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LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 15.09.2011, 7 Sa 1908/10

   
Schlagworte: Vertragsstrafe, Wettbewerbsverbot, AGB, Allgemeine Geschäftsbedingungen
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 7 Sa 1908/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.09.2011
   
Leitsätze:

1. Nur wenn eine Vertragsstrafenregelung frei ausgehandelt worden ist, kann eine verwirkte Strafe, die unverhältnismäßig hoch ist, auf Antrag des Schuldners gemäß § 343 BGB durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden kann.

2. Ist eine Vertragsstrafenregelung demgegenüber Gegenstand allgemeiner Geschäftsbedingungen im Sinne von §§ 305 ff. BGB, führt eine unangemessen hohe Vertragsstrafe zur Unwirksamkeit der Regelung, da eine geltungserhaltende Reduktion einer nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht möglich ist.

3. Der Arbeitnehmer wird unangemessen in seiner Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigt, wenn er infolge einer unangemessen hohen Vertragsstrafe davon abgehalten werden kann und soll, sein grundgesetzlich geschütztes Recht auf freie Berufswahl auszuüben.

4. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, im Rahmen der §§ 305 ff. BGB für eine den Gegner des Klauselverwenders unangemessen benachteiligende und deshalb unwirksame Klausel eine Fassung zu finden, die einerseits dem Verwender möglichst günstig, andererseits gerade noch rechtlich zulässig ist. Wer die Möglichkeit nutzen kann, die der Grundsatz der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das Risiko einer Klauselunwirksamkeit tragen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 10.11.2010, 5 Ca 141/10
   

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

NIE­DERSACHSEN

 

Verkündet am:

15.09.2011

Ge­richts­an­ge­stell­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

7 Sa 1908/10

5 Ca 141/10 ArbG Han­no­ver

In dem Rechts­streit

Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter,

ge­gen

Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin,

hat die 7. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 15. Sep­tem­ber 2011 durch

den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Lei­bold,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Höfer,
die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau Reilein-We­de­kin

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Han­no­ver vom 10.11.2010, 5 Ca 141/10, wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

- 2 -

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung.

Der am 0.0.1968 ge­bo­re­ne Kläger war vom 15.05.2000 bis zum 31.12.2010 bei der Be­klag­ten als an­ge­stell­ter Steu­er­be­ra­ter beschäftigt. Zu­letzt lei­te­te er als ein­zi­ger Steu­er­be­ra­ter die Nie­der­las­sung der Be­klag­ten in B-Stadt und be­zog ei­ne mo­nat­li­che Brut­to­vergütung von 6.910,00 €. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te auf­grund ei­ner frist­ge­rech­ten Kündi­gung des Klägers.

Die Be­klag­te be­treibt ne­ben ih­rem Haupt­sitz in A-Stadt bun­des­weit 20 Nie­der­las­sun­gen, in de­nen ins­ge­samt ca. 6000 Ärz­te, Zahnärz­te und Tierärz­te so­wie ca. 2600 wei­te­re Frei­be­ruf­ler und Pri­vat­per­so­nen be­treut wer­den.

Dem Ar­beits­verhält­nis zu Grun­de lag der An­stel­lungs­ver­trag vom 14.08.2000 (Bl. 8-25 d.A.). In ei­ner Ergänzungs­ver­ein­ba­rung vom 01.03.2004 (Bl. 46-49 d.A.) ha­ben die Par­tei­en un­ter an­de­rem Fol­gen­des ver­ein­bart:

II) Man­dan­ten­schutz­klau­sel

1) Der Steu­er­be­ra­ter ver­pflich­tet sich, nach Be­en­di­gung des An­stel­lungs­verhält-nis­ses zur B we­der in selbständi­ger, noch in un­selbständi­ger oder in sons­ti­ger Wei­se Man­da­te von sol­chen Auf­trag­ge­bern zu über­neh­men, die in­ner­halb der letz­ten 3 Jah­re vor Be­en­di­gung des An­stel­lungs­verhält­nis­ses Man­dan­ten der B wa­ren.

