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BGH, Ur­teil vom 20.12.2007, III ZR 144/07

   
Schlagworte: Wahlarztvertrag
   
Gericht: Bundesgerichtshof
Aktenzeichen: III ZR 144/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.12.2007
   
Leitsätze:

a) Klauseln in einer formularmäßigen Wahlleistungsvereinbarung, durch die die einem Wahlarzt obliegende Leistung im Fall seiner Verhinderung durch einen Vertreter erbracht werden darf, sind nur wirksam, wenn sie auf die Fälle beschränkt sind, in denen die Verhinderung im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststeht und wenn als Vertreter der namentlich benannte ständige ärztliche Vertreter im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 3 und 4, § 5 Abs. 5 GOÄ bestimmt ist.

b) Wird eine Stellvertretervereinbarung im Wege der Individualabrede geschlossen, bestehen gegenüber dem Patienten besondere Aufklärungspflichten, bei deren Verletzung dem Honoraranspruch des Wahlarztes der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht.

c) Danach ist der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten und ihm das Angebot zu unterbreiten, dass an dessen Stelle ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt. Weiter ist der Patient über die alternative Option zu unterrichten, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlung von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen. Ist die jeweilige Maßnahme bis zum Ende der Verhinderung des Wahlarztes verschiebbar, ist dem Patienten auch dies zur Wahl zu stellen.

d) Die Vertretervereinbarung unterliegt der Schriftform.

Vorinstanzen: Landgericht Hamburg, Urteil vom 20.04.2007, 309 S 272/05
Arbeitsgericht Hamburg-St. Georg, Urteil vom 22.09.2005, 914 C 133/05
   

BUN­DES­GERICH­TSHOF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

III ZR 144/07

Verkündet am: 20. De­zem­ber 2007

K i e f e r Jus­tiz­an­ge­stell­ter als Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

in dem Rechts­streit

BGH, Ur­teil vom 20. De­zem­ber 2007 - III ZR 144/07 - 

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Der III. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 15. No­vem­ber 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter Schlick, die Rich­ter Dörr, Dr. Herr­mann, Wöstmann und die Rich­te­rin Hars­dorf-Geb­hardt

für Recht er­kannt:

Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Land­ge­richts Ham­burg, Zi­vil­kam­mer 9, vom 20. April 2007 auf­ge­ho­ben.

Die Sa­che wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­rechts­zugs, an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen

Tat­be­stand

Der Kläger ist li­qui­da­ti­ons­be­rech­tig­ter Chef­arzt der Ab­tei­lung für All­ge­mein­chir­ur­gie des Uni­ver­sitätskli­ni­kums H. Die - im Lau­fe des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens ver­stor­be­ne - Be­klag­te war Pri­vat­pa­ti­en­tin und be­fand sich, nach­dem sie zunächst in ei­ner an­de­ren Ein­rich­tung des Kli­ni­kums auf­ge­nom­men wor­den war, vom 2. bis zum 28. Au­gust 2001 in sta­ti­onärer Be­hand­lung in der Ab­tei­lung. Sie schloss mit dem Kli­ni­kum ei­ne schrift­li­che Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung. Da der Kläger am 3. Au­gust 2001, dem Tag an dem die Be­klag­te ope­riert wer­den soll­te, ur­laubs­ab­we­send war, un­ter­zeich­ne­te sie am Vor­tag ei­nen mit ein­zel­nen hand­schrift­li­chen Ein­trägen ver­se­he­nen Vor­druck, der mit "Schrift­li­che Fi­xie­rung der Stell­ver­tre­ter­ver­ein­ba­rung vom 02.08." über-

