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LAG Hamm, Ur­teil vom 03.02.2011, 11 Sa 1852/10

   
Schlagworte: Verzicht, Reisekosten, Lehrer, Aufwendungsersatz
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 11 Sa 1852/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 03.02.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Münster, Urteil vom 09.09.2010, 1 Ca 334/10
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.10.2012, 9 AZR 183/11
   

11 Sa 1852/10

1 Ca 334/10
ArbG Müns­ter

 

Verkündet am 03.02.2011

Hof­mann Re­gie­rungs­beschäftig­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In dem Ver­fah­ren

hat die 11. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 03.02.2011
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Lim­berg
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­te­rin­nen Rath und Roßhoff

f ü r Recht er­kannt :

 

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Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Müns­ter vom 09.09.2010 – 1 Ca 334/10 – wird auf die Be­ru­fung der Kläge­rin ab­geändert.

Das be­klag­te Land wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 206,05 € Rei­se­kos­ten­er­stat­tung nebst Zin­sen in Höhe von 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.01.2010 zu zah­len.

Das be­klag­te Land trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen An­spruch der Kläge­rin auf Rei­se­kos­ten­er­stat­tung anläss­lich der Durchführung ei­ner Klas­sen­fahrt nach B1 im Sep­tem­ber 2008.

Die Kläge­rin ist als an­ge­stell­te Leh­re­rin bei dem be­klag­ten Land beschäftigt. Sie ist Mit­glied der Ge­werk­schaft Er­zie­hung und Wis­sen­schaft (GEW). Die Par­tei­en sind auf­grund bei­der­sei­ti­ger Ver­bands­zu­gehörig­keit an die Ta­rif­verträge im öffent­li­chen Dienst, ins­be­son­de­re den TV-L, ge­bun­den.

Nach § 23 Abs. 4 TV-L sind für die Er­stat­tung der Rei­se­kos­ten die für die Be­am­tin­nen und Be­am­ten je­weils gel­ten­den Be­stim­mun­gen ent­spre­chend an­zu­wen­den. Nach § 3 LRKG NW be­steht un­ter den dort be­schrie­be­nen Vor­aus­set­zun­gen ein An­spruch auf Rei­se­kos­ten­vergütung. Nach § 3 Abs. 8 des LRKG NW können Dienst­rei­sen­de vor An­tritt ei­ner Dienst­rei­se oder ei­nes Dienst­gan­ges schrift­lich erklären, dass sie kei­nen An­trag auf Rei­se­kos­ten­vergütung stel­len. Ei­ne ent­spre­chen­de Erklärung kann nicht wi­der­ru­fen wer­den.

 

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Die Kläge­rin un­ter­rich­tet an der F1-W1-Ge­samt­schu­le in A1. Sie war im Schul­jahr 2008/2009 Klas­sen­leh­re­rin der Klas­se 10.1. Mit Schrei­ben vom 31.08.2007 be­an­trag­te die Kläge­rin für die­se Klas­se auf dem Vor­druck „An­trag auf Ge­neh­mi­gung von Schul­wan­de­run­gen und Schul­fahr­ten" ei­ne Stu­di­en­fahrt nach B1 im Zeit­raum vom 22.09.2008 bis 26.09.2008. In dem An­trags­for­mu­lar war un­ter B. ein An­trag auf Dienst­rei­se­ge­neh­mi­gung für die be­glei­ten­den Lehr­kräfte ent­hal­ten. In dem Vor­druck des An­tra­ges auf Dienst­rei­se­ge­neh­mi­gung ist un­ter B. 3. ein Ver­zicht auf die Zah­lung von Rei­se­kos­ten­vergütung for­mu­liert (Bl. 20, 21 GA):

„3. Die gem. Nr.9.1 WRL zu zah­len­de(n) Rei­se­kos­ten­vergütung(en) ist/sind durch die für un­se­re Schu­le vor­ge­se­he­nen Haus­halts­mit­tel nicht mehr ge­deckt; da die Ver­an­stal­tung trotz­dem durch­geführt wer­den soll, ver­zich­te(n) ich/wir gem. Nr. 8.6 WRL auf die Zah­lung der Rei­se­kos­ten­vergütung."

Die Kläge­rin un­ter­zeich­ne­te die­sen An­trag ein­sch­ließlich der Erklärung B. 3. . Der Schul­lei­ter ge­neh­mig­te mit sei­ner Un­ter­schrift vom 01.09.2007 den An­trag und bestätig­te, dass die Rei­se­kos­ten­vergütung(en) durch die zu er­war­ten­den bzw. der Schu­le zur Verfügung ste­hen­den Haus­halts­mit­tel nicht mehr ge­deckt sei­en und dass die Ver­an­stal­tung trotz­dem durch­geführt wer­den sol­le. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten zu An­trag und Ge­neh­mi­gung wird auf die ein­ge­reich­te Ko­pie Be­zug ge­nom­men (Bl. 20, 21 GA).