Die­se Un­ter­las­sungs­ver­pflich­tung be­steht für die Dau­er von 24 Mo­na­ten, wenn der Steu­er­be­ra­ter vor Er­rei­chung des 58. Le­bens­jah­res bei der B aus­schei­det. Ist der Steu­er­be­ra­ter im Zeit­punkt des Aus­schei­dens 58 Jah­re alt, beträgt die Dau­er 21 Mo­na­te, ist er 59 Jah­re alt, beträgt die Dau­er 18 Mo­na­te und ist er 60 Jah­re alt, beträgt die Dau­er 12 Mo­na­te.

Die Man­dan­ten­schutz­klau­sel gilt auch bei ei­nem frühe­ren Aus­schei­den, wenn der Steu­er­be­ra­ter Al­ters­ren­te we­gen Al­ters, Er­werbs- oder Be­rufs­unfähig­keit be­zieht. Ih­re Wir­kun­gen ent­fal­len, wenn der Steu­er­be­ra­ter An­spruch auf Be­rufs- oder Er­werbs­unfähig­keits­ren­te hat.

Die Man­dan­ten­schutz­klau­sel gilt im Fal­le ei­nes Be­triebsüber­gangs zu Guns­ten und mit Wir­kung für den Rechts­nach­fol­ger der B fort.

2) Während der Dau­er der Gültig­keit der Man­dan­ten­schutz­klau­sel erhält der Steu­er­be­ra­ter ei­ne Entschädi­gung, die für je­des Jahr des Ver­bots die Hälf­te der vom Steu­er­be­ra­ter zu­letzt be­zo­ge­nen ver­tragsmäßigen Leis­tun­gen beträgt. …

3) Für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung ge­gen die Man­dan­ten­schutz­klau­sel ver­spricht der Steu­er­be­ra­ter die Zah­lung ei­ner Ver­trags­stra­fe, de­ren Höhe sich

 

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be­misst nach dem sechs­fa­chen des Jah­res­ho­no­rars oh­ne Um­satz­steu­er, das B zu­letzt von dem be­tref­fen­den Man­dan­ten er­hal­ten hat. Die Gel­tend­ma­chung ei­nes wei­ter­ge­hen­den Scha­dens bleibt der B aus­drück­lich vor­be­hal­ten.

Die Be­klag­te führ­te mit den bei ihr an­ge­stell­ten Steu­er­be­ra­tern Gespräche über ei­ne Ka­pi­tal­be­tei­li­gung. Dies nahm der Kläger zum An­lass, mit ei­ner E-Mail vom 31.01.2010 (Bl. 36 d.A.) dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sei­ner Mei­nung nach die in dem Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­te Man­dan­ten­schutz­klau­sel so­wie die Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung un­wirk­sam ist. Die Be­klag­te wies dies mit E-Mail vom 04.02.2010 (Bl. 37, 38 d.A.) zurück.

Mit sei­ner Kla­ge vom 30.03.2010 be­gehrt der Kläger die Fest­stel­lung, dass die ver­ein­bar­te Man­dan­ten­schutz­klau­sel so­wie die Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung un­wirk­sam sind. Die zunächst eben­falls be­gehr­te Fest­stel­lung, dass ei­ne An­rech­nung der Leis­tun­gen aus ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung auf die zu zah­len­de Ka­ren­zentschädi­gung un­wirk­sam ist, nahm er im Lau­fe des erst­in­stanz­li­chen Rechts­streits zurück.

Das Ar­beits­ge­richt hat durch ein den Par­tei­en am 22.11.2010 zu­ge­stell­tes Ur­teil vom 10.11.2010, auf des­sen In­halt zur wei­te­ren Dar­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Sach- und Streit­stan­des und des­sen Würdi­gung durch das Ar­beits­ge­richt Be­zug ge­nom­men wird (Bl. 98 - 109 d.A.), fest­ge­stellt, dass die in II Nr. 3 der Ergänzungs­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en vom 01.03.2004 ent­hal­te­ne Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung un­wirk­sam ist, im übri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Hier­ge­gen rich­tet sich die am 21.12.2010 ein­ge­leg­te und am 20.01.2011 be­gründe­te Be­ru­fung der Be­klag­ten.

Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, für ei­ne Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaft sei es von ho­hem In­ter­es­se, an­ge­stell­te Steu­er­be­ra­ter durch die Ver­ein­ba­rung ho­her Ver­trags­stra­fen von vor­ne­her­ein da­von ab­zu­hal­ten, über­haupt nur mit dem Ge­dan­ken zu spie­len, ei­ne be­ruf­li­che Selbständig­keit in der Er­war­tung zu be­gin­nen, die bis­he­ri­gen Man­dan­ten über­neh­men zu können. Denn wenn sich ein Steu­er­be­ra­ter selbständig ma­chen wol­le, ge­be es kaum po­ten­ti­el­le Man­dan­ten, die erst­mals der Hil­fe ei­nes Steu­er­be­ra­ters bedürf­ten. Da es nur sel­ten ge­lin­ge, ei­nen halb­wegs zu­frie­de­nen Man­dan­ten aus ei­ner langjähri­gen Ver­trags­bin­dung zu sei­nem bis­he­ri­gen Steu­er­be­ra­ter zu lösen, sei es üblich, dass ein Steu­er­be­ra­ter, der sich selbständig ma­che, die Kanz­lei ei­nes Kol­le­gen über­neh­me. Für den Kauf ei­ner Steu­er­be­ra­ter­kanz­lei wer­de übli­cher­wei­se das 1,2 - 2,0 fa­che des durch­schnitt­lich in den letz­ten 3 Jah­ren vom Verkäufer er­ziel­ten Ho­no­rar­um­sat­zes als Kauf­preis ver­ein­bart. Da es in der Re­gel nicht ge­lin­ge, al­le Man­dan­ten zu über­neh­men, lie­ge es na­he, sich zu bemühen, die Man­dan­ten, die man bis­her beim al­ten Ar­beit­ge­ber be­treut ha­be, da­zu zu be­we­gen, mit­zu­ge­hen.

 

- 4 -

Dies müsse man be­den­ken, wenn man ent­schei­det, ob ei­ne Ver­trags­stra­fen­ver­ein­ba­rung nach § 307 Abs. 1 BGB schon dem Grun­de nach un­wirk­sam ist, oder ob ei­ne an sich wirk­sam ver­ein­bar­te Ver­trags­stra­fe im kon­kre­ten Fall un­verhält­nismäßig hoch er­scheint und auf An­trag des Schuld­ners her­ab­zu­set­zen ist.

An­er­kannt sei, dass ei­ne Ver­trags­stra­fe ne­ben der scha­dens­aus­glei­chen­den Funk­ti­on auch ei­nen ab­schre­cken­den bzw. ei­ne Ver­trags­pflicht si­chern­den Cha­rak­ter hat. Dies müsse in Be­zug auf die je­wei­li­gen wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen der Par­tei­en im Wett­be­werb um die Man­dan­ten an­ge­mes­sen berück­sich­tigt wer­den.

Die Ver­trags­stra­fe sei wirk­sam ver­ein­bart, weil der Kläger we­der ein Recht noch ein schützens­wer­tes In­ter­es­se dar­an ha­be, dass im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­te nach­ver­trag­li­che Wett­be­werbs­ver­bot zu bre­chen.

Bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen die Man­dan­ten­schutz­klau­sel ver­lie­re die Be­klag­te Ho­no­rar­um­satz, oh­ne die Kos­ten ent­spre­chend re­du­zie­ren zu können. Der Scha­den sei mit­hin we­sent­lich höher als der De­ckungs­bei­trag im ver­lo­re­nen Um­satz. Der Kläger ha­be nach­weis­bar ei­nen Um­satz von 157.000,00 € un­ter Ver­let­zung des nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bo­tes mit­ge­nom­men und mut­maßlich noch wei­te­re 55.000,00 €. Auch wenn er zusätz­lich noch 2 langjähri­ge Mit­ar­bei­te­rin­nen ab­ge­wor­ben ha­be, sei­en die Kos­ten längst nicht in dem Um­fang ge­sun­ken wie der Um­satz.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Vor­tra­ges der Be­klag­ten im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird Be­zug ge­nom­men auf die Schriftsätze ih­rer Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 20.01.2011 und 12.04.2011.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Han­no­ver vom 10.11.2010 ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nach Maßga­be des Schrift­sat­zes sei­ner Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 28.03.2011.

