HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Mün­chen, Ur­teil vom 20.10.2010, 8 Sa 249/10

   
Schlagworte: Verdachtskündigung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 8 Sa 249/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.10.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht München, Urteil vom 15.12.2009, 17 Ca 3230/09
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.05.2012, 2 AZR 206/11
   

8 Sa 249/10

17 Ca 3230/09

(ArbG München) 

 

Verkündet am: 20.10.2010

Botz Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le  

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt München

Im Na­men des Vol­kes

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

A.
A-Straße, A-Stadt

- Kläger und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r:
Rechts­an­walt B. B-Straße, B-Stadt

ge­gen

C.
C-Straße, C-Stadt

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r:
Rechts­anwälte D. D-Straße, B-Stadt

 

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hat die 8. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 21. Ju­li 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dys­z­ak und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Hal­big und Brut­scher

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 15.12.2009 – 17 Ca 3230/09 – wird auf Kos­ten des Klägers zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen und ei­ner hilfs­wei­sen erklärten, or­dent­li­chen Kündi­gung der Be­klag­ten.

Der am 16.11.1953 ge­bo­re­ne Kläger ist bei der Be­klag­ten gemäß Ar­beits­ver­trag vom 01.12.2001 (vgl. An­la­ge K1; Bl. 9 d.A.) seit dem 01.01.2002 zu ei­nem Brut­to­mo­nats­ge­halt von zu­letzt € x.xxx,xx in der nach B-Stadt aus­ge­la­ger­ten Fach­stel­le/Bau als In­ge­nieur in der Ab­tei­lung „Zen­tra­les Bau­ma­nage­ment“ beschäftigt. Der Kläger war für die Ab­wick­lung von Bau- und sons­ti­gen Sa­nie­rungs­vor­ha­ben im Be­reich der C., Außen­stel­le B-Stadt, so­wie der C.-Lie­gen­schaf­ten Bay­reuth und Re­gens­burg zuständig.

Der Kläger gehörte ei­ner ver­selbständig­ten Dienst­stel­le gemäß § 6 Abs. 3 BPers­VG an.

 

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Der Kläger be­ar­bei­te­te u. a. das Pro­jekt „Er­neue­rung der Brand­schutz­klap­pen des Dienst­gebäudes Bay­reuth der C.“. Der Auf­trag wur­de der Fir­ma XY (im Fol­gen­den: „Fa. XY“) er­teilt; Geschäftsführer der Fa. XY ist Herr K.. Die­ses Un­ter­neh­men war be­reits mit re­gelmäßigen War­tungs­ar­bei­ten in die­sem Dienst­gebäude be­traut.

Der Auf­trag an die Fa. XY wur­de auf Vor­schlag des Klägers nach Ge­gen­zeich­nung durch sei­nen Vor­ge­setz­ten, Herrn B., und wei­te­rer Ge­neh­mi­gung über meh­re­re Hier­ar­chie­stu­fen freihändig ver­ge­ben; ei­ne Aus­schrei­bung fand nicht statt. Die Fa. XY gab un­ter dem 03.03.2008 ein ers­tes An­ge­bot ( vgl. An­la­ge B17; Bl. 250 ff. d.A.), un­ter dem 11.03.2008 ein zwei­tes An­ge­bot ab (vgl. An­la­ge B18; Bl. 174 ff. d.A.). Ob ihr zu­vor ein Leis­tungs­ver­zeich­nis durch das von der Be­klag­ten ein­ge­schal­te­te tech­ni­sche In­ge­nieurbüro N. + R. über­mit­telt wor­den war, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Das In­ge­nieurbüro, das im Auf­trag der Be­klag­ten das An­ge­bot vom 11.03.2008 ein­sch­ließlich der Preis­ge­stal­tung zu über­prüfen hat­te, schlug ei­ne Ver­ga­be an die Fa. XY vor, je­doch mit der Ein­schränkung, dass be­stimm­te Po­si­tio­nen we­gen zu ho­her Zei­tansätze bzw. Ein­heits­prei­se nach zu ver­han­deln sei­en. Die Un­ter­la­gen wur­den vom Kläger an das Ser­vice­zen­trum der Be­klag­ten in C-Stadt am Main wei­ter­ge­lei­tet. Nach Be­an­stan­dung durch das Ser­vice­zen­trum kam es zu Nach­ver­hand­lun­gen, die vom Kläger ver­ant­wor­tet wur­den. Die­se führ­ten nach kur­zer Zeit zu ei­ner Ein­spa­rung von € xx.xxx,xx (vgl. An­la­ge B22; Bl. 301 f. d.A.).

In der Fol­ge­zeit wand­te sich Herr K. an die Staats­an­walt­schaft und be­schul­dig­te den Kläger u. a. der Er­pres­sung und der Be­stech­lich­keit.

Am 04.02.2009 führ­te die Staats­an­walt­schaft B-Stadt I im Rah­men des ge­gen den Kläger ein­ge­lei­te­ten Er­mitt­lungs­ver­fah­rens (Az.: 566 Js 44211/08) ei­ne Durch­su­chung der Pri­vat­woh­nung des Klägers so­wie der Räume der aus­ge­la­ger­ten Fach­stel­le Bau/B-Stadt der Be­klag­ten durch. Die Grund­la­ge hierfür bil­de­te ein Durch­su­chungs­be­schluss des Amts­ge­richts B-Stadt vom 21.11.2008, der der Be­klag­ten erst­mals am 04.02.2009 im Rah­men der Durch­su­chung zur Kennt­nis ge­bracht wur­de. Dar­in wird aus­geführt, dass der Kläger der ver­such­ten Er­pres­sung und Be­stech­lich­keit gemäß § 253 Abs. 1, § 332 Abs. 1 StGB verdäch­tig sei. Un­ter an­de­rem ha­be der Kläger von Herrn K. ei­ne Ge­gen­leis­tung in Höhe von 10 % des Wer­tes des zur Sa­nie­rung der Brand­schutz­klap­pen in Bay­reuth er­teil­ten Auf­tra­ges dafür ge­for­dert, dass er sich in be­son­de­rer Wei­se für die Ver­ga­be von Auf­trä-

 

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gen der Bun­des­bank an die Fa. XY ein­set­zen würde. Fer­ner ha­be der Kläger u. a. das An­ge­bot des Herrn K. an­ge­nom­men, ei­ne Fe­ri­en­woh­nung am Gar­da­see für ei­ne Wo­che oh­ne fi­nan­zi­el­le Ge­gen­leis­tung zu nut­zen. Wei­ter enthält der Be­schluss den Ver­dacht der Kar­tell­bil­dung. Der Kläger sei verdäch­tig, Herrn K. auf­ge­for­dert zu ha­ben, im Zu­sam­men­wir­ken mit an­de­ren Fir­men der Be­klag­ten ab­ge­spro­che­ne Prei­se an­zu­bie­ten. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die Ko­pie des Durch­su­chungs­be­schlus­ses (An­la­ge B2; Bl. 30 ff. d.A.) ver­wie­sen.

Der Kläger wur­de am 04.02.2009 fest­ge­nom­men und muss­te bis zum 05.02.2009 in Po­li­zei­ge­wahr­sam blei­ben. An die­sem Tag wur­de ihm ein Haft­be­fehl eröff­net, der so­gleich ge­gen Auf­la­gen außer Voll­zug ge­setzt wur­de.

Mit Schrei­ben vom 05.02.2009 (vgl. An­la­ge B3; Bl. 39 d.A.) stell­te die Be­klag­te den Kläger auf­grund des ge­gen ihn ein­ge­lei­te­ten Er­mitt­lungs­ver­fah­ren we­gen des Ver­dachts der Be­stech­lich­keit und der ver­such­ten Er­pres­sung mit so­for­ti­ger Wir­kung bis auf Wei­te­res un­ter Fort­zah­lung der Bezüge von der Ar­beits­leis­tung frei (vgl. An­la­ge B3; Bl. 39 d.A.). Zu­gleich wur­de dem Kläger mit­ge­teilt, es wer­de ihm Ge­le­gen­heit ge­ge­ben, sich zu den ihm ge­genüber er­ho­be­nen Vorwürfen im Rah­men ei­nes für den 09.02.2009 vor­ge­se­he­nen Gesprächs zu äußern.