In der Zeit vom 22.09.2008 bis zum 26.09.2008 be­treu­te die Kläge­rin die Fahrt ih­rer Klas­se 10.1 nach B1. Für die Klas­sen­fahrt zahl­te sie an den Rei­se­ver­an­stal­ter, die Fir­ma D1-Rei­sen, pau­schal 210,00 €. Die­ser Preis um­fass­te den Bus­trans­port von A1 nach B1 so­wie die Über­nach­tung und Ver­pfle­gung im Ju­gend­hos­tel B1. Für den Be­such des Mu­si­cals „Ma­ma Mia" leis­te­te die Kläge­rin wei­te­re 24,50 € an den Ver­an­stal­ter. Ins­ge­samt zahl­te sie 234,50 €. Sei­tens der Schu­le wur­den der Kläge­rin 28,45 € zurücker­stat­tet. Der aus ei­ge­nen Mit­teln auf­ge­brach­ten Rest­be­trag von 206,05 € ist Ge­gen­stand der Kla­ge.

Mit Schrei­ben an das "Schul­amt bzw. die Be­zirks­re­gie­rung De­zer­nat 12 z. Hd. Herrn E1" vom 20.01.2009 so­wie mit wei­te­rem Schrei­ben vom 05.08.2009 hat die Kläge­rin

 

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außer­ge­richt­lich die Kos­ten­er­stat­tung schrift­lich gel­tend (Bl. 3, 4/5 GA). Das be­klag­te Land lehn­te ei­ne Zah­lung am 27.08.2009 un­ter Hin­weis auf die Ver­zichts­erklärung der Kläge­rin ab (Bl. 7/8 GA).

Die Kläge­rin hat die An­sicht ver­tre­ten, ihr ste­he trotz des erklärten Ver­zich­tes ein An­spruch auf Rei­se­kos­ten­vergütung zu. Sie hat sich hierfür auf das Ur­teil des BAG vom 11.09.2003 - 6 AZR 323/02 - be­ru­fen. Der Ver­zicht auf Rei­se­kos­ten müsse frei­wil­lig sein. Frei­wil­lig­keit set­ze vor­aus, dass den Dienst­rei­sen­den kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen dürf­ten, wenn sie von der Möglich­keit des Ver­zichts kei­nen Ge­brauch mach­ten. Der von ihr erklärte Ver­zicht sei nicht frei­wil­lig ge­we­sen, da er im Vor­druck des An­tra­ges auf Ge­neh­mi­gung der Schul­fahrt zwin­gend vor­ge­se­hen ge­we­sen sei. Hätte sie die Teil­nah­me an der Klas­sen­fahrt we­gen der auf sie zu­kom­men­den Kos­ten ver­wei­gert, hätte dies ihr Verhält­nis zu den Schülern ih­rer Klas­se und ihr Verhält­nis zu den El­tern der Schüler be­las­tet. Vor die­sem Hin­ter­grund könne nicht ge­sagt wer­den, dass der Ver­zicht frei­wil­lig erklärt wor­den sei. Zu­dem sei § 3 Abs. 8 Satz 3 LRKG NW auf das Ar­beits­verhält­nis nicht an­wend­bar. Zwar be­stim­me § 23 Abs. 4 TV-L, dass die für die Be­am­ten des be­klag­ten Lan­des gel­ten­de Be­stim­mung für die Er­stat­tung von Rei­se­kos­ten auch in ih­rem Ar­beits­verhält­nis gel­te. Die be­am­ten­recht­li­chen Be­stim­mun­gen sei­en je­doch nicht un­ein­ge­schränkt an­wend­bar. Die ent­spre­chen­de An­wen­dung der Vor­schrif­ten des Rei­se­kos­ten­rechts auf ta­rif­li­che Ar­beits­verhält­nis­se ver­bie­te die Her­an­zie­hung sol­cher Be­stim­mun­gen, de­ren An­wen­dung auf nicht Be­am­te sinn­wid­rig wäre. Ei­ne Re­ge­lung, die nach ih­rem Sinn und Zweck nur für das öffent­lich recht­li­che Dienst­verhält­nis ei­nes Be­am­ten in Be­tracht kom­me, sei auf das pri­vat­recht­lich aus­ge­stat­te­te Ar­beits­verhält­nis ei­nes An­ge­stell­ten nicht über­trag­bar. Der frei­wil­li­ge Ver­zicht auf Rei­se­kos­ten­er­stat­tung sei im pri­vat­recht­lich aus­ge­stat­te­ten Ar­beits­verhält­nis sinn­wid­rig, da die­ses durch Aus­tausch­verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung ge­prägt sei und nicht durch das Ali­men­ta­ti­ons­prin­zip.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an sie 206,05 € net­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.10.2008 zu zah­len.

 