Ent­schei­dungs­gründe

 

- 5 -

I.
Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist statt­haft, sie ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den und da­mit ins­ge­samt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.

II.
Die Be­ru­fung ist je­doch nicht be­gründet.

Das Ar­beits­ge­richt ist zu Recht und mit weit­ge­hend zu­tref­fen­der Be­gründung zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass die von den Par­tei­en in der Ergänzungs­ver­ein­ba­rung vom 01.03.2004 ver­ein­bar­te Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung un­wirk­sam ist. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt macht sich die Ent­schei­dungs­gründe des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils zu Ei­gen und nimmt hier­auf zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Be­zug.

Die Be­ru­fungs­be­gründung gibt An­lass zu fol­gen­den ergänzen­den und zu­sam­men­fas­sen­den Ausführun­gen:

Das Ar­beits­ge­richt hat sich bei sei­ner Ent­schei­dung an die zu­tref­fen­de Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts und des Bun­des­ge­richts­hofs ge­hal­ten. Da­nach muss dif­fe­ren­ziert wer­den, ob ei­ne Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung frei aus­ge­han­delt wor­den oder Ge­gen­stand all­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen im Sin­ne von §§ 305 ff. BGB ist. Nur im ers­ten Fall ist § 343 BGB maßgeb­lich, wo­nach ei­ne ver­wirk­te Stra­fe, die un­verhält­nismäßig hoch ist, auf An­trag des Schuld­ners durch Ur­teil auf den an­ge­mes­se­nen Be­trag her­ab­ge­setzt wer­den kann. Im zwei­ten Fall ist dem­ge­genüber die Wirk­sam­keit der Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung nach den Vor­schrif­ten der §§ 305 ff. BGB zu prüfen. Ist hier­nach die Ver­trags­stra­fe un­wirk­sam, ist ei­ne Her­ab­set­zung gemäß § 343 BGB nicht möglich (so aus­drück­lich BAG vom 18.12.2008, 8 AZR 81/08, AP Nr. 4 zu § 309 BGB, Rn. 65). Viel­mehr schei­det ei­ne gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on ei­ner nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sa­men Re­ge­lung auf ei­ne Ver­trags­stra­fe in zulässi­ger Höhe aus (BAG vom 18.12.2008, a.a.O., Rn. 61).

Die von den Par­tei­en in der Ergänzungs­ver­ein­ba­rung vom 01.03.2004, al­so nach In­kraft­tre­ten des Schuld­recht­re­form­ge­set­zes, ver­ein­bar­te Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sam, da sie den Kläger ent­ge­gen Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt. Die un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung er­gibt sich da­bei vor­lie­gend aus der Höhe der Ver­trags­stra­fe.

Ver­trags­stra­fen be­nach­tei­li­gen ei­nen Ar­beit­neh­mer nicht schon ge­ne­rell un­an­ge­mes­sen. Sie be­nach­tei­li­gen die In­ter­es­sen ei­nes Ar­beit­neh­mers je­doch un­an­ge­mes­sen, wenn sie nicht durch be­gründe­te und bil­li­gens­wer­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ge­recht­fer­tigt oder durch gleich­wer­ti­ge Vor­tei­le aus­ge­gli­chen wer­den. Es be­darf in­so­weit ei­ner um­fas­sen­den

 

- 6 -

Würdi­gung der bei­den Po­si­tio­nen un­ter Berück­sich­ti­gung des Grund­sat­zes von Treu und Glau­ben. Im Rah­men der In­halts­kon­trol­le sind Art und Ge­gen­stand, Zweck und be­son­de­re Ei­gen­art des je­wei­li­gen Geschäfts zu berück­sich­ti­gen. Zu prüfen ist, ob der Klau­sel­in­halt bei der in Re­de ste­hen­den Art des Rechts­geschäfts ge­ne­rell un­ter Berück­sich­ti­gung der ty­pi­schen In­ter­es­sen der be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ver­trags­part­ners er­gibt (BAG vom 23.09.2010, 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89-93).