Mit Schrei­ben vom 06.02.2009 (vgl. An­la­ge B4; Bl. 40 ff. d.A.) teil­te der Kläger über sei­nen da­ma­li­gen Rechts­an­walt der Be­klag­ten u. a. mit, dass er den an­be­raum­ten Gesprächs­ter­min nicht wahr­neh­men wer­de und dass er an­ge­sichts des lau­fen­den Er­mitt­lungs­ver­fah­rens der­zeit von sei­nem Schwei­ge­recht Ge­brauch ma­che. Er sei aber grundsätz­lich be­reit, ei­ne schrift­li­che Stel­lung­nah­me ab­zu­ge­ben, wo­zu er ei­nen schrift­li­chen Fra­gen­ka­ta­log der Be­klag­ten er­bit­te.

Mit wei­te­rem Schrei­ben vom 06.02.2009 (vgl. An­la­ge B5; Bl. 42 d.A.) teil­te die Be­klag­te dem Kläger mit, dass es ihm frei­ste­he, sich – al­ter­na­tiv zu dem vor­ge­se­he­nen Gespräch – schrift­lich zu den dem Durch­su­chungs­be­schluss des Amts­ge­richts B-Stadt vom 21.11.2008 zu­grun­de lie­gen­den Ver­dacht­stat­sa­chen zu äußern. Ei­ne Ko­pie die­ses Be­schlus­ses wur­de dem Schrei­ben bei­ge­legt. Dem Kläger wur­de ei­ne Frist zur Stel­lung­nah­me bis zum 09.02.2009, Dienst­schluss, ge­setzt. Zu­gleich wies die Be­klag­te dar­auf

 

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hin, dass sie kei­nen Fra­gen­ka­ta­log er­stel­len wer­de.

Mit Schrei­ben sei­nes da­ma­li­gen Rechts­an­walts vom 09.02.2009 (vgl. An­la­ge B6; Bl. 43 ff. d.A.) wies der Kläger zunächst dar­auf hin, dass die Staats­an­walt­schaft noch kei­ne Ak­ten­ein­sicht gewährt ha­be, so dass es nur be­dingt möglich sei, auf die Vorwürfe de­tail­liert ein­zu­ge­hen. Er hal­te je­doch fest, dass die Vorwürfe ein­zig und al­lein auf ei­ner Aus­sa­ge des Herrn K. ba­sier­ten, des­sen Glaubwürdig­keit, Mo­ti­va­ti­on und Be­weg­gründe noch nicht be­ur­teilt wer­den könn­ten. Es sei ihm je­doch dar­an ge­le­gen klar­zu­stel­len, dass er Herrn K. we­der beim ers­ten Zu­sam­men­tref­fen noch zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt zur Zah­lung fi­nan­zi­el­ler Leis­tun­gen im Zu­sam­men­hang mit ei­ner mögli­chen Be­auf­tra­gung des Pro­jekts „Sa­nie­rung Brand­schutz­klap­pen Bay­reuth“ auf­ge­for­dert ha­be, noch dass er je­mals fi­nan­zi­el­le Zu­wen­dun­gen oder ei­nen geld­wer­ten Vor­teil sons­ti­ger Art er­hal­ten ha­be. Zum Kom­plex „Fe­ri­en­woh­nung am Gar­da­see“ sei an­zu­mer­ken, dass er, der Kläger, mit sei­ner Ehe­frau für Sep­tem­ber 2009 be­reits Mo­na­te zu­vor ei­nen Ho­tel­ur­laub an der Adria ge­bucht und be­zahlt ha­be. Aus den be­schlag­nahm­ten Un­ter­la­gen wer­de sich er­ge­ben, dass die von Herrn K. an­ge­ge­be­ne „Kar­tell­bil­dung“ un­zu­tref­fend sei. Es wäre sach­ge­rech­ter ge­we­sen, erst die­se Un­ter­la­gen aus­zu­wer­ten. Ak­ten­ein­sicht sei durch sei­nen Ver­tei­di­ger be­an­tragt wor­den. Erst nach der Ak­ten­ein­sicht wer­de es möglich sein, zu ein­zel­nen Punk­ten de­tail­liert Stel­lung zu neh­men. Ergänzend wird auf die An­la­ge B6 (Bl. 43 ff. d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Mit Schrei­ben vom 10.02.2009 (vgl. An­la­ge B8, Bl. 113 d.A.) hörte die Be­klag­te den bei ihr be­ste­hen­den Ge­samt­per­so­nal­rat zur be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen und zur vor­sorg­li­chen or­dent­li­chen Kündi­gung an. In sei­ner schrift­li­chen Stel­lung­nah­me vom 11.02.2009 (vgl. An­la­ge B9; Bl. 119 d.A.) teil­te der Ge­samt­per­so­nal­rat mit, dass er die Ab­sicht der Be­klag­ten, außer­or­dent­lich zu kündi­gen, nicht mit­tra­gen könne, da der Wahr­heits­ge­halt der vor­ge­tra­ge­nen An­schul­di­gun­gen nicht einschätz­bar sei.

Mit Schrei­ben vom 12.02.2009, dem Kläger am 13.02.2009 zu­ge­gan­gen, erklärte die Be­klag­te die außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung (vgl. An­la­ge K3; Bl. 16 ff. d.A.). Mit Schrei­ben vom 26.02.2009 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis un­ter Be­ach­tung der ta­rif­ver­trag­li­chen Kündi­gungs­frist hilfs­wei­se zum 30.06.2009 (vgl. An­la­ge K4; Bl. 20 f. d.A.).

 

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Ge­gen bei­de Kündi­gun­gen er­hob der Kläger un­ter dem 04.03.2009 Kündi­gungs­schutz­kla­ge, die am 05.03.2009 per Te­le­fax beim Ar­beits­ge­richt München ein­ging.

Un­ter dem 16.06.2009 teil­te die Staats­an­walt­schaft der Be­klag­ten mit, die si­cher­ge­stell­ten Un­ter­la­gen würden aus­ge­wer­tet; Ak­ten­ein­sicht könne nach Ab­schluss der Er­mitt­lun­gen gewährt wer­den (vgl. An­la­ge B7; Bl. 112 d.A.). Die Be­klag­te führ­te ei­ne in­ter­ne Un­ter­su­chung durch, nach­dem sie die be­schlag­nahm­ten Ak­ten (in Ko­pie) von der Staats­an­walt­schaft aus­gehändigt er­hal­ten hat­te.

Der ge­gen den Kläger ge­rich­te­te Haft­be­fehl wur­de durch Be­schluss des Amts­ge­richts B-Stadt vom 03.03.2010 auf­ge­ho­ben. Am 08.04.2010 wur­de An­kla­ge ge­gen den Kläger er­ho­ben (vgl. An­la­ge B10; Bl. 227 ff. d.A.).

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, bei­de Kündi­gun­gen sei­en un­wirk­sam. Er hal­te bei­de Kündi­gun­gen für „Tat­sa­chenkündi­gun­gen“ und nicht für Ver­dachtskündi­gun­gen, wo­bei die dem Kündi­gungs­vor­wurf zu­grun­de lie­gen­den Vorwürfe nicht be­wie­sen sei­en. Im Übri­gen lägen auch die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Ver­dachtskündi­gung nicht vor. Die Be­klag­te sei ver­pflich­tet ge­we­sen, ei­ge­ne, über ei­ne schlich­te Be­fra­gung des Klägers hin­aus­ge­hen­de Er­kun­di­gun­gen ein­zu­zie­hen. Auch ha­be die Be­klag­te die feh­len­de Glaubwürdig­keit des Herrn K. nicht berück­sich­tigt. Die­ser ha­be sich ge­genüber der er­mit­teln­den Staats­an­walt­schaft nur des­we­gen of­fen­bart, weil ihm zu­min­dest hin­sicht­lich der hier ge­genständ­li­chen Ta­ten Straf­frei­heit zu­ge­si­chert wor­den sei. Im Übri­gen ent­behr­ten die von Herrn K. ihm ge­genüber er­ho­be­nen Vorwürfe jeg­li­cher Grund­la­ge. Außer­dem ha­be die Be­klag­te nicht be­ach­tet, dass der ge­gen den Kläger aus­ge­spro­che­ne Haft­be­fehl so­fort bei Eröff­nung außer Voll­zug ge­setzt wor­den sei. Hin­zu kom­me, dass sich die Be­klag­te zu Un­recht auf wei­te­re Er­mitt­lungs­er­geb­nis­se stütze, denn die wei­te­ren Er­mitt­lun­gen hätten den ursprüng­li­chen Tat­ver­dacht nicht bestätigt.