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Das be­klag­te Land hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das be­klag­te Land hat die An­sicht ver­tre­ten, bei der Re­ge­lung des TV-L han­de­le es sich um ei­ne dy­na­mi­sche Ver­wei­sung, die recht­lich nicht zu be­an­stan­den sei. Durch die­se Ver­wei­sung sei auch § 3 Abs. 8 LRKG NW in Be­zug ge­nom­men. Der Wi­der­ruf der Ver­zichts­erklärung sei nicht möglich. Auch aus Zif­fer 6.3 der all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­vor­schrift zum Lan­des­rei­se­kos­ten­ge­setz zu § 3 LRKG NW er­ge­be sich nicht an­de­res (VVzL­RKG, aus­zugs­wei­se Ko­pie Bl. 22/23 GA). Der Hin­weis, dass der Ver­zicht auf Rei­se­kos­ten frei­wil­lig sei, be­deu­te le­dig­lich, dass nie­mand, der an ei­ner Dienst­rei­se teil­neh­me, ge­zwun­gen wer­den könne, an die­ser Dienst­rei­se teil­zu­neh­men, oh­ne die Rei­se­kos­ten­er­stat­tung zu be­kom­men. In­so­fern dürf­ten den Dienst­rei­sen­den kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen, wenn sie von der Möglich­keit des Ver­zichts kei­nen Ge­brauch mach­ten. Ver­zich­te­ten sie nicht und nähmen an der Dienst­rei­se teil, ste­he ih­nen die Er­stat­tung der Kos­ten nach dem LRKG zu. Aus die­ser Vor­schrift er­ge­be sich je­doch kein An­spruch auf Teil­nah­me an ei­ner Dienst­rei­se, wenn ei­ne ent­spre­chen­de Ver­zichts­erklärung nicht un­ter­schrie­ben wor­den sei. Die durch die Vor­schrift an­ge­spro­che­nen Nach­tei­le bezögen sich in­so­fern zu­tref­fend auf die Dienst­rei­sen­den und nicht auf die­je­ni­gen, die die Teil­nah­me an ei­ner Dienst­rei­se le­dig­lich be­an­tragt hätten.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 09.09.2010 ab­ge­wie­sen und die Be­ru­fung zu­ge­las­sen. Die Kläge­rin ha­be frei­wil­lig und wirk­sam auf die Rei­se­kos­ten­er­stat­tung ver­zich­tet. § 3 Abs.8 LRKG NW se­he die Möglich­keit ei­nes Ver­zichts aus­drück­lich vor.

Das Ur­teil ist der Kläge­rin am 01.10.2010 zu­ge­stellt wor­den. Die Kläge­rin hat am 28.10.2010 Be­ru­fung ein­ge­legt und die Be­ru­fung zu­gleich be­gründet.

Die Kläge­rin wen­det ein, die Be­gründung des Ar­beits­ge­richts grei­fe zu kurz und ge­he fehl. Von ei­ner Frei­wil­lig­keit des Ver­zichts könne nicht aus­ge­gan­gen wer­den, wenn im An­trag auf Dienst­rei­se­ge­neh­mi­gung ei­ne Dienst­rei­se oh­ne Ver­zicht auf die Fahrt­kos­ten­er­stat­tung über­haupt nicht vor­ge­se­hen sei. Die Teil­nah­me an

 

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Klas­sen­fahr­ten gehöre zu den übli­chen Tätig­kei­ten ei­ner Leh­re­rin. Es sei üblich, dass die zehn­ten Klas­sen ei­ner Ge­samt­schu­le ei­ne Klas­sen­fahrt durchführ­ten. Dies wer­de von Leh­rern und Schülern er­war­tet. Sie sei die Klas­sen­leh­re­rin der Klas­se 10.1 ge­we­sen. Im Hin­blick auf den Bil­dungs- und Er­zie­hungs­auf­trag der Schu­le ha­be sie un­ter dem Druck ge­stan­den für ih­re Klas­se ei­ne sol­che Schul­fahrt durch­zuführen. Ihr sei nicht die Möglich­keit ge­ge­ben wor­den, die Dienst­rei­se­ge­neh­mi­gung oh­ne gleich­zei­ti­ge Ver­zichts­erklärung zu be­an­tra­gen. Da es an ei­ner fi­nan­zi­el­len Al­ter­na­ti­ve ge­fehlt ha­be und von ihr die Durchführung ei­ner mehrtäti­gen Schul­fahrt er­war­tet wor­den sei, sei ihr Ver­zicht nicht frei­wil­lig. Dem Land sei es ver­wehrt, den Ver­zicht als Ein­re­de ge­gen den Er­stat­tungs­an­spruch gel­tend zu ma­chen Die Kläge­rin macht wei­ter­hin gel­tend, die An­wen­dung der ein­schlägi­gen Re­geln des Rei­se­kos­ten­rechts für Be­am­te sei für sie als Nicht­be­am­tin sinn­wid­rig und kom­me des­halb nicht in Be­tracht. Ein Er­stat­tungs­an­spruch fol­ge für sie aus ei­ner ent­spre­chen­den An­wen­dung des § 670 BGB. Durch § 23 Abs. 4 TV-L sei nicht be­ab­sich­tigt, not­wen­di­ge und übli­cher­wei­se durch­zuführen­de Dienst­rei­sen, die zum Be­rufs­bild gehörten, von ei­nem Er­stat­tungs­ver­zicht abhängig zu ma­chen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des ArbG Müns­ter vom 09.09.2010 – 1 Ca 334/10 – ab­zuändern und das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an sie 206,05 € net­to nebst Zin­sen in Höhe von 5%-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.10.2010 zu zah­len.

Das be­klag­te Land be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Das be­klag­te Land ver­tei­digt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts. die Kläge­rin ha­be frei­wil­lig ver­zich­tet. Es blei­be un­klar, wo­her die Kläge­rin die Er­kennt­nis neh­me die Klas­sen­fahrt wäre nicht ge­neh­migt wor­den, wenn sie den Ver­zicht nicht erklärt hätte. Die Grundsätze des Lan­des­rei­se­kos­ten­rechts sei­en in vol­lem Um­fang auch für die Kläge­rin an­wend­bar. Dies sei in den Ta­rif­be­stim­mun­gen des TV-L so ge­re­gelt. Soll­te ei­ne Klas­sen­fahrt man­gels ei­nes erklärten Ver­zichts im Ein­zel­fall nicht durch­geführt wer­den, ha­be die Lehr­kraft kei­ner­lei Nach­teil durch das Land hin­zu­neh­men.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

1. Die vom Ar­beits­ge­richt gemäß § 64 Abs. 2 a) ArbGG zu­ge­las­se­ne und nach §§ 8 Abs.2, 64 Abs.1 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung ist von der Kläge­rin form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG, 519, 520 ZPO.