Die­se ty­pi­sie­ren­de Be­trach­tungs­wei­se be­zieht sich so­mit zum ei­nen auf den Ge­gen­stand, der dem Ver­trags­stra­fen­ver­spre­chen zu Grun­de liegt, und zum an­de­ren auf die Ar­beit­neh­mer­grup­pe, die von der Ver­wen­dung be­trof­fen ist. Des­halb er­ge­ben sich bei der Ver­let­zung des Wett­be­werbs­ver­bo­tes an­de­re Fol­gen als bei der vor­zei­ti­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch den Ar­beit­neh­mer. Es kann da­her durch­aus an­ge­mes­sen sein, auch ei­ne höhe­re Ver­trags­stra­fe als die für den Zeit­raum der Kündi­gungs­frist zu zah­len­de Vergütung zu ver­ein­ba­ren (ver­glei­che BAG vom 25.09.2008, 8 AZR 717/07, AP Nr. 39 zu § 307 BGB).

Vor­lie­gend hat die Be­klag­te zu Recht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an hat, die wirk­sam ver­ein­bar­te Man­dan­ten­schutz­klau­sel durch ei­ne Ver­trags­stra­fe zu si­chern. Denn bei ei­nem Ver­s­toß des Klägers ge­gen die­ses Wett­be­werbs­ver­bot droht ihr ein nicht un­er­heb­li­cher Scha­den da­durch, dass sie bezüglich je­des ver­lo­re­nen Man­dan­ten ei­nen Um­satz­ver­lust er­lei­det, während die in ih­rer Nie­der­las­sung in B-Stadt an­fal­len­den Kos­ten nicht in glei­chem Um­fang re­du­ziert wer­den können. Hin­zu kommt, dass auch der Nach­weis ei­nes tatsächlich ein­ge­tre­te­nen Scha­dens nicht ein­fach zu führen ist. Hier­durch müssen un­ter Umständen auch ehe­ma­li­ge Man­dan­ten in die Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit ein­be­zo­gen wer­den, was ei­ner künf­ti­gen ge­deih­li­chen Zu­sam­men­ar­beit mit ei­ner der Par­tei­en des vor­lie­gen­den Rechts­streits nicht dien­lich ist. Das In­ter­es­se der Be­klag­ten an ei­ner Ver­trags­stra­fen­re­ge­lung ist des­halb an­er­ken­nens­wert.

Der Kläger hat dem­ge­genüber we­der ein recht­li­ches noch ein schützens­wer­tes In­ter­es­se dar­an, das ar­beits­ver­trag­lich grundsätz­lich wirk­sam ver­ein­bar­te Wett­be­werbs­ver­bot zu bre­chen. Zu berück­sich­ti­gen ist je­doch, dass der Kläger nicht un­an­ge­mes­sen in sei­ner Be­rufs­ausübungs­frei­heit be­ein­träch­tigt wer­den darf. Dies ist je­doch nicht nur der Fall, wenn das Wett­be­werbs­ver­bot räum­lich, zeit­lich und ge­genständ­lich das not­wen­di­ge Maß über­schrei­tet, son­dern auch wenn in­fol­ge ei­ner un­an­ge­mes­sen ho­hen Ver­trags­stra­fe der Ar­beit­neh­mer da­von ab­ge­hal­ten wer­den kann und soll, sein grund­ge­setz­lich geschütz­tes Recht auf freie Be­rufs­wahl aus­zuüben.