 

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Der Kläger hat be­an­tragt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 12.02.2009 nicht auf­gelöst wird und über die­sen Zeit­punkt wei­ter fort­be­steht.

2. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 26.02.2009 nicht auf­gelöst wird und wei­ter fort­be­steht.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt:

Kla­ge­ab­wei­sung.

Die Be­klag­te hat aus­geführt, sie ge­he von ei­ner Ver­dachtskündi­gung aus und hal­te ih­re Vor­aus­set­zun­gen für ge­ge­ben. Ein wich­ti­ger Grund lie­ge vor, weil der Haft­be­fehl ge­gen den Kläger nur dann ha­be er­ge­hen dürfen, wenn der Kläger drin­gend der Straf­ta­ten der ver­such­ten Er­pres­sung und der Be­stech­lich­keit verdäch­tig sei. Al­lein die­ser drin­gen­de Tat­ver­dacht be­gründe be­reits die Un­zu­mut­bar­keit der Fort­set­zung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses mit dem Kläger. Da das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger ganz we­sent­lich auf dem Ver­trau­en in des­sen Ehr­lich­keit und Un­be­stech­lich­keit ba­sie­re, sei sei­ne Fort­set­zung auch bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist nicht mehr zu­mut­bar ge­we­sen. Auch die Ver­fah­rens­vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Ver­dachtskündi­gung sei­en ein­ge­hal­ten wor­den. Ins­be­son­de­re ha­be der Kläger aus­rei­chend Ge­le­gen­heit er­hal­ten, zu den Tat­vorwürfen Stel­lung zu neh­men. Wei­te­re ei­ge­ne Er­mitt­lun­gen sei­en der Be­klag­ten we­der möglich noch zu­mut­bar ge­we­sen.

Das Ar­beits­ge­richt München hat die Kla­ge mit En­dur­teil vom 15.12.2009 ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 12.02.2009 sei wirk­sam, da ein wich­ti­ger Grund im Sin­ne von § 626 Abs. 1 BGB vor­lie­ge und die Be­klag­te den (Ge­samt-)Per­so­nal­rat ord­nungs­gemäß an­gehört ha­be. Die Be­klag­te sei be­rech­tigt ge­we­sen, das Ar­beits­verhält­nis we­gen des drin­gen­den Ver­dachts ei­ner durch den Kläger verübten ver­such­ten Er­pres­sung und sei­ner Be­stech­lich­keit zu be­en­den. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei ein­ge­hal­ten, da die Be­klag­te erst am 04.02.2009 vom In­halt des

 

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Durch­su­chungs­be­schlus­ses Kennt­nis er­langt ha­be. Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Ver­dachtskündi­gung sei­en ge­ge­ben. Die Kündi­gung sei als Ver­dachts- und nicht als Tatkündi­gung zu ver­ste­hen. Die Be­klag­te ha­be al­le ihr zu­mut­ba­ren An­stren­gun­gen zur Aufklärung des Sach­ver­halts un­ter­nom­men, sie ha­be ins­be­son­de­re dem Kläger Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me ge­ge­ben. Der Kläger ha­be von die­ser Ge­le­gen­heit durch Schrei­ben sei­nes da­ma­li­gen Rechts­an­walts vom 09.02.2009 Ge­brauch ge­macht. Ein an­de­res Ver­hal­ten sei der Be­klag­ten nicht zu­mut­bar ge­we­sen. Zwar hätte sie den wei­te­ren Fort­gang des Er­mitt­lungs­ver­fah­rens ab­war­ten können; sie sei hier­zu je­doch nicht ver­pflich­tet ge­we­sen. Die Zweckmäßig­keit wei­te­rer ei­ge­ner Er­mitt­lungs­an­stren­gun­gen der Be­klag­ten sei nicht er­sicht­lich. Auf­grund der Ausführun­gen im Durch­su­chungs­be­schluss vom 21.11.2008 ha­be von vor­ne­her­ein fest­ge­stan­den, dass der Tat­nach­weis mit der Aus­sa­ge des Herrn K. ste­he und fal­le. Ei­ner an ihn ge­rich­te­ten Nach­fra­ge sei zunächst das nach An­ga­ben der Be­klag­ten ihr von der Staats­an­walt­schaft auf­er­leg­te Ver­schwie­gen­heits­ge­bot ent­ge­gen ge­stan­den. Ei­ne Nach­fra­ge bei den im Durch­su­chungs­be­schluss auf­geführ­ten wei­te­ren Un­ter­neh­men hätte der Be­klag­ten al­len­falls dann ob­le­gen, wenn sie sich auch den Tat­vor­wurf „Bil­dung ei­nes Kar­tells“ zu ei­gen ge­macht hätte, was er­kenn­bar nicht der Fall ge­we­sen sei.

Ge­gen den Kläger ha­be zum maßgeb­li­chen Zeit­punkt der Kündi­gungs­erklärung der drin­gen­de, schwer­wie­gen­de Ver­dacht ei­ner straf­ba­ren Hand­lung mit Be­zug zum Ar­beits­verhält­nis be­stan­den, und zwar auf­grund drin­gen­der, auf ob­jek­ti­ven Tat­sa­chen be­ru­hen­der schwer­wie­gen­der Ver­dachts­mo­men­te, die ge­eig­net sei­en, das für die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­for­der­li­che Ver­trau­en zu zerstören. Es rei­che zur Dar­le­gung des Tat­ver­dachts durch die Be­klag­te aus, wenn sie sich auf den Haft­be­fehl vom 04.02.2009 i.V.m. den In­hal­ten des Durch­su­chungs­be­schlus­ses vom 21.11.2008 stütze. Da der dem Kläger ge­genüber aus­ge­spro­che­ne Haft­be­fehl gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 StGB nur bei drin­gen­dem Tat­ver­dacht ha­be verhängt wer­den dürfen, sei der Kläger zur Zeit der Kündi­gung auch aus Sicht der Be­klag­ten der ver­such­ten Er­pres­sung so­wie der Be­stech­lich­keit drin­gend verdäch­tig ge­we­sen. Dass der Haft­be­fehl außer Voll­zug ge­setzt wor­den sei, ände­re dar­an nichts. Denn der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit ge­bie­te dies schon dann, wenn der Zweck der Haft durch Verhängung von Auf­la­gen si­cher ge­stellt wer­den könne; die Außer­voll­zug­set­zung sei al­so kein Aus­druck ei­nes ab­ge­schwäch­ten Tat­ver­dachts, wie sich aus § 116 St­PO er­ge­be. Die von § 626 Abs. 1 BGB ge­bo­te­ne In­ter­es­sen­abwägung

 

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ge­he zu Guns­ten der Be­klag­ten aus. Denn der Kläger hätte durch die Be­ge­hung der ihm vor­ge­wor­fe­nen Straf­ta­ten ekla­tant das ihm gewähr­te Ver­trau­en ver­letzt. Auch die Stel­lung der Be­klag­ten als ju­ris­ti­sche Per­son des öffent­li­chen Rechts spre­che für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Der ge­gen die or­dent­li­che Kündi­gung ge­rich­te­te Kla­ge­an­trag sei eben­falls ab­zu­wei­sen ge­we­sen, da das Ar­beits­verhält­nis be­reits mit Zu­gang der frist­lo­sen Kündi­gung sein En­de ge­fun­den ha­be.

Ergänzend wird we­gen der Fest­stel­lun­gen des Ar­beits­ge­richts und sei­ner recht­li­chen Erwägun­gen auf die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung (Bl. 148 ff. d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung, die sei­nem Pro­zess­ver­tre­ter am 15.02.2010 zu­ge­stellt wur­de, wen­det sich der Kläger mit sei­ner am 15.03.2010 ein­ge­leg­ten und am 17.05.2010 be­gründe­ten Be­ru­fung. Die Frist zur Be­gründung des Rechts­mit­tels war bis zum Ab­lauf des 17.05.2010 verlängert wor­den.

