ba­ren voll­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers ent­spricht.

…“

Auf das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin zu dem be­klag­ten Land ist der Ta­rif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Ok­to­ber 2006 in der Fas­sung des Ände­rungs­ta­rif­ver­tra­ges Nr. 4 vom 2. Ja­nu­ar 2012 an­zu­wen­den. Die für den Er­ho­lungs­ur­laub maßgeb­li­che Vor­schrift lau­tet:

„…

§ 26 Er­ho­lungs­ur­laub

(1) Beschäftig­te ha­ben in je­dem Ka­len­der­jahr An­spruch auf Er­ho­lungs­ur­laub un­ter Fort­zah­lung des Ent­gelts (§ 21). Bei Ver­tei­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit auf fünf Ta­ge in der Ka­len­der­wo­che beträgt der Ur­laubs­an­spruch in je­dem Ka­len­der­jahr bis zum voll­ende­ten 30. Le­bens­jahr 26 Ar­beits­ta­ge, bis zum voll­ende­ten 40. Le­bens­jahr 29 Ar­beits­ta­ge und nach dem voll­ende­ten 40. Le­bens­jahr 30 Ar­beits­ta­ge.

Ar­beits­ta­ge sind al­le Ka­len­der­ta­ge, an de­nen die Beschäftig­ten dienst­planmäßig oder be­triebsüblich zu ar­bei­ten ha­ben oder zu ar­bei­ten hätten, mit Aus­nah­me der auf Ar­beits­ta­ge fal­len­den ge­setz­li­chen Fei­er­ta­ge, für die kein Frei­zeit­aus­gleich gewährt wird. Maßge­bend für die Be­rech­nung der Ur­laubs­dau­er ist das Le­bens­jahr, das im Lau­fe des Ka­len­der­jah­res voll­endet wird. Bei ei­ner an­de­ren Ver­tei­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit als auf fünf Ta­ge in der Wo­che erhöht oder ver­min­dert sich der Ur­laubs­an­spruch ent­spre­chend. Ver­bleibt bei der Be­rech­nung des Ur­laubs ein Bruch­teil, der min­des­tens ei­nen hal­ben Ur­laubs­tag er­gibt, wird er auf ei­nen vol­len Ur­laubs­tag auf­ge­run­det; Bruch­tei­le von we­ni­ger als ei­nem hal­ben Ur­laubs­tag blei­ben un­berück­sich­tigt. Der Er­ho­lungs­ur­laub muss im lau­fen­den Ka­len­der­jahr gewährt wer­den; er kann auch in Tei­len ge­nom­men wer­den.

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Pro­to­kollerklärung zu § 26 Ab­satz 1 Satz 7:

Der Ur­laub soll grundsätz­lich zu­sam­menhängend gewährt wer­den; da­bei soll ein Ur­laubs­teil von zwei Wo­chen Dau­er an­ge­strebt wer­den.

(2) Im Übri­gen gilt das Bun­des­ur­laubs­ge­setz mit fol­gen­den Maßga­ben:

a) Im Fal­le der Über­tra­gung muss der Er­ho­lungs­ur­laub in den ers­ten drei Mo­na­ten des fol­gen­den Ka­len­der­jah­res an­ge­tre­ten wer­den. Kann der Er­ho­lungs­ur­laub we­gen Ar­beits­unfähig­keit oder aus be­trieb­li­chen/dienst­li­chen Gründen nicht bis zum 31. März an­ge­tre­ten wer­den, ist er bis zum 31. Mai an­zu­tre­ten.

b) Be­ginnt oder en­det das Ar­beits­verhält­nis im Lau­fe ei­nes Jah­res, steht als Er­ho­lungs­ur­laub für je­den vol­len Mo­nat des Ar­beits­verhält­nis­ses ein Zwölf­tel des Ur­laubs­an­spruchs nach Ab­satz 1 zu; § 5 Bun­des­ur­laubs­ge­setz bleibt un­berührt.

c) Ruht das Ar­beits­verhält­nis, so ver­min­dert sich die Dau­er des Er­ho­lungs­ur­laubs ein­sch­ließlich ei­nes et­wai­gen ta­rif­li­chen Zu­satz­ur­laubs für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat um ein Zwölf­tel.

d) Das Ent­gelt nach Ab­satz 1 Satz 1 wird zu dem in § 24 ge­nann­ten Zeit­punkt ge­zahlt.

…“

Für Ar­beit­neh­mer der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und der kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber gilt der Ta­rif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst (TVöD). Die dor­ti­gen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben am 31. März 2012 ver­ein­bart, dass u.a. § 26 TVöD mit Wir­kung zum 1. März 2012 geändert wird. Die Mit­glie­der­ver­samm­lung der Ta­rif­ge­mein­schaft der Länder (TdL) hat in die­sem Zu­sam­men­hang be­schlos­sen, die Ur­laubs­re­ge­lung des § 26 TV-L rück­wir­kend ab 2011 durch ei­ne dis­kri­mi­nie­rungs­freie Re­ge­lung zu er­set­zen und strebt an, ei­ne ent­spre­chen­de Re­ge­lung in der Ent­gelt­run­de 2013 mit den Ge­werk­schaf­ten des öffent­li­chen Diens­tes zu ver­ein­ba­ren. Da­mit den Beschäftig­ten kei­ne Nach­tei­le durch den für ei­ne Neu­ver­ein­ba­rung not­wen­di­gen Zeit­be­darf ent­ste­hen, ist der Über­tra­gungs­zeit­raum für ei­nen evtl. über § 26 TV-L in der ge­genwärti­gen Fas­sung hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruch für das Jahr 2011 durch Be­schluss der Mit­glie­der­ver­samm­lung der TdL bis zum 30.06.2012 verlängert wor­den. Ände­run­gen, die für die Ent­schei­dung der Vor­la­ge­fra­ge er­heb­lich wären, sind bei die­ser ge­plan­ten rück­wir­ken­den Ände­rung der ta­rif­li­chen Ur­laubs­re­ge­lung je­doch nicht zu er­war­ten.