2. Die Be­ru­fung der Kläge­rin hat in der Sa­che Er­folg. Ent­ge­gen der Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts hat die Kläge­rin An­spruch auf Er­stat­tung des von ihr ver­aus­lag­ten Be­tra­ges von 206,50 €. Der An­spruch hat sei­ne Grund­la­ge in § 23 Abs.4 TV-L i.V.m. §§ 1 Abs.2, 2 Abs.1, 3 Abs.4 u. 8 LRKG i.V.m. §§ 5, 7, 8, 9 LRKG NW.

a) Mit dem Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben vom 20.01.2009 hat die Kläge­rin die nach § 3 Abs.8 LRKG NW wie auch nach § 37 Abs.1 TV-L zu be­ach­ten­de Sechs-Mo­nats-Frist ge­wahrt.

b) Dem An­spruch steht nicht ent­ge­gen, dass die Kläge­rin bei Be­an­tra­gung der Dienst­rei­se­ge­neh­mi­gung zu­gleich ei­ne Ver­zichts­erklärung un­ter­schrie­ben hat. Zwar kann der An­spruchs­be­rech­tig­te nach § 3 Abs.8 LRKG NW durch un­wi­der­ruf­li­che schrift­li­che Erklärung dar­auf ver­zich­ten, ei­nen An­trag auf Er­stat­tung der Dienst­rei­se­kos­ten zu stel­len. Un­ter den hier ob­wal­ten­den Umständen verstößt die Ver­zichts­erklärung, die von der Kläge­rin mit dem An­trags­for­mu­lar im Au­gust / Sep­tem­ber 2007 ein­ge­holt und vom Schul­lei­ter ent­ge­gen­ge­nom­men wor­den ist, ge­gen Treu und Glau­ben und kann von dem be­klag­ten Land der Er­stat­tungs­for­de­rung nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den. We­gen un­red­li­chen Er­werbs der ei­ge­nen Rechts­stel­lung ist nach § 242 BGB der rechts­hin­dern­de Ein­wand der un­zulässi­gen Rechts­ausübung be­gründet (vgl. Pa­landt-Grüne­berg, BGB, 70.Auf­la­ge 2011, § 242 BGB Rn. 38-41, 43).

aa) Ver­schie­de­ne In­stan­zen­ge­rich­te ha­ben in ver­gleich­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen Ver­zichts­erklärun­gen der Lehr­kräfte für recht­lich un­be­acht­lich be­fun­den.

 

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(1) Das Säch­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt hat in sei­nem Ur­teil vom 19.04.2002 aus­geführt, die Schul­behörde könne von Lehr­kräften Ver­zichts­erklärun­gen für die Durchführung von pädago­gisch als not­wen­dig er­kann­ten Klas­sen­fahr­ten nicht be­an­spru­chen und die Ge­neh­mi­gung nicht von der Ab­ga­be ei­ner sol­chen Erklärung abhängig ma­chen. Vom Leh­rer ei­ner­seits die Durchführung von Schul­fahr­ten als dienst­li­che Auf­ga­be zu er­war­ten, an­de­rer­seits Schul­fahr­ten nur bei Ver­zicht auf die Rei­se­kos­ten­vergütung zu ge­neh­mi­gen, stel­le ei­ne un­zulässi­ge Rechts­ge­stal­tung dar. Durch die Art der Ver­trags­ge­stal­tung, nämlich Kom­bi­na­ti­on der Ver­ein­ba­rung ei­ner Schul­fahrt mit ei­ner Ver­zichts­erklärung, wer­de ge­ra­de der pflicht­be­wuss­te, sei­nen Er­zie­hungs- und Bil­dungs­auf­trag ernst neh­men­de Leh­rer be­nach­tei­ligt. Dem Land sei es ver­wehrt, sich auf die Ver­zichts­erklärung zu be­ru­fen (LAG Sach­sen 19.04.2002 – 3 Sa 134/01 – ZTR 2002, 593 = Vor­in­stanz zu BAG 09.10.2003 – 6 AZR 438/02 – AP TVG § 4 Nr.24 = ZTR 2004, 200).