Der Kläger macht gel­tend, das Ar­beits­ge­richt ha­be zu Un­recht ei­nen Kündi­gungs­grund an­ge­nom­men. Die Rüge, der (Ge­samt-) Per­so­nal­rat sei nicht ord­nungs­gemäß be­tei­ligt wor­den, er­hebt der Kläger nicht mehr.

Der Kläger hält dem Ar­beits­ge­richt im We­sent­li­chen vor, es ha­be ver­kannt, dass die Be­klag­te den Sach­ver­halt nicht aus­rei­chend er­mit­telt ha­be. Zum an­de­ren sei sei­ne Anhörung un­zu­rei­chend ge­we­sen, weil die Frist zur Stel­lung­nah­me zu kurz be­mes­sen und der Vor­halt un­sub­stan­ti­iert ge­we­sen sei. Zu­dem ha­be ein Hin­weis auf den Zu­sam­men­hang des Anhörungs­ter­mins bzw. der Stel­lung­nah­me­frist mit ei­ner mögli­chen Ver­dachtskündi­gung ge­fehlt.

Die Be­klag­te hätte ergänzen­de Aufklärungs­maßnah­men durchführen müssen, wie sie sie später durch die In­nen­re­vi­si­on auch durch­geführt ha­be. Die Er­mitt­lun­gen nach dem Durch­su­chungs­ver­fah­ren hätten er­ge­ben, dass der Kläger sich kor­rekt ver­hal­ten ha­be und we­gen der Ein­schal­tung des In­ge­nieurbüros sich auch kei­ne Möglich­kei­ten zu Ma­ni­pu­la­tio­nen zu Guns­ten der Fa. XY er­ge­ben konn­ten. Her­vor­zu­he­ben sei, dass die Er­mitt­lun­gen auch er­ge­ben hätten, dass die Fa. XY durch das In­ge­nieurbüro N. + R. ein Blan­ko-Leis­tungs­ver­zeich­nis über­mit­telt er­hal­ten ha­be. Sie hätten – so der Vor­trag im Kam­mer-

 

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ter­min – auch er­ge­ben, dass der Kläger be­reits mit E-Mail vom 04.03.2008 das An­ge­bot der Fa. XY vom 03.03.2008 be­an­stan­det ha­be. Ein drin­gen­der Tat­ver­dacht sei des­halb nicht ge­recht­fer­tigt ge­we­sen. Zu­min­dest hätte die Be­klag­te bei der Staats­an­walt­schaft nach­fra­gen müssen, ob über den In­halt des Be­schlus­ses hin­aus Er­kennt­nis­se vor­ge­le­gen hätten.

Er räume ein, dass die An­nah­me ei­nes drin­gen­den Tat­ver­dachts nicht zu be­an­stan­den ge­we­sen wäre, wenn die von ihm für not­wen­dig er­ach­te­ten Er­mitt­lun­gen kei­ne Er­geb­nis­se ge­bracht hätten; dies wäre aber nicht der Fall ge­we­sen.

Die Über­mitt­lung ei­ner Ko­pie des Durch­su­chungs­be­schlus­ses sei­tens der Be­klag­ten sei zu pau­schal ge­we­sen und zei­ge, dass ein In­ter­es­se an wirk­li­cher Sach­aufklärung nicht be­stan­den ha­be.

Ei­ne Stel­lung­nah­me­frist bis zum Don­ners­tag der Fol­ge­wo­che wäre, aus­ge­hend von Frei­tag, knapp, aber an­ge­mes­sen ge­we­sen. Der Um­fang des Durch­su­chungs­be­schlus­ses sei zu be­ach­ten. Ei­ne Frist kürzer als 3 oder je­den­falls als 2 Werk­ta­ge, sei je­doch zur Stel­lung­nah­me un­ge­mes­sen ge­we­sen. Er ha­be am Frei­tag, den 06.02.2009, sei­nen da­ma­li­gen Rechts­an­walt te­le­fo­nisch nicht er­rei­chen können, son­dern ihn nur per E-Mail kon­tak­tiert. Ei­ne Stel­lung­nah­me oh­ne Be­spre­chungsmöglich­keit sei nicht zu­mut­bar. Man­gels zeit­li­cher Möglich­keit ha­be auch kei­ne Be­spre­chung des Klägers mit sei­nem da­ma­li­gen Rechts­an­walt statt­ge­fun­den. Er ha­be sich we­gen der Fest­nah­me ei­nen Rechts­an­walt ge­nom­men und ha­be gewünscht, von die­sem Zeit­punkt an al­les mit die­sem zu be­spre­chen, was von der Be­klag­ten auf ihn zu­kom­men wer­de.

Es sei rich­tig, dass er die Be­klag­te nicht um ei­ne Verlänge­rung der Stel­lung­nah­me­frist ge­be­ten ha­be. Er be­strei­te aber ei­ne Be­reit­schaft der Be­klag­ten zur Frist­verlänge­rung; er wei­se dar­auf hin, dass die Er­stel­lung ei­nes Fra­gen­ka­ta­logs - bei gleich­sei­ti­ger Set­zung ei­ner kur­zen Frist - durch die Be­klag­te ab­ge­lehnt wor­den sei. Im Übri­gen sei schriftsätz­lich ei­ne dif­fe­ren­zier­te Stel­lung­nah­me er­folgt.

Zu Un­recht ma­che die Be­klag­te gel­tend, dass ei­ne länge­re Frist nutz­los er­schie­nen sei, weil der Kläger ei­ne vor­an­ge­hen­de Ak­ten­ein­sicht für nötig erklärt ha­be. Denn der Hin­weis

 

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sei­nes da­ma­li­gen Rechts­an­walts auf die be­an­trag­te Ak­ten­ein­sicht ha­be sich auf den Vor­wurf der Kar­tell­bil­dung be­schränkt. Hin­sicht­lich des Vor­wurfs der Be­stech­lich­keit und der Er­pres­sung hätte er aus ei­ge­ner Kennt­nis Stel­lung neh­men können, oh­ne vor­her die Ak­ten ein­zu­se­hen. Vor­aus­set­zung wäre le­dig­lich ei­ne Be­spre­chungsmöglich­keit mit sei­nem da­ma­li­gen Rechts­an­walt ge­we­sen.

Die Kündi­gung schei­te­re auch dar­an, dass die Be­klag­te nicht dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, die Anhörung er­fol­ge we­gen ei­ner be­ab­sich­tig­ten Ver­dachtskündi­gung. Ein sol­cher Hin­weis sei stets we­sent­lich und er sei Vor­aus­set­zung für die Wirk­sam­keit ei­ner Ver­dachtskündi­gung, weil dem Ar­beit­neh­mer die Ernst­haf­tig­keit der Anhörung vor Au­gen geführt wer­den müsse. Dies gel­te un­abhängig vom Ein­zel­fall; es kom­me al­so nicht dar­auf an, ob der Kläger ei­nes ent­spre­chen­den, kon­kre­ten Hin­wei­ses be­durft ha­be. Die­se Auf­fas­sung wer­de auch in der Li­te­ra­tur ver­tre­ten (Ul­rich Fi­scher, BB 2003, 522; Rolf Ot­to See­ling / Mar­tin Zwi­ckel, MDR 2008, 1010).