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3. Vor­schrif­ten des Uni­ons­rechts

Die am 6. Ju­ni 1997 ge­schlos­se­ne Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit im An­hang der Richt­li­nie 97/81/EG des Ra­tes vom 15. De­zem­ber 1997 zu der von UN­ICE, CEEP und EGB ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit (ABl. 1998, L 14, S. 9, mit Be­rich­ti­gung im ABl. 1998, L 128, S. 71) in der durch die Richt­li­nie 98/23/EG des Ra­tes vom 7. April 1998 (ABl. L 131, S. 10) geänder­ten Fas­sung (im Fol­gen­den: Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit) soll nach § 1 Buchst. a

„die Be­sei­ti­gung von Dis­kri­mi­nie­run­gen von Teil­zeit­beschäftig­ten si­cher­stel­len und die Qua­lität der Teil­zeit­ar­beit ver­bes­sern“.

§ 4 („Grund­satz der Nicht­dis­kri­mi­nie­rung“) die­ser Rah­men­ver­ein­ba­rung sieht vor:

„1. Teil­zeit­beschäftig­te dürfen in ih­ren Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen nur des­we­gen, weil sie teil­zeit­beschäftigt sind, ge­genüber ver­gleich­ba­ren Voll­zeit­beschäftig­ten nicht schlech­ter be­han­delt wer­den, es sei denn, die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung ist aus sach­li­chen Gründen ge­recht­fer­tigt.

2. Es gilt, wo dies an­ge­mes­sen ist, der Pro-ra­ta-tem­po­ris-Grund­satz.

…“

4. Na­tio­na­le Ge­pflo­gen­hei­ten - Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur­mei­nun­gen

a) Die Rechts­an­wen­dung wird ge­prägt durch ei­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 28.04.1998 - 9 AZR 314/97 -. Der Leit­satz lau­tet, so­weit hier er­heb­lich:

„Ändert sich im Ver­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res die Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit auf we­ni­ger oder auch auf mehr Ar­beits­ta­ge ei­ner Ka­len­der­wo­che, verkürzt oder verlängert sich ent­spre­chend die Dau­er des dem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­den Ur­laubs. Sie ist dann je­weils un­ter Berück­sich­ti­gung der nun­mehr für den Ar­beit­neh­mer maßgeb­li­chen Ver­tei­lung sei­ner Ar­beits­zeit neu zu be­rech­nen. Das trifft auch für ei­nen auf das fol­gen­de Ur­laubs­jahr über­tra­ge­nen Rest­ur­laub zu, wenn der Ar­beit­neh­mer seit Be­ginn des fol­gen­den Jah­res in Teil­zeit beschäftigt ist.

…“

Die­ser Ent­schei­dung fol­gend, wer­den be­reits er­wor­be­ne Ansprüche auf Er­ho­lungs­ur­laub bei ei­ner Ände­rung des Beschäfti­gungs­aus­maßes des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers ent­spre­chend dem Verhält­nis der An­zahl der al­ten wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge zu den neu­en an­ge­passt. Im Fall der Re­du­zie­rung der Ar­beits­zeit un­ter Ver­rin­ge­rung der Zahl der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge be­deu­tet dies ei­ne Ver-

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rin­ge­rung des Al­t­ur­laubs­an­spruchs, im Fall ih­rer Er­wei­te­rung un­ter Erhöhung der Zahl der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge erhöht sich der Al­t­ur­laubs­an­spruch, nach Ta­gen be­mes­sen, ent­spre­chend.

Der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts hat in der vor­be­zeich­ne­ten Ent­schei­dung be­reits die Ver­ein­bar­keit der von ihm auf­ge­stell­ten Grundsätze mit eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­schrif­ten ge­prüft und be­jaht. In den Ent­schei­dungs­gründen heißt es:

„… Das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­weist sich auch nicht aus an­de­ren Gründen als rich­tig. Zu Un­recht hat die Kläge­rin im Ver­fah­ren vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt gel­tend ge­macht, dass ei­ne Um­rech­nung ih­res An­spruchs im Über­tra­gungs­zeit­raum ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot nach Art. 119 EG-Ver­trag bzw. nach Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG ver­s­toße.

Die Kläge­rin über­sieht, dass die Um­rech­nung ih­res Ur­laubs­an­spruchs al­lein dar­auf be­ruht, dass die Dau­er des ta­rif­li­chen An­spruchs von der im Ta­rif­ver­trag zu­grun­de ge­leg­ten Ar­beits­zeit abhängt (§ 48 Abs. 1 BAT-KF) und sich die Ver­tei­lung ih­rer Ar­beits­zeit ge­genüber ih­rer bis­he­ri­gen Ar­beits­zeit geändert hat. Die­se Ände­rung be­ruht auf der von der Kläge­rin be­gehr­ten Neu­fest­set­zung ih­rer Ar­beits­zeit seit 1. Ja­nu­ar 1996. Die durch ei­ne Ände­rung der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit be­ding­te Ände­rung der Zahl der Ur­laubs­ta­ge ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin kei­nes­wegs auf Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­se be­schränkt, son­dern in al­len Ar­beits­verhält­nis­sen mit ei­ner Ar­beits­zeit, de­ren Ver­tei­lung von der im Ta­rif­ver­trag ge­nann­ten ab­weicht, möglich. Wird die Ar­beits­zeit auf mehr Ar­beits­ta­ge ei­ner Wo­che, als im Ta­rif­ver­trag vor­ge­se­hen, ver­teilt, erhöht sich ent­spre­chend die Zahl der Ur­laubs­ta­ge.

Die Auf­fas­sung der Kläge­rin, ihr trotz Ver­rin­ge­rung ih­rer Ar­beits­ta­ge den Ur­laub zu gewähren, den nur ein An­ge­stell­ter bei ei­ner Ver­tei­lung sei­ner Ar­beits­zeit auf fünf Ar­beits­ta­ge ver­lan­gen kann, be­deu­tet da­her, dass sie ei­ne Begüns­ti­gung für sich ge­genüber sol­chen Ar­beit­neh­mern be­gehrt. Da­her ist die Auf­fas­sung der Kläge­rin schon im An­satz nicht zu­tref­fend. Für ei­ne Be­nach­tei­li­gung, wie sie von der Kläge­rin be­haup­tet wird, fehlt es im Übri­gen an ei­nem aus­rei­chen­den Tat­sa­chen­vor­trag. Die Kläge­rin hat nämlich nicht dar­ge­legt, in wel­chem Um­fang nach ih­rer Auf­fas­sung Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­se von der Ta­rif­re­ge­lung ne­ga­tiv be­trof­fen sind und um wel­che Zahl von Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­sen weib­li­cher An­ge­stell­ter es sich da­bei im Un­ter­schied zu männ­li­chen An­ge­stell­ten han­delt. In der Re­vi­si­ons­in­stanz hat die Kläge­rin ihr Vor­brin­gen hier­zu nicht wie­der­holt. …“

