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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/114

Kein Ur­laubs­ver­fall bei güns­ti­gem Ar­beits­ver­trag

Ar­beits­ver­trä­ge kön­nen vor­se­hen, dass nicht ge­nom­me­ner Ur­laub oh­ne zeit­li­che Be­schrän­kung an­ge­sam­melt wird: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 18.10.2011, 9 AZR 303/10
Frau zu Hause im Bett vor dem Fernsehen

15.03.2012. Ar­beit­neh­mer ha­ben pro Ka­len­der­jahr ei­nen ge­setz­li­chen An­spruch auf min­des­tens vier Wo­chen be­zahl­ten Er­ho­lungs­ur­laub.

Al­ler­dings geht der Ur­laub zum Jah­res­en­de un­ter, wenn er bis da­hin nicht ge­nom­men wur­de. Nur aus­nahms­wei­se lässt das Ge­setz ei­ne Über­tra­gung auf das Fol­ge­jahr zu. Auch dann ist aber spä­tes­tens am 31. März des Fol­ge­jah­res Schluss, d.h. der bis da­hin nicht ge­nom­me­ne Ur­laub aus dem Vor­jahr ver­fällt dann er­satz­los.

Von die­sen Re­ge­lun­gen des Bun­des­ur­laubs­ge­set­zes (BUrlG) kön­nen Ar­beits­ver­trä­ge zu Guns­ten des Ar­beit­neh­mers ab­wei­chen. Ob­wohl das BUrlG da­von aus­geht, dass der Er­ho­lungs­zweck des Ur­laubs mit ei­nem end­lo­sen Ur­laubs­an­s­pa­ren nicht ver­ein­bar ist, kön­nen ar­beits­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen ein sol­ches An­spa­ren oh­ne zeit­li­che Gren­zen vor­se­hen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 18.10.2011, 9 AZR 303/10.

Ist ei­ne un­be­grenz­te Ur­laubsüber­tra­gung bei ent­spre­chen­den Re­ge­lun­gen im Ar­beits­ver­trag zulässig?

Wie erwähnt sieht das BUrlG ei­ne zeit­li­che Bin­dung des Ur­laubs an das Ka­len­der­jahr vor (§ 7 Abs.3 BUrlG), und auch ei­ne Über­tra­gung auf das Fol­ge­jahr ist nur un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen möglich und en­det am 31. März des Fol­ge­jah­res (§ 7 Abs.3 Satz 3 BUrlG).

Da­hin­ter steht die Über­le­gung, dass ei­ne jah­re­lang un­ter­blie­be­ne Er­ho­lung schlecht durch ei­nen ex­trem lan­gen Ur­laub nach­ge­holt wer­den kann. Außer­dem wären vie­le Ar­beit­ge­ber fi­nan­zi­ell über­for­dert, ex­trem lan­ge Ur­laubs­ansprüche oder Ansprüche auf Ur­laubs­ab­gel­tung (bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses) zu erfüllen.

Es fragt sich da­her, ob ein un­be­grenz­tes Ur­laubs­an­s­pa­ren auf ver­trag­li­cher Grund­la­ge ei­ne für den Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge Ab­wei­chung vom Ge­setz ist (und da­her zulässig gemäß § 13 Abs.1 BUrlG) oder ein Ver­s­toß ge­gen die Schutz­zwe­cke des BUrlG. 

Der Streit­fall: Im Aus­land ein­ge­setz­te Führungs­kraft ver­langt nach jah­re­lan­ger Ur­laubs­ab­sti­nenz 130.000,00 EUR Ur­laubs­ab­gel­tung

Ge­klagt hat ein lei­ten­der An­ge­stell­ter, der für ein Un­ter­neh­men bzw. des­sen ausländi­sche Toch­ter­ge­sell­schaf­ten jah­re­lang Führungs­auf­ga­ben er­le­digt hat­te. Er hat­te ei­nen ver­trag­li­chen An­spruch auf 30 Ur­laubs­ta­ge pro Jahr. In sei­nem An­stel­lungs­ver­trag hieß es wei­ter:

„Ei­ne Über­tra­gung von Rest­ur­laub auf Fol­ge­jah­re ist möglich. Falls am Ta­ge der Be­en­di­gung des Ver­tra­ges noch Rest­ur­laub vor­han­den ist, wird die­ser mit 50 % vergütet.“

Da der An­ge­stell­te sechs Jah­re lang kei­nen Ur­laub ge­nom­men hat­te, ver­lang­te er nach sei­nem Aus­schei­den Ab­gel­tung für 244 Ur­laubs­ta­ge, d.h. knapp 130.000 EUR. Da­mit hat­te er vor dem Ar­beits­ge­richt Ober­hau­sen (Ur­teil vom 11.11.2009, 4 Ca 2087/08A) und in der Be­ru­fung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf Er­folg (Ur­teil vom 31.03.2010, 12 Sa 1512/09 - wir be­rich­te­ten darüber in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/179 Ur­laubsüber­tra­gung auch bei Ar­beitsfähig­keit?).

BAG: Jah­re­lan­ges An­spa­ren von Ur­laub ist möglich, wenn der Ar­beits­ver­trag dies vor­sieht

Auch das BAG ent­schied zu­guns­ten des An­ge­stell­ten. Zur Be­gründung meint das BAG wie schon das LAG, dass mit der strei­ti­gen Ver­trags­klau­sel ei­ne Über­tra­gung auf un­be­schränkt vie­le Fol­ge­jah­re be­ab­sich­tigt war.

Dafür sprach auch die Be­schränkung der Ur­laubs­ab­gel­tung auf 50 Pro­zent des bei Ver­trags­be­en­di­gung noch of­fe­nen Rest­ur­laubs: Denn hier hat­ten die Ver­trags­par­tei­en of­fen­bar den Fall ins Au­ge ge­fasst, dass es in­fol­ge jah­re­lan­gen Ur­laubs-Spa­rens zu ei­ner ex­trem ho­hen Ur­laubs­ab­gel­tung kom­men könn­te.

Und da die Ab­gel­tung auch bei ei­ner Ver­rin­ge­rung um die Hälf­te im­mer noch güns­ti­ger war als die ge­setz­li­che Re­ge­lung, die ei­nen Ver­fall des Ur­laubs je­weils zum 31. März zur Fol­ge ge­habt hätte, war die­se Ab­wei­chung vom Ge­setz zulässig.

Fa­zit: Ar­beits­verträge können vor­se­hen, dass Ur­laub zeit­lich un­be­grenzt auf Fol­ge­jah­re über­tra­gen wird und bei Ver­trags­en­de zu 50 Pro­zent ab­zu­gel­ten ist. Sol­che oder ähn­li­che Re­ge­lun­gen sind vor al­lem bei Führungs­kräften sinn­voll, wenn die­se - wie der Kläger hier im Streit­fall - so ein­ge­spannt sind, dass sie über lan­ge Jah­re prak­tisch kei­nen Ur­laub neh­men können.

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Letzte Überarbeitung: 4. Juni 2019

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