Der Ver­dacht ge­gen ihn sei un­be­rech­tigt. Für sei­ne Emp­feh­lung, den Auf­trag freihändig zu ver­ge­ben, ha­be er sach­li­che Gründe ge­habt. Sie ha­be vor al­lem auf dem Um­stand be­ruht, dass die Fa. XY be­reits mit War­tungs­ar­bei­ten in der Fi­lia­le Bay­reuth be­traut ge­we­sen und tech­nisch qua­li­fi­ziert sei und auch die Si­cher­heits­vor­schrif­ten der Be­klag­ten ge­kannt ha­be. Die Fa. XY ha­be – wie auch schriftsätz­lich vor­ge­tra­gen – ein Leis­tungs­ver­zeich­nis des In­ge­nieurbüros N. + R. er­hal­ten, das Mas­sen und Ar­bei­ten, aber kei­ne Prei­se ent­hal­ten ha­be, in die­sem Sin­ne al­so ein Blan­ko-Leis­tungs­ver­zeich­nis ge­we­sen sei. Auf der Ba­sis die­ses Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses, aber in ei­nem Schrei­ben un­ter ei­ge­nem Brief­kopf ha­be die Fa. XY ein An­ge­bot er­stellt. Der In­halt des Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses des In­ge­nieurbüros sei aus der im Ter­min vom 21.07.2010 über­ge­be­nen Ko­pie (Bl. 316 bis 398 d.A.) zu er­se­hen. Im Übri­gen ha­be er be­reits am 04.03.2008 per E-Mail ei­ne Be­an­stan­dung des An­ge­bots vom 03.03.2008 vor­ge­nom­men (vgl. An­la­ge zur Sit­zungs­nie­der­schrift vom 21.07.2010; Bl. 399 f. d.A.). Ein Ein­fluss des Klägers auf die Preis­ge­stal­tung sei aus­ge­schlos­sen ge­we­sen, da das Leis­tungs­ver­zeich­nis vom In­ge­nieurbüro ge­stammt ha­be und von die­sem so­dann ge­prüft wor­den sei. Auch die vor­schriftsmäßige Wei­ter­lei­tung der Un­ter­la­gen nach C-Stadt ha­be ei­nen Ein­fluss von sei­ner Sei­te aus­ge­schlos­sen. Trotz freihändi­ger Ver­ga­be ha­be für ihn so­mit kei­ne Ma­ni­pu­la­ti­onsmöglich­keit be­stan­den.

 

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Dar­aus fol­ge, dass die Aus­sa­ge des Herrn K., die prak­tisch die aus­sch­ließli­che Grund­la­ge des er­ho­be­nen Ver­dachts bil­de, als nicht glaub­haft zu er­ach­ten sei. Hin­zu kom­me, dass der von Herrn K. be­haup­te­te Zah­lungs­weg jeg­li­cher Rea­litätsnähe ent­beh­re. Herr K. sei auch nicht glaubwürdig. Sein Mo­tiv für ei­ne fal­sche An­schul­di­gung könne in sei­ner An­sicht lie­gen, dass die Be­klag­te we­gen der knap­pen Kal­ku­la­ti­on sei­nen Be­trieb wirt­schaft­lich gefähr­de. Herr K. ha­be sich ent­spre­chend geäußert und dies wohl auf den Kläger be­zo­gen. Er dürf­te den Wunsch ge­habt ha­ben, dem Kläger ei­nen Denk­zet­tel zu ver­pas­sen und ihn aus dem Weg zu räum­en. Auch die er­folg­te Kürzung um 10 % ha­be er wohl dem Kläger an­ge­las­tet. Im Übri­gen ha­be es im Jah­re 2008 tech­ni­sche Pro­ble­me ge­ge­ben und der Kläger ha­be den Fin­ger in die Wun­de ge­legt. So sei ein ne­ga­ti­ves Gut­ach­ten des TÜV Süd über von der Fa. XY ein­ge­bau­te Brand­schutz­klap­pen von die­ser ent­ge­gen sei­nem Wunsch nie vor­ge­legt wor­den. Fer­ner sei bei der Staats­an­walt­schaft zu Un­recht gel­tend ge­macht wor­den, dass er die bei­den War­tungs­verträge ha­be kündi­gen können; dies könn­ten aber nur die Nie­der­las­sun­gen vor Ort tun. Ge­gen ei­ne Glaubwürdig­keit des Herrn K. spre­che auch der wi­dersprüchli­che Vor­trag, dass er am 10.03.2008 das an­geb­li­che An­sin­nen des Klägers ab­ge­lehnt, am Fol­ge­tag je­doch ein die­sem An­sin­nen ent­spre­chen­des An­ge­bot ge­fer­tigt ha­ben wol­le.

Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts München – 17 Ca 3230/09 – vom 15.12.2009 ab­zuändern und der Kla­ge mit den erst­in­stanz­li­chen Anträgen statt­zu­ge­ben.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

 

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Rah­men der Anhörung für ei­ne un­ab­ding­ba­re Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung hal­te. Auch die Rüge ei­nes man­geln­den Vor­halts ge­he fehl; mit Über­sen­dung des Durch­su­chungs­be­schlus­ses sei das The­ma der Anhörung hin­rei­chend be­stimmt ge­we­sen.

Hin­sicht­lich der Be­mes­sung der Stel­lung­nah­me­frist sei zu be­ach­ten, dass zunächst für Mon­tag, den 09.02.2009, ein Gespräch ge­plant ge­we­sen sei. Im Übri­gen sei auf schrift­li­chem We­ge ei­ne in­halt­li­che Stel­lung­nah­me mit der Aus­sa­ge, dass die Vorwürfe nicht stim­men würden, er­folgt; dies sei re­la­tiv ausführ­lich dar­ge­stellt wor­den. Ei­ne Frist­verlänge­rung sei nicht be­an­tragt wor­den und er­schien auch nicht gewünscht. Ei­ne dif­fe­ren­zier­te Aus­ein­an­der­set­zung mit den im Durch­su­chungs­be­schluss ent­hal­te­nen Vorwürfen sei im Übri­gen bis heu­te nicht er­folgt. Viel­mehr sei es beim pau­scha­len Be­strei­ten ge­blie­ben. Die Frist sei auch des­halb er­sicht­lich nicht zu be­an­stan­den, weil das Schrei­ben vom 09.02.2009 ei­ne hin­rei­chen­de Stel­lung­nah­me dar­stel­le. Vor­sorg­lich wer­de dar­auf hin­ge­wie­sen, dass selbst ei­ne Frist­verlänge­rung von ei­ner Wo­che nutz­los ge­we­sen wäre, weil der frühe­re Rechts­an­walt des Klägers auf die feh­len­de Ak­ten­kennt­nis hin­ge­wie­sen ha­be.

Schriftsätz­lich hat die Be­klag­te be­strit­ten, dass die Fa. XY auf der Ba­sis ei­nes Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses, das vom In­ge­nieurbüro N. + R. zur Verfügung ge­stellt wor­den sei, ihr An­ge­bot ge­fer­tigt ha­be. Im Kam­mer­ter­min hat sie aus­geführt, es könne oh­ne Rück­fra­ge nicht da­zu Stel­lung ge­nom­men wer­den, ob die Fa. XY ein Leis­tungs­ver­zeich­nis er­hal­ten ha­be. Soll­te dies der Fall ge­we­sen sein, sei es nicht er­kenn­bar ge­we­sen sei, weil die Fa. XY ihr An­ge­bot un­ter Ver­wen­dung des ei­ge­nen Brief­kop­fes er­stellt ha­be. Der kläge­ri­sche Vor­trag im Ter­min sei als ver­spätet zu er­ach­ten. Dies gel­te auch für den kläge­ri­schen Vor­trag zu sei­ner E-Mail vom 04.03.2008.

Ein Ver­gleich der bei­den Schrei­ben der Fa. XY vom 03.03.2008 und vom 11.03.2008 (An­la­gen B 17 und B 18) zei­ge, dass auch bei der Ge­stal­tung der Leis­tungs­be­schrei­bun­gen Spiel­raum be­stan­den ha­be. Die An­ga­ben in den ge­nann­ten Un­ter­la­gen würden dif­fe­rie­ren. Überhöhte Prei­se könn­ten auch auf der Ba­sis ei­nes et­wa vor­ge­leg­ten Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses ein­ge­setzt wer­den. Im Übri­gen sei die Er­spar­nis von über € 10.000,00 nicht ge­genüber dem An­ge­bot vom 03.03.2008, son­dern ge­genüber dem An­ge­bot vom 11.03.2008 er­zielt wor­den

 

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So­weit der Kläger die Glaubwürdig­keit des Herrn K. in Zwei­fel zie­he, sei aus­zuführen, dass sie nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich sei. Denn die Straf­ver­fol­gungs­or­ga­ne hätten ei­nen drin­gen­den Tat­ver­dacht an­ge­nom­men, und dies ha­be sich die Be­klag­te für die Ver­dachtskündi­gung zu Ei­gen ge­macht.