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b) Die Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on vom 22. April 2010 – C-486/08 – Zen­tral­be­triebs­rat der Lan­des­kran­kenhäuser Ti­rols (kurz: „Ti­rol“-Ent­schei­dung) ist auf die­se Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nach über­wie­gen­der in der deut­schen ar­beits­recht­li­chen Li­te­ra­tur ver­tre­te­ner Auf­fas­sung oh­ne Ein­fluss:

So führt Fie­berg, Ur­laubs­an­spruch bei Über­gang in Teil­zeit – Neu­es aus Lu­xem­burg, NZA 2010, 925, 928, aus, für die Be­rech­nung der Ur­laubs­dau­er bei Ände­rung der Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit ergäben sich aus der „Ti­rol“-Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs vom 22.4.2010 im deut­schen Ur­laubs­recht kei­ne Aus­wir­kun­gen. Dies gel­te ent­ge­gen dem ers­ten, durch die un­vollständi­ge Wie­der­ga­be des Sach­ver­halts im Ent­schei­dungs­ab­druck begüns­tig­ten An­schein auch bei Über­gang von Voll­zeit- in Teil­zeit­beschäfti­gung und auch in­so­weit, als ein vor der Ände­rung er­wor­be­ner Ur­laubs­an­spruch erst nach der Ände­rung erfüllt wer­de. Da die im deut­schen Ur­laubs­recht gel­ten­de Um­rech­nung den Ur­laub nicht „re­du­zie­re“, sei die Ent­schei­dung hin­sicht­lich der Ur­laubs­dau­er nicht ein­schlägig. Hin­ge­gen ge­steht Fie­berg der Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs Aus­wir­kun­gen auf die Be­mes­sung des Ent­gelts für den Ur­laub zu, der nach ei­ner Ände­rung der Ar­beits­zeit oh­ne Ände­rung der Zahl der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge zur Erfüllung des vor der Ände­rung ent­stan­de­nen Ur­laubs­an­spruchs nach der Ände­rung er­teilt wird.

Po­wietz­ka und Christ, Ur­laubs­an­spruch und Ur­laubs­ent­gelt bei Ände­rung der Ar­beits­zeit, Ur­laub und EuGH – Zwei­ter Akt, NJW 2010, 3397, 3399, führen aus, durch die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts wer­de le­dig­lich si­cher­ge­stellt, dass dem Teil­zeit­beschäftig­ten nach der Re­du­zie­rung der Ar­beits­zeit die­sel­be Ur­laubs­dau­er zur Verfügung ste­he. Dies sei kei­ne an­tei­li­ge Kürzung des Ur­laubs, son­dern ei­ne bloße Um­rech­nung. Zu die­ser Um­rech­nung in Fällen der Re­du­zie­rung der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge ha­be sich der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on in der „Ti­rol“-Ent­schei­dung nicht geäußert. Er ha­be le­dig­lich (zu Recht) ei­ne Kürzung der Ur­laubs­ansprüche für eu­ro­pa­rechts­wid­rig erklärt, nicht aber de­ren Um­rech­nung. Ei­ne Auf­recht­er­hal­tung des bis­he­ri­gen Ur­laubs­gut­ha­bens oh­ne Um­rech­nung er­schei­ne sinn­wid­rig. Ein Teil­zeit­ar­beit­neh­mer würde dann al­lein durch die Re­du­zie­rung der Ar­beits­zeit sei­ne Ur­laubs­ansprüche ver­meh­ren und ge­ge­be­nen­falls so­gar ver­viel­fa­chen können. Dies ver­lan­ge die Richt­li­nie zur Ar­beits­zeit­ge­stal­tung, die grundsätz­lich nur den Min­dest­an­spruch von vier ar­beits­frei­en Wo­chen si­che­re, of­fen­sicht­lich nicht. Auch vor dem Hin­ter­grund der Richt­li­nie würde dies so­mit ei­ne un­ge­recht­fer­tig­te Bes­ser­stel­lung der Teil­zeit­ar­beit­neh­mer dar­stel­len. Et­was an­de­res las­se sich auch der Be­gründung des Ur­teils des Ge­richts­hofs nicht ent­neh­men. So­weit die Äußerun­gen des Ge­richts­hofs schein­bar in die­se Rich­tung wie­sen, sei dies al­len­falls miss­verständ­lich for­mu­liert wor­den.

Auch Ram­bach und Feld­mann, Ur­laub und Eu­ro­pa - ei­ne un­end­li­che Ge­schich­te? Die neu­en An­for­de­run­gen des EuGH bei Über­gang von Voll­zeit in Teil­zeit und de­ren Aus­wir­kun­gen auf das deut­sche Ur­laubs­recht, ZTR 2010, 561, un­ter­su­chen und ver­nei­nen die Fra­ge, ob sich die deut­sche Recht­spre­chung ändern müsse für den Fall ei­nes Über­gangs in Teil­zeit und Re­du­zie­rung der Wo­chen­ar­beits­ta­ge auf we­ni­ger als fünf.

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Auch Jun­ker, Aus­wir­kun­gen der neue­ren EuGH-Recht­spre­chung auf das deut­sche Ar­beits­recht, NZA 2011, 950, ver­tritt die Auf­fas­sung, hin­sicht­lich der Ur­laubs­dau­er ha­be das Ur­teil des Ge­richts­hofs kei­ne Aus­wir­kun­gen auf das deut­sche Recht. Während das Bun­des­ur­laubs­ge­setz und die auf ihm be­ru­hen­den ta­rif­li­chen Ur­laubs­re­ge­lun­gen in Deutsch­land vom so ge­nann­ten Ta­ges­prin­zip aus­gin­gen, ba­sie­re die öster­rei­chi­sche Re­ge­lung auf dem St­un­den­prin­zip: Der Er­ho­lungs­ur­laub be­tra­ge bis zum voll­ende­ten 45. Le­bens­jahr 200 Dienst­stun­den und ab dem voll­ende­ten 45. Le­bens­jahr 240 Dienst­stun­den. Da­her wir­ke sich – an­ders als in Deutsch­land – je­de Verände­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit auf die Ur­laubs­dau­er aus. Nach dem in Deutsch­land herr­schen­den Ta­ges­prin­zip sei es da­ge­gen un­er­heb­lich, an wie viel St­un­den ei­nes Ar­beits­tags der Ar­beit­neh­mer zu ar­bei­ten ha­be; blei­be nach ei­ner Verkürzung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit die Zahl der Ar­beits­ta­ge gleich, ände­re sich auch an der Zahl von Ur­laubs­ta­gen nichts. Das Ur­teil des Ge­richts­hofs könne in Deutsch­land je­doch Aus­wir­kun­gen ha­ben auf die Be­rech­nung des Ur­laubs­ent­gelts: Es sei für den in Voll­zeit er­wor­be­nen Ur­laub auch dann nach der vol­len Ar­beits­zeit zu be­rech­nen, wenn der Ur­laub erst in der Teil­zeit­pha­se an­ge­tre­ten wer­de.