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schrie­ben ist. Die­ser enthält die Fest­stel­lung, die Be­klag­te sei über die Ver­hin­de­rung des Klägers und den Grund hierfür un­ter­rich­tet wor­den. Wei­ter­hin sei sie, da die Ver­schie­bung der Ope­ra­ti­on me­di­zi­nisch nicht ver­tret­bar sei, darüber be­lehrt wor­den, dass sie die Möglich­kei­ten ha­be, sich oh­ne Wahl­arzt­ver­ein­ba­rung wie ein "nor­ma­ler" Kas­sen­pa­ti­ent oh­ne Zu­zah­lung von dem je­weils dienst­ha­ben­den Arzt be­han­deln oder sich von dem Ver­tre­ter des Klägers, Ober­arzt Dr. B. , zu den Be­din­gun­gen des Wahl­arzt­ver­trags un­ter Bei­be­hal­tung des Li­qui­da­ti­ons­rechts des Klägers ope­rie­ren zu las­sen. In dem For­mu­lar ist die zwei­te Al­ter­na­ti­ve an­ge­kreuzt.

Die vom Kläger für die durch den Ober­arzt Dr. B. aus­geführ­te Ope­ra­ti­on er­stell­te Rech­nung be­glich die Be­klag­te nur teil­wei­se.

Die auf Aus­glei­chung des Rest­be­trags ge­rich­te­te Kla­ge hat das Amts­ge­richt ab­ge­wie­sen. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Klägers ist er­folg­los ge­blie­ben. Mit sei­ner vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt er sei­nen An­spruch wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an die Vor­in­stanz.

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I.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat aus­geführt, die Stell­ver­tre­ter­ver­ein­ba­rung, die nicht in­di­vi­du­ell aus­ge­han­delt wor­den und da­her als All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung zu be­trach­ten sei, sei gemäß dem für den Streit­fall noch maßge­ben­den § 10 Nr. 4 AGBG un­wirk­sam, weil sie auch die Fälle ei­ner vor­her­seh­ba­ren Ver­hin­de­rung des Chef­arz­tes ein­sch­ließe. Er­fas­se die Klau­sel je­de Ver­hin­de­rung und er­folg­ten die Be­treu­ung so­wie die Be­hand­lung durch die­je­ni­gen Ärz­te, die die­se auch bei nicht ver­ein­bar­ter Wahl­leis­tung durch­geführt hätten, ent­fal­le der Sinn der Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung.

II.

Dies hält der recht­li­chen Nach­prüfung nicht stand. Ein An­spruch des Klägers ge­gen die Er­ben der Be­klag­ten auf Zah­lung des in Rech­nung ge­stell­ten Ho­no­rars (§ 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB) kann nicht mit den Erwägun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts aus­ge­schlos­sen wer­den.

1. Der Arzt, der ge­genüber ei­nem Pa­ti­en­ten aus ei­ner Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung ver­pflich­tet ist, muss sei­ne Leis­tun­gen gemäß § 613 Satz 1 BGB grundsätz­lich selbst er­brin­gen. Nach die­ser Be­stim­mung hat der zur Dienst­leis­tung Ver­pflich­te­te die Diens­te im Zwei­fel in Per­son zu er­brin­gen. Dies ist auch und ge­ra­de bei der Ver­ein­ba­rung ei­ner so­ge­nann­ten Chef­arzt­be­hand­lung der Fall. Der Pa­ti­ent schließt ei­nen sol­chen Ver­trag im Ver­trau­en auf die be­son­de­ren Er­fah­run­gen und die her­aus­ge­ho­be­ne me­di­zi­ni­sche Kom­pe­tenz des von ihm aus­gewähl­ten Arz­tes, die er sich in Sor­ge um sei­ne Ge­sund­heit ge­gen Ent­rich­tung ei­nes zusätz­li­chen Ho­no­rars für die Heil­be­hand­lung si­chern will (z.B. Se-