(2) Der Bay­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof hat am 02.08.2007 ei­nem be­am­te­ten Leh­rer Rei­se­kos­ten­er­stat­tung trotz erklärten Ver­zichts zu­er­kannt. Der Gel­tend­ma­chung der Ver­zichts­erklärung ste­he der Ein­wand der un­zulässi­gen Rechts­ausübung ent­ge­gen. Die Teil­nah­me von Lehr­kräften an ge­neh­mig­ten oder an­ge­ord­ne­ten Schul- und Klas­sen­fahr­ten gehöre zu de­ren dienst­li­chen Auf­ga­ben. Es lie­ge ein qua­li­fi­zier­tes Fehl­ver­hal­ten des Dienst­herrn vor, das ge­gen Treu und Glau­ben ver­s­toße (§ 242 BGB). Die Pra­xis, dass Leh­rer auf ei­nen Teil der Rei­se­kos­ten­vergütung ver­zich­ten sol­len, könne bei den Be­am­ten zu ei­nem In­ter­es­sen­wi­der­streit führen, den der Dienst­herr in Fällen wie dem ge­ge­be­nen im Rah­men des das Be­am­ten­verhält­nis prägen­den Dienst- und Treue­verhält­nis­ses zum Schutz des Be­am­ten gar nicht erst ent­ste­hen las­sen dürfe. Auf­grund sei­ner Fürsor­ge­pflicht und sei­ner Ver­pflich­tung zur Gewähr­leis­tung ei­nes ord­nungs­gemäßen und ab­wechs­lungs­rei­chen Un­ter­richts ent­spre­chend den recht­li­chen Vor­ga­ben sei der Dienst­herr ge­hal­ten, den Be­am­ten von vorn­her­ein nicht vor die Wahl zu stel­len, ob er die Ver­zichts­erklärung ab­gibt und die Klas­sen- oder Schüler­fahrt statt­fin­det oder nicht. Die Fürsor­ge­pflicht ge­bie­te es, die Rei­se­kos­ten auf je­den Fall zu­min­dest in­so­weit zu vergüten, als den Lehr­kräften, die durch ih­re Teil­nah­me die Ver­an­stal­tung ermöglich­ten, tatsächli­che Auf­wen­dun­gen für Fahrt, Un­ter­kunft und Ver­pfle­gung in dem je­wei­li­gen Heim oder der Ein­rich­tung ent­ste­hen.

 

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Die­ne die Klas­sen­fahrt der Ver­wirk­li­chung der staat­li­chen Bil­dungs­zie­le, so tref­fe die Ver­ant­wor­tung für de­ren Fi­nan­zier­bar­keit nicht die ein­zel­ne Lehr­kraft son­dern den Dienst­herrn und die Schul­lei­tung, die sie im Rah­men der Ent­schei­dung über die Dienst­rei­sean­ord­nung für die je­wei­li­ge Klas­sen­fahrt ausübe. Fin­de ei­ne Klas­sen­fahrt statt, oh­ne dass der Leh­rer ei­ne Ver­zichts­erklärung ab­ge­ge­ben ha­be, so ha­be dies nach der ge­genwärti­gen Pra­xis mögli­cher­wei­se zur Fol­ge, dass an­de­re Lehr­kräfte in­ner­halb des Schul­jah­res ei­nen noch ge­rin­ge­ren An­teil an Rei­se­kos­ten­vergütung er­hal­ten würden als bei ei­nem ein­heit­li­chen Ver­zicht al­ler Lehr­kräfte. Der Ein­zel­ne, der nicht ver­zich­te, set­ze sich dem Vor­wurf un­kol­le­gia­len Ver­hal­tens aus und lau­fe Ge­fahr, in ei­ne Außen­sei­ter­rol­le zu ge­ra­ten. Da Ver­zichts­erklärun­gen all­ge­mein üblich sei­en, dro­he dem nicht ver­zich­ten­den Leh­rer zu­dem die Ge­fahr des An­se­hens­ver­lusts bei der Schul­lei­tung. Wer kei­ne Ver­zichts­erklärun­gen ab­ge­be und des­halb nicht an Klas­sen­fahr­ten teil­neh­me, ge­he das Ri­si­ko ei­ner ne­ga­ti­ven Leis­tungs­bi­lanz hin­sicht­lich der schu­li­schen Ak­ti­vitäten im Verhält­nis zu an­de­ren Lehr­kräften ein. Das Ar­gu­ment des Dienst­herrn, es dro­he ei­ne Ver­rin­ge­rung der Klas­sen­fahr­ten ver­fan­ge nicht. Es sei Sa­che des Staa­tes, aus­rei­chen­de Mit­tel für die Aus­bil­dung, Er­zie­hung und Bil­dung der Schüler be­reit zu stel­len (Baye­ri­scher VGH München 02.08.2007 – 14 B 04.3576 – ZBR 2008, 270 [rechts­kräftig]).

(3) Das LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern hat ent­schie­den, der Ver­zicht ei­ner Lehr­kraft auf Rei­se­kos­ten­er­stat­tung könne nur dann als frei­wil­lig er­teilt an­ge­se­hen wer­den, wenn die Lehr­kraft ei­ne rea­lis­ti­sche Möglich­keit ha­be, die von ihr er­war­te­ten Fahr­ten so zu or­ga­ni­sie­ren, dass die dafür vor­han­de­nen Haus­halts­mit­tel ei­ne vollständi­ge Er­stat­tung der ihr er­wach­se­nen er­for­der­li­chen Rei­se­kos­ten ermöglich­ten. So­weit der Ver­zicht im Zu­sam­men­hang mit feh­len­den Haus­halts­mit­teln ste­he, sei ein be­son­ders stren­ger Prüfungs­maßstab an­zu­le­gen, da­mit der Ge­fahr vor­ge­beugt wer­de, dass not­wen­di­ge Kos­ten des Dienst­be­triebs auf die Be­diens­te­ten ab­gewälzt würden. Stünden dem Dienst­herrn kei­ne Mit­tel für wei­te­re Dienst­rei­sen zur Verfügung, dürfe er sol­che im Re­gel­fall nicht mehr ge­neh­mi­gen. Sei die Ein­wer­bung wei­te­rer Mit­tel nicht möglich, müsse das Aus­maß der selbst ge­steck­ten Auf­ga­ben – hier im Be­reich der Klas­sen­fahr­ten – über­prüft wer­den. Die Lücke zwi­schen Wunsch und Wirk­lich­keit könne je­den­falls nicht auf Kos­ten der Lehr­kräfte ge­schlos­sen wer­den. Wenn kei­ne aus­rei­chen­den Mit­tel vor­han­den sei­en, könne die Rei­se nicht ge­neh­migt wer­den. Ein Ver­zicht könne al­len­falls dann als frei­wil­lig