Die Ge­gen­auf­fas­sung ver­tritt Mit­tag, Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung und Ur­laub, AiB 2011, 66. Er führt aus, die Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs be­wir­ke, dass § 11 BUrlG we­gen Eu­ro­pa­rechts­wid­rig­keit teil­wei­se nicht mehr an­ge­wen­det wer­den dürfe und die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur An­zahl der Ur­laubs­ta­ge bei Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung geändert wer­den müsse. Ar­beit­neh­mer, die ih­re Ar­beits­zeit re­du­zier­ten und an we­ni­ger Wo­chen­ta­gen als zu­vor ar­bei­te­ten, könn­ten jetzt ei­nen länge­ren Ur­laubs­zeit­raum be­an­spru­chen.

Die Ge­gen­auf­fas­sung ver­tre­ten auch Dörner und dies bei Be­ar­bei­tung der Fol­ge­auf­la­ge über­neh­mend Gall­ner im Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 12. Auf­la­ge 2012, § 3 BUrlG Rn. 15 und § 7 BUrlG Rn. 60. Dort wird aus­geführt, beim Über­gang von Voll­zeit­beschäfti­gung zu Teil­zeit­beschäfti­gung sei­en die Ansprüche für die ent­spre­chen­den Ab­schnit­te ge­son­dert zu be­rech­nen. Ände­re sich bei ei­nem Ar­beit­neh­mer am Jah­res­an­fang der Um­fang der wöchent­li­chen Ar­beits­pflicht, sei die Neu­be­rech­nung für den Um­fang des Ur­laubs nur für den Ur­laub des lau­fen­den Jah­res vor­zu­neh­men, nicht für den über­tra­ge­nen Ur­laub aus dem Vor­jahr.

5. Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Aus­le­gung des Uni­ons­rechts

Die Vor­la­ge­fra­gen sind für den Rechts­streit ent­schei­dungs­er­heb­lich, weil es nur noch von ih­rer Be­ant­wor­tung abhängt, ob der Kla­ge statt­zu­ge­ben ist. Soll­te Uni­ons­recht den vor­ste­hend un­ter 4. dar­ge­stell­ten na­tio­na­len Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­ste­hen, wäre der – im Übri­gen dem Grun­de und der Höhe nach un­strei­ti­ge – Ur­laubs­an­spruch der Kläge­rin aus den Jah­ren 2010 und 2011 von 29 Ta­gen nicht zu quo­tie­ren und ihr da­mit in der be­an­trag­ten Höhe zu­zu­spre­chen.

Das C. wen­det auch für Ar­beit­neh­mer die für Be­am­te gel­ten­de Re­ge­lung des § 8 der Nie­dersäch­si­schen Er­ho­lungs­ur­laubs­ver­ord­nung an (Er­las-

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se des MJ vom 30.11.2006 und vom 1.2.2007 – 2512 – 104.97; Nr. 26.1.3 der TdL-Durchführungs­hin­wei­se zu den Ab­schnit­ten IV bis VI TV-L; Rund­er­lass des MF vom 7.2.2001 – VD5 30 47 -). Die­se Vor­schrift be­stimmt, dass der im Be­zugs­zeit­raum nicht ge­nom­me­ne rest­li­che Ur­laub auch noch in den ers­ten neun Mo­na­ten des fol­gen­den Ur­laubs­jah­res (al­so bis zum 30.9. des Fol­ge­jah­res) an­ge­tre­ten wer­den kann, be­son­de­re Be­din­gun­gen sind für die Über­tra­gung nicht zu erfüllen. Der noch nicht ver­brauch­te Ur­laubs­an­spruch der Kläge­rin für die Jah­re 2010 und 2011 kann von die­ser al­so noch bis zum 30.9.2012 an­ge­tre­ten wer­den. Be­zo­gen auf die 12 Ur­laubs­ta­ge, die das be­klag­te Land der Kläge­rin nicht gewähren will, er­folg­te die Gel­tend­ma­chung durch Kla­ge­er­he­bung in­so­fern – wie zwi­schen den Par­tei­en auch nicht strei­tig ist – recht­zei­tig. Auf die Fra­ge, ob der Kläge­rin die Ur­laub­nah­me bzw. ein da­hin­ge­hen­der An­trag während der rest­li­chen Ta­ge des Jah­res 2011 bzw. in den ers­ten drei Mo­na­ten des Jah­res 2012 möglich ge­we­sen wäre, kommt es vor­lie­gend nicht an.

6. Ge­gen­stand der Vor­la­ge­fra­ge

Ge­gen­stand der Vor­la­ge­fra­ge ist, ob Uni­ons­recht - ins­be­son­de­re § 4 Nr. 2 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit im An­hang der Richt­li­nie 97/81 zu der von UN­ICE, CEEP und EGB ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit in der durch die Richt­li­nie 98/23 geänder­ten Fas­sung – den vor­ste­hend un­ter 4. dar­ge­stell­ten na­tio­na­len Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach wel­chen bei ei­ner Ände­rung des Beschäfti­gungs­aus­maßes ei­nes Ar­beit­neh­mers un­ter Ände­rung der Zahl der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge das Aus­maß des noch nicht ver­brauch­ten An­spruchs auf Er­ho­lungs­ur­laub, des­sen Ausübung dem Ar­beit­neh­mer im Be­zugs­zeit­raum nicht möglich war, in der Wei­se an­ge­passt wird, dass der in Ta­gen aus­ge­drück­te Ur­laubs­an­spruch auf das neue Beschäfti­gungs­aus­maß um­ge­rech­net wird.

a) Nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Ge­richts be­nach­tei­ligt die Kürzung des noch nicht ver­brauch­ten An­spruchs auf Er­ho­lungs­ur­laub im Fal­le des Wech­sels von Voll­zeit- in Teil­zeit­beschäfti­gung den be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer. Da die Kürzung die un­mit­tel­ba­re Fol­ge des Wech­sels in die Teil­zeit­ar­beit ist, be­nach­tei­ligt sie den Ar­beit­neh­mer auch ge­ra­de we­gen sei­ner Teil­zeit­beschäfti­gung. Sie verstößt des­halb ge­gen § 4 Nr. 1 und 2 der Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit im An­hang der Richt­li­nie 97/81 zu der von UN­ICE, CEEP und EGB ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit in der durch die Richt­li­nie 98/23 geänder­ten Fas­sung.