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nats­ur­teil vom 19. Fe­bru­ar 1998 - III ZR 169/97 - NJW 1998, 1778, 1779; OLG Düssel­dorf NJW 1995, 2421; OLG Hamm NJW 1995, 794; OLG Karls­ru­he NJW 1987, 1489; Bier­mann/Ul­sen­hei­mer/Weißau­er NJW 2001, 3366, 3367; dies. Me­dR 2000, 107, 110; Mie­bach/Patt NJW 2000, 3377, 3379; Uleer/Mie-bach/Patt, Die Ab­rech­nung von Arzt- und Kran­ken­haus­leis­tun­gen, 3. Aufl., 2006, § 4 GOÄ Rn. 54 a.E.). Die grundsätz­li­che Pflicht des Wahl­arz­tes zur persönli­chen Be­hand­lung hat ih­re gebühren­recht­li­che Ent­spre­chung in § 4 Abs. 2 Satz 1 der Gebühren­ord­nung für Ärz­te (GOÄ) in der Neu­fas­sung vom 9. Fe-bru­ar 1996 (BGBl. I S. 210). Da­nach kann der Arzt Gebühren nur für selbständi­ge ärzt­li­che Leis­tun­gen be­rech­nen, die er selbst er­bracht hat oder die un­ter sei­ner Auf­sicht nach fach­li­cher Wei­sung er­bracht wur­den; al­ler­dings darf er ein­fa­che ärzt­li­che und sons­ti­ge me­di­zi­ni­sche Ver­rich­tun­gen de­le­gie­ren. Dem­zu­fol­ge muss der Wahl­arzt die sei­ne Dis­zi­plin prägen­de Kern­leis­tung persönlich und ei­genhändig er­brin­gen. Ins­be­son­de­re muss der als Wahl­arzt ver­pflich­te­te Chir­urg die ge­schul­de­te Ope­ra­ti­on grundsätz­lich selbst durchführen (z.B. LG Bonn, Ur­teil vom 4. Fe­bru­ar 2004 - 5 S 207/03 - ju­ris Rn. 10; LG Aa­chen VersR 2002, 195, 196; Jan­sen Me­dR 1999, 555; Ka­lis VersR 2002, 23, 24; Kuh­la NJW 2000, 841, 842; Mie­bach/Patt aaO).

2. Über die De­le­ga­ti­on nach­ge­ord­ne­ter Auf­ga­ben hin­aus darf der Wahl­arzt im Fall sei­ner Ver­hin­de­rung je­doch auch die Ausführung sei­ner Kern­leis­tun­gen auf ei­nen Stell­ver­tre­ter über­tra­gen, so­fern er mit dem Pa­ti­en­ten ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung wirk­sam ge­trof­fen hat. Die Gebühren­ord­nung für Ärz­te schließt sol­che Ver­ein­ba­run­gen nicht aus. Viel­mehr er­gibt der Um­kehr­schluss aus § 2 Abs. 3 Satz 2, § 4 Abs. 2 Satz 3 und § 5 Abs. 5 GOÄ, dass der Wahl­arzt un­ter Berück­sich­ti­gung der dar­in be­stimm­ten Be­schränkun­gen des Gebühren­an­spruchs Ho­no­rar auch für Leis­tun­gen ver­lan­gen kann, de­ren Er­brin­gung er nach Maßga­be des all­ge­mei­nen Ver­trags­rechts wirk­sam ei­nem Ver­tre­ter

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über­tra­gen hat. Der Ver­ord­nungs­ge­ber woll­te mit § 4 Abs. 2 Satz 3 GOÄ die Ver­tre­tungsmöglich­kei­ten nur für die dar­in be­stimm­ten ein­zel­nen Leis­tun­gen auf den ständi­gen ärzt­li­chen Ver­tre­ter des Wahl­arz­tes be­schränken. In al­len an­de­ren Fällen soll­te "ei­ne wei­ter­ge­hen­de Ver­tre­tung durch je­den be­lie­bi­gen Arzt in den Gren­zen des Ver­trag­rechts zulässig" sein (Bun­des­rats­be­schluss vom 3. No­vem­ber 1995, BR-Drucks. 688/95, S. 6). Den li­qui­da­ti­ons­be­rech­tig­ten Ärz­ten soll­ten die­se Ver­tre­tungsmöglich­kei­ten er­hal­ten blei­ben (aaO). In den Fällen, in de­nen der Wahl­arzt hier­von Ge­brauch macht, kommt al­ler­dings nach § 5 Abs. 5 GOÄ nicht der vol­le Gebühren­rah­men zur An­wen­dung.