 

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an­ge­se­hen wer­den, wenn die vor­han­de­nen Haus­halts­mit­tel we­nigs­tens aus­rei­chen würden, um ei­ne kostengüns­ti­ger an­ge­leg­te ver­gleich­ba­re schu­li­sche Ver­an­stal­tung durchführen zu können. Die be­son­de­re Be­deu­tung von Schul­fahr­ten spie­ge­le sich auch in dem In­ter­es­se der Schüler und El­tern wi­der. Für je­den Leh­rer ent­ste­he in­so­weit ein fak­ti­scher Zwang, für die ei­ge­ne Klas­se sol­che Ver­an­stal­tun­gen durch­zuführen. Im zu ent­schei­den­den Fall sei­en die Vor­aus­set­zun­gen für die Frei­wil­lig­keit des Ver­zichts nicht erfüllt. Das Land könne sich nicht auf die Ver­zichts­erklärung be­ru­fen (LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern 24.11.2009 – 5 Sa 136/09 – [rechts­kräftig]).

bb) Auch hier ist die Ver­zichts­erklärung un­ter Umständen er­wirkt wor­den, die der von dem be­klag­ten Land sei­nen Be­diens­te­ten ge­schul­de­ten Fürsor­ge nicht ge­recht wer­den. Die Rechts­ausübung des Lan­des ist we­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das Ge­bot von Treu und Glau­ben nach § 242 BGB un­zulässig. Das be­klag­te Land kann dem Er­stat­tungs­be­geh­ren nicht mit dem Ein­wand be­geg­nen, die Kläge­rin ha­be mit dem Ge­neh­mi­gungs­an­trag vom 31.08.2007 zu­gleich ei­ne Ver­zichts­erklärung un­ter­zeich­net.

Auch in Nord­rhein-West­fa­len sind Schul­wan­de­run­gen und Schul­fahr­ten erklärte Be­stand­tei­le der Bil­dungs- und Er­zie­hungs­ar­beit der Schu­len; Schul­wan­de­run­gen und Schul­fahr­ten sind Schul­ver­an­stal­tun­gen (Wan­der­richt­li­ni­en RdErl. des Mi­nis­te­ri­ums für Schu­le und Wei­ter­bil­dung v. 19.03.1997 GABl.NW I S.101 = BASS 2007/2008 u. BASS 2008/2009 14-12 Nr.2 [WRL] un­ter 1. u. 4.2). Vor der Ge­neh­mi­gung hat der Schul­lei­ter oder die Schul­lei­te­rin nach Nr.3.1 WRL zu prüfen, ob die Ver­an­stal­tung dem Bil­dungs- und Er­zie­hungs­auf­trag der Schu­le ge­recht wird, ob der von der Schul­kon­fe­renz vor­ge­ge­be­ne Rah­men be­ach­tet wird und ob die Fi­nan­zie­rung ge­si­chert ist. Da­bei sieht 3.3 WRL vor, dass bei nicht zu­rei­chend zur Verfügung ste­hen­den Rei­se­kos­ten­mit­teln die Dienst­rei­se nur ge­neh­migt wer­den kann, wenn die teil­neh­men­den Leh­re­rin­nen und Leh­rer zu­vor schrift­lich auf die Zah­lung der Rei­se­kos­ten­vergütung ver­zich­ten. Aus Sicht der Leh­re­rin­nen und Leh­rer gehört die Teil­nah­me an Schul­fahr­ten zu den dienst­li­chen Auf­ga­ben und ist Ge­gen­stand ih­rer Dienst­pflicht (4.1 WRL; BAG 26.04.1986 – 7 AZR 432/82 – AP BGB § 611 Leh­rer, Do­zen­ten Nr. 48). Die Klas­sen­leh­re­rin­nen und Klas­sen­leh­rer wer­den durch § 16 Abs. 5 ADO NW in be­son­de­rer Wei­se in die Pflicht ge­nom­men:

 

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„Bei Schul­wan­de­run­gen und Schul­fahr­ten be­glei­tet in der Re­gel der Klas­sen­leh­rer oder die Klas­sen­leh­re­rin die Klas­se; in be­gründe­ten Fällen kann die Schul­lei­tung ei­ne an­de­re Re­ge­lung tref­fen." (ADO NW = All­ge­mei­ne Dienst­ord­nung für Leh­rer und Leh­re­rin­nen, Schul­lei­ter und Schul­lei­te­rin­nen an öffent­li­chen Schu­len v. 20.09.1992 GABl.NW. I S.235 = BASS 2007/2008 u. BASS 2008/2009 21-02 Nr.4).