Der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on hat in sei­nem Ur­teil vom 22. April 2010 – C-486/08 - Ti­rol dar­an er­in­nert, dass nach sei­ner ständi­gen Recht­spre­chung der An­spruch je­des Ar­beit­neh­mers auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub als ein be­son­ders be­deut­sa­mer Grund­satz des So­zi­al­rechts der Uni­on an­zu­se­hen ist, von dem nicht ab­ge­wi­chen wer­den darf und den die zuständi­gen na­tio­na­len Stel­len nur in den in der Richt­li­nie 93/104/EG des Ra­tes vom 23. No­vem­ber 1993 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (ABl. L 307, S. 18) selbst aus­drück­lich ge­zo­ge­nen

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Gren­zen um­set­zen dürfen. Er hat be­tont, dass die­ser be­son­ders be­deut­sa­me Grund­satz des So­zi­al­rechts der Uni­on nicht re­strik­tiv aus­ge­legt wer­den darf.

Der Ge­richts­hof hat wei­ter dar­auf hin­ge­wie­sen, dass nach sei­ner Recht­spre­chung zu­dem fest­steht, dass mit dem An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub be­zweckt wird, es dem Ar­beit­neh­mer zu ermögli­chen, sich zu er­ho­len und über ei­nen Zeit­raum für Ent­span­nung und Frei­zeit zu verfügen, und dass die­se Ru­he­zeit ih­re Be­deu­tung, die sie im Hin­blick auf die po­si­ti­ve Wir­kung des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs für die Si­cher­heit und die Ge­sund­heit des Ar­beit­neh­mers hat, nicht da­durch ver­liert, dass sie nicht im Be­zugs­zeit­raum, son­dern zu ei­ner späte­ren Zeit ge­nom­men wird (aaO Rn. 30 un­ter Ver­weis auf das Ur­teil vom 6. April 2006, Fe­de­ra­tie Neder­land­se Vak­be­we­ging, C-124/05, Slg. 2006, I-3423, Rn. 30).

Der Ge­richts­hof hat wei­ter aus­geführt, dass nach sei­ner Auf­fas­sung aus dem Vor­ste­hen­den folgt, dass die In­an­spruch­nah­me des Jah­res­ur­laubs zu ei­ner späte­ren Zeit als dem Be­zugs­zeit­raum in kei­ner Be­zie­hung zu der in die­ser späte­ren Zeit vom Ar­beit­neh­mer er­brach­ten Ar­beits­zeit steht, und dass folg­lich durch ei­ne Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit beim Über­gang von ei­ner Voll­zeit- zu ei­ner Teil­zeit­beschäfti­gung der An­spruch auf Jah­res­ur­laub, den der Ar­beit­neh­mer in der Zeit der Voll­zeit­beschäfti­gung er­wor­ben hat, nicht ge­min­dert wer­den darf.

b) Das vor­le­gen­de Ge­richt teilt das durch den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on in der vor­be­zeich­ne­ten Ent­schei­dung dar­ge­stell­te Verständ­nis des Uni­ons­rechts. Die dar­ge­stell­ten na­tio­na­len Ge­pflo­gen­hei­ten sind uni­ons­rechts­wid­rig. Sie führen zu in­kon­sis­ten­ten Er­geb­nis­sen. Es leuch­te­te schon im­mer nicht ein, wes­halb der­je­ni­ge Ar­beit­neh­mer, der auf­grund von Krank­heit oder we­gen ent­ge­gen­ste­hen­der be­trieb­li­cher Be­lan­ge sei­nen Ur­laub nicht voll neh­men konn­te, beim Wech­sel von Voll- in Teil­zeit un­ter Re­du­zie­rung der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge im Er­geb­nis we­ni­ger Ur­laubs­ta­ge er­hielt als ein ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer, der sei­nen Ur­laub noch recht­zei­tig vor dem Wech­sel in die Teil­zeit im Be­zugs­zeit­raum vollständig zu rea­li­sie­ren im­stan­de war. Eben­so we­nig war al­ler­dings seit je­her verständ­lich, wes­halb der von Teil- in Voll­zeit­beschäfti­gung wech­seln­de Ar­beit­neh­mer sei­nen noch nicht ver­brauch­ten Ur­laub anläss­lich des­sen auf­ge­stockt er­hielt und da­mit bes­ser be­han­delt wur­de als ein ver­gleich­ba­rer Beschäftig­ter, der sei­nen Ur­laub be­reits im Be­zugs­zeit­raum vollständig ge­nom­men hat­te.

c) Tatsächlich dürf­te das von Tei­len der deut­schen Ar­beits­rechts­wis­sen­schaft und -pra­xis ge­se­he­ne Bedürf­nis nach ei­ner Quo­tie­rung des noch nicht ver­brauch­ten Ur­laubs auf ein un­zu­tref­fen­des Verständ­nis des Be­griffs „Ur­laub“ zurück­zuführen sein. Am deut­lichs­ten wird dies, wenn Po­wietz­ka und Christ die Befürch­tung äußern, ein Teil­zeit­ar­beit­neh­mer könne an­sons­ten al­lein durch die Re­du­zie­rung der Ar­beits­zeit sei­ne Ur­laubs­ansprüche „ver­meh­ren“ und ge­ge­be­nen­falls so­gar „ver­viel­fa­chen“. Hier­bei wird die Zeit des „Ur­laubs“ mit der Zeit der „be­trieb­li­chen Ab­we­sen­heit“ ver­wech­selt. Es ist si­cher rich­tig, dass ein Ar­beit­neh­mer, der zu Be­ginn ei­nes Jah­res noch rest­li­chen Ur­laub von 10 Ta­gen hat und von Voll­zeit an fünf Wo­chen­ta­gen auf Teil­zeit an zwei Wo­chen­ta­gen wech­selt, die­se 10 Ur­laubs­ta­ge, nimmt man kei­ne Quo­tie­rung vor, da­zu ein­set­zen kann, fünf Wo­chen lang nicht im Be­trieb er­schei­nen zu müssen. Da­mit hat sich der Ur­laubs­an­spruch aber nun nicht