Es sei auch trotz des schein­ba­ren Wi­der­spruchs nicht aus­ge­schlos­sen, dass Herr K. am 10.03.2008 das An­sin­nen des Klägers ab­ge­lehnt ha­be, am Fol­ge­tag gleich­wohl ein sei­nem An­lie­gen ent­spre­chen­des An­ge­bot ab­ge­ge­ben ha­be. Denn in ver­gleich­ba­ren Fällen ge­sche­he vie­les nach dem Mot­to: „Erst wehrt man sich, dann tut man es – im In­ter­es­se der Fir­ma“. Sch­ließlich sei an­zu­mer­ken, dass die Vor­ge­hens­wei­se des Herrn K. bei der Er­stat­tung der An­zei­ge nicht zu der vom Kläger un­ter­stell­ten Mo­tiv­la­ge pas­se.

We­gen des Sach­vor­trags im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird ergänzend Be­zug ge­nom­men auf die Schriftsätze des Klägers vom 17.05.2010 und 19.07.2010, den Schrift­satz der Be­klag­ten vom 23.07.2010 und die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 21.07.2010 (Bl. 309 bis 315 d.A.).

Am 29.07.2010 hat der Kläger ei­nen wei­te­ren, nicht nach­ge­las­se­nen Schrift­satz ein­ge­reicht.

Am 18.10.2010 hat die Kam­mer ab­sch­ließend be­ra­ten und da­bei auch ent­schie­den, dass ei­ne Wie­de­reröff­nung der am 21.07.2010 ge­schlos­se­nen münd­li­chen Ver­hand­lung nicht ver­an­lasst sei.

 

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Ent­schei­dungs­gründe:

Die Be­ru­fung des Klägers ist zulässig, aber nicht be­gründet.

I.

Das Rechts­mit­tel ist gemäß § 64 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 c) ArbGG statt­haft und auch im Übri­gen zulässig, ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 66 Abs. 1, 11 Abs. 4, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO).

II.

Das Rechts­mit­tel hat in der Sa­che kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht an­ge­nom­men, dass die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 12.02.2009 – als sog. Ver­dachtskündi­gung – rechts­wirk­sam ist und das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit ih­rem Zu­gang am 13.02.2009 auf­gelöst hat, und dass des­halb auch die ge­gen die or­dent­li­che Kündi­gung ge­rich­te­te Kla­ge un­be­gründet ist.

1. Zu Un­recht nimmt der Kläger an, dass ein wich­ti­ger Grund gemäß § 626 Abs. 1
BGB nicht ge­ge­ben sei.

1.1 Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Ar­beits­verhält­nis aus wich­ti­gem Grund oh­ne
Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. Im Rah­men des § 626 Abs. 1 BGB ist al­so zunächst zu prüfen, ob ein be­stimm­ter Sach­ver­halt oh­ne die be­son­de­ren Umstände des Ein­zel­falls als wich­ti­ger Kündi­gungs­grund „an sich“ ge­eig­net ist („ers­te Stu­fe“). Liegt ein sol­cher Sach­ver­halt vor, be­darf des der wei­te­ren Prüfung („zwei­te Stu­fe“), ob die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist

 

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un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Umstände des Ein­zel­falls und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le zu­mut­bar ist oder nicht (ständi­ge Rechts­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, vgl. et­wa Ur­teil vom 07.07.2005 – 2 AZR 581/04, Rn. 21, zi­tiert nach Ju­ris).

Ein Kündi­gungs­grund ist nicht nur ge­ge­ben, wenn fest­steht, dass der Ar­beit­neh­mer sich rechts­wid­rig ver­hal­ten hat. Auch der drin­gen­de Ver­dacht ei­ner Ver­let­zung ar­beits­ver­trag­li­cher Pflich­ten kann ei­nen wich­ti­gen Grund zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung dar­stel­len. Der Ver­dacht stellt ge­genüber dem Vor­wurf, der Ar­beit­neh­mer ha­be die Tat be­gan­gen, ei­nen ei­genständi­gen Kündi­gungs­grund dar. Ei­ne sol­che Ver­dachtskündi­gung kommt in Be­tracht, wenn drin­gen­de, auf ob­jek­ti­ven Tat­sa­chen be­ru­hen­de schwer­wie­gen­de Ver­dachts­mo­men­te vor­lie­gen und die­se ge­eig­net sind, das für die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses er­for­der­li­che Ver­trau­en bei ei­nem verständi­gen und ge­recht abwägen­den Ar­beit­ge­ber zu zerstören. Der Ar­beit­ge­ber muss je­doch al­le zu­mut­ba­ren An­stren­gun­gen zur Aufklärung des Sach­ver­halts un­ter­nom­men, ins­be­son­de­re dem Ar­beit­neh­mer Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me ge­ge­ben ha­ben.

Der schwer­wie­gen­de Ver­dacht muss sich aus den Umständen er­ge­ben bzw. ob­jek­tiv durch Tat­sa­chen be­gründet sein. Er muss drin­gend sein, d.h. bei ei­ner kri­ti­schen Prüfung muss ei­ne auf Be­weis­an­zei­chen (In­di­zi­en) gestütz­te große Wahr­schein­lich­keit für die er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung (Tat) ge­ra­de die­ses Ar­beit­neh­mers be­ste­hen (ständi­ge Rechts­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, vgl. Be­schluss vom 12.03.2009 – 2 ABR 24/08, NZA-RR 2010, 1080).

In zeit­li­cher Hin­sicht sind nur sol­che In­di­zi­en zu berück­sich­ti­gen, die ei­nem verständi­gen, sorgfältig prüfen­den Ar­beit­ge­ber bei Zu­gang der Kündi­gung (§ 130 BGB) er­kenn­bar wa­ren. Dies schließt es aus, dass so­wohl den Ver­dacht stärken­de als auch ihn ent­kräften­de Tat­sa­chen bei der Prüfung des wich­ti­gen Grun­des berück­sich­tigt wer­den können, wenn sie dem Ar­beit­ge­ber zur Zeit der Kündi­gung auch bei ge­wis­sen­haf­tem Vor­ge­hen nicht zur Verfügung stan­den. Der – wohl - ab­wei­chen­den An­sicht des Bun­des­ar­beits­ge­richts (Ur­teil vom 06.11.2003 – 2 AZR 631/02, NZA 2004, 919; Ur­teil vom 14.09.1994 – 2 AZR 164/94, BA­GE 78, 18 - 30) ver­mag sich das Be­ru­fungs­ge­richt nur in­so­weit an­zu­sch­ließen, als ob­jek­tiv ge­ge­be­ne, bei sorgfälti­gem Vor­ge­hen er­kenn­ba­re, in con­cre­to gleich­wohl nicht er-

 

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kann­te Umstände zu Guns­ten des Ar­beit­neh­mers zu berück­sich­ti­gen sind, nicht aber trotz ge­bo­te­ner und zu­mut­ba­rer Sorg­falt dem Ar­beit­ge­ber nicht er­kenn­ba­re Tat­sa­chen. Denn die Vor­schrift des § 130 BGB selbst lässt kei­nen An­halts­punkt für ei­ne Aus­nah­me vom hier­nach maßgeb­li­chen Be­ur­tei­lungs­zeit­punkt er­ken­nen. Sie folgt auch nicht aus der be­son­de­ren Na­tur der Ver­dachtskündi­gung. Die­se liegt dar­in, dass mit ih­rer An­er­ken­nung in Kauf ge­nom­men wird, dass Ar­beit­neh­mer den Ver­lust ih­res Ar­beits­plat­zes hin­zu­neh­men ha­ben, die ob­jek­tiv nicht rechts­wid­rig ge­han­delt ha­ben. Dem ist aber aus­sch­ließlich durch Zu­er­ken­nung ei­nes Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruchs Rech­nung zu tra­gen, aus Gründen der Rechts­si­cher­heit nicht auch durch ei­ne ein­ge­schränk­te An­wen­dung des § 130 BGB.