In der Si­tua­ti­on des Au­gust/Sep­tem­ber 2007 war durch die Vor­ga­ben des be­klag­ten Land für die Kläge­rin ein mit dem Fürsor­ge­ge­dan­ken nicht ver­ein­ba­rer Kon­flikt her­auf­be­schwo­ren. Die ge­plan­te Klas­sen­fahrt ent­sprach den pädago­gi­schen Vor­ga­ben, sie ist vom Schul­lei­ter ge­neh­migt wor­den. Aus­rei­chen­de Haus­halts­mit­tel stan­den nicht zur Verfügung. Dies ist von der Kläge­rin durch die ent­spre­chen­de Text­pas­sa­ge im An­trags­for­mu­lar durch ih­re Un­ter­schrift ver­laut­bart wor­den und ist vom Schul­lei­ter durch sei­ne nach­fol­gen­de Erklärung bestätigt wor­den. Der Schul­lei­ter hat mit sei­ner Un­ter­schrift un­ter den Ge­neh­mi­gungs­an­trag am 01.09.2007 das Feh­len der Haus­halts­de­ckung mit den nach­fol­gen­den Wor­ten do­ku­men­tiert: „Die dem/der Lei­ter/in zu­ste­hen­den Rei­se­kos­ten­vergütung(en) sind durch die zu er­war­ten­den bzw. un­se­rer Schu­le zur Verfügung ste­hen­den Haus­halts­mit­tel nicht mehr ge­deckt. Die Ver­an­stal­tung soll trotz­dem durch­geführt wer­den. Bezüglich der nach Nr. 8.6 WRL er­for­der­li­chen Ver­zichts­erklärung(en) ver­wei­se ich auf B.3 (sie­he oben)." (Bl. 21 GA). An­ge­sichts die­ses Ge­sche­hens­ver­laufs ist es ein un­be­acht­li­ches Be­strei­ten mit Nicht­wis­sen (§ 138 Abs.4 ZPO), wenn das be­klag­te Land in der Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung an­merkt, ins Blaue hin­ein be­haup­te die Kläge­rin, die Klas­sen­fahrt wäre nicht ge­neh­migt wor­den, wenn sie den Ver­zicht nicht erklärt hätte. Die Erklärung des Schul­lei­ters und die Vor­ga­be in 3.3 WRL be­le­gen, dass die Kläge­rin oh­ne Ver­zichts­erklärung die Dienst­rei­se­ge­neh­mi­gung nicht er­hal­ten hätte.

Da­mit stand die Kläge­rin bei Un­ter­zeich­nung des Dienst­rei­se­an­trags am 31.08.2007 in dem be­reits auf­ge­zeig­ten Loya­litätskon­flikt. Sie konn­te dem be­klag­ten Land aus sei­ner „fi­nan­zi­el­len Klem­me" hel­fen, auf ih­re nach der Rechts­ord­nung vor­ge­se­he­nen Er­stat­tungs­ansprüche ver­zich­ten und durch den Ein­satz von gut 200,00 € ei­ge­ner Geld­mit­tel die Durchführung der ge­neh­mig­ten Klas­sen­fahrt ermögli­chen. Oder sie konn­te ih­re Klas­se „im Stich las­sen", dies da­mit be­gründen, dass sie für die Klas­sen­fahrt nicht aus ei­ge­nen Mit­teln 200,00 € auf­wen­den wol­le, und so die Durchführung der ge­plan­ten Klas­sen­fahrt ver­ei­teln oder ei­ne Durchführung der Fahrt

 

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oh­ne Klas­sen­leh­re­rin und mit der Be­treu­ung durch an­de­re – ver­zichts­wil­li­ge – Lehr­kräfte be­wir­ken. Ge­genüber den Schülern ih­rer Klas­se und de­ren El­tern und auch in der Wahr­neh­mung von Schul­lei­tung und Kol­le­gi­um würde sie da­mit als Lehr­kraft in Er­schei­nung tre­ten, die ih­re Dienst­pflich­ten aus ma­te­ri­el­len Ei­gen­in­ter­es­sen nicht op­ti­mal und der be­rech­tig­ten Er­war­tung ent­spre­chend ausfüllt. Feh­len­der Ver­zichts­wil­le könn­te im Kol­le­gen­kreis als un­so­li­da­risch und un­kol­le­gi­al wahr­ge­nom­men wer­den, wenn an­de­re Lehr­kräfte sich be­reit fin­den, Klas­sen­fahr­ten im In­ter­es­se der Schüler­schaft un­ter Hin­nah­me ent­spre­chen­der fi­nan­zi­el­ler Ein­bußen zu be­glei­ten, während die Kläge­rin ei­nen der­ar­ti­gen Bei­trag ver­wei­gert. Die Kläge­rin bei Be­an­tra­gung der Klas­sen­fahrt im Som­mer 2007 durch die Vor­ga­be der Ver­zichts­erklärung ent­spre­chend 3.3 WRL die­sem Kon­flikt aus­zu­set­zen, ver­letzt die Fürsor­ge­pflicht des be­klag­ten Lan­des und be­gründet den Ein­wand der un­zulässi­gen Rechts­ausübung.