a) Ei­ne wirk­sa­me Ver­tre­ter­re­ge­lung enthält die zwi­schen dem Kläger und der Be­klag­ten ge­schlos­se­ne Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung nicht. Zwar ist in dem Vor­druck vor­ge­se­hen, dass "im Ver­hin­de­rungs­fall ... die Auf­ga­ben des li­qui­da­ti­ons­be­rech­tig­ten Arz­tes sei­ne Stell­ver­tre­tung" über­nimmt. Die­se Klau­sel ist je­doch nach dem gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB auf den Streit­fall noch an­wend­ba­ren § 10 Nr. 4 AGBG (jetzt: § 308 Nr. 4 BGB) un­wirk­sam. Da­nach ist ei­ne for­mu­larmäßige Ver­ein­ba­rung ei­nes Rechts des Ver­wen­ders, die ver­spro­che­ne Leis­tung zu ändern oder von ihr ab­zu­wei­chen, nur wirk­sam, wenn die­se Ände­rung un­ter Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­wen­ders für sei­nen Ver­trags­part­ner zu­mut­bar ist. Dies ist bei ei­ner Klau­sel wie der vor­lie­gen­den schon des­halb nicht gewähr­leis­tet, weil sie nach der maßgeb­li­chen kun­den­feind­lichs­ten Aus­le­gung (vgl. hier­zu z.B.: BGHZ 158, 149, 155; Se­nats­ur­tei­le vom 11. Ok­to­ber 2007 - III ZR 63/07 - Rn. 25 und vom 23. Ja­nu­ar 2003 - III ZR 54/02 - NJW 2003, 1237, 1238 jew. m.w.N.) auch die Kon­stel­la­tio­nen er­fasst, in de­nen die Ver­hin­de­rung des Wahl­arz­tes be­reits zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses der Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung fest­steht. In die­sen Fall­ge­stal­tun­gen kann die Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung von An­be­ginn ih­ren Sinn nicht erfüllen. Die von dem Pa­ti­en­ten mit dem Ab­schluss ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung be­zweck­te Si-

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che­rung der be­son­de­ren Er­fah­rung und der her­aus­ge­ho­be­nen Sach­kun­de des Wahl­arz­tes für die Heil­be­hand­lung ist be­reits zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses ob­jek­tiv unmöglich. Die Klau­sel läuft in die­sen Fällen auf die Ände­rung des we­sent­li­chen In­halts des Wahl­arzt­ver­trags hin­aus, was im We­ge von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen, auch un­ter Berück­sich­ti­gung von § 307 Abs. 2 BGB (für den Streit­fall noch § 9 Abs. 2 AGBG), un­zu­mut­bar ist (OLG Stutt­gart OLGR 2002, 153; OLG Hamm NJW 1995, 794; LG Bonn, Ur­teil vom 4. Fe­bru­ar 2004 - 5 S 207/03 - ju­ris Rn. 12; Ku­bis NJW 1989, 1512, 1515; Mie-bach/Patt NJW 2000, 3377, 3383; im Er­geb­nis auch OLG Karls­ru­he NJW 1987, 1489; Bier­mann/Ul­sen­hei­mer/Weißau­er Me­dR 2000, 107, 111 f; wohl auch Kuh­la NJW 2000, 841, 844). Zulässig ist des­halb nur ei­ne Klau­sel, in der der Ein­tritt ei­nes Ver­tre­ters des Wahl­arz­tes auf die Fälle be­schränkt ist, in de­nen des­sen Ver­hin­de­rung im Zeit­punkt des Ab­schlus­ses der Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung nicht be­reits fest­steht, et­wa weil die Ver­hin­de­rung (Krank­heit, Ur­laub etc.) selbst noch nicht ab­seh­bar oder weil noch nicht be­kannt ist, dass ein be­stimm­ter ver­hin­der­ter Wahl­arzt, auf den sich die Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 BPflV (ab 1. Ja­nu­ar 2005: § 17 Abs. 3 Satz 1 des Ge­set­zes über die Ent­gel­te für voll- und teil­sta­ti­onäre Kran­ken­haus­leis­tun­gen - KHEntgG - vom 23. April 2002, BGBl. I S. 1412, 1422) er­streckt, zur Be­hand­lung hin­zu ge­zo­gen wer­den muss.