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„ver­mehrt“. Hätte der Ar­beit­neh­mer sei­nen Ur­laub be­reits im Vor­jahr ge­nom­men, so hätte der Ar­beit­ge­ber sei­ne Ar­beits­leis­tung an 10 Ta­gen nicht in An­spruch neh­men können. Nimmt der Ar­beit­neh­mer den Ur­laub nach dem Wech­sel in die Teil­zeit, ist er zwar fünf Wo­chen be­triebs­ab­we­send, „fehlt“ sei­nem Ar­beit­ge­ber aber auch nicht an mehr als 10 Ta­gen. Stellt man sich vor, dass die­ser Ar­beit­neh­mer bei­spiels­wei­se in Pro­jekt­ar­beit tätig ist, so bleibt es völlig gleich, ob er für die­se Pro­jekt­ar­beit an 10 Ta­gen im al­ten oder im neu­en Jahr nicht zur Verfügung steht. Im Er­geb­nis erhält der Ar­beit­ge­ber in bei­den Fällen die­sel­be Men­ge an Ar­beits­leis­tung. Der Um­stand, dass der Ar­beit­neh­mer, der sei­nen Rest­ur­laub erst nach dem Wech­sel in die Teil­zeit nimmt, ei­ne „gefühlt“ länge­re Ur­laubs­zeit hat, ist al­lein dar­auf zurück­zuführen, dass er auf­grund des Wech­sels in die Teil­zeit oh­ne­hin viel sel­te­ner im Be­trieb er­schei­nen muss.

d) Auch das Ar­gu­ment, es wer­de kei­ne Kürzung, son­dern nur ei­ne Um­rech­nung vor­ge­nom­men, denn der in Wo­chen aus­ge­drück­te Ur­laubs­an­spruch blei­be schließlich der Höhe nach gleich, ver­mag nicht zu über­zeu­gen. Das wird aus fol­gen­den Über­le­gun­gen er­sicht­lich:

Wenn ein Be­rech­nungs­sys­tem den Ur­laubs­an­spruch in Ta­gen oder in St­un­den aus­drückt, muss für den im lau­fen­den Jahr ent­ste­hen­den Ur­laubs­an­spruch bei Teil­zeit­beschäftig­ten ei­ne Quo­tie­rung vor­ge­nom­men wer­den. Hat der in ei­ner Fünf-Ta­ge-Wo­che Voll­zeit­beschäftig­te bei­spiels­wei­se 30 Ta­ge Ur­laub zu er­hal­ten, be­kommt der nur an ei­nem Tag in der Wo­che Teil­zeit­beschäftig­te 6 Ta­ge Ur­laub; ste­hen dem Voll­zeit­beschäftig­ten 200 St­un­den Ur­laub im Jahr zu, erhält der halb­zei­tig Beschäftig­te jähr­lich 100 St­un­den Ur­laub.

Da­ge­gen ist ein sol­cher Re­chen­schritt bei ei­ner Be­mes­sung des Ur­laubs in Wo­chen nicht er­for­der­lich bzw. nicht vor­zu­neh­men. Der an ei­nem Tag pro Wo­che Beschäftig­te erhält ge­nau­so sechs Wo­chen Ur­laub wie der in Voll­zeit Täti­ge.

Sei­nen Grund fin­det die­ser Un­ter­schied dar­in, dass der Ver­wen­dung der Maßein­heit „Wo­che“ – im Ge­gen­satz zur Maßein­heit „Tag“ bzw. „St­un­de“ – be­reits ei­ne Quo­tie­rung im­ma­nent ist, weil die Wo­che beim Voll­zeit­ar­beit­neh­mer fünf Ta­ge, bei dem ge­nann­ten Teil­zeit­beschäftig­ten aber nur ei­nen Tag hat. Ei­ne Ar­beits­stun­de ist da­ge­gen für den Voll­zeit- und den Teil­zeit­beschäftig­ten gleich lang. Ein Ar­beits­tag ist für ei­nen mit ei­nem Fünf­tel der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit ei­nes Voll­zeit­beschäftig­ten an ei­nem Tag in der Wo­che Beschäftig­ten gleich lang wie für den Voll­zeit­beschäftig­ten.

Da die Ver­wen­dung der Maßein­heit "Wo­che" al­so ei­ne ver­deck­te Quo­tie­rung zum Nach­teil des Teil­zeit­beschäftig­ten be­inhal­tet, ist es zwar an­ge­mes­sen, sie bei der Be­rech­nung des lau­fen­den Ur­laubs­an­spruchs zu ver­wen­den, aber un­zulässig, ihr auch be­reit er­wor­be­ne Ur­laubs­ansprüche zu un­ter­wer­fen.

e) Die in der deut­schen ar­beits­recht­li­chen Li­te­ra­tur ver­tre­te­ne Auf­fas­sung, in­fol­ge der "Ti­rol"-Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs ände­re sich bei ei­nem Wech­sel von Voll- in Teil­zeit zwar die Be­mes­sung des Ur­laubs­ent­gelts bei Beschäftig­ten, die dies mit­tels Re­du­zie­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit un­ter Bei­be­hal­tung der An­zahl

