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ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/042

Ver­fall des An­spruchs auf Ur­laubs­geld nach Ren­ten­ein­tritt

LAG Düs­sel­dorf: Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ent­ste­hen im ru­hen­den Ar­beits­ver­hält­nis kei­ne Ur­laubs­an­sprü­che: Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 05.05.2010, 7 Sa 1571/09
Münzen, Münzhaufen Ur­laubs­an­sprü­che im ru­hen­den Ar­beits­ver­hält­nis?

01.03.2011. Mit dem Ur­teil des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs (EuGH) in der Rechts­sa­che "Schultz-Hoff" (Ur­teil vom 20.01.2009, C-350/06 und C-520/06) än­der­te sich die Be­hand­lung von Ur­laubs­an­sprü­chen und Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­sprü­chen deut­lich (wir be­rich­te­ten hier­über un­ter an­de­rem in: Ar­beits­recht ak­tu­ell 09/057, 09/052, 09/042 und 09/023).

Die­se Ent­wick­lung ist noch nicht ab­ge­schlos­sen. Fest steht zwi­schen­zeit­lich al­ler­dings, dass er­krank­te Ar­beit­neh­mer ih­ren Ur­laub über das Ka­len­der­jahr hin­aus an­sam­meln kön­nen. Mit dem En­de des Ar­beits­ver­hält­nis­ses wan­delt sich der of­fe­ne Ur­laubs­an­spruch in ei­nen Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch um, der schnell ei­ne be­acht­li­che Hö­he er­rei­chen kann.

Vor die­sem Hin­ter­grund sind Ar­beit­ge­ber und ih­nen na­he­ste­hen­de Ju­ris­ten dar­um be­müht, die in­fol­ge der Schultz-Hoff-Ent­schei­dung be­ste­hen­den Ur­laubs- bzw. Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­sprü­che recht­lich zu be­gren­zen (wir be­rich­te­ten u.a. in: Ar­beits­recht ak­tu­ell 10/145: Kön­nen krank­heits­be­dingt an­ge­sam­mel­te Ur­laubs­an­sprü­che ver­fal­len?).

Ei­ne mitt­ler­wei­le von vie­len Ge­rich­ten für rich­tig ge­hal­te­ne Be­gren­zung von "Schultz-Hoff-An­sprü­chen" be­steht dar­in, ar­beits­ver­trag­lich oder ta­rif­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Aus­schluss­fris­ten auf die­se An­sprü­che an­zu­wen­den: Wer sei­nen An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung nicht in­ner­halb der Aus­schluss­frist gel­tend macht, ver­liert ihn die­ser An­sicht zu­fol­ge.

Ein an­de­rer, der­zeit nur von ei­ner Min­der­heit von Ar­beits­recht­lern ver­tre­te­ner An­satz be­steht dar­in, in Fäl­len lang­jä­jh­ri­ger Er­kran­kung für be­stimm­te Fall­grup­pen in Ab­re­de zu stel­len, dass ein für die Dau­er der Krank­heit an­wach­sen­der Ur­laubs­an­spruch über­haupt ent­steht.

Die­sen An­satz ver­tritt das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düs­sel­dorf mit Ur­teil vom 05.05.2010, 7 Sa 1571/09. Ein Al­ten­pfle­ger, der fast 20 Jah­re lang in ei­ner dia­ko­ni­schen Pfle­ge­ein­rich­tung be­schäf­tigt war, klag­te hier auf Ur­laubs­ab­gel­tung, nach­dem er län­ge­re Zeit krank­heits­be­dingt ar­beits­un­fä­hig ge­we­sen und sein Ar­beits­ver­hält­nis­ses schließ­lich in­fol­ge von Ver­ren­tung be­en­det wor­den war.

Für das Ar­beits­ver­hält­nis gal­ten die Ar­beits­ver­trags­richt­li­ni­en (AVR) Dia­ko­nie. In ih­nen ist vor­ge­se­hen, dass Ar­beit­neh­mer bei ei­ner Er­werbs­min­de­rung um­ge­hend ein Ren­ten­an­trag stel­len müs­sen. Das Ar­beits­ver­hält­nis ruht dann, d.h. be­steht oh­ne (Haupt-)Leis­tungs­pflich­ten fort. Au­ßer­dem ent­hal­ten die­se AVR ei­ne Aus­schluss­frist von sechs Mo­na­ten für die Gel­tend­ma­chung von ver­trag­li­chen An­sprü­chen. Die­se Aus­schluss­frist hat­te der Klä­ger nicht ein­ge­hal­ten. Das LAG wies die Kla­ge ab, eben­so wie zu­vor das Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal (Ur­teil vom 13.11.2009, 3 Ca 1128/09).

Zur Be­grün­dung meint das LAG zum ei­nen, ein Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch sei je­den­falls ver­fal­len, weil die Aus­schluss­frist nicht ein­ge­hal­ten wur­de. Da­mit liegt es ganz auf der Li­nie an­de­rer Ar­beits- bzw. Lan­des­ar­beits­ge­rich­te. Ei­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu die­ser Fra­ge liegt al­ler­dings noch nicht vor.

Zum an­de­ren stützt das LAG sei­ne Ent­schei­dung auch auf die Über­le­gung, dass der An­spruch teil­wei­se noch nicht ein­mal ent­stan­den sein soll. Denn das Ru­hen des Ar­beits­ver­hält­nis­ses in­fol­ge der vom Klä­ger wäh­rend der Er­kran­kung vor­über­ge­hend be­zo­ge­nen Ren­te soll wil­lens­ge­steu­ert sein und sich da­mit von dem Ein­tritt der Krank­heit un­ter­schei­den.

Der Ar­beit­neh­mer leg­te ge­gen die­se Ent­schei­dung Re­vi­si­on beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein. Sie ist dort un­ter dem Ak­ten­zei­chen 9 AZR 475/10 an­hän­gig und wird vor­aus­sicht­lich im zwei­ten Halb­jahr 2011 ver­han­delt.

Fa­zit: Die Ar­gu­men­ta­ti­on des Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf zum "frei­wil­li­gen" Ru­hen des Ar­beits­ver­hält­nis­ses steht im Ge­gen­satz zur Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts und ist nicht über­zeu­gend, je­den­falls nicht im vor­lie­gen­den Fall. Denn der Ar­beit­neh­mer war auf­grund der AVR da­zu ver­pflich­tet, ei­nen Ren­ten­an­trag zu stel­len und da­mit die recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für das Ru­hen sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses zu schaf­fen.

Wie auch im­mer man zu die­ser Fra­ge steht, sie war hier we­gen der ver­säum­ten Aus­schluss­frist nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich. Da­her könn­te sich auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt schlicht auf den Stand­punkt stel­len, dass et­wai­ge An­sprü­che je­den­falls auf­grund der Aus­schluss­frist ver­fal­len sind.

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Letzte Überarbeitung: 3. August 2020

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