Über­dies ist ei­ne Stell­ver­tre­ter­ver­ein­ba­rung in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen nach § 308 Nr. 4 BGB nur wirk­sam, wenn dar­in als Ver­tre­ter der ständi­ge ärzt­li­che Ver­tre­ter im Sin­ne des § 4 Abs. 2 Satz 3 und 4, § 5 Abs. 5 GOÄ be­stimmt ist. Aus den ge­nann­ten Vor­schrif­ten der Gebühren­ord­nung für Ärz­te geht her­vor, dass die­ser Ver­tre­ter in gebühren­recht­li­cher Hin­sicht dem Wahl­arzt an­genähert ist, weil er nach Dienst­stel­lung und me­di­zi­ni­scher Kom­pe­tenz kon­ti­nu­ier­lich in en­gem fach­li­chen Kon­takt mit dem li­qui­da­ti­ons­be­rech­tig­ten

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Kran­ken­haus­arzt steht und des­halb da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass er je­der­zeit voll in die Be­hand­lungs­ge­stal­tung des Wahl­arz­tes ein­ge­bun­den ist (Lang/Schäfer/Sti­el/Vogt, Der GOÄ-Kom­men­tar, 1996, § 4 Rn. 23). Aus die­sem Grun­de ist sein Tätig­wer­den für den Wahl­leis­tungs­pa­ti­en­ten we­der über­ra­schend noch un­zu­mut­bar. Bei an­de­ren Ärz­ten ist dies bei der not­wen­di­gen ge­ne­ra­li­sie­ren­den Be­trach­tungs­wei­se nicht gewähr­leis­tet, wes­halb ei­ne wei­ter­ge­hen­de Ver­tre­ter­klau­sel - eben­falls un­ter Berück­sich­ti­gung von § 307 Abs. 2 BGB - un­zu­mut­bar ist.

Der ständi­ge ärzt­li­che Ver­tre­ter muss wei­ter­hin na­ment­lich be­nannt sein (Lang/Schäfer/Sti­el/Vogt aaO Rn. 24; Uleer/Mie­bach/Patt, Ab­rech­nung von Arzt- und Kran­ken­haus­leis­tun­gen, 3. Aufl., § 4 GOÄ Rn. 89 f). Dies er­gibt sich eben­falls aus § 5 Abs. 5 GOÄ. Da­nach steht dem Wahl­arzt hin­sicht­lich der Gebührenhöhe nur der aus­drück­lich be­nann­te ständi­ge ärzt­li­che Ver­tre­ter gleich. Dies ist Aus­fluss ei­ner all­ge­mei­nen Wer­tung, die auf die Be­ur­tei­lung der Zu­mut­bar­keit ei­ner All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gung im Sin­ne des § 308 Nr. 4 BGB zu über­tra­gen ist. Auch in die­ser Hin­sicht genügt die Klau­sel in der mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung nicht den An­for­de­run­gen.

b) Die Par­tei­en ha­ben je­doch mit der "Schrift­li­chen Fi­xie­rung ei­ner Stell­ver­tre­ter­ver­ein­ba­rung" ei­ne wirk­sa­me Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen, auf­grund der der Kläger von sei­ner Pflicht zur persönli­chen Ausführung der Ope­ra­ti­on be­freit wur­de und statt sei­ner - un­ter Auf­recht­er­hal­tung sei­ner Li­qui­da­ti­ons­be­fug­nis - Ober­arzt Dr. B. tätig wer­den durf­te.