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der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge voll­zie­hen, es ergäben sich dar­aus aber kei­ne Kon­se­quen­zen für die bis­he­ri­ge Pra­xis der Quo­tie­rung der Ur­laubs­ta­ge bei Beschäftig­ten, die un­ter Bei­be­hal­tung ih­rer tägli­chen Ar­beits­zeit die An­zahl ih­rer wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge re­du­zie­ren, ist nicht halt­bar. Sie führt zu nicht auflösba­ren Dis­kre­pan­zen. Im erst­ge­nann­ten Fall wird da­mit die fi­nan­zi­el­le Be­nach­tei­li­gung des Teil­zeit­ar­beit­neh­mers ver­mie­den, im letzt­ge­nann­ten tritt sie auf. Der Teil­zeit­ar­beit­neh­mer, der un­ter Bei­be­hal­tung sei­ner tägli­chen Ar­beits­zeit sei­ne wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge re­du­ziert, wird da­mit nicht bloß ge­genüber ei­nem ver­gleich­ba­ren Voll­zeit­beschäftig­ten, son­dern auch ge­genüber sei­nem auf ei­ne an­de­re Art in die Teil­zeit wech­seln­den Kol­le­gen be­nach­tei­ligt. In die­sem Verhält­nis mag dann zwar kein Ver­s­toß ge­gen das uni­ons­recht­li­che Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung von Teil­zeit­beschäftig­ten vor­lie­gen, aber ei­ne Ver­let­zung des im na­tio­na­len Recht gel­ten­den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes. Die­se Wer­tungs­wi­dersprüche wer­den noch deut­li­cher, wenn man berück­sich­tigt, dass der Ar­beit­ge­ber gemäß § 106 Satz 1 Ge­wer­be­ord­nung das Recht be­sitzt, u.a. die Zeit der Ar­beits­leis­tung nach bil­li­gem Er­mes­sen näher zu be­stim­men, so­weit die­se Ar­beits­be­din­gung nicht durch den Ar­beits­ver­trag, Be­stim­mun­gen ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, ei­nes an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­tra­ges oder ge­setz­li­che Vor­schrif­ten fest­ge­legt ist. So kann der Ar­beit­ge­ber bei­spiels­wei­se bei der Ver­ein­ba­rung von Ar­beit auf Ab­ruf (§ 12 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz) frei (und grundsätz­lich für je­de Wo­che neu) ent­schei­den, ob er die Ar­beits­leis­tung ei­nes mit 15 Wo­chen­stun­den Beschäftig­ten an 5 Ta­gen zu je 3 St­un­den oder an 3 Ta­gen zu je 5 St­un­den in An­spruch nimmt. Die vor­be­zeich­ne­te Auf­fas­sung besäße Schwie­rig­kei­ten, zu ent­schei­den und schlüssig dar­zu­le­gen, nach wel­chen Kri­te­ri­en die Neu­be­rech­nung von Ur­laubs­dau­er und/oder Ur­laubs­ent­gelt beim Wech­sel von Voll- in Teil­zeit in sol­chen Fällen vor­zu­neh­men sein soll.

f) Die Un­zulässig­keit der Min­de­rung be­reits im vor­an­ge­gan­ge­nen Be­zugs­zeit­raum er­wor­be­ner Ur­laubs­ansprüche be­inhal­tet bei zu­tref­fen­der Be­trach­tung zwei As­pek­te, die Ur­laubs­dau­er und das Ur­laubs­ent­gelt. Wenn beim Wech­sel von Voll- in Teil­zeit durch Re­du­zie­rung der An­zahl der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge un­ter gleich­zei­ti­ger Bei­be­hal­tung der tägli­chen Ar­beits­zeit der be­reits im vor­an­ge­gan­ge­nen Be­zugs­zeit­raum er­wor­be­ne Ur­laubs­an­spruch quo­tiert wird, hat der Beschäftig­te Ein­bußen so­wohl bezüglich der Dau­er des Ur­laubs als auch hin­sicht­lich des Ur­laubs­ent­gelts zu be­kla­gen. Wird die Quo­tie­rung un­ter­las­sen, steht dem be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer ein An­spruch auf be­zahl­ten Er­ho­lungs­ur­laub in der ursprüng­li­chen Höhe zu, so dass in sol­chen Fällen be­reits hier­durch die Dis­kri­mi­nie­rung des Teil­zeit­beschäftig­ten vollständig un­ter­bleibt. W

ech­selt ein voll­zei­tig Beschäftig­ter hin­ge­gen mit­tels Re­du­zie­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit un­ter Bei­be­hal­tung der An­zahl der wöchent­li­chen Ar­beits­ta­ge in die Teil­zeit, stellt der im An­schluss an die „Ti­rol“- Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs von Tei­len der deut­schen Li­te­ra­tur ver­tre­te­ne An­satz, le­dig­lich die Vergütung für den Ur­laub noch auf Ba­sis der Voll­zeittätig­keit zu be­rech­nen, nur ei­ne teil­wei­se Be­sei­ti­gung der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Be­nach­tei­li­gung Teil­zeit­beschäftig­ter dar. Der Ur­laubs­an­spruch wird in­fol­ge der Re­du­zie­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit gekürzt, der nun­meh­ri­ge Teil­zeit­beschäftig­te kann ihn dann nur in die­sem re­du­zier­ten Um­fang zur Er­ho­lung nut­zen. Um ei­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Be­nach­tei­li­gung die­ser

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Teil­zeit­beschäftig­ten zu ver­mei­den, muss ihr er­wor­be­ner Ur­laubs­an­spruch nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Ge­richts zunächst in St­un­den um­ge­rech­net und dann auf der Ba­sis der neu­en tägli­chen Ar­beits­zeit in Ta­gen aus­ge­drückt wer­den. Wer bei­spiels­wei­se durch Hal­bie­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit in Teil­zeit wech­selt, des­sen er­wor­be­ner Ur­laubs­an­spruch muss – in Ta­gen aus­ge­drückt – ab dem Zeit­punkt des Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis­ses ver­dop­pelt wer­den, um Uni­ons­rechts­kon­for­mität her­bei­zuführen. Auf die­sem We­ge ge­stal­tet sich auch die Zah­lung des Ur­laubs­ent­gel­tes in der an­ge­mes­se­nen Höhe we­sent­lich nach­voll­zieh­ba­rer und un­ge­zwun­ge­ner, als wenn (nach der Li­te­ra­tur­auf­fas­sung) für ei­nen hal­ben Ur­laubs­tag das Ur­laubs­ent­gelt ei­nes vol­len Ta­ges ge­zahlt wer­den muss.