 

- 7 -

Dem Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders soll die Möglich­keit sach­ge­rech­ter In­for­ma­ti­on über die ihm aus dem vor­for­mu­lier­ten Ver­trag er­wach­sen­den Rech­te und Pflich­ten ver­schafft wer­den. Die­ses Ziel lässt sich nicht er­rei­chen, wenn der Ver­wen­der von all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zunächst die Gren­ze des­sen über­schrei­ten darf, was er zu sei­nen Guns­ten in ver­tret­ba­rer Wei­se ver­ein­ba­ren durf­te. Denn dies hätte zur Fol­ge, dass der Ar­beit­neh­mer, der von der im Streit ste­hen­den Ver­trags­stra­fen­klau­sel be­trof­fe­nen ist, mit über­zo­ge­nen For­de­run­gen kon­fron­tiert wer­den kann und frühes­tens in ei­nem Pro­zess zu­verlässig über den Um­fang sei­ner Rech­te und Pflich­ten in­for­miert wird. Der Ar­beit­ge­ber als Ver­wen­der der Klau­sel könn­te dem­ge­genüber bei der Auf­stel­lung sei­ner Kon­di­tio­nen un­be­denk­lich über die Gren­ze des zulässi­gen hin­aus­ge­hen, oh­ne Schlim­me­res befürch­ten zu müssen, als dass die Be­nach­tei­li­gung sei­nes Ar­beit­neh­mers durch das Ge­richt auf ein ge­ra­de noch zulässi­ges Maß zurück­geführt wird. Es ist aber nicht Auf­ga­be der Ge­rich­te, für ei­ne den Geg­ner des Klau­sel­ver­wen­ders un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen­de und des­halb un­wirk­sa­me Klau­sel ei­ne Fas­sung zu fin­den, die ei­ner­seits dem Ver­wen­der möglichst güns­tig, an­de­rer­seits ge­ra­de noch recht­lich zulässig ist. Wer die Möglich­keit nut­zen kann, die der Grund­satz der Ver­trags­frei­heit für die Auf­stel­lung von all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen eröff­net, muss auch das Ri­si­ko ei­ner Klau­sel­un­wirk­sam­keit tra­gen. An­dern­falls lie­fen ins­be­son­de­re das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot und das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 BGB weit­ge­hend ins Lee­re (BAG vom 23.09.2010, 8 AZR 897/08, Rn. 37, NZA 2011, 89-93).

Die Par­tei­en ha­ben vor­lie­gend ei­ne Ver­trags­stra­fe in Höhe des sechs­fa­chen Jah­res­ho­no­rars ver­ein­bart, das die Be­klag­te zu­letzt mit dem ab­ge­wor­be­nen Man­dan­ten er­hal­ten hat. Un­ter Berück­sich­ti­gung des Um­stan­des, dass sich der Kläger le­dig­lich für 2 Jah­re ver­pflich­tet hat, nach Be­en­di­gung des An­stel­lungs­verhält­nis­ses Man­da­te von Auf­trag­ge­bern der Be­klag­ten zu über­neh­men, und vor dem Hin­ter­grund, dass bei ei­nem Er­werb der ge­sam­ten Nie­der­las­sung in B-Stadt der Kläger nach der Dar­stel­lung der Be­klag­ten al­len­falls ei­nen Kauf­preis von 2 Jah­res­umsätzen hätte ent­rich­ten müssen, stellt die Ver­ein­ba­rung ei­ner Ver­trags­stra­fe, die den drei­fa­chen Be­trag von 2 Jah­res­umsätzen um­fasst ei­ne deut­li­che und un­an­ge­mes­se­ne Über­si­che­rung der Be­klag­ten dar. Sie dient des­halb auch der Schöpfung von über­zo­ge­nen Geld­for­de­run­gen, die von dem Sa­ch­in­ter­es­se der Be­klag­ten nicht mehr ge­deckt ist, und ist un­wirk­sam.

 

- 8 -

III.
Die Be­ru­fung der Be­klag­ten war mit der Kos­ten­fol­ge des § 97 ZPO zurück­zu­wei­sen.

Gründe, die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen, lie­gen nicht vor. Ge­gen die­ses Ur­teil ist des­halb ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

Auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gemäß § 72 a ArbGG wird hin­ge­wie­sen.

 

Lei­bold 

Höfer 

Reilein-We­de­kin

 

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