aa) Der Wahl­arzt kann sich durch ei­ne In­di­vi­du­al­ver­ein­ba­rung mit dem Pa­ti­en­ten von sei­ner Pflicht zur persönli­chen Leis­tung be­frei­en und de­ren Ausführung ei­nem Stell­ver­tre­ter über­tra­gen (z.B.: OLG Düssel­dorf NJW-RR 1998,

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1348, 1350; LG Bonn aaO Rn. 13; LG Aa­chen VersR 2002, 195, 196; Bier­mann/Ul­sen­hei­mer/Weißau­er aaO, S. 112; Ka­lis VersR 2002, 23, 26; Ku­bis NJW 1989, 1512, 1514; Kuh­la aaO S. 845 f; Mie­bach/Patt aaO S. 3384 f).

(1) Da sich der Pa­ti­ent oft­mals - wie auch hier - in der be­drängen­den Si­tua­ti­on ei­ner schwe­ren Sor­ge um sei­ne Ge­sund­heit oder gar sein Über­le­ben be­fin­det und er da­her zu ei­ner ru­hi­gen und sorgfälti­gen Abwägung viel­fach nicht in der La­ge sein wird, be­ste­hen ihm ge­genüber nach Treu und Glau­ben (§ 242 BGB, sie­he fer­ner § 241 Abs. 2 BGB n.F.) vor Ab­schluss ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung aber be­son­de­re Aufklärungs­pflich­ten (LG Bonn aaO Rn. 21; LG Aa­chen aaO; Bier­mann/Ul­sen­hei­mer/Weißau­er NJW 2001, 3366, 3369; Ka­lis aaO), bei de­ren Ver­let­zung dem Ho­no­raran­spruch des Wahl­arz­tes der Ein­wand der un­zulässi­gen Rechts­ausübung ent­ge­gen steht (Ka­lis aaO).

Da­nach ist der Pa­ti­ent so früh wie möglich über die Ver­hin­de­rung des Wahl­arz­tes zu un­ter­rich­ten und ihm das An­ge­bot zu un­ter­brei­ten, dass an des­sen Stel­le ein be­stimm­ter Ver­tre­ter zu den ver­ein­bar­ten Be­din­gun­gen die wahlärzt­li­chen Leis­tun­gen er­bringt (LG Bonn, LG Aa­chen, Bier­mann/Ul­sen­hei­mer/ Weißau­er und Ka­lis jew. aaO; a.A.: Mie­bach/Patt aaO, die ver­lan­gen, dass der Wahl­arzt an­bie­ten muss, die ver­ein­bar­te Dienst­leis­tung doch noch zu er­brin­gen). Soll die Ver­tre­ter­ver­ein­ba­rung im un­mit­tel­ba­ren Zu­sam­men­hang mit dem Ab­schluss des Wahl­leis­tungs­ver­trags ge­trof­fen wer­den, ist der Pa­ti­ent auf die­se ge­son­dert aus­drück­lich hin­zu­wei­sen. Er ist in der oh­ne­hin psy­chisch be­las­ten­den Si­tua­ti­on der Auf­nah­me in das Kran­ken­haus be­reits mit der um­fang­rei­chen Lektüre der schrift­li­chen Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung und der in die­sem Zu­sam­men­hang not­wen­di­gen Be­leh­run­gen be­fasst (vgl. z.B. Se­nats­ur­tei­le BGHZ 157, 87, 95; vom 8. Ja­nu­ar 2004 - III ZR 375/02 - NJW 2004, 686, 687 und vom 22. Ju­li 2004 - III ZR 355/03 - NJW-RR 2004, 1428; § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV;

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seit 1. Ja­nu­ar 2005: § 17 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG). Dies be­gründet die nicht un­er­heb­li­che Ge­fahr, dass er der Ver­tre­ter­ver­ein­ba­rung, die der durch die Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung er­weck­ten Er­war­tung, durch den Wahl­arzt be­han­delt zu wer­den, wi­der­spricht, nicht die not­wen­di­ge Auf­merk­sam­keit zu­kom­men lässt.