In­di­ztat­sa­chen für ei­ne Ver­dachtskündi­gung können sich auch aus dem Ver­hal­ten der Straf­ver­fol­gungs­or­ga­ne er­ge­ben. Da­bei ist je­doch zu be­ach­ten, dass nicht je­de Maßnah­me der Straf­ver­fol­gung den für die Ver­dachtskündi­gung er­for­der­li­chen drin­gen­den Tat­ver­dacht vor­aus­setzt. So ist für die Ein­lei­tung der Straf­ver­fol­gung gemäß § 152 Abs. 2 St­PO le­dig­lich ein An­fangs­ver­dacht er­for­der­lich; ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren kann al­so be­reits bei Vor­lie­gen aus­rei­chen­der tatsäch­li­cher An­halts­punk­te ein­ge­lei­tet wer­den. Für die Er­he­bung der An­kla­ge setzt die St­PO ei­nen genügen­den An­lass, für die Eröff­nung des Haupt­ver­fah­rens ei­nen hin­rei­chen­den, aber noch kei­nen drin­gen­den Ver­dacht vor­aus (§§ 170 Abs. 1, 203 St­PO). Für grund­rechts­be­schränken­de Zwangs­maßnah­men ver­langt die St­PO un­ter­schied­li­che Ver­dachts­gründe, zum Teil auch ei­nen drin­gen­den Tat­ver­dacht (vgl. BAG, Ur­teil vom 29.11.2007 – 2 AZR 724/06, EzA Nr. 5 zu § 626 BGB 2002 – Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung, Rn. 38). Der Ar­beit­ge­ber kann sich die Einschätzung der Straf­ver­fol­gungs­or­ga­ne zu ei­gen ma­chen, so­weit er nicht auf Grund sei­ner größeren Sachnähe er­ken­nen muss, dass die­se hin­sicht­lich des In­halts des Ver­dachts oder sei­ner In­ten­sität ei­ner Fehl­einschätzung un­ter­lie­gen.

1.2 Bei An­wen­dung die­ses Maßstabs er­gibt sich, dass ein wich­ti­ger Grund für die
Kündi­gung der Be­klag­ten vom 12.02.2009 ge­ge­ben ist.

1.2.1 Ein verständi­ger und ge­recht abwägen­der Ar­beit­ge­ber in der Si­tua­ti­on der Be­klag­ten konn­te auf­grund des ge­gen den Kläger er­las­se­nen Haft­be­fehls da­von aus­ge­hen, dass ein drin­gen­der Ver­dacht da­hin be­stand, der Kläger ha­be die im Durch­su­chungs­be­schluss näher be­schrie­be­nen De­lik­te der ver­such­ten Er­pres­sung und der Be­stech­lich­keit

 

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be­gan­gen.

1.2.1.1 So­wohl das Be­ste­hen ei­nes Ver­dachts mit dem von den Straf­ver­fol­gungs­behörden an­ge­nom­me­nen In­halt als auch den für ei­ne Kündi­gung er­for­der­li­chen Grad des Ver­dachts durf­te die Be­klag­te be­reits des­halb an­neh­men, weil der Er­lass ei­nes Haft­be­fehls nach § 112 Abs. 1 St­PO ei­nen drin­gen­den Ver­dacht vor­aus­setzt.

Dass der Haft­be­fehl außer Voll­zug ge­setzt wur­de, und dies schon un­mit­tel­bar bei sei­ner Eröff­nung, hilft dem Kläger nicht. Denn nach § 116 St­PO ist dies kei­ne Fol­ge ei­ner ab­ge­schwäch­ten In­ten­sität des Ver­dachts, son­dern der Möglich­keit, Flucht- oder Ver­dun­ke­lungs­ge­fahr durch we­ni­ger ein­schnei­den­de Maßnah­men aus­zu­sch­ließen oder zu ver­min­dern.

Dass der Haft­be­fehl am 03.03.2010, mehr als ein Jahr nach Zu­gang der Kündi­gung, auf­ge­ho­ben wur­de, ist – wie dar­ge­legt - nicht zu berück­sich­ti­gen, weil es aus­sch­ließlich auf die Sach­la­ge bei Zu­gang an­kommt.

1.2.1.2 Der Be­klag­ten war es auch nicht ver­wehrt, sich der Einschätzung des Amts­ge­richts B-Stadt (und der Staats­an­walt­schaft) an­zu­sch­ließen, weil sie auf­grund größerer Sachnähe zu ei­ner rea­litätsnähe­ren Würdi­gung der den Straf­ver­fol­gungs­behörden be­kann­ten Fak­ten in der La­ge ge­we­sen wäre als die­se, wie es der Kläger wohl gel­tend ma­chen will. Die Be­klag­te bzw. ih­re ge­setz­li­chen Ver­tre­ter müssen sich zwar bei der Prüfung des Kündi­gungs­grun­des die Kennt­nis­se nach­ge­ord­ne­ter Mit­ar­bei­ter nach § 166 Abs. 1 BGB zu­rech­nen las­sen; so dass die In­for­ma­tio­nen über den Ab­lauf der Ver­ga­be­ver­fah­ren im Hau­se der Be­klag­ten auch dann als be­kannt zu Grun­de zu le­gen sind, wenn sie den (natürli­chen) Per­so­nen, die die streit­be­fan­ge­nen Kündi­gun­gen vor­be­rei­tet und ver­ant­wor­tet ha­ben, nicht zur Verfügung ge­stan­den ha­ben soll­ten. (Der An­nah­me ei­ner dar­auf ge­rich­te­ten Aufklärungs­pflicht, die der Kläger wohl pos­tu­liert, be­darf es in­so­weit nicht). Es ist aber ent­ge­gen kläge­ri­scher Mei­nung nicht da­von aus­zu­ge­hen, die Be­klag­te ha­be auf der Grund­la­ge um­fas­sen­der Sach­kennt­nis kei­nen drin­gen­den Tat­ver­dacht ha­ben können. Das bei freihändi­ger Ver­ga­be ein­zu­hal­ten­de Ver­fah­ren, das nicht nur Mit­ar­bei­ter ver­schie­de­ner Dienst­stel­len und un­ter­schied­li­cher Hier­ar­chie­ebe­nen, son­dern auch ein ex­ter­nes In­ge­nieurbüro ein­bin­det, mag ei­ne Preis­ma­ni­pu­la­ti­on durch Zu­sam­men­wir­ken ei-

 

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nes Mit­ar­bei­ters der Be­klag­ten und ei­nes Auf­trag­neh­mers er­schwe­ren. Aus­sch­ließen kann es ein er­folg­rei­ches kol­lu­si­ves Zu­sam­men­wir­ken aber selbst dann nicht, wenn – wie der Kläger be­haup­tet – das An­ge­bot des Un­ter­neh­mens auf der Grund­la­ge ei­nes vom In­ge­nieurbüro er­stell­ten Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses er­folgt. Denn schon die An­zahl der – un­ter dem 11.03.2008 - auf 38 Sei­ten zu­sam­men­ge­stell­ten An­ge­bots­po­si­tio­nen er­hellt die Chan­ce, dass ein­zel­ne preis­re­le­van­te Pos­ten höher als er­for­der­lich kal­ku­liert wer­den, oh­ne dass dies be­merkt wird. Dass Ma­ni­pu­la­tio­nen nicht aus­ge­schlos­sen sind, wird doch schon dar­an deut­lich, dass hier erst das Tätig­wer­den des Ser­vice­cen­ters zu den vom In­ge­nieurbüro an­ge­reg­ten Nach­ver­hand­lun­gen führ­te, die ei­ne er­heb­li­che Preis­sen­kung zum Er­geb­nis hat­ten.