c) Der Er­stat­tungs­an­spruch ist in der ein­ge­klag­ten Höhe von 206,05 € be­gründet (auf­ge­wand­te 234,50 € abzüglich er­stat­te­ter 28,45 €). Der An­spruch folgt aus § 23 Abs.4 TV-L. Da­nach kann die Kläge­rin Rei­se­kos­ten nach den Be­stim­mun­gen be­an­spru­chen, die für die Be­am­tin­nen und die Be­am­ten gel­ten. Dies sind in Nord­rhein-West­fa­len die Be­stim­mun­gen des Lan­des­rei­se­kos­ten­ge­set­zes (LRKG NW). Nach §§ 1 Abs.1, 2 Abs.1 LRKG NW wird Be­am­tin­nen und Be­am­ten bei ge­neh­mig­ten Dienst­rei­sen Rei­se­kos­ten­vergütung gewährt. Die Klas­sen­fahrt vom 22.09.2008 bis zum 26.09.2008 war ei­ne ge­neh­mig­te Dienst­rei­se. Nach § 1 Abs.2 LRKG NW um­fasst die Rei­se­kos­ten­vergütung u.a. Fahrt­kos­ten­er­stat­tung (Nr.1), Ta­ge­geld für Ver­pfle­gungs­mehr­auf­wen­dun­gen/Auf­wands­vergütung (Nr.3), Über­nach­tungs­kos­ten­er­stat­tung (Nr.4) so­wie Ne­ben­kos­ten­er­stat­tung/Aus­la­gen­er­stat­tung für Rei­se­vor­be­rei­tun­gen (Nr.5). Im Rund­er­lass des Mi­nis­te­ri­ums für Schu­le und Wei­ter­bil­dung zur Fest­set­zung von Auf­wands­vergütun­gen nach § 7 Abs.3 LRKG NW vom 23.11.1999 ist un­ter Nr.3 ge­re­gelt, dass bei mehrtägi­gen Schul­wan­de­run­gen und Schul­fahr­ten die an­stel­le des Ta­ge­gelds zu zah­len­de Auf­wands­vergütung je vol­lem Ka­len­der­tag (24 St­un­den ab­we­send) 14,00 € und die an­stel­le der Über­nach­tungs­pau­scha­le zu zah­len­de Auf­wands­vergütung 12,00 € be­tra­gen (Rund­er­lass v. 23.11.1999 i.d.F. d. Rund­er­las­ses v. 05.02.2002, Fest­set­zung von Auf­wands­entschädi­gun­gen nach § 7 Abs.3 Lan­des­rei­se­kos­ten­ge­setz für den Be­reich Schu­le des Mi­nis­te­ri­ums für Schu­le

 

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und Wei­ter­bil­dung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len, ABl.NRW. 1 2000 S.14 u. ABl.NRW. 1 S.190 = BASS 2007/2008 u. BASS 2008/2009 21-24 Nr.6). Für die Er-stat­tung er­rech­nen sich da­nach zunächst die fol­gen­den Beträge: 4 Über­nach­tun­gen x 12,00 € = 48,00 €; 4 o. 5 Auf­wands­vergütun­gen/Ka­len­der­tag x 14,00 € = 56,00 € bzw. 70,00 €; in der Sum­me al­so 104,00 € oder 118,00 €. Der Preis von 24,50 € für den Be­such des Mu­si­cals „Ma­ma Mia" ist gemäß § 9 Abs.1 LRKG NW als Ne­ben­kos­ten­er­stat­tung für not­wen­di­ge Aus­la­gen zur Er­le­di­gung des Dienst­geschäfts ge­schul­det; es gehörte zu den Dienst­pflich­ten der Kläge­rin ih­re Schüle­rin­nen und Schüler bei dem Mu­si­cal-Be­such in B1 zu be­treu­en und zu be­auf­sich­ti­gen. Als Rest­be­trag er­gibt sich als Fahrt­kos­ten­an­teil im Pau­schal­preis des Rei­se­ver­an­stal­ters die Sum­me von 106,00 € oder 92,00 €. Bei­de Beträge sind für ei­ne Hin- und Rück­fahrt mit dem Bus von A1 nach B1 an­ge­mes­sen. Auch das be­klag­te Land hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung erklärt, dass ge­gen die Einschätzung der Kam­mer, dass der ein­ge­for­der­te Be­trag an­ge­mes­sen ist, kei­ne Be­den­ken er­ho­ben wer­den. Abzüglich des be­reits ge­leis­te­ten Er­stat­tungs­be­tra­ges von 28,45 € sind an die Kläge­rin ins­ge­samt wei­te­re 206,50 € aus­zu­zah­len. Die Ver­zin­sung die­ses Be­tra­ges schul­det das be­klag­te Land gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs.1, 247 BGB. Da die Ar­beits­ge­rich­te nicht mit Ver­bind­lich­keit über steu­er­recht­li­che Fra­gen ent­schei­den, ist der zu zah­len­de Be­trag nicht „net­to" ti­tu­liert wor­den son­dern dem Rechts­grund ent­spre­chend als „Rei­se­kos­ten­er­stat­tung".

3. Die Kos­ten­ent­schei­dung fußt auf § 91 Abs.1 ZPO. We­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der ent­schie­de­nen Rechts­fra­ge hat die Kam­mer gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­sen.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der kla­gen­den Par­tei

RE­VISION

ein­ge­legt wer­den.

Für die be­klag­te Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

 

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Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Fax: 0361 2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

Lim­berg

Rath

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