Wei­ter ist der Pa­ti­ent über die al­ter­na­ti­ve Op­ti­on zu un­ter­rich­ten, auf die In­an­spruch­nah­me wahlärzt­li­cher Leis­tun­gen zu ver­zich­ten und sich oh­ne Zu­zah­lung von dem je­weils dienst­ha­ben­den Arzt be­han­deln zu las­sen. Ein noch­ma­li­ger Hin­weis, dass er auch in die­sem Fall die me­di­zi­nisch not­wen­di­ge Ver­sor­gung durch hin­rei­chend qua­li­fi­zier­te Ärz­te erhält, ist nicht er­for­der­lich, da ei­ne sol­che Be­leh­rung be­reits vor Ab­schluss der Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung er­teilt wer­den muss (vgl. z.B. Se­nats­ur­tei­le BGHZ, vom 8. Ja­nu­ar 2004 und vom 22. Ju­li 2004 jew. aaO). Ist die je­wei­li­ge Maßnah­me bis zum En­de der Ver­hin­de­rung des Wahl­arz­tes ver­schieb­bar, so ist dem Pa­ti­en­ten auch dies zur Wahl zu stel­len.

Ent­ge­gen der wohl von Ka­lis (aaO) ver­tre­te­nen Auf­fas­sung ist es aber nicht not­wen­dig, den Pa­ti­en­ten ei­gens aus­drück­lich darüber auf­zuklären, dass der Wahl­arzt auch für die Be­hand­lung durch den Stell­ver­tre­ter li­qui­da­ti­ons­be­rech­tigt ist. Ist der Pa­ti­ent über die Op­ti­on in­for­miert, sich oh­ne ge­son­der­tes Ho­no­rar im Rah­men der all­ge­mei­nen Kran­ken­haus­leis­tun­gen be­han­deln zu las­sen, und ent­schei­det er sich gleich­wohl für die In­an­spruch­nah­me der wahlärzt­li­chen Leis­tun­gen durch den Ver­tre­ter zu den ver­ein­bar­ten Be­din­gun­gen, muss ihm - je­den­falls wenn die not­wen­di­ge Un­ter­rich­tung vor Ab­schluss der Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung er­folgt ist - von sich aus klar sein, dass er hierfür auch das für den Wahl­arzt an­fal­len­de Ho­no­rar zah­len muss. Ob der An­spruch in der Per­son des Wahl­arz­tes ent­steht, in der sei­nes Ver­tre­ters oder in der ei­nes Drit­ten,

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ist für die Ent­schei­dung des Pa­ti­en­ten über den Ab­schluss der Stell­ver­tre­ter-ver­ein­ba­rung ob­jek­tiv nicht von Be­deu­tung.

Nicht er­for­der­lich ist wei­ter, dass der Wahl­arzt selbst den Pa­ti­en­ten aufklärt (LG Bonn aaO; a.A.: LG Aa­chen und Ka­lis aaO). Die­ser benötigt, um über die An­nah­me des An­ge­bots auf Ab­schluss ei­ner Stell­ver­tre­ter­ver­ein­ba­rung auf ei­ner aus­rei­chen­den Grund­la­ge zu ent­schei­den, nur die Kennt­nis der vor­ge­nann­ten Tat­sa­chen. Auf die be­son­de­ren Er­fah­run­gen und die Fach­kun­de sei­nes Wahl­arz­tes ist er für de­ren sach­ge­rech­te Be­ur­tei­lung nicht an­ge­wie­sen.

(2) Wei­ter­hin muss die Ver­tre­ter­ver­ein­ba­rung schrift­lich ge­schlos­sen wer­den (OLG Düssel­dorf NJW-RR 1998, 1347, 1350, Bier­mann/Ul­sen­hei­mer/ Weißau­er NJW 2001, 3366, 3368, Kuh­la NJW 2000, 841, 846; Ku­bis NJW 1989, 1512, 1514), da sie ei­nen Ver­trag be­inhal­tet, durch den die Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung geändert wird, für die gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG (für den Streit­fall noch § 22 Abs. 2 Satz 1 BPflV) das Schrift­for­mer­for­der­nis gilt.

bb) Die von der Be­klag­ten un­ter­zeich­ne­te "Schrift­li­che Fi­xie­rung der Stell­ver­tre­ter­ver­ein­ba­rung" enthält ei­ne In­di­vi­dua­la­b­re­de, die den vor­ste­hen­den An­for­de­run­gen genügt.