g) Der Ge­richts­hof hat in ei­ner für das vor­le­gen­de Ge­richt über­zeu­gen­den Wei­se her­aus­ge­stellt, dass die In­an­spruch­nah­me des Jah­res­ur­laubs zu ei­ner späte­ren Zeit als dem Be­zugs­zeit­raum in kei­ner Be­zie­hung zu der in die­ser späte­ren Zeit vom Ar­beit­neh­mer er­brach­ten Ar­beits­zeit steht. Das be­deu­tet dann aber auch, dass es kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung ei­nes von Teil- auf Voll­zeit wech­seln­den Ar­beit­neh­mers dar­stell­te, wenn na­tio­na­le Re­ge­lun­gen oder Ge­pflo­gen­hei­ten nicht die Erhöhung sei­nes er­wor­be­nen Ur­laubs­an­spruchs vor­se­hen würden. Wech­selt bei­spiels­wei­se ein mit 8 Wo­chen­stun­den an ei­nem Tag in der Wo­che beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer auf ei­ne 40-St­un­den-Wo­che mit fünf Ar­beits­ta­gen und hat die­ser zu Zei­ten der Teil­zeit ei­nen Ur­laubs­an­spruch von fünf Wo­chen er­wor­ben, der ihm noch nicht gewährt wer­den konn­te, wird er im Sin­ne der ein­schlägi­gen uni­ons­recht­li­chen Vor­schrif­ten nicht we­gen sei­ner Teil­zeit­ar­beit dis­kri­mi­niert, wenn die­ser An­spruch anläss­lich des Wech­sels in die Voll­zeit auf ei­ne Wo­che um­ge­rech­net wird. Fünf Wo­chen auf Ba­sis der Teil­zeit sind fünf Ur­laubs­ta­ge, ei­ne Wo­che auf Ba­sis der Voll­zeittätig­keit sind fünf Ur­laubs­ta­ge. Es fin­det al­so kei­ne Re­du­zie­rung des Ur­laubs­an­spruchs statt. Das lau­fen­de Er­ho­lungs­bedürf­nis des nun­meh­ri­gen Voll­zeit­lers wird aus­rei­chend da­durch berück­sich­tigt, dass er nach dem Wech­sel ent­spre­chend ho­he neue Ur­laubs­ansprüche er­wirbt.

Nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Ge­richts soll­te berück­sich­tigt wer­den, dass die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zwar für die in­di­vi­du­el­len Fälle un­ge­recht­fer­tig­te Er­geb­nis­se her­beiführ­te, dass die­se Un­bil­lig­kei­ten aber, weil sie sich teil­wei­se in die ei­ne, teils in die an­de­re Rich­tung aus­wirk­ten, in ih­rer Sum­me we­der die Ar­beit­ge­ber- noch die Ar­beit­neh­mer­schaft be­nach­tei­lig­ten. Soll­te der Ge­richts­hof die Quo­tie­rung beim Wech­sel von Voll- auf Teil­zeit als uni­ons­rechts­wid­rig an­se­hen und da­her ei­ne Ände­rung der na­tio­na­len Ge­pflo­gen­hei­ten er­for­der­lich wer­den, wird es na­he lie­gen, auf na­tio­na­ler Ebe­ne darüber nach­zu­den­ken, ob auch die bis­he­ri­ge Be­hand­lung des Wech­sels von Teil- in Voll­zeit geändert wird, um zwi­schen Ar­beit­ge­ber- und Ar­beit­neh­mer­la­ger für ei­ne ins­ge­samt wei­ter­hin aus­ge­wo­ge­ne Lösung der Pro­ble­ma­tik zu sor­gen. In die­sem Zu­sam­men­hang wäre nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Ge­richts ein ob­iter dic­tum des Ge­richts­hofs be­tref­fend die uni­ons­recht­li­che Be­wer­tung ei­ner et­wai­gen geänder­ten Be­hand­lung des von Teil- in Voll­zeit wech­seln­den Ar­beit­neh­mers im na­tio­na­len Recht ge­eig­net, mögli­che künf­ti­ge Strei­tig­kei­ten zu ver­mei­den.

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7. Er­for­der­lich­keit ei­ner Klärung durch den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on

Der Ge­richts­hof hat be­reits in sei­nem Ur­teil vom 31. März 1981 – C-96/80 – Jenk­ins deut­lich ge­macht, dass ein un­ter­schied­li­ches Ent­gelt für Voll­zeit­ar­beit­neh­mer und Teil­zeit­ar­beit­neh­mer ei­ne durch Ar­ti­kel 119 EWG-Ver­trag ver­bo­te­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len kann, wenn es nämlich ein in­di­rek­tes Mit­tel dafür ist, das Lohn­ni­veau der Teil­zeit­ar­beit­neh­mer aus dem Grund zu sen­ken, weil die­se Ar­beit­neh­mer­grup­pe aus­sch­ließlich oder über­wie­gend aus weib­li­chen Per­so­nen be­steht, und dass Ar­ti­kel 119 EWG-Ver­trag auf ei­ne sol­che Sach­la­ge un­mit­tel­bar an­wend­bar ist. In sei­nem Ur­teil vom 27. Ju­ni 1990 – C- 33/89 – Ko­wals­ka hat er auf Vor­la­ge des Ar­beits­ge­richts Ham­burg ent­schie­den, dass Ar­ti­kel 119 EWG-Ver­trag da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er der An­wen­dung ei­ner Be­stim­mung ei­nes Ta­rif­ver­trags für den na­tio­na­len öffent­li­chen Dienst ent­ge­gen­steht, die es den Ar­beit­ge­bern ge­stat­tet, Teil­zeit­beschäftig­te von der Zah­lung ei­nes Über­g­angs­gel­des beim Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­zu­neh­men, wenn sich her­aus­stellt, dass pro­zen­tu­al er­heb­lich we­ni­ger Männer als Frau­en teil­zeit­beschäftigt sind, es sei denn, der Ar­beit­ge­ber legt dar, dass die­se Be­stim­mung durch ob­jek­ti­ve Fak­to­ren ge­recht­fer­tigt ist, die nichts mit ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund des Ge­schlechts zu tun ha­ben. Da­mit war hin­rei­chend klar­ge­stellt, dass die ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung Teil­zeit­beschäftig­ter un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen mit dem Ver­trag nicht ver­ein­bar ist.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat – zeit­lich die­sen Ent­schei­dun­gen des Ge­richts­hofs nach­fol­gend - in sei­nem Ur­teil vom 28.04.1998 - 9 AZR 314/97 – die Ver­ein­bar­keit sei­ner Recht­spre­chung mit dem Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot nach Ar­ti­kel 119 EG-Ver­trag ge­prüft. Es hat fest­ge­stellt, die Quo­tie­rung des be­reits er­wor­be­nen Ur­laubs­an­spruchs sei nicht eu­ro­pa­rechts­wid­rig. Ei­ne na­tio­na­le höchst­rich­ter­li­che Prüfung der Pro­ble­ma­tik ist al­so be­reits er­folgt, mit ei­nem Er­geb­nis, das nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Ge­richts mit der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs nicht ver­ein­bar ist. Auf­grund die­ses Um­stan­des und vor dem Hin­ter­grund der un­ter 4.) dar­ge­stell­ten Re­zep­ti­on der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs er­scheint die Vor­la­ge an den Ge­richts­hof im We­ge des Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­rens trotz des Um­stan­des, dass der Ge­richts­hof sich nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Ge­richts in der „Ti­rol“-Ent­schei­dung be­reits recht deut­lich geäußert hat, ge­bo­ten.

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