1.2.1.3 Die Ver­dachtskündi­gung schei­tert auch nicht dar­an, dass die Be­klag­te ih­rer Aufklärungs­pflicht hin­sicht­lich an­de­rer Umstände (als des Ab­laufs des Ver­ga­be­ver­fah­rens) nicht genügt hätte. Viel­mehr trifft ih­re Einschätzung zu, dass ihr Er­folg ver­spre­chen­de Er­mitt­lungs­maßnah­men nicht zur Verfügung stan­den. Zunächst war durch die Be­schlag­nah­me der Un­ter­la­gen ei­ner fun­dier­ten in­ner­be­trieb­li­chen Aufklärung durch die Be­klag­te die ma­te­ri­el­le Grund­la­ge ent­zo­gen. Im Übri­gen muss­te - wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat - die Be­rech­ti­gung des Ver­dachts mit der Aus­sa­ge des Herrn K. ste­hen und fal­len. Ei­ne Be­fra­gung sei­ner Per­son durch die Be­klag­te war von ih­rer Sei­te aber we­der durch­zu­set­zen noch be­stand Grund zu der An­nah­me, dass Herr K. bei ei­ner „frei­wil­li­gen“ Aus­kunft ge­genüber der Be­klag­ten von sei­nen ge­genüber den Straf­ver­fol­gungs­behörden ab­ge­ge­be­nen Schil­de­run­gen ab­ge­wi­chen wäre. Nicht nach­zu­voll­zie­hen ist auch die An­nah­me des Klägers, durch Nach­fra­ge bei der Staats­an­walt­schaft hätten sich ggf. Er­kennt­nis­se eru­ie­ren las­sen, die im Be­schluss des Amts­ge­richts kei­ne Erwähnung fan­den. So­weit der Kläger schließlich auf sei­ne Be­an­stan­dung des ers­ten An­ge­bots durch E-Mail vom 04.03.2008 ver­weist und be­haup­tet, die­ses hätte schon bei Zu­gang der Kündi­gung für sei­ne Un­schuld ge­spro­chen, über­sieht er, dass ge­ra­de erst das zwei­te An­ge­bot, das er­folg­reich nach ver­han­delt wer­den konn­te, den er­ho­be­nen Ver­dacht stützt.

1.2.1.4 Die Aufklärungs­pflicht wur­de auch nicht durch ei­ne un­zu­rei­chen­de Anhörung des Klägers ver­letzt. Viel­mehr genügt sie den oben ge­schil­der­ten Maßstäben. Zu Un­recht geht der Kläger da­von aus, dass ihm die Be­klag­te mit der Auf­for­de­rung zur Stel­lung­nah­me hätte mit­tei­len müssen, dass sie (auch) ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits-

 

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verhält­nis­ses in Be­tracht zie­he. Denn der Zweck der Anhörung, zur Aufklärung des Sach­ver­halts und zur Wil­lens­bil­dung des Ar­beit­ge­bers bei­zu­tra­gen, for­dert ei­ne der­ar­ti­ge Mit­tei­lung nicht. Hierfür genügt der Be­zug zu ei­nem greif­ba­ren Sach­ver­halt. Der Zweck der Anhörung liegt auch nicht dar­in, als ver­fah­rens­recht­li­che Er­schwer­nis die Aufklärung zu verzögern und die Wahr­heit zu ver­dun­keln (BAG, Ur­teil vom 13.03.2008 – 2 AZR 961/06, NZA 2008, 809). Die vom Kläger her­an­ge­zo­ge­ne Auf­fas­sung von U. Fi­scher (BB 2003, 522; ihm fol­gend See­ling / Zwi­ckel MDR 2008, 1020), die sach­ge­rech­te Ent­schei­dung des Ar­beit­neh­mers darüber, ob er sich ein­las­se oder nicht, set­ze die Kennt­nis der mögli­chen Be­en­di­gung vor­aus, mag vor die­sem Hin­ter­grund bei ei­ner we­gen außer­dienst­li­chen Ver­hal­tens be­ab­sich­tig­ten Ver­dachtskündi­gung zu erwägen sein, wenn der Be­zug zum Ar­beits­verhält­nis nicht verständ­lich ist, nicht aber – wie hier – bei klar er­kenn­ba­rem Be­zug zu ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten.

1.2.1.5 Eben­falls nicht zu fol­gen ver­mag das Be­ru­fungs­ge­richt der Auf­fas­sung des Klägers, die Be­klag­te ha­be ihm un­zu­rei­chend mit­ge­teilt, wo­zu sie ei­ne Stel­lung­nah­me er­war­te. Durch den ihm (in Ko­pie) über­mit­tel­ten Durch­su­chungs­be­schluss wur­de viel­mehr klar zum Aus­druck ge­bracht, über wel­che den Kläger be­las­ten­de In­for­ma­tio­nen die Be­klag­te verfügte. Dem Kläger konn­te nicht ver­bor­gen ge­blie­ben sein, dass er hier­zu sei­ne Sicht schil­dern soll­te.

1.2.1.6 Der Kläger kann sich auch nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dass die Frist zur Stel­lung­nah­me nicht aus­rei­chend be­mes­sen ge­we­sen sei. Das Ge­gen­teil er­gibt sich schon dar­aus, dass er selbst – wie auch die Be­klag­te – da­von aus­geht, dass sei­ne schrift­li­che Äußerung durch sei­nen da­ma­li­gen Rechts­an­walt ei­ne fun­dier­te Stel­lung­nah­me dar­stellt. Da­mit lag zur Zeit des Zu­gangs der Kündi­gung schon nach kläge­ri­scher An­sicht ei­ne hin­rei­chen­de Be­tei­li­gung sei­ner Per­son vor.

1.3 Der An­nah­me des Ar­beits­ge­richts, auch die „2. Stu­fe“ des § 626 Abs. 1 BGB sei
erfüllt, ist der Kläger nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten. Die­se Einschätzung, dass der Be­klag­ten we­der ein mil­de­res Mit­tel als die so­for­ti­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zur Verfügung stand, noch dass die Abwägung der In­ter­es­sen der Par­tei­en trotz der mehr als sie­benjähri­gen Beschäfti­gungs­dau­er, des Le­bens­al­ters des Klägers und der da­durch ein­ge­schränk­ten Chan­cen auf dem Ar­beits­markt so­wie des Feh­lens vor­an­ge­gan­ge­ner Be­las-

 

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tun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses da­zu führt, dass der Be­klag­ten die Fort­set­zung der Zu­sam­men­ar­beit auch nur bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zu­zu­mu­ten war, ist an­ge­sichts des für die ver­ant­wor­tungs­vol­le Tätig­keit des Klägers un­ab­ding­ba­ren Ver­trau­ens zu­tref­fend. Dies gilt auch, wenn der Auf­fas­sung ge­folgt wird, ein über Jah­re er­ar­bei­te­ter Vor­rat an Ver­trau­en wer­de nicht zwin­gend durch ein ein­ma­li­ges Fehl­ver­hal­ten vollständig auf­ge­zehrt (vgl. BAG, Ur­teil vom 10.06.2010 – 2 AZR 5341/09, DB 2010, 2395). Der ge­gen den Kläger er­ho­be­ne Ver­dacht be­zieht sich auf ei­ne Straf­tat von sol­chem Ge­wicht, dass ein tragfähi­ger Rest an Ver­trau­en nicht zu ver­blei­ben ver­mag.

1.4 Die Erklärungs­frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB wur­de ein­ge­hal­ten. Die Vorwürfe
wur­den der Be­klag­ten erst­mals am 04.02.2009 be­kannt, das Kündi­gungs­schei­ben ging dem Kläger am 13.02.2009 und da­mit vor Ab­lauf der Frist zum En­de des 18.02.2009 zu (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).

2. Dass die Be­tei­li­gung des (Ge­samt-)Per­so­nal­rats nicht ord­nungs­gemäß er­folgt
sei, hat der Kläger nicht mehr be­haup­tet.

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Re­vi­si­on war nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zu­zu­las­sen.

 

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­ses Ur­teil kann der Kläger Re­vi­si­on ein­le­gen.

Für die Be­klag­te ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat ein­ge­legt und in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten be­gründet wer­den.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung des Ur­teils.

Die Re­vi­si­on muss beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Post­an­schrift:

Bun­des­ar­beits­ge­richt

99113 Er­furt

Te­le­fax-Num­mer:

0361 2636-2000

ein­ge­legt und be­gründet wer­den.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Es genügt auch die Un­ter­zeich­nung durch ei­nen Be­vollmäch­tig­ten der Ge­werk­schaf­ten und von Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie von Zu­sam­men­schlüssen sol­cher Verbände
- für ih­re Mit­glie­der
- oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der

 

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oder

von ju­ris­ti­schen Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich in wirt­schaft­li­chem Ei­gen­tum ei­ner der im vor­ge­nann­ten Ab­satz be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen,
- wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt
- und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In je­dem Fall muss der Be­vollmäch­tig­te die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Zur Möglich­keit der Re­vi­si­ons­ein­le­gung mit­tels elek­tro­ni­schen Do­ku­ments wird auf die Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ar­beits­ge­richt vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hin­ge­wie­sen. Ein­zel­hei­ten hier­zu un­ter http://www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de/.

 

Dys­z­ak Hal­big Brut­scher

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