(1) Die Ver­ein­ba­rung un­ter­liegt, ob­gleich sie in ei­nem For­mu­lar ent­hal­ten ist, nicht der In­halts­kon­trol­le nach §§ 9 bis 11 AGBG (jetzt: § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308 und 309 BGB). All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen, die die­ser Kon­trol­le un­ter­wor­fen sind, lie­gen nicht vor, so­weit die Ver­trags­re­ge­lun­gen im Ein­zel­nen aus­ge­han­delt sind (§ 1 Abs. 2 AGBG, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). Die "Schrift­li­che Fi­xie­rung" ist aus­ge­han­delt wor­den. Hierfür kommt es ent­ge­gen dem Verständ­nis des Be­ru­fungs­ge­richts nicht dar­auf an, ob die Ver­trags­par­tei­en über

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den Text der Klau­seln ver­han­delt ha­ben. Viel­mehr kann auch ei­ne vor­for­mu­lier­te Ver­trags­be­din­gung aus­ge­han­delt sein, wenn sie der Ver­wen­der als ei­ne von meh­re­ren Al­ter­na­ti­ven an­bie­tet, zwi­schen de­nen der Ver­trags­part­ner die Wahl hat (BGHZ 153, 148, 151). Er­for­der­lich ist, dass er durch die Aus­wahlmöglich­keit den Ge­halt der Re­ge­lung mit ge­stal­ten kann und die Wahl­frei­heit nicht durch Ein­fluss­nah­me des Ver­wen­ders, sei es durch die Ge­stal­tung des For­mu­lars, sei es in an­de­rer Wei­se über­la­gert wird (vgl. BGH aaO m.w.N.; Ul­mer in Ul­mer/Brand­ner/Hen­sen, AGB-Recht, 10. Aufl., 2006, § 305 BGB Rn. 53a). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind hier erfüllt, da die "Schrift­li­che Fi­xie­rung" dem Pa­ti­en­ten meh­re­re Hand­lungs­op­tio­nen zur Wahl stellt (Ver­zicht auf die wahlärzt­li­che Be­hand­lung, Be­hand­lung durch den Ver­tre­ter zu den Be­din­gun­gen der Wahl­leis­tungs­ver­ein­ba­rung und ge­ge­be­nen­falls Ver­schie­bung der Ope­ra­ti­on) und ei­ne Be­ein­flus­sung des Pa­ti­en­ten, sich für ei­ne der Va­ri­an­ten zu ent­schei­den, nicht er­kenn­bar ist

(2) In­halt­lich genügt die "Schrift­li­che Fi­xie­rung" den An­for­de­run­gen. Ins­be­son­de­re enthält sie al­le not­wen­di­gen Hin­wei­se, die für die ord­nungs­gemäße Aufklärung des Wahl­leis­tungs­pa­ti­en­ten er­for­der­lich sind (vgl. oben aa (1)). Sie wahrt zu­dem die Schrift­form (sie­he oben aa (2)). Über­dies ist die Be­klag­te je­den­falls auch münd­lich über den Ver­tre­tungs­fall und den be­ab­sich­tig­ten Ein­tritt des Ober­arz­tes Dr. B. un­ter­rich­tet wor­den.

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3. Die Sa­che ist noch nicht zur End­ent­schei­dung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), da die Be­klag­te wei­te­re Ein­wen­dun­gen ge­gen die Kla­ge­for­de­rung er­ho­ben hat, mit de­nen sich das Be­ru­fungs­ge­richt - von sei­nem Rechts­stand­punkt aus fol­ge­rich­tig - noch nicht be­fasst hat.

Schlick Dörr Herr­mann Wöstmann Hars­dorf-Geb­hardt



 

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